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- 8oll»tag, äLL 10« Die lvpfer der Teuerungs unruhen Leider haben die blutigen Vorgänge la Leipzig außer den bereit» gemeldeten noch ein weitere» Opfer gefordert. Der Buchdrucker Hermann, der mit einem schweren Kopfschuß im Krankenhau» St. Jakob eingeliefert wurde, ist seiner Ver letzung erlegen. Rach unseren Informationen finden die Besetzungen der Gefallenen wir folgt statt: Wachtmeister Alfred Müller: Montag, den 11. Juni, vorm. 11 Ilhr auf dem Iohannisfriedhof, Schlosser Willy Domprobst: Montag, den 11. Ium, mittag» 1 Uhr auf de» Trinitatis friedhof, Schlaffer Franz Rößler: Montag, den 11. Juni, vorm. ^11 Uhr auf dem Trinitatis friedhof, Arbeiter Paul Rich Weinbaus: Montag, den 11. Juni, vorm. 10 Uhr auf dem Friedhof zu Sellerhausen, Buchdrucker Kurt Hermann: Dienstag, den 12. Juni, nachm. 3 Uhr auf dem Südfriedhof. Bon einer gemeinsamen Beerdigung der Demon- strationsopfer ist abgesehen worden. Die Trauer feiern finden im Kreise der Familien statt. Noch ein amtlicher Kommentar Von einwandfreien Personen ist bezüglich des Beginns der Schießerei, die so viele Opfer gekostet hat, folgendes beobachtet worden: Die Polizei hatte eben die Menge wieder aus der Grimmaischen Straße auf den Auqustusplatz zurückgedrängt und sich bis an die Ritterstraße zurückgezogen, al» an der Ecke von Frische in der Nähe de» Briefkastens plötzlich ein Mann aus der Menge heraustrat, sich etwas vorbeugte und in die Grimmaische Straße hinein einen Revolverschuß abfeuerte und darauf sofort in die Meng» zurücktrat. G» war dies der Schuß, durch den alle weiteren so schweren Folgen horvvrgerufen worden sind. Dies geschah, nachdem kurz zuvor ein Polizeideamter niedergeschlagen worden war. — Der Täter wird beschrieben al» etwa 22 bis 26 Jahre alt, etwa IM) bis IM) Meter groß und vermutlich bartlos. (Lr trug ein blaues Jackett, vielleicht auch ebensolche Hosen, und eine Echiffermütze. Angaben über den Täter werden schnellstens an die Kriminalpolizei erbeten. Ei« Zwauzigmartstück 306000 Papiermark! Reichsbant und Post kaufen vom 11. Juni ab Gold zmn Preise von 300 000 Mark für ein Zwanzig - Markstück, 150 000 Mark für ein Zehnmarkstück. Für Reichssilbermünzen wird der VOOOfache Betrag des Nc zflMrte» gezahlt. Der Post-Goldfta»k«n. Der deutsche Gegenwert des Goldsranken bei der Gebührenerhebung im Aus lands-Paket-, Zeitung»-, Telegramm- und Fernsprech verkehr ist vom 11. Juni an aus 17 000 Mark fest gesetzt worden. Nähere Auskünfte erteilen die Post- und Telegraphenanstalten. Ein furchtbarer Selbstmord. Lid. Rov. melden: Am Montag früh ging der Bergarbeiter Michael Vojtovic wie alltäglich zur Schicht zum Eugenschacht der Ostrau-Karwiner Dergbaugesellschaft in Peters- wald. Er behob die Grubenlampe, schritt auf den Schachteingang ein und stürzte sich, ohne daß irgend welche Zeichen der Erregung an ihm bemerkbar waren, mit dem Rufe: »Ein«, zwei, drei" in den 400 Meter tiefen Schacht, wo er als formlose Masse auf gefunden wurde. Freunde schildern Vojtovic als no torischen Trunkenbold, der seine Tat wohl im Deli- riuin verübt hat. Er war 35 Jahr» alt, verheiratet, und hinterläßt ein Kind. Mit de« Kinder» d» de« Tod. In Wien hat sich am Donaukanalufer «ine erschütternde Familien- tragödi« abgespielt. Ein Chauffeur sah nacht» »ine Frau, Vie ant zwei Kindern im Alter von einem bi» zu drei Jahren hart am Donaukanalufer in der Leopovdstadt unterhalb der Verbindung»bahnbrücke stand und plötzlich Mit den Kindern ins Wasser sprang. Wachbeamte unternahmen von beiden Ufern