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2 Xr. 1S2 Mißtrauensantrag tmr Deuttthe, PoUspartei mit der eingangs erwähnten Mehrheit abgeleh,,.. Hierauf fuhr der Landtag in der Erledigung der Tagesordnung fort. Di» Entwürfe einer Aenberung des Gesetze» über die Hundesteuer und de» L n - leihegesctzes vom 31. Januar 1923 wurden an di« Ausschüsse verwiesen. Au letzterem bemerkte noch der Abg. Dr. Reinhold (Dem.), solche Reden, «,e sie Zeigner gehalten habe, ruinierten den Staat», kredrt. Er rate dem ssinanzminister, einem ihm be kannten Herrn, das Wort eines schwedischen Staat», manne» an Björnson zuzurufen: .Wenn Eie dem Vaterlande dienen wollen, so halten Sir nicht Reden, sondern da» Maul." (Heiterkeit.) Wenn eine große Arbeitslosigkeit komme, so seien die sächsischen Mini- strr mit ihren ewigen Redereien daran schuld. Die Hinweise aus den kommenden Bürgerkrieg unter grüben jeden Staats- und Personalkrcdit. Er glaube deshalb nicht, daß es möglich sein werde, so enorme Summen, wie sie im Anleihegesetz vorgesehen seien, auf dem Anleihewege hereinzubrinqen. „ (Die Sitzung dauert fort.) Aussprache über Nnillings Etatsrebe München, 28. Juni. (Eig. Tel.) Der bah- rische Landtag setzte heute die Aussprache über den Haushalt des Ministeriums des Aeußeren fort. Abg. Sput er (Mittclpartei) verneinte nicht nur die Alletnschuld, sondern Überhaupt jede Schuld des deutschen Polles am Weltkriege, soweit sic nicht in der besonderen Art des politischen und wirtschaft lichen Denkens begründet war. Er forderte ein Vorgehen der Reichsregierung im Reichstage- das Taten, darunter auch die endliche Herausgabe der Gegenliste, verlangr. Abg. Dirr -Dein.) hätte gc- wünscht, daß sich an die Etatvredr des Minister- Präsidenten im Landtag sofort eine Kundgebung des Landtage» in der Richtung auf noch verstärkte Unter stützung der leidenden Brüder im besetzten Gebiet angeschlossen hätte. Was Herr von Knilling über die französische Rhcinlandpolitik gesagt habe, entspreche stzen immer bet den Demokraten vertretenen An schauungen. Auch darüber herrsche Einigkeit, daß unser Volk auf den Tag der endgültigen Befreiung Deutschlands vorzubreiten sei, und zwar durch eine verständigere Politik, damit der Bestand der Nation über den Abgrund hinübergebracht werden könne. Die Untersuchung der Parchimer Mordtat Verli», 28. Juni. (Eig. Tel.) Die beiden von der Berliner politischen Polizei an der Parchimer Mordaffäre wegen de» Verdachtes der Begünstigung in Berlin festgenommenen jungen Leute sind heute dem Untersuchungsrichter vorgesiihrt worden. Es handelt sich um die in der Roßbach-Zentrale in Wonnsee wohnenden Vertrauten Roßbachs, Oltwig Richter und Rudolf Bernhardt. Man legt ihnen zur Last, daß sie einem der Mörder nach der Tat eine anderweitige Unterkunft vermittelt und ihm 30 009 Mark Reisegeld gegeben haben. Lharak- teristisch ist, daß Richter den betreffenden Mordteil nehmer zur Entgegennahme de» Geldes in das frühere Bureau der Deutschvölkischen Frsihettspartci in der Dessauer Straße 6 be stellt, und daß der Mörder wegen seines weiteren Unterkommens von Bernhardt an einen bekann ten Führer der aufgelösten Partei in Hannover verwiesen wurde. Im übrigen gehen die Nach forschungen der Berliner politischen Polizei nach weiteren Mitwissern des Mecklenburger Mordes weiter. Möglicherweise werden noch in Berlin einige Verhaftungen vorgrnommen werden. Formale Einwände Part», 27. Juni. (Eig. Te l.) Nach einer Havas- Meldung aus Koblenz hat die interalliierte Rhein- landkommisston unter Borshtz de« französischen Ober