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Sonntag. 6en SV. September Der Ruhreisenbahner Abschied Da die aus dem Ruhrgebiet vertriebenen Eisen bahner voraussichtlich schon in kurzer Zeit in ihre Heimat zurückkehren werden, veranstalteten di« im Direktionsbezirk Halle und rgebrachten Eisen- bahner und ihre Familienangehörigen eine Ab schieds fei er, die mit der Besichtigung des Reichsgericht sgebiude» ihren An fang nahm. Reich-'gerichtspräs ident Dr. Simons begrüßte in dcr großen Halle die zu mehreren Hunderten Erschienenen. Der Redner wies kurz hin auf jene Zeit, in der das Gebäude errichtet wurde und stellte den fröhlichen Bildern jener Tage die trübe Gegenwart gegenüber. „Wir können/ so führte der Reichsgerichtspräsident aus, ..eine Erschütterung des Rechtes nach Innen und nach Außen feststellen. Letztere hoben Sie zum Leidwesen des gesamten deutschen Belkes am eigenen Leibe erfahren müssen. Wenn Sie nun in Ihre Heimat zurückkehren können, der Tag Ihrer Heimkehr wird nicht in allzu weiter Ferne liegen —, dann werden Sie wohl noch unter den Verhältnissen, die in Ih^er Heimat herrschen, leiden müssen/ Mit dem Ausdruck der vofnnng, daß die Eisen bahner, zurückgekehrt in ihre Dienststellen, wieder dem Gesamtwohl dienen mürben, schloß Dr. Si- w o u « seine Ansprache. Alsdann erfolgte die Be sichtigung des Gebäudes. Hieran schloß sich ein Be- such des G r a s s i m u s c u m s und des Neuen Rathauses. Oberbürgermeister D r. Rothe überbrachte den Eisenbahnern die Grüße und Wünsche der Stadt. Den Höhepunkt der Veranstal tung bildete eine Gedächtnis- und Ab- schicdsfeirr in der Ruhmeshalle des Völkerschlachtdenkmals Die Feier be stand aus Orgel-, Chor- und Colirwrträgcn. Der Schluß dcr Abschiedsfeier war ein gemein sames Mittagsmahl im Wartesoal des Hauptbahn hofes. * * Heimkehr der Ruhrklnder. Der Rücktrans port dcr vom Landbund Leipzig in der Amtshaupt mannschaft Leipzig untergebrachten Ruhrkinder (Transport Politt) findet durch Sonderzug am 2. Oktober, nachmittaas 6.55 Uhr ab Hauptbahnhof Leipzig statt. Die Pfleqeeltern wollen dafür sorgen, daß sämtliche Kinder spätestens 6 Uhr im Verbin dungsgange zwischen Ost- und Westhalle (unten an den GepäckabfertignngssteÜcn) sich befinden. Die Entsendestcllc Esten (Wohlfahrtsamt) wünscht rest lose Zurücksendung und macht daraus aufmerksam, daß etwa hierbleibende Kinder als vom Wohlfahrts amt Esten gelbst zu betrachten sind, sie scheiden aus der Haftpflichtversicherung und verlieren ebenso den Anspruch auf freie bzw. verbilligte Fahrt. vermischtes Lhewikertagrmg in Jena. In Jena wurde die Hauptversammlung der deutschen Chemiker unter dem Vorsitz von Professor Dr. Ouinckc (Hannover) abgehalten. Bei der Begrüßungsfeier im Großen Volkehaussaal feierte der Vorsitzende die Universität Jena als eine besonders leistungsfähige Pfiegestätte der deutschen Chemie. Professor Dr. Gutbier be grüßte im Namen des Ortsausschusses die An wesenden. Er sprach mit besonderer Genugtuung von dem neu errichteten Laboratorium des chemischen Institutes in Jena, das mit der Hilfe der Regierung und der Karl-Zeiß-Stiftung fertiggestellt wurde. Außerdem sprachen nach Direktor Dr. Henkel und als Vertreter der Karl-Zeiß- Stiftung Dr. Max Ziffer und ein Regierungs vertreter. Den ersten Vortrag hielt dcr vorjährige