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8e!te 4 I4r. 129 nicht so gruslig au», wie sie mancher von den Zeugen, der ihr nachts begegnet war, wohl «mp- fanden hatte. Sie ist eine lketne. schmächtige, äußerst geschmeidige Person, die keinen Moment sich ruhig verhalten kann. Au- einem schmalen, sommersprossigem Gesicht stechen, merkwürdiger- weise unter einem blonden Haarschopf, zwei schwarze, kleine Augen hervor, die ihr in den Kreisen ihrer unzünftigen Kolleginnen den Spitz, namen „Lchwarze Ratte" eingebracht haben Alls Befragen des Vorsitzenden erzählt zunächst der Geschäftsführer des Hotel-, wie man der An- aeklagteu auf die Spur gekommen sei „Sine- Tages berichtete ein Gast, daß er beim Aufwachen in der Nacht plötzlich eine schwarze Gestalt vor seinem Koffer hatte knien sehen, die, als er sich rührte, sofort lautlos durch die Tür verschwunden sei. Am zweiten und dritten Tage nach diesem Vorfall geschah das gleiche. Bis wir schließlich eine- Tages einen Privatdetektiv vorfahren ließen, der angeblich ein Schwede war, mit Geld schmiß und zwei kostbare kleine Koffer au-Saffian- leder mit sich führte. Nach wenigen Tagen bc» kam er ebenfalls den Besuch des Gaste- und ver haftete ihn. Dabei stellte e- sich heraus, daß e» unser Zimmermädchen Milli S. war." Der Zeuge Privatdetektiv Dr. Kurt D. schildert nun, wie er die Angeklagte gefaßt habe. „Ich mußte damit rechnen, daß der Dieb einen Helfer hatte, so daß er allzu rasch verschwinden konnte, wenn ich mich ins Bett legte Ich stopfte daher mein Nachthemd ans und ordnete alles mit den Kissen so an, daß der Einbrechende, der nicht Licht machen würde, im Halbdunkel glauben mußte, eS befände sich jemand im Bett. Dann stellte ich mich unter die Mäntel eines sieben den Schrank gestellten, hohen Schirmständer- und wartete. Nach kurzer Zeit, etwa >/.l Uhr (ich war offiziell um 10 Uhr ins Bett gegangen), öffnete sich die Zimmertür und eine Gestalt in schwarzem Trikot schlich herein. Ich merkte natürlich sofort, daß ich es mit einer Krau zu tun hatte. Sie beugte sich hierbei über den einen Koffer, nestelte daran' ich drehte rasch da- elektrische Licht an und ergriff sie von hinten. Als ich ihr die Kapuze abriß, starrte sie mich furchtbar erschrocken an. Dann bemerkte sie, daß niemand weiter im Zimmer war, und meinte plötzlich: „Ach, bitte, zeigen Sie mich doch nicht an. Ich habe eine alte Mutter, der e- so schlecht geht, (tzehen Sie doch lieber wieder ins Bett." Und damit wies sie kokett auf mein ausgestopftes zweites Ich und wippte so mit dem Kopf, daß ich wußte, was sie wollte. Sie hielt mich für so einen jungen Gimpel auf Reisen, dem sie nun eine Liebeskomödie hätte Vorspielen könnens Ich glaubte weder dies noch die alte Mutter und brachte sie ins Zimmer des HoteldirektorS Der erkannte sie dann als sein Stubenmädchen." Milli S. hat während der Aussage des Zeugen ihren Kops schämig hinter der Schranke nieder, geduckt und kommt auf den Anruf des Vorsitzenden nun puterrot wieder hoch: Warum haben Sie denn nun eigentlich gestohlen? Sie hatten doch ein ganz gutes Auskommen. — Ohne Logik, aber mit um so größerer Ueberzeugung erwidert die reuclvse Sünderin: Ach, seien Sic mal, Herr Vor- sitzender, Stubenmädchen in einem Hotel (der Vor sitzende winkt leicht ab) und sehen Sie, was die Leute aus Amerila und anderswoher alles rragen und haben. Dann kriegen Sie auch die Ple.tz' Wc-'-cnI das 'e znrü ' h uud nach lurz^ .eil der Auge agteu chce Uebc^- führung in ein