au» Bergungsversuche, jedoch ohne Erfolg. . Der erst» weibliche Gesandt». Wie aus Lhri- stianta gemeldet wird, Kat die Sowjetregierung Frau Alexandra Kollontay zu ihrer bevollmäch- tlgten Vertreterin und Handelsprästdentin in Christia ns» ernannt. Frau Kollontay dürfte die erste Frau sein, der die Leitung einer ordentlichen Gesandtschaft übertragen worden ist. Internationaler vuchdrukkerkongretz Vom 4. bi» 6. Juni tagte in Göteburg der Erste Internationale Buchdruckerkongretz unter Beteiligung zahlreicher Vertreter au« Australien, Dänemark, Deutschland, England, Estland, Finnland, Island, Italien, Norwegen. Oesterreich, Neuseeland, Schweden, Schweiz, Spanien, Ungarn und den Bereinigten Staaten Er beschäftigte sich hauptsächlich mit berufSoraanisatorischen Fragen, varunter auch mit der LehrlingSsrage. Die deutschen Vertreter, Stadtrat Heenemann und Rudolf Ullstein, sanden mit ihren Referaten gute Aufnahme und ernteten besonder» von den Vertretern der nordischen Nationen lebhaften Beifall. Die schwedische Bresse beschäftigte sich eingehend mit ihren Ausführungen und brachte ihre Bilder. Ein schwedischer Arbeitsausschuß wird sich nunmehr mit den internationalen Buchdrucker- Angelegenhoiten Wetter beschäftigen; ein erwei terter Ausschuß, dem je ein Vertreter sämtlicher Rationen augehört, ist dem schwedischen Arbeits ausschuß cmgegliedert worden. Der Ort der Tagung de» nächsten Internationalen Buchdrucker kongresse» wird von diesem erweiterten Ausschuß bestimmt werden» UeberDswem mungskatastroph« in Piemont In ganz Europa gehören zurzeit di« Klagen über das nasse, kalte Wetter und die Wetterschaden zur Tagesordnung. Schwer heimgesucht ist besonders Oberitalien. Di» lang dauernden Regen haben große Ueb»rschwemmungen verursacht, und zumal au» der von den Flüssen Sesia und Mastalone durch strömten Provinz Novara lauten die Nachrichten bedenklich. Mastalone und Sesia haben sich aus ruhigen Bäche» in wilde Ströme verwandelt, deren reißende Fluten ganze Ortschaften zerstört und de» Verkehr lahmgelegt haben. In Pobello allein sind 16 Personen den Fluten zum Opfer gefallen, und viele Ortschaften im oberen Berglande find, da die Straßen weggeschwemmt oder unwegsam geworden sind, vollständig von der Außenwelt abgeschlossen. Schlimm sieht es, wie schon kurz gemeldet, vor allen, auch im Flußgebiet desToce aus. Hier sind Brücken und Wege vollständig verschwunden, und da auch die Eisenbahngleise weageschwemmt stad, so ist der ganze Verkehr unterbrochen. Ilm einen Begriff von der Größe der ober^alienischen Ueber- schwemmung zu erhalten, genügt der Hinweis, daß der Lago Maggiore im Verlauf von 24 Stunden so angeschwollen ist, daß der ganze Landungsplatz von Pallanza unter Wasser steht. Berlin» Fremdenverkehr i« Mal. Der Berliner Fremdenverkehr hatte im Mai mit 110 838 Gästen eia Mehr von etwa 1400 gegenüber April. Der Aus- länderzugang belief sich auf 14124 Besucher. An erster Stelle erscheint diesmal Schweden mit 1875 Personen, es folgen Oesterreich mit 1728, Holland mit 14476, Amerika mit 1430, Rußland mit 1340, Dänemark mit 1330, die Tschechoslowakei mit 1301, Polen mit 1083, Norwegen mit 905 und die Schweiz mit 667 Gästen. Das neue Fernamt Leipzig-Mitte OaS größte selbsttätige Amt Europas Wi< die Oberpostdirektion Leipzig bekannt macht, wird heute da» neue Fernsprechamt Leipzig Mitte in Betrieb genommen. Das neue Amt Leipzig-Mitte ist für den selbsttätigen Betrieb eingerichtet und hat ein Fassungsvermögen von 20 000 An- schlössen. Von den angeschlössenen Sprechstellen wer- den die mit den Nummern 10 000—13999 und 