Empfänger der Denkmünze des Vereins deutscher Chemiker, Professor Dr. Neuberg-Berlin, über das chemische Problem dcr Gärung. Devifenrazzia in Kastel. Beamte des Devisen. Kommissars haben in Kastel Nozzien veranstaltet. Wo sie ausländische Zahlungsmittel vermuteten, drangen sie urplötzlich ein und nahmen Durchsuchungen vor. Auch nach Wildungen begab sich eine Kommission. Wie es heißt, ist das Ergebnis auf mehrere Billionen zu beziffern. Die Berliner städtischen Berke. Die Verband- lunqen zwischen dem Berliner Magistrat »nd der Stadtverordnetenversammlung über die privat wirtschaftliche Umstellung der städtischen Werke stehen setzt vor ihrem vorläufigen Abschluß. Der 'Dcrksauskchuß der Stadtverordnetenversamm lung hat sich für die Bildung einer Aktiengesellschaft entschieden, an dis die städtischen Werke pachtweise überlasten werden sollen. Strittig ist nur noch die Frage, ob die Muttergesellschaft sämtliche städtischen Werke umfassen oder ob Gas, Wasser und Elektrizität in selbständige Tochtergesellschaften zerfallen sollen. In jedem Falle wird die Stadt an der neuen Aktien- Gesellschaft durch laufende Abgaben interessiert sein,, die bei Gas und Master 5, beim elektrischen Strom lO Prozent betragen sollen. Der gute Wille des Stifter». Wie sehr die Stif- tungen und Vermächtnisse durch die katastrophale Geldentwertung in ihrem Erfolg fast völlig ver- nicktet werden, beweist ein neues Vermächtnis an die Stadt Berlin. Der vor kurzem in Wilmersdorf verstorbene Oberbibliothekar Professor Dr. Dafris hat in seinem — natürlich schon.vor längerer auf gesetzten — Testament der städtischen Volksbibliothek 450 000 Mark vermocht. Bezirksamt und Magistrat haben bas Vermächtnis zugunsten der Milmersdorfer Volksbücherei angenommen. Heute ist für diesen Betrag ein Buch überhaupt nicht zu kaufen und kaum noch ein schadhaftes Buch einzubinden. Riga will den Berliner Zoo übernehmen? Wie die „Rigaische Rundschau" erfährt, beabsichtigt eine Rigaer Gesellschaft, den Rigaer Zoologischen Garten wieder aufzubaucn. Es soll die Absicht bestehen, di« Insassen des Berliner Zoologischen Gartens nach Riga zu überführen, da „der wirtschaftliche Zu sammenbruch Deutschland» die Fütterung der Tiere und den Unterhalt des Zoologischen Gartens in Frage stelle". Ein Opfer der Zugspitze? Eine Frau W. aus Schliersee ist von einer Tour, vermutlich nach der Zugspitze, nicht wieder zurückgekehrt. Man nimmt an, daß sie verunglückt ist. Alle Nachforschungen waren bisher erfolglos. Bernhard Shaw al» Apostel der Unsauberkeit. Im November wird Bernhard Shaw über das an ziehende Thema „Das Glück, unsauber zu sein" in London einen Vortrag halten, dem man mit Rücksicht auf den Redner und das Thema mit be greiflicher Spannung entgegensieht. Der vielgenannte paradoxe Dramatiker hat sich einem Berichterstatter gegenüber mit Bezug auf diesen Vortrag in Dorten geäußert, die nur dazu angetan sind, die Neugierde der Oeffentlichkeit noch weiter zu steigern. „Be quemlichkeit und Lebensbehagen find Zivilisation", äußerte sich Shaw, und die Zivilisation ist ein Un- glück und eine Gefahr. Die Zivilisation fordert als unerläßliche Lebensbedingung einen gefüllten Kleider schrank und sorgsame Körperpflege. Die Menschheit aber siecht langsam dahin unter der Last der Klei der und dem übermäßigen