anderes Hotel, in dem sie sogar bedient wird, verkündet. Immerhin ist die Strafe verhältnismäßig milde bemessen und die Angeklagte ist klug genug, sich damit zufrieden zu geben. «I. 6-z. « Das, Drama de» Zarenbruder». In Reval brachte dieser Tage der dortige Deutsche Thratervcrein ein dichterisch nicht wertvolles, immerhin aber theatralisch beachtliches religiöses Drama „Der König der Juden" unter Leitung von Ernst Pündter, zur Ausführung. Das in Jerusalem spielende Stück, dessen Handlung den Zeitraum vom feierlichen Einzug Jesu in die Stadt bis zum Tage der österlichen Auf erstehung umfaßt, stammt aus dem Russischen und ist von einem Lübecker ins Deutsche übertragen. Auf dem Theaterzettel war der Vcrsafscr nur mit „K. R." bezeichnet. Wie man dann aber unterderhand erfuhr, verbirgt sich hinter diesen geheimnisvollen Buchstaben Letprlgei» »oü Soruulld««!, 2. Irrvl der ehemalige Großfürst Konstantia Kon stantinowitsch. ein Bruder de» letzten Zaren, der sich auch sonst schon schriftstellerisch betätigt hat. Linen besonderen Schmuck erhält da» Schauspiel noch durch die begleitende Musik Glasunows, die sich im wesentlichen aus Stimmung»"kkorde anschlagende Vorspiele zu den einzelnen Aufzügen beschränkt und auf all« starken Wirkungen verzichtet. Pündter half dem Stück auch durch feine feine Darstellung de» Pilatus zur Erfolg. v»» Schwiegersohn ermordet. In Do«, ptterod bei Gotha wurde der Landwirt Osch- mann erhängt aufaesunden SS stellte sich jedoch heraus, daß der Selbstmord vorgetäuscht war. Dem Toten war zuvor die Schäveldecke einge. schlagen worden. Al« vermutlicher Mörder wurde sein Schwiegersohn verhaftet. Meine Tante, die Menschenfeindin . Gegen mein« Tante, die eine überau» brav« Frau ist, wär« nicht da» geringste einzuwenden, wenn sie nicht immer und überall zu spät käme. Wie sie da» zuwege bringt, ist mir eigentlich unverständlich. Andere Leute brauchen für die Ausführung ihrer Pläne eine Vorbereitung von kaum fünf Minuten. Meine Tante bereitet sich für alle» acht Stunden lang vor und — kommt trotzdem zu spät. Meine Tante behauptet, vom Pech verfolgt und ein Stiefkind de» Schicksal» zu sein. So hat sich im Laufe der gelt «ine Furche um ihre Mundwinkel eingegraben. Sie zeigt die Züge einer Menschen feindin und sieht ihr ganze» Leven hindurch so au» wie andere Frauen sonst nur an den Tagen, da sie ihre Schlüssel nicht finden können. Mit diesem Zug um den Mund bereitete sie sich gestern um 2 Uhr auf den um 8 Uhr früh abgehenden Zug vor. Um 8 Uhr steht sie auf dem Bahnsteig und wartet. Die Zett rückt langsam vorwärts. Endlich ist e» Uhr, und meine Tante wandert zum Bahn- steig l. Eine unübersehbare Menge staut sich vor ihr auf, die die Sperre passieren will. Mein« Tante stellt sich geduldig hinten an. Drei Minuten vor Abgang de» Zuge» gelangt sie glücklich an den Knipser. Aber der Beamte weist sie zurück: „Ihr Zug geht ja vom Bahnsteig 23 ab!" Das Entsetzen meiner Tante ist grenzenlos. Sie reißt verzweifelt den Koffer an sich, schürzt ihre Röcke und fliegt die Halle entlang. L» ist ein weiter Weg, und der Atem droht zu stocken. Endlich ist sie bei 23 angelangt und — sieht gerade noch, wie sich die Lokomotive in Bewegung setzt. . . . Muß man do nicht zur Menschenfeindin werden? Ein andermal will meine Tante sich vorbereiten und studiert den Fahrplan. Eie wendet da» dicke Reichskursbuch hin und her, aber sie findet sich nicht durch. Sie erfährt nicht die Straßenbahn, die sie zum Bahnhof bringen