20 000—29 999 vollselbsttätig, die SprechsteUcn mit den Nummern 14 000—19 999 vorläufig halbselbst- tätig betrieben. Der Unterschied zwischen beiden Be triebsweisen besteht darin, daß die voll selbst tätig betriebenen Sprechstellen mit Hilfe der an den Sprechapparaten angebrachten Rummernscheiben die Verbindungen mit anderen Sprechstellen in Leipzig selbst Herstellen, während die von den halb selbsttätigen Sprechstellen ausgehenden Verbindungen durch Personal des Amts ausgesührt werden, und zwar ebenfalls auf maschinellem Wege mittels beson- derer die Rummernscheiben ersetzenden Tastensätze. Von den Sprechstellen mit den Nummern 14 000 bis IS SSV darf daher vorläufig die Rummernscheibe nicht benutzt werden; von ihnen aus ist vielmehr die ge wünschte Nummer bei der Beamtin zu verlangen, die sich nach dem Abnehmen des Hörers meldet. Mit der Inbetriebnahme des neuen Amtes verlieren die im letzten amtlichen Fernsprechbuch bei einer Anzahl von Teilnehmern an gegebenen schräg gedruckten Anschluß, nummern ihre Gültigkeit. Es dürfen mit hin nur noch die in geradstehender Schrift aufge führten fünfstelligen Nummern angewendet werden. Teilnehmer mit mehreren Anschlüssen sind in der Regel unter der im amtlichen Fernsprechbuch ange gebenen Sammelnummer anzurufen. Wenn in besonderen Fällen, z. B., während der Nacht, nur bestimmte Anschlüsse solcher Teilnehmer sprechbereit sind, müssen die besonders aufgcführten Nummern gewählt, bezw. verlangt werden. Seitens der an das UnteramtWest inLindenau und an die Hilfsämter Andreas st raße, Connewitz, Gohlis und Reudnitz angeschlössenen Teilneh mer, d. s. diejenigen mit Anschlußnummern über 30 000, ist besonders zu beachten, daß beim Anruf eine bisher an das alte Hauptamt angeschlössenen Nummer nicht mehr wie bisher Nr. 1 mit der Wäh lerescheibe zu wählen ist, sondern die volle aus dem amtlichen Fernsprechbuche ersichtliche fünf stellige Auschlußn ummer. Die auf Seite 7 des amtlichen Fernsprechbuches aufgeführtcn Anruf- nummern 40 000 und 44 341 für die Beschwerdestelle sind nicht mehr anzuwenden. Die Beschwerde stelle ist künftig, wie aus dem den Teilnehmern mit vollselbsttätiger Betriebsweise letzthin übersand- ten Merkblättern zu ersehen ist, unter Nr. 70 266 bezw. 71S56 zu erreichen, je nachdem es sich um Angelegenheiten des Ortsverkehrs oder des Fern verkehrs handelt. Auf die genaue Befolgung der durch das Merkblatt mitgeteilten Anweisung über die Benutzung der Wählerscheiben wird besonder» aufmerksam gemacht. Richtbefolgung hat uner wünschte und für die Teilnehmer unliebsame Falsch. Verbindungen und Verkehrsstockungen zur Folge. Das neue Amt Leipzig-Milte ist das größt« nach der selbsttätigen Betriebsweise eingerichtete Amt in Europa. Die von der Firma Siemens L Halste A.-G., in Berlin gelieferte technische Einrich tung ist in zwei je 60 Meter langen Sälen des Hauptpostgebäudes untergebracht. Sie umfaßt u. a. rund 30 500 Wähler und 98 800 Relais, mit zusam men etwa 3,77 Millionen Kontakten, durch welche die bisher von Menschenhand ausgeführten Verbindun gen auf elektrisch-maschinellem Wege hergestellt wer den. Der Anruf der Teilnehmer, die im Hörer ver nehmbaren Signale (Amtszeichen, Freizeichen, Be- setztzeichen) sowie die zur Fortschaltung der Wähler erforderlichen Stromstöße werden durch 24 elektrische Motoren und 4 Dynamomaschinen erzeugt, die in einem besonderen Raum aufgestellt sind. Der eigent liche Betriebsstrom wird zwei Sammlerbatterien mit je 7 500 Amperestunden Kapazität entnommen. Zur Zusammenschaltung der einzelnen an 140 eisernen Gestellen