Gebrauch von Wasser und Seife. Die Eskimos, die sich der Wohltaten der Zivilisation nicht erfreuen, sind im Grund« da» ge sündeste und glücklichste Volk. De« ,singend« Bogel" fordert Land. Papi- Euanua, der „Gesang des Vogel» im Fluge", der Häuptling der Kikapaos, die im nord mexikanischen Staate Loahuila und im südlichen Texas wohnen, ist an der Spitze einer Deputation im mexikanischen Ministerium des Innern erschie- nen und hat im Namen seines Stammes das Land zurückgefordert, das der w.uße Mann, „der Fremde^ ihnen genommen habe. Wenn die mcxi- konische Regierung dieser Forderung natürlich auch nicht wörtlich entsprechen konnte, so hat sie, da ihr eine Kolonisation durck die jekt nomadisierenden Indianer nur erwünscht ist, doch nicht gezögert, ihnen so reichlich Ackerland zuzusagen, daß der Häuptling hochbefriediqt erklärte, er werd« durch sein Machtwort auch seine landhunqrigen Brüder aus Texas zu sich nach Mexiko beruleu. Der „singende Vogel" scheint also nicht die Absicht zu haben, seins Stimme auch vor dem Völkerbund zu erheben. Unglucksfälle und verbrechen Sin Untersekundaner als Mörder verhaftet Da» Verbrechen an der kleinen Inaclwra Bartkowski aus der Utzlandstrvße 125 in Berlin bat jetzt durch die Verhaftung de» Täters seine Aufklärung gefunden. Schon kurz nach dcr Lat lenkte sich der Verdacht auf dm l7 Jahre alten Untersekundaner Günter Seide!, der im gleichen Hause wohnt. Festgestellt werden konnte ». a. nur, daß er einen Schlagring besaß, mit dem das Verbrechen wohl ausgeführt worben sein konnte; ev war auch kurz nach der Tat ganz auf geregt zu seiner Mutter gekommen. Aus Befragen konnte er keine bestimmte Antwort geben. Der Schüler, ein aufgeweckter junger Mann, leugnete zunächst die Tat ständig, brach aber, al» er von den Kommissaren verhört wurde, zusammen und legte ein Geständnis ob. Die Schilderung des Ver brechens ist zunächst noch unklar; Seidel behauptet, seine starke Sinnlichkeit und die Abwehr des Mädchens hätten ihn zur Tat getrieben. In seiner ungeheuren Erregung habe er dann noch aus Bindfaden eine Schlinge um den Hals des Mädchens geworfen und zugezogcn. Dann s«i er geflüchtet. Sin geheimnisvoller Doppelword bei Kern- mühle ist nunmehr aufgeklärt. Zwei Männer, Renner und Litz, erhielten seit Jahresfrist auf Hcunsterfohrten aus der Kernmühle von den Mühlenburschen Satzinqcr imd Weißenbachzr ge- stohlenes Mehl geliefert. Seit einiger Zeit brachten sie auch den Chauffeur Hausmann mit, der das Mehl mit seinem Motorrad nach Nürnberg schaffen mußte. Vor einigen Wochen verlangte Hausmann von den beiden Mühlenburschcn, sie sollten nur ihm allein Mehl liefern. Darauf schrieb Renner Drohbriefe au die beiden Mühlenburschen. Wegen dieser Drohungen faßten Hausmau n und dir MLHlcnburschen den Plan, Renner und Litz aus dem Wege zu räumen. Sie bestellten die beiden auf Freitag, den 7. September, abends nach der Kernmühke und erschlugen dann gemeinsam zu nächst Litz und schnitten ihm den Hals durch, worauf sie den von der Mordstelle fortgelocktcn Renner auf die gleiche bestialische Art an einem anderen Platze umbrachten. Nach der Tat steckten sie die beiden Leichen in zwei mit Steinen be schwerte Säcke, luden sie auf ein von Nürnberg herbcigebrochtcs Automobil und fuhren zum Reg- nitz, wo sie die beiden Säcke in den Fluß