soll. Auch mit dem Fahrpreis ist da» so eine Sache. . . Sie weiß nie genau, was sie zu zahlen hat. All die» ist — so behauptet sie innigsten» — «in« ihr vom Schicksal gelegte Falle. Und sie steht ver zweifelt in die Welt, die e» nicht duldet, daß meine Tante jemal» „gemütlich" einen Zug erreicht. Ich habe meine Tante nach dem gestrigen Fehl- schlag nur damit getröstet, daß es fast allen so geht wie ihr, die nicht den .Sommerfahrplan > 1023" der „N^ucn Lerp^g'r Zeitung" haben. Denn nur in diesem sind genau di« Bahnsteige angegeben, die Straßenbahnen notiert) die vor dem Hauptbahn hof halten, und die Fahrpreise ausgerechnet. Heber- sichtlich stehen in dem kleinen Düchelchen die Au»- slugsorte, zu denen Sonntags-Fahrkarten gelten, u. a. m. Es ist «in rechte» Vademekum, da» in keiner Familie fehlen sollte. Meine Tante hat noch viele Kollegen unter dem weiblichen und männlichen Geschlecht (jawohl, die Männer machen hierin leine Ausnahme!). Zu Nuz und Frommen dieser Unbeholfenen sei das kleine Erlebnis mit meiner Tante wiedcrgegcben. Wer eine Reise oder einen Ausflug machen will, sichere sich den neuen Fahrplan. Er ist überall dort, wo die „Neue Leipziger Zeitung" aufliegt, zu haben und kostet nur wenig mehr als eine Fahrt mit der Straßenbahn. Meine Tante hat jedenfalls meinen Rat befolgt und ist auf dem Wege, ihre Menschenfeindlichkeit avzu- streifen. r. 8port unci Iririren Unsere Voraussagen r. Su»t Hoppegarten 1. Ur Mrlarosa — Lresceudo — Eilfried. 2. N.: Fausta — Herzig — Tscherkrsfin. L. Nu EigUbert — Lass Bianca — Kammersänger. 4. Ur König Mida» — Hausfreund — Ordeuziäger. i. U: Pelargonie — Schaumschläger — Minute. 6. U: Auslese — Sonnenkönig — Matnberg. 7. U: Kamelie — Innoccnz — Narr. Saint Clou- 1. Nu Lue lll — Orizaba — Goreuflot. L. R.r Zouo — Zmpasse — Nesabourg. 8. Ur Untver» — L« Brsneray — Lalnt LH must. 4. U: Lamartine — CoreoranII — GllverPe». L. R.r Leu» — La Fall« — Florule. 6. U: Robert Gui»card — Verneuil — Souilly. »- D«r Groß« Hamburger Au»gletch, die klassische, am SO. Ium zur Entscheidung kommende Steher prüfung über 3200 Meter, fand 33 Unterschriften. König Mrdas, Hausfreund, Staffelstab, Perikles, Liebhaber, Bogacwo, Fillipov, Halloh. Abcndsturm, Ordensritter, PersicUs, der mehrfache Sieger dieses bedeutenden Rennens, u. a. haben ein Engagement gefunden. — Da» Große Nationale Jagd rennen am 10. Juni in Hannover fand nicht di« geforderte Mindestzahl von Bewerbern, denn nur 18 Pferde, also zwei weniger als verlangt, sind genannt worden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird da» Rennen jedoch aufrechterhalten. Bon den ge nannten Pferden sind Feierabend und Tippel, die beiden ersten des Vorjahre», Romberg, Spreewalü, Ratte, Erich, Raufbold, Alerich, Maral Palcftrina sowie der eiserne Halbblüter Herero hervorzuheben. Itteinautorennen auf der Kvus Die Sportkommission de» AvD hielt mit zahl reichen Vertretern der Kleinauto-Industrie eine Be sprechung ab über die Durchführung der Kleinauto- rennen am 30. September. Von der Versammlung wurde auf Vorschlag des Veranstalters nach kurzer Debatte al» Formel für die Bewertung aller an diesem Rennen teilnehmenden Motorentnpen dir Steuerformel für Viertaktmotoren v---0'3. i. ä'. « angenommen. Ferner wurde beschlossen, keine Aus scheidungsrennen abzuhalten und die Rennen für beide Fahrzeugklafsen über die ganze Avus-Strecke, also über je sieben Runden t 18,635 Kilometer gleich 137,448 Kilometer auszufahren. E» wurde fest- gestellt, daß