kommissar» Tirard beschlossen (es wird wiederum nicht gesagt, ob mit Stimmenmehrheit oder Stimmen gleichheit), die Anwendung der Reichsvcrordnung vom 22. Juni und der Verordnung vom 8. Mai be treffend die Spekulation in ausländischen Devisen im besetzten Gebiet nicht zuzu lassen, da sie der Kommission nicht in der von ihr angeordneten Form vorgelcgt wor den sei. lEipriger unü ttLüäelsreltuog Eine Kanzlerrede tn Varmen Barmen, 2S. Juni. (Eig. Tel.) In seiner Er widerung aus die Begrüßungsansprache de» Präsiden- ttn Dr. Jarre» antwortet« Rrich»kanjl«r Dr. Cuno wie folgt: Di, Einigkeit, bis in den Erklä rungen aller Parteien des Hauses zum Ausdruck kam, in dem Willen zur Abwehr gegen Frankreich, gegen die französischen und belgischen Eingriffe im deutschen Lande und gegen deutsches Recht, haben einen überwältigenden Eindruck auf mich gemacht. Ich wußte zwar, daß cs nicht anders sein konnte, nach allem, was wir erfahren haben, aber daß sämt liche Parteien dieses Hauses sich einig entgegen stellen diesem französisch-belgischen Rechtsbruch, das gibt mir Hoffnung, daß die Abwehr nicht vergebens sein wird. In dieser Einmütigkeit in der Abwehr der fremden Gewalt vom Rhetnlande weiß sich die Neichsregterung »ins. Ich kann nur immer wieder wiederholen, was von mir bei jeder Gelegenheit ge äußert wurde: daß die Rheinlandc und ihre Zugehörigkeit zum Reich und zu Preußen u n - angetastet bleiben müssen und daß keine irgend wie verschleierte Form der Annexion, mag sie inter- nationale Gendarmerie oder neutrale Oberaufsicht heißen, für uns diskutabel ist. (Bravo.) Ich wiederhole, e» gibt keine Rheinlandfrage für da» Deutsche Reich (Bravo), es gibt des halb keinerlei Kompromißweg, den wir in dieser Frage betreten können (Bravo). In dieser Frage weiß sich di« Reichsregterung eins mit den Regie- rungen der deutschen Länder. Dio Politik, die die Reichercgierung schon vor Eintritt in die Ruhr- aktion begonnen und die sie seitdem fortgesetzt und auch in Zukunft einhaltcn wird» gibt Ihnen die Ge währ, daß so wenig wie in der Rheinlandfragc auch in anderen Fragen irgend was unterlassen werden wird, was mit dem Bestände der Einheit und der Souveränität des Reiches unvereinbar ist oder mit der wirtschaftlichen Zahlungsfähigkeit nicht im Einklang steht. Es wird alles geschehen, was ein deutscher Mann verantworten kann, um seinem Paterlandc Freiheit und Wicderentwicklung zu geben. (Bravo.) Wenn aus Anlaß von Aeuße- rungcn, die ich vor wenigen Tagen tn Königsberg gemacht habe, die Rede davon war, daß in dieser besonnenen aber festen Politik irgend eine Schwen kung eingetreten sei, so trifft die» tn keiner Weise zu. Wir brauchen keine Sorgen zu haben um die Rheinlande, weil das rheinische Volk, Männer und Frauen, die seit vier Jahren nach Unterzeich nung des Friebensvertrages. di« Besetzung al« treue Deutsche ertragen haben, auch jetzt die schwersten sechs Monate Uber sich haben ergehen lassen, ohne daß jemand an seinem Deutschtum ober an seinem deutschen Herzen hat zweifeln können. Wit wissen ihnen Dank, baß cs so ist. Das gibt uns me Hoffnung, daß die eigentliche Waffe, die sic in der Hand haben, die Waffe des passiven Widerstandes, uns auch zu einer Lösung bringen wird. Auch in der Frage einer besonnenen und festen Haltung in der Losung der außenpolitischen Wirren ist die Rcichsregieruitg mit der preußischen Regierung uird den Regierungen der Länder einig. Son dermeinungen, wie sie derLoiter eine» Lande» in den letzten Tagen geäußert hat, werben zum Ausgleich gebracht werden. Aber noch ein» ist notwendig: wenn Sie im Kampf gegen den Geaner täglich Schwere» und Schwerste» haben erdulden müssen, wenn es Ihnen manchmal zu schwer wird, und wenn Sie aus Ihren deutschen Empfinden heraus sich sagen, es kann nicht mehr in Ruhe ertragen werden, dann bedenken Sie, daß Unbesonnenheiten irgendwelcher Art die Lösung de» Konfliktes nicht bringen werden. Wir müssen bcsonen im Rahmen des pas siven Wider stände» bleiben, und wir müssen die Waffe des Geistes, die einzige Waffe, die wir gegenüber der Waffe der Gewalt hoben, anwenven, bis es zum guten Ende kommt. Und so wenig es zu Unbesonnenheiten kommen darf, so wenig ist ein Anlaß zu Kleinmut und Schwäche vorhanden. Auf dem Wege, den wir beschritten haben, ist doch wenig stens ein kleiner Schritt vorwärts getan worden. Durch die Schritt«, die di» Rtz-ierun- getan Kat, sind doch der Welt die Lugen «was m»hr -e-ffnet worden. G« sind Bemühungen im Dana«, dl» «ine groß« Frage oor aller Welt M klären» Ida» will Frankreich? Will Frankreich wirtschastlich« Verhandlungen, will es Reparationen oder will Frankreich Annexionen? Den«n, die das Leben für Deutschland im Abwehrlampf Hingaben, denen, die tm Ge'ängni« sitzen, denen, di« von Lau» und Hof vertrirben, sind, ohne in der Lage tzu sein, ein Stück Eigentum mitzunehmen, denen allen geloben wir, hier fest und besonnen zu bleiben bi» zum guten Ausgang. Der HeiligeDater hat einen Mahnruf an die Welt gerichtet, der dahin geht, Frieds zu machen und dem Willen zur Verhandlungsbereitschaft und zur Erfüllung unserer Verpflichtungen, den wir auch bereits zum Ausdruck gebracht haben, zur Grund- läge für einen Ausaleich des Konflikte zu machen. Wir hoffen, daß aus der anderen Seite das Wort einer so neutralen Stell« «in williges Ohr findet. Ich bin überzeugt, daß Sie alle, ebenso wie ich, diesen feierlichen Appell mit tiefer Bewegung gelesen haben. Vor den Augen des heiligen Pater», dessen Raum und Zeit umspannender Blick die Qualen und Leiden der heut« auf uns lastenden Zu- stände erkannt hat, liegt uns daran, offen zu sagen, daß eine schnelle und endgültige Befreiung vom frrm- den Druck eine sittliche Pflicht ist. Wie der Ruf des heiligen Vaters besagt, sind die wichtigsten Ziele unserer Politik gerichtet auf Gerechtigkeit, Willigkeit und endgültige gerechte Lösung des Re- parationvproblems. Es folgten dann die Erklärungen der einzelnen Parteien zur politischen Lage, worauf der Reichs kanzler zu längeren Ausführungen nochmals da» Wort ergriff. Endlich freigelasfen Pari», 28. Juni. Der deutsche Staatsangehörige Arnold Holtz, der 1917 als offizieller Kurier der der deutschen Gesandtschaft in Addis Abeba auf neutralem Gebiet von den Franzosen verhaftet und wegen angeblicher Spionage zum Tode ver urteilt worden war» ist gestern in Freiheit gesetzt worden. Er hat sofort die Reise nach der Heimat angetreten. Die Todesstrafe war in eine 10jährige Zuchthausstrafe umgrwandelt worden, und nach wiederholten Vorstellungen der deutschen Bot schaft ist ihm nunmehr der Rest der Strafe auf dem Gnadenwege erlassen worden. JnnevpoNtische Sorgen poincarüs Pari», 28. Juni. (Eig. Tel.) Die Erregung der Kammer gegen da» Verlangen der französischen Regierung, das Budget für 1923 durch einen Zusatz auch für 1924 gültig zu machen, hat nach den gestrigen Besprechungen de» Finanzausschusses zugenommen. Dio Mehrheit diese» Ausschusses strebt eine Kom promißlösung an, anch der das Budget für 1923 nach den Sommerferien dem Parlament als Budgetvorlage für 1924 zugehen und ohne besondere Diskussion erledigt werden soll. PoincarS ist