werfen. Die drei Mörder wurden gestern verhaftet. Sic haben sofort ein volles Geständnis abgelegt. I« Gtadtbahuzug beraubt. Ein Hotelier aus Berlin, der in später Abendstunde von Char- lottenburg aus einen Stadtbahnzug benutzte, war eingcschlofcn. Als er am Bahnhof Alcxander- platz erwachte, fehlten ihm außer 500 Millionen Mark Bargeld feine goldene Uhr mit Kette im Verte von über 200 Schweizer Franken. Berliner Kirchenräube-r in Süddeutschlavd. Dis Kriminalpolizei in Frankfurt a. M. verhaftete drei Arbeiter aus Königswusterhauscu bei Berlin, die iü Süddeutschland zahlreick-e katholische K srche n ausgeraubt hatten und auf der Heimreise nach Berlin waren. In dem Besitz der drei Einbrecher fand man noch viele goldene und silberne Geräte und Meßgewänder. Eine freche Räuksrtat. In der Waiderseestraßc in Hamburg erschienen, als sich eine dort wohnende Familie gerade beim Eeffen befand, plötzlich mehrere Räuber mit dem Ruse „Hände hoch!" Die aus acht Personen bestehende Familie wurde gefesselt und in den Keller eingespsrrt. Darauf haben die Räuber die ganze Wohnung ausgeraubt und die Sachen mit einem Auto fortgc hofft. Sie haben bis morgens 4 Uhr gearbeitet. Gestohlen wurden wert volle Juwelen, Teppiche und anderes. Vorher hatten die Räuber die Tclephanverbmdimg durch Zer schneiden der Drähte gestört. Än «t--»ckter MtStmedewrarb Zn Königsberg vurds eine Kastenbotin der Firma BoÜbak L Traun im Hausflur des Geschäftshauses von zwei jungen Leuten überfallen und ihr di« Geldtasche mit 40 Milliard «n Mark Inhalt ge- raubt. Dis Täter hatten in der Reichsbank beob achtet, wie dr» Botin das Geld in ihre Tasche steckte. Bei der sofort oufgenommenen Verfolgung konnten die beiden Räuber angehalten werben. Sin hoffnungsvoller Jüngling. Die Kriminal- i Polizei in Lichtens« l 5 nahm nach einem vergeb lichen Fluchtversuchs aus dem fahrenden Eisenbahn- - zug einen 15jährigen Burschen fest, der in München , einem itlicnischen Ehepaar einen wertvollen Leder koffer mit Inhalt abgesrhwinbelt hatte. Die im Kokser enthaltenen Wecksel über 750 Millionen Mark suchte er mit Hilfe eines Zugschaffners zu ver äußern, dem er als „nobler Mann" zwei Millionen ' für die Vermittlung aushändiqte. Der Bursche ist bereits einer Münchener Firma nach Unterschlagung van Tabakwaren im Werte von 1 Milliarden durch gegangen. Boa Landstreichern ermordet. Der verheiratete Reisende Leonhard Litz aus Nürnberg, der verdäch tig war, den Mechaniker Renner aus Nürnberg er- mordet, beraubt und bei der Gerasmühle in di« Pegnitz versenkt zu haben, ist beim Suchen nach dem Rucksack des getöteten Nenner an derselben Stelle aus der Pegnitz gezogen worden, wo in der vergan genen Wecke Renner aufgefunden worden war. Die Laiche befand sich in einem Sack und rotes zwsi Schnittwunden am Hass auf. Auch er war feiner Barschast beraubt. Man nimmt an, daß beide von einer Hamstertonr heimkehrend im Wald« aus ruhten, eingeschlafen und von Landstreichern er mordet worden sind. B ur Windmühlenftügeln totgedrückt. Der Mühlen- besttzer Schröder in W e d d e n d 0 r f fand auf furcht bare Weise seinen T"d. Er sah während des Gange» das Getriebe seiner Windmühle nach, wurde dabei von einer Welle erfaßt und wie ein Splelball h e r u m g e s ch I c u d e r t. Es waren ihm bald beide Peine und mehrere Rippen