der Veranstalter mit einer starken De- teiliqung der Fabriken zu rechnen haben wird. Der Große Pr«i» von Indtanapolt», der am Mitt- woch auf der dortigen Rennbahn in Kalifornien (U. S. A.) zur Entscheidung kam, endete, wie zu er- warten war, mit einem großen Erfolg der amerika nischen Wagen, die die fünf ersten Plätze bel-qten. Sieger hlieb Tommy Talton auf Miller-Wag'n Der Rennens, Murphy auf Dipuar.,.,^-"dctc an dritter Stelle. Von den drei deutschen Mer- eedes-Wagen, die unter Lantenscblöger, Sailer und Werner an dem 500-Meilen-Rennen teilnahmen, beendeten zwei die lange Reise. Im ganzen kamen zehn Wagen ein. Die französischen Wagen gaben auf. Ku» dem Schwimmer-Lager In seiner außerordentlichen Hauptversammlung beschloß der !. Leipziger Schwimmklub Poseidon von 1800, e. «...den Zusammenschluß mit dem VfB. mit 109 gegen 20 Stimmen bei zwei Enthaltungen. Fall» der VfB. der Vereinigung zu- stimmt, tritt Poseidon in den VfB. ein unter dcm Namen „Wassersport-Abteilung Poseidon". Don einigen Mitgliedern des Poseidon ist Einspruch gegen die gestrige Versammlung erhoben worden, da diese nichts wie beschlossen, nach der Abstimmung de» VfB. einberufen wurde. Man bittet uns noch mitzuteilen, daß alle Herreu, die setzen diesen Zusammenschluß gestimmt haben, ihre Adresse bei Arthur Borg, Fervtnand-Rhode- Straße 24, niederlegen wollen. Vfv-Leipzig in Eger siegreich Der VfB hat da« erste Spiel seiner Reise durch Böhmen siegreich beendet. Er gewann in Eger das Pokalspiel gegen den FK-Karlsbad, der zu den spiel stärksten böhmischen Prcminzvcreinen zählt, 4:1. * Gut».M»t»^r««de» spielt am 10. Juni in Leip zig gegen die Fortuna. Der mitteldeutsche Meister begibt sich von hier auf eine Gastspiel reise nach Schweden. Dresdener Hockeqsplele -er LsE Die erste Mannschaft de« Leipziger Sport-Klubs beschließt ihre diesjährige Spielzeit mit einer Neye nach Dresden. Sie wird morgen gegen den Dresd ner Sport-Klub, am Sonntag gegen den Sächsischen Hockey-Tennis-Klub Dres- den antreten. Da beide Dresdner Vereine in letzter Zeit teilweise recht gute Erfolge erzielt haben, werden oie LSC er um den Sieg zu kämpfen hoben. Iedoe berechtigt die in den letzten Spielen gezeigte Form der Hiesigen zu der Hosfnuna, daß sie Leipzig gut vertreten werden. Die Mannschaft fährt voraussi t- lich in der Aufstellung: Drape, W. Schumann, W. Boesch, Dlon, Faber — Dr. Hagens, Buffe, Frey- berg — Rohrmann, Proft — Brunner. Internationale Leichtathletik- Wettkämpfe Mit dem kommenden Sonntag setzt die deutsche L ichtathletitfcnson auf offenen Bahnen voll ein. Im vrdergrunde stehen die internationalen Wctt- l> mpfe in Münster i. Wests, und Dtagdeburg, d c sich einer ganz ausgezeichneten Besetzung zu erfreuen Haden. Im Großen deutschen Eprinterpreis (Lein ehemaligen Kronprinzenprci«) haben bisher Wes. mann-Hannover und Entstein-Dortmund ihre B- teiligung zugesagt. Die übrigen offenen Wettbewerbe finden unter Mitwirkung des holländischen Vcre n „Dlug en Lenig Haag" statt. Auch eine Anzahl in Hannover studierender Finnländer wird mit von der Partie sein. — In Magdeburg ist bei Vik- toria 96 die Prager Slawia mit ihren besten Kräften zu. Gaste, denen die gesamte mitteldeutsche Klaffe entgcgentritt. — Di« internationalen Kämpfe de» Stettiner TD dürften sich auf inländische Betei. ligung beschränken, da der erwartete Start rin:.