jedoch, wie e» heißt, entschlossen, eine solche Lösung abzulchnen, weil sie keine Gewähr dafür biete, daß nicht ans Wahlrückstchten viele neue Ausgaben be antragt werden. Poincars soll die Absicht haben, die Verabschiedung de» d«r Vollendung nahenden Budgetgesetzes erst nach Stellung der Ver trauensfrage zu verhandeln und eventuell ein siebentes provisorisches Budgetzwölftel für Monat Juli zu verlangen, falls Kammer und Senat sich nicht vor Ende des Monats zur Annahme des von der Regierung beantragten Zusatzes bereit erklären. Auch die Radikalen bekämpfen den Regierungsantrag, ob gleich dis Anregung dazu von einem radikalen Ab geordneten stammt. Wetter wird da» Parlament wohl oor den Sommorferien, deren Beginn für den 10. oder 13. Juli erwartet wird, noch einige andere der Regierung nicht sehr angenehme Fragen anfwerfen. Die Interpellation wegen der royalistischen Ausschreitungen wird im Einverständnis mit PoincarL in der nächsten Woche verhandelt werden. Im Senat wird außerdem die heikle Amnestie- frage noch vor den Ferien aufs neue aufgerollt werden. Es handelt sich dabei um die Begnadigung des Matrosenmaat» Marty, der seinerzeit wegen der Meutereien der französischen Flotte im Schwarzen Meer verurteilt wurde und trotz der Propaganda der Radialen und Sozialisten noch immer im Ge fängnis sitzt. krettsg, ÜB» 22. Juul Var Attentat auf pasitsch Lrr W«fsterpr-st-«Lt lttcht vrrletzt Wie», tz8. Juni. (Eig. Te l.) Ueber da« Attentat, das gestern in Begrab auf den jugoslawischen Ministerpräsidenten Pasitsch verübt wurde, liegen jetzt auefllbrltche Nachrichten vor. Ll» do» Auto de» Ministerpräsidenten auf der v«rk«hr»eeichen Straß« vor dem Parlament «inen Augenblick holten mußt«, sprang ein junger Mann auf den Wagen und feuerte aus seinem Revolver fünf Schüsse ab. Das Fenster ging in Trümmer und Pasitsch wurde durch die Glasscherben im Gesicht und an der linken Hand verletzt. Der Täter floh, wurde aber von der Menge verfolgt und festgenommen. Man wollte ihn lyn- chen, doch konnten Polizisten ihn in einem Auto in Sicherheit bringen. Pasitsch wurde sofort in seine Wohnung gebracht. Ein Aerztekonztlium stellte fest, daß seine Verletzung nicht ernster Natur ist, doch hat es zur Vorsicht eine Schutzimpfung gegen Starrkrampf- Tetanus vorgenommen. Die Abgeordneten brachten Pasitsch eine Ovation dar. König Alexander stattete dem Kabinettschcf in seiner Wohnung einen Be- such ab. Der Attentäter wurde auf der Polizei sofort ver nommen. L« ist der 26jährige Bankbeamte Milu- tinRajic aus Belgrad, der längere Zeit der jugo- slawischen Uebernahmekommission für di« Repa.a- tionslteferungen aus Deutschland tn Passau angehört und in dieser Stellung ein Gehalt von 8100 fran- zösischen Franken bezogen hatte. Er wurde später aber aus seiner Stellung entlassen. Gestern meldete er sich beim Staatssekretär im Ministerium des Aeußeren Gavrilowttsch und bat um seine aber- malige Einstellung bei der Uebernahmekommission. Der Staatssekretär antworte ihm, baß Minister- Präsident Pasitsch davon nicht» wissen wolle. Darauf hin beschloß Milutin Rajic in seinem Aeroer, da» schon geplante Attentat sofort auszuführen. Politische Momente scheinen bei der Ausübung der Tat nach den bisher bekannten Tatsachen nicht mitgesplelt zu hoben. Weiter heißt es, daß Milutin Rajic einer erblich belasteten Familie entstammen soll. Sein Bruder sei erst vor kurzem in einer Irrenanstalt ver storben. Der Vater des Attentäters lebt als Emigrant in Budapest. Dn Milutin Rajic erst unlängst au» Ungarn nach Serbicn zuritckkehrte, ist auch die