gebrochen worden, auch erlitt er andere schwere Verletzungen, dis seinen sofortigen Tod h»rbcifsihrt-n. Im Gerichtssaal berühmt gewordru. Frau Fahmv, die in der Notwehr den ägyptischen Prin zen, mit dem sie vermählt war, ermordet hatte und soeben von den Geschworenen in London frei- ne sprach en wurde hat aus den Rot der Asrzte ihre Abreise nach Varis wegen ihrer Erschöpfung noch verschieben müssen. Sie hat Hunderte von Briefen und Telegrammen erhalten, die sie zu ihrer Freisvrechung beglückwünschen, und ist heute eine Berühmtheit, mit der sich die ganze Welt beschäftigt. Ein Impresario hat ihr denn auch bereits einen Vertrag vorqelegt, um sich diese Zugkraft für eines der großen Varietes von Paris zu sichern. Auch Heiratsanträqe bat Frau Fahmy iu großer Zahl erholten: darunter befindet sich der Antrag eines englischen Hand werkers und e-v» Londoner Photograpknn. Auch von den Verl.'nern wird Frau Fahmy eifrig um- worben, und einem von ihnen ist es auch gelungen, die Dam» zur Niederschrift itzre- Biographie zu be- stimmen, dis demnächst als besonders Sensation in einer englischen Wochenschrift erscheinen wird. Acht Reiscvde verletzt. Freitag abend entgleisten bei der Durchsobrt des non Kremmen kommenden Persmrenzugrs 646 am Bahnhof Heuingsdorf bei Berlin die Zuglokomotive und die nächsten fünf ücrlvn-nwagen Acht Personen wurden verletzt. Die Grubenkatasirophe in Schottland. Nach den letzten aus Schottland e'ngetrvsseven Nachrichten ist zu besürchtcii. daß bei der Grukenkatastrophe in Redding 41 Bergarbeiter ums Leben ge- k 0 m m e n sind D'e Rettunqsarbeiten werden zwar iortgesegt. es ist aber wenig Hoffnung vorhanden, daß noch jemand gerettet werden könnte. Eine der artige Katastrophe ist in diesem Revi-r schon Jahre nicht vargekommen. Unwetter in Tokio und Hotohama. Das Gebiet von Tokio und Pokobama wurde non einem Un wetter hsimgss ncht. Die tisker liegenden Stadtteile sind überschwemmt warben. Dis Loutans des Teufels 3s "Bon S. dieses (Nachdruck verboten.) Kaunr blitzte strahlend die Vision eines Ge- I wandes für die Madonna im Geiste des front- men Weibchens auf als sie auch schon die Argu mente fand, um Don Asialonne zu überzeugen. Zunächst kannte sie sich keine bessere Gelegenheit ! zur 'luswcchssiung oes dürftigen baumwollenen Gewände.; auf dem gebeuedeiten Körper der hei ligsten Maria denken. Ferner konnte es der See'e der Verstorbenen nur von Nutzen sein. ! wenn man sic dauernd dem göttlichen Erbarmen ! vc'gcgenwärtigtc. Und schließlich bließ die Er- i invrung an die empfangene Wohltat immer ! sichidir vor aller Augen, und das war gleichsam eine Pfsicist. So sagt« und tat die Agata, und d? Pfarrer stimmte schließlich zu. Sie begann gli'ct-ich, geheimnisvoll, im verborgenen das aroßc Werk. Wichtig war, daß nichts vor oer Ze/ durchsickertc. Ter festgesetzte Termin sollte im Sentembcr dos Fest zu Ehren der Madonna von Svadaforo sein. Mir Nadeln uuo Schere, mit Maß und Lineal, voller Angst und Verwegenheit versuchte sich die Wirtschafterin des Pfarrers als Schneiderin des Paradiese-; sie entkleidete die Statur der Ma- duma dcr alten Hülle, breitete dieselbe auf dem I rochl'Mft"u Unlerrock au-, um genau die Pro portionen festzusteUcn, und fühlte, daß sie da- dcb^nlettdste Werl ihre- ganzen Lodens ver richtete. Sie schnitt