von 2H Meter Hohe und 5 bis 6 Meter Länge untergebrachten Teile der technischen Amtseln- richtung sind rund 11900 Kilometer Kupferdrakt, d. h. eine Länge, die 10 mal so groß ist wie die Luft linienentfernung zwischen Basel und Königsberg in Pr., sowie die Anfertigung von rund 7 Millionen Lötstelle,: erforderlich gewesen. Die Ausstellung und Zusammenschaltung der technischen Einrichtung hat 2)4 Jahre Zeit in Anspruch genommen. Die Inbe triebnahme einer derartig großen Anlage dauert naturgemäß einige Zeit. Vorübergehende Betriebs unterbrechungen der einzelnen Anschlußleitungen, ein AonWM die alle einzeln mit der neuen Amtsernrichtung ver- Kunden werden müssen, find nicht zu vermeiden. Die' Teilnehmerschaft kann wesentlich dazu beitragen, daß diese sehr umfangreichen Arbeiten möglichst reibungs- los und schnell vonstatten gehen, indem sie am Um- schaltetage, d. i. der 10. Juni, den Fernsprecher, ins besondere für den Ortsverkehr, nur wenig in An spruch nimmt und sich auch während der ersten Tage nach der Inbetriebnahme des neuen Amts noch einige Beschränkung in der Benutzung des Fernsprechers auferlegt. Handelt die Teilnehmerschaft hiernach, so sind Verkehrsstockungen während der Betriebsüber- leitung kaum zu befürchten, während anderenfalls die Oberpostdirektion u. U. in die unangenehme Lage kommen kann, den Fernsprechverkehr vorübergehend ganz oder teilweise sperren zu müssen, wie es ander wärts aus ähnlichem Anlaß bereits wiederholt not wendig geworden ist. Mutter nach Wien kommen zu lassen. Die im Besitz des Mannes glückliche und von Natur gutmütige Christine wollte der verwaisten Nebenbuhlerin Auf nahme und Trost gewähren. Solche spontane Re- gung ist durchaus begreiflich. Aber das Hebbel so gleich einwilligte, die ehemalige Genossin mit der jet zigen unter seinem Dache zu vereinigen, und vor allem, daß Elise ohne jede» Zögern die Einladung nnnahm, fällt um so mehr au» dem Kreis de» Alltäg lichen heraus. Ein so überlegener, kühler Verstand wie der Hebbel» hätte sich nicht durch weichliche» Mitleid überwältigen lassen, das ihm schädlich Schei- nende zu wagen und ebenso wenig ist bei Clise »ine materielle oder seelische Notlage vorauszusetzen, in der sie die Gastfreundschaft de» Treulosen und der Nebenbuhlerin hätte annehmen müssen, wenn ihr Empfinden sich gegen die Wohltat und da» Zusam menleben sträubte. Schon zuvor muß di« Aussöhnung erfolgt sein und Elisens Charakter muß die Gewähr geboten haben, d-ß fii-» »>nd nicht zu erwarten waren. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der Frau, die uns in dem Buch von Nutz -war mit einer Fülle von Einzelheiten, aber doch an keiner Stelle als geschloffener Charakterbild entgegentritt. Auch er sieht Clise auf der Opferhöhc stehen, die den Verzicht auf den Geliebten ermöglicht. Sie hatte ihm immer verflchert, daß st« vor einer (beliebteren ruhig und freudig zurücktreten werde, und nachdem der erste Hturm der Leidenschaft über wunden war, handelte sie darnach. Emil Kuh. der einzige Biograph Hebbel», der die sämtlichen Bries« Elisens und bas unverstümmelte Tagebuch Hebbel» benutzen konnte, klagt sie keiner anderen Schuld an, als des Zuviel» leidenschaftlicher Neigung und der stillen unzerstörbaren Zuversicht ihrer Erwiderung Da» beide» hat Elise in sich überwunden, wie «« nur eine großdenkende, ungewöhnlich starke Frau ver- mag. Und so erblicken wir sie am Herd« Hebbel» in Wien lange Monate hindurch und dann «l» vertraut« Freundin scheibend. Gibt ihr hoch Christine ihren eigenen vor der Ehe geborene« Sohn zur Erziehung mit nach Ham- bürg, und