Mög- lichkeit einer ^Verbindung mit gewissen ungarischen Kreisen nicht von der Hand zu weisen. Lin Nundschreiben der Papstes Rom, 28. Juni. Der Papst richtete an den Kor- dinalstaatssekretär Easpary ein Schreiben, in dem er auf seine wiederholten, seit Beginn seine» Pontifikats für die Ruhe Europas und das Heil der Nationen Unternommenen Versuche hinweist, um einen wahren Frieden und ein dauernde» Ein vernehmen unter den Staaten herberzufübken. Die internationalen Beziehungen hätten sich jedoch nicht nur nicht gebessert, sondern vielmehr verschlechtert derart, daß sie für die Zukunft zu neuen, ernstesten Besorgnissen Anlaß gäben. Der Papst hob hervor, daß er gegenüber dieser Lage nicht gleichgültig bleiben könne. In den politischen Kreisen Roms hat der päpst liche Brief sehr große Aufmerksamkeit erregt. Man bemerkt, daß sich der Papst eigentlich vollkommen mit den Gcdankcngängen indentisiziert, die man in letzter Zeit häufiger gerade ans Washington und London hörte. Nicht umsonst hat der englisch« Bot schafter beim Vatikan, heute nachmittag beim Kar- dinal-Staatssekretcir vorgespkochcn und ihm seine Be friedigung über diese Kundgebung ausgedrückt. Der Brief des Papstes ist allen beim Vatikan be glaubigten Botschaftern und Gesandten zur Kenntnis offiziell übermittelt worden. Der Eindruck in diesen Kreisen ist naturgemäß überall ebenso stark, wie ver- schieden gewesen. Befriedigt war man in den bel gischen Kreisen, sehr überrascht dagegen im franzö sischen Lager. ' —————— Der kalifornische Senator Hiram Warren Johnson, eine der bekanntesten politischen Persönlichketten Amerikas, der schärfste Führer der Opposition gegen Wilson» Friedenspolitik, ist heute in Berlin ein- getroffen. Vie geistige Erneuerung der deutschen Hochschulen Don Univ.-Prof. 0r. «I. tzck. Vsrurwx»» (Bonn) I. Die Problematik der bisherigen Bildungsstätten, ihrer Ziele und Methoden, blieb in unseren Tagen nicht auf die unteren und mittleren Schulen be schränkt. Auch Hochschulpädagogik und Hochschul reform sind uns vertraute Worte geworden. Re former des Staate» und der Gesellschaft, der Kirche und nicht an letzter Stelle der Schulen erheben ihre Stimmen und werben um Anhang. Daß dabei die Schule mit ihren besonderen Ausgaben eine besondere Bedeutung unter allen reformerischen Bemühungen beansprucht, die» folgt au» dem Wesen der Schule al» einer Stätte, an ver die Jugend und damit die kommende Generation ihre geistige Formung empfängt. Aus welchem Geiste dürfen wir die Erneuerung unserer Hochschulen erhoffen? An erster Stelle au» dem Geiste des um fassend verstandenen Wahrheitsdien- sie». E« ist der Beruf unserer Hochschulen, der Wahrheit, der Erkenntnis der Wirklichkeit zu dienen. Diese» Ziel de» Akademischen Menschen birgt die Grundfordcruna de» Streben» nach dem Allgemein gültigen, folglich nach Ueberwindung des Ichsüchtigen, de» reinen persönlichen Subjektiven. Student sein heißt dem sprachlichen Ursinn de» Worte« nach: Suchender sein, sich um Erkenntnis, um die ge dankliche Erfassung der Wirklichkeit immec strebend bemühen. Daher begreift die Idee de» rechtverstan- dcnen Studios»» in sich höchste Lebendigkeit und Zugendfrische, das Gegenteil aller greisenhaften Per- kalkung und doktrinären Erstarrung. Diese und ähnliche den Zusammenhang von Wissenschaft und Charakter betreffenden Forderungen sind von überzeitlicher Bedeutung für alle, die sich lehrend und lernend im Reiche der Wahrheit be wegen. Eine überlieferte Gepflogenheit läßt die Studieren- den gleicher geistiger Herkunft und Zielsetzungen im Umkreise