und nähte; batd schien es ibr, als I>abc sie den Gipfel der Vollendung er- reicht, bald war sie angesichts unvorhergesehener Schwierigkeiten niedergeschlagen; aber immer hicit sie jenes neberhafie Gefühl aufrecht welches grosse Schöpfungen begleitet. In der Tat schien die armselige Madonna rc 1 Spadafora nicht mehr dieselbe. Umschloss'N r o-r oem Falte'fluß des herrlichen Stoff« ge wann die ."olzgeltolt, die ein« rohe Hand in Li nien von orcha'st'scher Star:h"'t geschnitzt haft.» in d:u ' i.gcu der beiden naiven Brw/nderer ein pinz t-r deres Ansehen. Die Augen der Agata I Zeuckfteteu in unsäglicher Freude, die ruhigeren, l beherrschteren des Pfarrers verschwanden nuc ab und zu unter den Lidern, als wollten sie dort in sicherem Asi)! diese lachende Farbenfolge von Blau und Rösa vereinigen, diesen Harmonik h.n Wechsel non Streifen und Blumen. ' „Schön! Schön! Dagegen ist nichts zu sogen. Bravo, Agata!" Das war der erste Triumph, aber einen ganz anderen erwartete sich Agata für den Festtag, wenn 300 oder vielleicht 400 Personen mit offe nen! Munde vor dem Meisterwerk stehen würden. Gegen den Brauch wurden am Dovabend des Festes die Dörflerinnen nicht zugelassen, um die Madonna zu bekleiden; die Agata wollte alles selbst tun, um den Effekt der feierlichen Heber- raschung zu vergrößern. Und endlich kam dec Tag; ec rechtfertigte alle Erwartungen der Agata, welche sich dickt am Altar ein verborgenes Plätzchen ausgesucht hatte und immer wieder die Ausrufe des herbeige, strömten Voltes vernahm; sie fühlte in ihrem alt- jüngferlichen Herzen den Rausch einer Mutter, deren schöne Kinder gelobt werden. Unveri'el)ens aber, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wurde ihre Seligkeit gestört; es kniff sie jemand h'ftig in den Arm. „Sind Sie verrückt?" zischte ihr der Spor- düchsenmund der Signora Radegonda ins Ohr. „Man muß direkt den Verstand verloren haben, wenn man unserer Madonna ein Kleid an (egt. von dem man nickt weiß, woi-er es kommt. Wie hat denn Don Assolonnc so etwas erlauben kön nen? Hat man je eine solche Gotteslästerung erlebt?" „Was für eine Gotteslästerung?" murmelte Agata und rieb sich den Arm Sie war plötzlich sehr empört: „Wenn eine gute Seele den Armen ihre Garderobe hinterläßt, so wird «ich die Ma donna ihr Teil in Gnaden empfangen." „Sie ungebildete Person, glauben Sir, daß ich diesen Unterrock nicht erkenne? Daß ich ihn nicht genau angesehen — ich möchte sagen „befragt" — habe? Abe'- Si« wollen nickt begreifen! Wa- können Sie auch verstehen, wo Sie unverlunratet. in Deltdingen unerfahren und nie aus dem Orr hinausgekommen sind!- „ Bei dem halblaut geführten Zank der beiden Frauen begannen die Leute zurückzuweichen, und die Wirtschafterin des Pfarrers, welä)e die Würde der Kirche kompromittiert sah, rief: „Gehen Sie zum Kuckuck!" Das brachte die Wut der Signora Radegonda auf den Gipfel; sie reckte sich auf und rief — ihre Nase war spitzer denn je, drohend erhob sie den Zeigefinger wider ihre Gegnerin —: „Gehen Sie zum Kuckuck, Sie, die die Ma donna mit der Soutane des Teufels bekleidet!" Seit MenschenAedenken war niemals ein wl eher Skandal in äpadofora vorgrkommen. Die Agota sank ohnmächtig auf dem Altarplatz hin während die Menge sich um Signora Radegonda drängte, um sie zu beruhigen. Aber gerade in dem