- Schweden bisher noch nickst feststeht. * Im Lausen irnd Gehe« „Quer durch den L'ä. . über 26 Kilometer am Sonntag, das vom Stadic in Lichtenberg aus stattfindet, sind 111 Läufer un > 53 Geher gemeldet. * Der Reichsbeirat für körperliche Etz^hung hie. im RstHL:unri'.-er!.iim des Innern unter Leitung von Staatssekretär Schulz eine Sitzung ab, in .. . die Verteilung der im Reichsetat 1923 vorgesehener, zwei Milliarden gutachtlich beraten wurde. Linnemann (DFB) sprach im Namen des Deutschen Reichsausschuffes, Gellert im Namen der Zentral- kommission den Dank für die tatkräftige Arbeit des Reichsministcriums aus. Der Reichsbeirat bat den Vorsitzenden, den gleichen Dank an die gesetzgebenden Körperschaften Reichstag und Reichsrat aus- zurichten. Die Sitzung trat nach Abschluß der Fi- nanzberatungen in eine Erörterung des Spielplatz, gesetzes ein. —— Kus dem Leipziger Schachlebeu Die Schachgesellschaft Amicitia veran staltet heute, Sonnabend, in ihrem neuen Heim Rotenburger Erker, Kleinzschocher, Altranstädter Straße 2, abend» 8 Uhr, eine Simultanvor stellung von R. Max Blümich. Gäste sind will- kommen. persönliches von Oswald Spengler Kein Werk der Nachkriegszeit hat so gewaltige» Aufsehen hcrvorgerufcn wie Oswald Spenglers .Untergang des Abendlandes", das jetzt in zwei Bänden in endgültiger Fassung vorlicgt. Trotz viel facher Einwendungen ist doch überall die großartige Leistung anerkannt worden, die hier ein bi» dahin völlig unbekannter Gelehrter vollbracht hat. Es liegt etwas Geheimnisvolles um Spenglers Werk und Persönlichkeit-, die Legende hat sich bereite seiner bemächtigt, und deshalb ist es interessant, daß August Albers im neuesten Heft der „Preußischen Jahrbücher", dessen Aufsätze sämtlich der Auscin- andcrseßuny mit Spengler gewidmet sind, persön- lichc Einzelheiten über ihn mittcilt. Spengler stu- dicrte hauptsächlich Mathematik und Naturwissen schaften, machte in Halle 1903 seinen Doktor mit einer Arbeit über Heraklit und war dann Ober lehrer, zuletzt in Hamburg. Aber die Lehrtätigkeit genügte ihm nicht. „Ein unbestimmtes Etwa« arbeitete in ihm, dem er in Dichtungen, Dramen, Novellen Form zu geben suchte. Aber nichts von diesen Versuchen ist vollendet oder gar erschienen. Um diese Pläne schneller zur Reife zu bringen, ließ sich Spengler auf ein Jahr Urlaub geben und nahm in München Wohnung. Dort beschäftigte er sich intensiv mit künstgeschichtlichen, historischen, philo- sophisck>cn und politischen Studien, ohne zu wissen, zu welchem Ende das alles führen würde. Auch seine poetischen Arbeiten suchte er weiter zu bringen. Dann kam der Marokkokonflikt, die Agadir-Landung. Und als er Kch die Bedeutung dieser Ereignisse klar zu machen suchte, indem er sic unter immer größere europäische historische und kulturgeschichtliche Ge sichtspunkte faßte, da prägten sich ihm langsam die Grundgedanken seines Werkes, das unter dem Titel „Der Untergang des Abendlandes" seit fünf Jahren di« Geister in Bewegung hält. Eines Tages sah «r m einem Schaufenster Otto Scecks „Geschichte de» Untergangs der antiken Welt" und erhielt dadurch die Anregung zum Titel seines Buches. 