de« akademischen Leben» sich zusammenschlie- ße» zu bestimmten Gruppen und Verbänben zum Zwecke der gemeinsamen Pfleae ihrer Lebensguter. Der darin sich äußernd« Trieb nach Gemein schaft quillt aus einer Naturanlaae des Menschen, aber er ist nicht ohne Gefahr für geistiges Wachstum, sofern er keinen Gcgentrreb bereit findet, der Vie Enge des Kreises Gleichgesinnter weitet durch die lebendige Berührung mit gegensätzlichen Strömungen. Gerade der geistige Austausch mit anders Denkenden, Fühlenden und Wollenden er probt die eigene Art, ihre Stärke wie ihre Schwächen. Welche Bereicherung und Verlebendigung würde es für akademische Sondergruppen bedeuten, wenn diese es sich angelegen sein ließen, mit ander» gerichteten Gruppen und ihren Vertretern in ruhiger, wahrhaft akademischer Weise, in lebendiger Rebe und Gegen rede Gedankenaustausch zu pflegen. Solche Befreun dung de» Geaensätzlichen auf der Grundlage gemein- samen Wahrheitstreben» — nicht im Sinne eine« matten und schlaffen Kompromißlertums, sondern im Sinne großzügiger gegenseitiger Erfassung — würde eine stete Verjungung gewährleisten und allen selbst gefälligen, mehr von Einbildung als Ausbildung zeugenden Dünkel aus jenen Sondergruppen ver bannen. * Auch die Politik hat in jüngster Vergangen heit gruppenbildend unter den Studierenden zu wir- ken begonnen. Don dieser Politisierung her erwachsen dem akademischen Menschen unleugbar große Gefahren, schwere Hemmungen seiner im ethischen Sinne des Wahrheitsdienste» verstandenen akademischen Frei- heit. Aber zugleich leiten sich von dort her ebenso viel neue Aufgaben zur Vertiefung dieser Freiheit. Die Gefahren liegen in einer vorzeitigen Festlegung de« geistigen Auge» und der Willensrichtung auf be stimmte Parteieiele. Die entsprechend« Aufgabe be steht in der Erhaltung und beständigen Weitung des treten Blicke» für die Mannigfaltigkeit politischer Möglichkeiten und Gegebenheiten, in der Bewahrung der Unbefangenheit gegenüber dem politischen Gegner. Die Bezwingung solcher geistigen Ausgaben setzt die ruhige Erfassung der gegnerischen Eigenart voraus. Die» also ist di« Bestimmung de» politisierenden und vielfach politisierten heutigen Studenten, daß er schon an der Hochschule in dem Gewogt leidenschaftlicher Parteiwallungen eingedenk bleibt de« akademischen Ethos, welches ihn auf vornehme Sachlichkeit ver- pflichtet. Nur «in« so gestimmt« akademisch« Jugend würde die Gewähr bieten, in späteren Lebensrayen öffentlicher Wirksamkeit al» Hüter der Sachlich keit in öffentlicher und politischer Tätigkeit wirksam zu werden und das Volts ganze vor dem Gifte geistloser Parteileidcnschaft zu bewahren. * Der im weitesten Wortsinne politische Beruf des akademischen Menschen unserer Tag« lenkt den Blick auf eine zweite Quelle der Erneuerung unserer Hochschule: auf den Geist eines vertieften Gcmeinschaftsdtenste». — Hochschule und Volk sind zwei Pole, di« sich gerade in den Wirrnissen der Gegenwart mit besonderer Sehnsucht suchen. Geistige Führer de» Volke» zu sein, pflegt den jungen Akademikern al» hohe Bestimmung zugerufen zu wer- den. Aber ist es nicht nachgeraoe em offenes Ge- hrimnie, daß die eigentliche Führung des Volke» den Akademikern während des letzten Menschenalters immer mehr entglitten ist? Die» bietet nicht» Ueberraschende». Denn wer kann »um Führeramte reifen, ohne da» Volk zu kennen uns den Pulsschlag der Zeit zu vsrstehenl Wie auf einer weltentrückten Insel der Seligen floß da» Leben auf den Hochschulen dahin, indessen draußen in der Welt unabhängig von ihnen, vielfach im