Augenblick erscholl unter der Wölbung der Kirche ein Schreckensruf, und inan sah, wie eine Feuerzange am Gewand der Madonna mächtig omporzüngelte. Schneller, als es sich sogen läßt, gingen die schönen Streifen, die zarten Blumen auf dem Seidenstoff in Flammen und Rauch auf. Wohl sprangen einige Beherzte hinzu, um die Lohe, die um die heilige Statue wütete, zu löschen, aber ihr blinder Eifer vernichtete auch das, was vielleicht hatte gerettet werden können. Er gewährte einen traurigen Anblick, wie Fetzen des rosa Moirees, gleich sterbenden Nofen, nieder sanken und der Rauch Neste von blauem Atlas durch die Luft wirbelte. Die Signora Radegonda hörte nicht auf zu schreien: ..Das ist die göttliche Noch«'." Die Agata, welch« dos Bewußtsein wieder er- langt hatte, vergoß leiste Tränen — und Gott weist, wos noch eingetrcten wäre, wenn der her- beteilende Sakristan die Kirch« rückt hätte räu men lassen. Trüosclig gab sich Don -Malonue uu Halb, dämmer seine» Zimmers bitteren Reflexionen hin. Die war e» nur dieser Ester Serpinelli in den Sinn gekommen, «ine so seltsame Hinter, lassenschaft zn v«r2>b«n und sie gerade keinen Sci'nstcrn aufzubürden? Ist ein Mann, ver ab seit- der Welt lebt, ein Priester im Gebirge oer- pflichtet, Leden, Geheimnisse und Gewohnheiten von Frauen zu kennen, die er niemals gesehen? Gewiß, er hatte mit sträflichem Leichtsinn das Geschenk jener bizarren Garderobe angenommen, aber — gütiger Himmel! — wer konnte die Fol gen voraussehen? Er nahm mit verzweifelter Gebärde kein Käppchen ab und fuhr sich durchs Haar; sein gut- wütiges Gesicht war ganz fahl geworden. Die j Theologen, die Kirchenväter, alle Verkünder des gottlichen Willens waren in ihren Aeußerungen darüber einig, daß Gott keine Wunder mehr ge- schehen läßt in einer Welt, die sich ihrer so wenig würdig zeigte. Ein Wunder war es alio nicht. Trotzdem! Wer kann Gott an etwas hindern? Wenn sich der Bi'chof einmikchte, vielleicht sogar der heilige Vater.... Don Assalonne überlief es kalt. Er konnte aie Last dcr ichweren Gedanken nicht mehr er- tragen, stand auf, um durch die geheime Pforte nochmals in die Kirche — zur Besichtigung der Unglücksstätte — zu gehen. Alle- befand sich noch in der Unordnung, in der cs die Menge der Gläubigen verlassen hatte. Da gab es ein Durcheinander von umgestürzten Bänken, Rosenkränzen,Taschentüchern: verbrannte Stoffekeu hier und da. Wie er sich dem Altor näherte, iah er, daß die teure Madonna ihrer ganzen Gewandung beraubt war, und er fühlte, wie fick sein Herz zuioinmenkrampfte; aber plötz lich erblickte er ein Objekt, auf dos er. jäh von einer Hoffnung erfüllt, zueilte. Es war eine Kerze non den, umgestürzteu Altar, dickt bei dem Platz, den Rgnta als Bevbnchtungsposten gewählt hatte. Ohne Zweifel riß sie die Kerze, w«lä)e 00- Gemand der Madonna in F'ammen setzte, bei ! ihrem OhwnachtsanfaU mit. Das war die ! schlichte, einfache, unbestreitbare Erklärung des l Feuers. „Ich danke dir. Herr!" rief der Priester, in- dem er niederkniete und die Füße der Madonna inbrünstig küßte Er begriff, daß der gute Gott es sich genügen ließ, ihn mit ein wenig Angst wegen seiner Leichtfertigkeit zu strafen, und kehrte, in seine Pfarre mit G beschwingtem Schritt zurück, daß ! es schien, als (löge er. Schluß. Die vorliegend« Autgaba »»saht LL Sekt««