1814 lag der erste Band im Konzept vor, 1817 war er druck reif. Dana begann die überaus schwierige Aüfgab«, «inrn Verleger für da» umfangreich« Manuskript zu s»ch«n. Nachdem die namhafteste» deutschen Firme» ihm eme Absage gegeben hatten, wandte er sich cm den Verleger Deininger», Wilhelm Braumüller in Wien, und nach Ueberwindung endloser Schwierig, keiten kam im Sommer 1818 die erste Auflage des ersten Bande» heraus." Spengler hat von den Büchern, die er nach dem Urteil seiner Kritiker au»- geschrieben haben sollte, m«isten» nicht einmal die Titel gekannt. Der argentinisch« Professor Ouesada, der über ihn eia Werk ia spanischer Sprache ver öffentlichte, vergleicht die Arbeitsweise Spencer» mit der Spengler», da « beide persönlich kennen gelernt hat. „Der Engländer besaß einen fabel haften Aettelapparat, an dessen Ordnung und Der- mehruna zahlreiche Gelehrt« ununterbrochen arbei teten. Der Deutsche besaß eigentlich nicht« al, sein ebenso fabelhafte» Gedächtnis. Die Skizze» Speng ler» für den zweiten Band beherbergte ein kleiner Handkoffer, den er, wenn »r verreiste, zu seinen Freunden trug. Beachtenswert ist auch die Art seiner Manuskriptherstcllung. Den ersten Band hat er, wie er mir erzähltO handschriftlich bei Kerzen licht hergestellt und dadurch seine Augen schwer ge schädigt? V. "ck-er unmoralisch» Artur Dinier. In der Ur teilsbegründung bet der Prtvatklagesache Artur Dinter- gegen Stefan Großmann, den Heraus- geber de- Tagebuch-, heißt es, über Dinter» Ro mane, „daß diese nach Ansicht de» Angeklagten und selbst berufener Sachverständiger künstlerisch und wissenschaftlich nicht nur bedeutungslos, sondern auch moralisch angreifbar sind". Diese gerichtliche Feststellung erklärt da« Tagebuch für da« schönste Ergebni« de« Dinter-Pro-esse«. Sicherlich ist sie mehr wert al« die 30 000 Mark Geldstrafe oder 4 Tage Gefängni«, zu denen Dinter verurteilt wurde. Da» Gehestnni» der Stradivari»» entdeckt? Seit langem spürt man dem Geheimnis »och, durch da» die Geigenmacher von Lremona, dt« Stradivari«», Gucmerüm usw., ihren Violinen den wundervollen, nie wieder erreichten Klang verliehen hohen. Nach ei»«r Melduug de» Matin soll dieses Geheimnis nun ia einem italienisch«« Manuskript von 1716 entdeckt worden sein. Die Handschrift enthält auch «jn Rezept für die Auflösung von Bern stein und harte» Kolophonium, «in Prozeß, der in den letzten zwei Jahrhunderten in Vergessenheit ae- raten war. Während man bisher annahm, daß der Ermnoneser Kiruia au» «»ich»» Kolophonium b» stand, weil dieser Firnis leicht in Alkohol lösbar ist, wird in der Handschrift harte» Kolophonium al» eines der Bestandteile angegeben. Di« moderne Lhemie hat noch keine Mittel für die Auflösung des harten Kolophonium» gefunden. Man behauptet, daß sich auch die alten Meister, von van Eyck bis Ruben«, dieser horten Harze bedienten, nicht nur al» eine» Firnisse», sondern auch al» Bindemittel» für di« Farbe». und einer Moral der Menschlichkeit und Frieden« protestieren wir auf« schärfst« j jede Einführung l Militär» in der Schi «ilit»ri»mu. in Var Schule. Die Militarist«, rung Frankreichs erstreckt sich in ihrer Wirkung auch auf die Schule. Dem französischen Generalstab ist ein „Schulamt" beigegeben, da» dt« Schulen tn chauvinistische Bahnen zu lenken sucht. Bon dort sind setnerZeit für den Unterricht Richtlinien aufgestellt worden, in denen der Satz vorkommt: „Der Lehrer soll dem Offizier ein Mate rial liefern, da- Physisch gestählt und seelisch gut vorbereitet ist für Kaftrne und Schlachtfeld." Mit anderen Worten: die Jugend soll —ganz wie im alten preußischen Deutschland — zum Kanonen- futter präpariert werden Ebenso ist versucht wor den, an den höheren Schulen Frankreich» Schieß übungen etnzuftthren. Dagegen haben sich nun die französischen Lehrergewerkschaften (mit 62 000 Mitgliedern, die nationalistischen Lehrer verbände haben-nur 20000) mit folgendem Pro- test zur Wehr gesetzt: „Im Namen der Neutralt- tät