Gegensatz zu ihm neue Krafts sich regten und formten. Student undArbeiter blieben allzu lang durch große Klüfte getrennt. Längst zählte «« in England und Amerika zur normalen Ausbildung eines Studierenden, daß er einige Zeit in den Settle ment», den innerhalb der Arbeiterviertel gelegenen Siedlungen verbracht«, um au» lebendiger Anstau ung Leben und Treiben, Gesinnung und Denkweise dar handarbeitenden Volk»genossen kennen zu lernen. Die soziale studentische Zentral« in M-Dladbach be gann vor dem Weltkrieg in Deutschland ein verhei ßungsvolle» Werk sozialer Schulung der jungen Aka demiker, blieb aber wesentlich auf katholische Kreise beschränkt. Nach dem Weltkriege schuf die Not der Zeit den Typus des Werk-Studenten, der zur Ferien zeit unter Arbeitern lebend dem Schicksal Dank wissen darf für die Gelegenheit, sein -eistig«, Gesichtsfeld auf diese Weise zu weiten und »ur Ueberbrückung der Klassen, und Standesgegensätz« innerhalb de» Dolk»ganzen wirken zu können. Solcher praktischer Kursu» lebendiger Berührung zwischen Akademikern und Arbeitern kann durch kein« noch so erfolgreich« Beschäftigung mit theoretischer Ratwnal-Vekonomie ersetzt werden. Er führt i» aünstizen Falle durch soziale« Erlebnis zur sozialen Erkenntnis, baß kalte» Herrentum und wahre« Menschentum zweierlei sind. Die Kuasthall« Beyer uud Sohu vermittelt die Bekanntschaft de» Göttinger Malere Paul Gösch. In Aquarellen von sehr kleinem Umfang, gelegen!- lich auch in Buntstift- und Federzeichnungen, ent faltet er eine krause Phantasie, tn der Reminis zenzen an russische Volkskunst ein merkwürdig zähes Loben führen. Sowohl dle Wahl der Lieblings- motive (thronende Madonnen und grotesk« Architek turen) wie di« glitzernde Buntheit weist auf östliche Anregungen, ohne daß man doch sagen könnte, daß gesehene Vorbilder nun einfach nachgeahnt wurden. Ls hat sich vielmehr Fremde« und Eigene», Geistiges und Augenstnnliche« zu einem seltsamen Traum leben verschmolzen. Es herrscht ein« Märchen stimmung, die wohl auch einmal in einer Landschaft oder in einer rein ornamentalen Darstellung ihren Ausdruck findet. Sympathisch an alledem ist die Anspruchslosigkeit, mit der diel» persönlichen Erleb, nisss vorgatragen «erden. Allerdings wirkt alles m"hr o"ii'sivt nvd e>n bißcb"" sviel«"'isch; dos wo« uns auf die Dauer bannen könnte, fehlt. — selbst twr bald kräftigen, bild »o-ten Forbengeburm. die einen angeborenen koloristischen Sinn verrät. — Da« Streben nach fester und klarer Komposition, von dem Gösch offenbar wenig beunruhigt wird, ist ein charakteristisches Merkmal der Blätter von A. Fraahs (Dresden). Beachtenswerte Resultate hat er namentlich in den großen Lithographien ge- zeitigt: wie hier di« Formen de» menschlichen Körpers und die Geländewellen klar und streng zusammen- gefaßt werden, ist stellenweise gan» ausgezeichnet. An den mit Lasuren arbeitenden Aquarellen stört häufig die branstige Glut de« Kolorit». Rk >. Tagung der deutsche» Anthropologe». In Tübin gen bindet am 6. bis 10. August die 48. allgemeine Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesell schaft statt. Von Vorträgen seien genannt: Professor Langhans über die ethnographischen Grundlagen der ffri,den«verträq«, Professor R. R Schmidt-Tübingen über die Entwicklung des nordischen Hauses in Alk- europa, Eugen Fischer-Freiburq über Iudenscbäbel au» dem 14. Jahrhundert, ein Beitrag zur jüdischen Rass,frage, von Rudolf Martin-München über die körperlich« Beschaffenheit be« Münchener Volk»schul- kinde«, von Walter Scheidt-München über Familie» anthropologie.