Elise hak ihn betreut, bi» fie i» November 1854 der Schwindsucht erlag. Die beiden Frauen waren Freundinnen geworden und Hebbel sah mit den Blicken düsteren Erstaunen» auf ihr twWisch ge klärte» Seelrnbündni», bet dessen Anblick er etwa» von jener Buße empfand, die ihm nun einmal nicht erspart bleiben konnte. Er hatte al» Heilmittel da» Bewußtsein, richtig gehandelt zu haben au» eine» höhere« Recht al» de« konventionellen Begriff von Pflicht und Dankbar keit. Von einem Gefühl der Schuld an Elise ist später bei ihm nicht« mehr zu bemerken. Al» sie da hingegangen war, konnte er ohne Unwahrheit in fein Tagebuch schreiben: „Niemand werde ich lieber in den reineren Regionen begegnen als ihr". Sie hat das Martyrium der Dichterliebe tragen müssen, nach dem Tode auch das ihr hoffentlich Un- ühlbare einer oft recht pietätlosen und verkennen- )«n Forschung. Wenn ihrem Andenken von nun an olche Leiden erspart bleiben, wird ihr Geist ihre» orgsamsten Sachwalter, Wilhelm Rutz, dafür von oben segnen. Revue der Moskauer Schauspielh««» Eine Sache ist mir eigentlich immer Neber, al» viele Stückchen von allerhand Sachen. Mal nur Butterbrot und mal nur Kuchen. Aber die Russen — solange man in Rußland noch gut aß — essen Wohl temperamentvoller ukd gern diel durcheinander Die hatten sich zu der Revue in großer Zahl versammelt und fühlten sich sehr glücklich. Man war nicht nur vor der Szene, man war auch in den Pausen ein btßchen in Moskau und kam sich ordentlich geborgen vor, wenn man mal einen freundlichen Deutschrussen traf, der was er klären konnte. Nur die schöne Eugenie Nikitina erklärte sich gleich selbst und hatte für ihre gerade brechten Ankündigungen fast ebensolchen Beifall, wie für ihre Lieder Es wurde alsg gesungen. Es wurde auch ge tanzt, Von Rumneff, dem überlangen, dem kost- baren Lanzakrobaten in leuchtender Nacktheit. Weniger bin ich dafür, daß man den Tell-Monolog, wie Konstantin Eggert, im Smoking vorträgt. Las befremdet recht sehr und könnte, wenn man nun einmal die Sprach« nicht versteht, eben sogut etwa» andere» sei«. Herr Asseesf, der russische Verse rezitierte, scheint ei« alä»zender Sprecher zu sei«, dessen technisch« Qualitäten man auch in der fremden Sprach« bewundert. Von de« Bruchstücken Ware« die Szene« au» -Bmneo u«d Julia^ am aufschlußreichsten. La» Ganze ist, wie mir der Sekretär de» Theater» neulich versicherte, im S-enenaufba» zu schwer tra«Htw1abel und deshalb nicht mit noch Deutschland gekommen. Len Nom»» taugt Herr ZereteU «nf eine wahrhaft ver führerisch« Weise. Wenn er dann bei Bruder Lorenzo um Julia verzweifelt, dann finde ich, daß er auch mit dem Gesichte zu sehr tanzt. Hier, wo seelischer Ausdruck — trotz Tairoffs Theorie — von innen heraus, aus der Seele des Schau spieler» nach außen gestaltet werden müßte, hier beobachte ich, daß Zeretellt auch mehr äußerlich, mehr auf die Weise ve» Tänzers, Mienen aussetzt und Mienen wechselt. Hier könnte ein schlechterer Tänzer der bessere Romeo-Spieler sein. Der Bruder Lorenzo scheint aus altitalieni schen Heiligenbildern entsprungen, in schillern dem Rot mit gewaltiger Hakennase. Tairoffs Theater der großen Emotionen holt aus der Be triebsamkeit des guten Mönches ein fruchtbares theatralische» Motiv und läßt Herrn Swaro- schttsch weniger den sanften Mann Gotte» al ben fröhlichen Intriganten spielen. * Bet allerlei anderen Proben konnte man erkennen, inwiefern gerade Frau Alice Koonen dem Ideale Tairoffs, dem Meister schauspieler, nahe kommt. Sie kann eigentlich alles, wa» sie will, und es ist nie minderwertig, W ist