der Schule und der Freiheit der Eltern, im Namen der bestehenden Gesetze und Schulord- nungen, im Namen einer gesunden Pädagogik und einer Moral der Menschlichkeit und de- Frieden« protestieren wir auf» schärfst« gegen jede Einführung de» Militarismus und ve» Militär» tn der Schule." Der erfolgreich« Arzt. Sin lustige» Geschichtchen findet sich tn einer englischen medizinischen Zeit- schrift Ftiiher war jeder chinesische Arzt gehalten, vor der Tür seine» Hause« so viel Laternen an- ml-llnden, wie er im abgelaufen«» Jahre in seiner Praxi» Tode»fäll, zu verzeichnen hatte. Eines Tage» war der Kaiser von China, der an sich kein sonderlicher Freund der Aerzte war, an einem Un- wohlsein erkrankt und sandte in alle Teil« der Stadt zuoerlässi« Mandarin«, um den Arzt aufzutreiben, vor dessen Haus« di« w«nigst«n Laternen beanntsn. Zn at-er EU« wurde der Arzt nach d«m kaiserlichen Palast ««bracht, und «» gelang ihm auch, dm» hohen Herrn in kurz« Zeit Erleichterung zu schaffen, »ach beendet« Kar sagt« der Kaiser dem Arzt: „Du mußt ein gelehrter Mann sein, daß du in deiner Praxis so selten einen Fehler gemacht hast. Seit wann übst du denn die ärztliche Kunst aus?" — „Leit heute morgen," antwoxtete der Arzt dem er- schrockenen Kaiser. ml. Et» »euer vtbeltetzt? Dr. Bachanan, der Vvrstetzer der kostbaren Handschristensammlung der „Gesellschaft Hispania" in New d)ork, hat durch die Entzifferung uralter lateinischer Manuskripte der von ihm verwalteten Bibliothek schon wiederholt erregte Au»einanders«tzunaen in der Welt der Bibel- forscher ausgclöst. Er macht jetzt die Mitteilung, daß er neuerdings eine wichtige Entdeckung gemacht hat. Wie Dr. Bachanan versichert, ist c« ihm nach vieler Mühe gelungen, den fast gänzlich verstümmelten Text . einer altspanischen Handschrift, die zu den Schätzen der Gesellschaft gehört, zu entziffern irnd in seiner ursprünglichen Reinheit wiederhcrzustellrn. Der von ihm entdeckte Text ist der einer Bibel, die sich von Grustd au» von allen bisher anerkannten Lesarten unterscheidet. Etue Lösung der Frankfurt« Thraterfrag«? Die Frankfurter Theatcrkrise, tue durch den Abschied des Operrrdtrektor» Lert entstanden ist, hat sich dadurch verschärft, daß die Frankfurter Oper auch den Kapell- meister Eugen Szcnkar, der bekanntlich an die Ber liner Dolksoper geht, verliert. Diese BerschärfunN der Krise macht e» nötig, daß man rasch an eins Lösung geht. In den maßgebenden Kreisen besteht dt« Absicht, wieder einen Generalintendanten, dem Oper und Schauspiel unterstellt sind, zu berufen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird man den Versuch machen, Geheimrat Zeih, den jetzigen Münchener Generalintendanten, d«r schon einmal di« Frank- furter Theater leitete, wieder zu gewinn««. L» be steht insofern Aussicht, daß Zetß dem Ruf nach Frank furt Folge leisten wird, al» er mit den verworrenen Münchener Verhältnissen nicht zufrieden ist. Die Verquickung von politischen Strömungen mit der Kunst machen die Leitung der Münchener Staats theater so unerfreulich, daß Geheimrat Zetß sicherlich nicht abgeneigt ist, «inrr eventuellen Frankfurter Be rufung näherzutreten. Sollte «« gelinge«, Geheim- rat Zetß zu gewinnen, dann wird Intendant Weichert di« Leitung de» Schauspi«!» beibehalten, während an di« Spitze d»r Op«r ei« »euer Intendant berufen wird. Sollt« dagegen Geheimrat Zeiß dem Ruse nicht Folg« leisten, dann wird «an voraussichtlich dem Intendanten Deicheri die Generolintrndantur übertragen.