höchsten» manchmal aus zweiter Hand, mehr Disziplin ihrer selbst al» Intuition Von der adelig-kranken violäne der „Verkündigung" über eine etwa» zu reffe Julia zu dem Haremskätzchen de» „Blauen Teppichs", das man wirklich kaum wiedererkannt«, da» schmollt und lockt und sich de» Auge« htngibt, «he di« Arme sie fassen. Eine Sache für sich und. die beste zuletzt war -Der Schleier der Pierette" noch Schnitzler. La genießt man die russischen Künstlermenschen, die Koonen, Zeretellt, Rumneff und zuletzt die großartig erstarrende Komparserie der Freunde, ganz auf ihren KvrperauSdruck gestellt und dazu statt unverstandenen Texte« DohnanhiS zündende, brillant« Musik. Wie da «ine Leiche ihr Totsetn tanzt; wie die zitternd« Pierette mit der taumeln den Leiche, vom Harlekin gezwungen, die Becher «nstüßt; wie sie mit dem Toten allein sich selbst in den Tod tanzt; da» war ein vollkommener Abschluß de» Abend» und dieser Russen Eigenstes: ve» Tänzer» »nd de» Mimen Gedärde, wirklich über all« Wortwtrklichkeit -inau». Rana Savr, Klaftiae. Th»»»» Ma» in Spanien. Thomas Mann be- findet sich augenblicklich aus einer Vortragsreise durch .Spanten; er hat vor der deukschen Kolonie in Barce lona und Madrid eine Reihe von Vorträgen-gehalten, die mit großem Beifall ausgenommen worden sind. Die österreichische Aerzteschast mit reichs deutschen Gelehrte« solidarisch. Aus Wien wird un» gedrahtet: Die Wiener Gesellschaft der Aerzte hat dem Bundeskanzler Dr. Seipel eine Ent schließung übermittelt, in der sie daran erinnert, daß erst vor einigen Wochen die Gesellschaft der Aerzte beschlossen hat, ihren Mitgliedern zu empfehlen, an internationalen, besonder französischen wissenschaftlichen Veranstaltungen bzw. Kongressen so lange nicht teilzunehmen, als es den reichsdeutschen Kollegen verwehrt ist, diese gleichfalls besuchen zu können. Nach diesem einhellig gefaßten Beschluß hat es in den Kreisen der Aerzteschast peinliches Befremden erregt, daß von der Regierung zwei Aerzte, welche sich infolge ihrer amtlichen Stellung diesem Auftrag nicht entziehen konnten, zur Jahrhundertfeier Pasteur», einer aus gesprochenen nationalen französischen Feier, entsandt wurden. Es sei dazu ausdrücklich bemerkt, so betont die Entschließung, daß die Gesellschaft der Aerzte am 38. Dezember den 100. Geburtstag Pasteurs in würdigster Weise begangen und dadurch der wissenschaftlichen Größe und Bedeutung dieses (Selehrten vollen Tribut gezollt hat. Die Gesellschaft der Aerzte ersucht die Regierung dringend, in solchen Fällen von der Delegierung ärztlicher Faktoren absehen zu wollen. Woher stammt da» Wort „Putsch"? Will man wissen, woher das vielverschriene Wörtlein „Putsch" stammt, so lese man in dem vierten Band von Gottfried Keller? -Grünem Heinrich" nach: „Das Wort Putsch stammt aus der Stadt Zürich, wo man einen plötzlichen vorübergehenden Regenguß einen Putsch nennt und demgemäß die eifer süchtigen Nachbarstädte sehr närrische Gemüts bewegung, Begeisterung, Zorntgkett, Laune oder Mode der Züricher einen Zürichputsch nennen. Da nun die Züricher die ersten waren, die ge putscht, so blieb * der Name für alle jene Be wegungen und bürgerte sich sogar in die weitere Sprache ein, wie Sonderbündelei, Freischärler und andere Ausdrücke, die alle aus dem politischen Laboratorium der Schwei, herrühren." ««» de« rheateebureau». (Schauspielhaus.) Da» Moskauer «ammertbealer veraviwtedri stch deute Sonntag vom Letpriger Publikum mit der «rsiaulfüvrung von .«drtennr Lecouvreur", dem Stück, in dem die berühmte SchaMpielerin «nd Mort» von Sachsen di, Held«« stad.