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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230602
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Text schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-02
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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2. di«' beide den« verlangt, da in Verfahren wllc. Senator i Anwalt b->- > die Zeitung em Scheck in ts von einem mnd Englands s- ich gegen die Völkerbunds, die Ber- u verlangen. Vertrage in > eine Unte>-- ,ebietes, also nssion, ver- Saarb.ücken t, - wie Lord lkerbund das mhcitcn des lntersuchung ein Ein» Caargebiet m Persailler die Wohl- ohne Blut- dcrswo vor der zweite rlommission, )r zu geben, ausgeführt z würde im sichen Pro- mtigen und ssegierungs- er Bcvölke- s also klug, angcn. lährunq e Moraen- mit dem . ark, den bank ihre h weigert, er in An- npten, der ie in eng- ing weiter rnd aus» n Wäl-,. Unter- c s will noch eine und erst Uhr, irr uzen fori- Huß durch lotle und ein»r ang wird :n Teiles 1919 in den. In dik nach -nufer ist »ruck erstaats» rdini, getretene steril im ine Dc- nommcn i Partei Partei Lchrei- >cr alte ergess, n Leden en er in eichs » Mission rbe des l au>» hm ge- sfungs- e ent- id dis und ür die z seine uf der r die ndiger Aende» e und äufige bstim- ssehcn. seil» llissio» zlrsche iedcr- alige-e Mitt» ffnet. > eins i von Co» irdeU , s» ktzM« 8ovllLdea<I, üen 2. ^«^esberickt Die Schäden der Wolkenbrüche Halle a. S., 1. Juni. (Eig. Tel). Die Wolkenbruch-Katastrophe, die in der Provinz Sachsen an vielen Stellen so großen Schaden angerichtet hat, hat in Oberröblingen ein Todesopfer gefordert. Die Wassermassen brachen dort mit solcher Wucht in eine Werkstatt der Riebeckschen Montanwerke ein, daß der Pumpenwärter He in ecke sia> nicht mehr retten konnte. Er wurde von den Schlammassen e r st i ck t. Der Bahnbetrieb auf den Kleinbahnen von Mücheln, Schafstädt und Merseburg-Qucrfurt ist schwer gestört Bei Eilensrädt unterspülte der Regen den Bahndamm, so daß ein Frühzug der Kleinbahn entgleiste. Es haben einige Reisende unbedeutende Verletzungen davongetragen. Da gegen ist erheblicher Materialschaden angerichtet. Der Gruben- und Fabrikbetrieb der Braun kohlengrube Elisabeth, die den Anhaltischcn Kohlenwerken gehört, ist durch das Unwetter außer Betrieb gesetzt, da große Wassermasscn in die tiefer gelegenen Räume cingedrungen sind. Ein großer Teil der Wohnhäuser in der Kolonie Stöbnitz-Möcklingen und Neubien- dorf ist eingestürzt. Andere Häuser müssen noch niedergelegt werden. Akademische Kurse des Sächsischen Philologen. Vereins. Zur 3. akademischen Tagung des Such- tischen Philologcn-Vcrcins, die, für Germanisten und Neusprachler bestimmt, in der Woche vor Pfingsten in Leipzig stattfand, hatten sich etwa 400 Teilnehmer von den höheren Schulen des Freistaates Sachsen eingcfundcn. Besonders begrüßt wurden die Vorlesungen von Prof. Witkowski und Friedmann, die die deutsche bzw. französische Literatur bis zu den neuesten Erscheinungen behandelten, sowie die Prof. Schmidt („Die Verfassungen der jetzigen Kultur- sraaten"), Krüger („Leitgedanken deutscher Philo sophie"), Litt („Der Sinn der Geschichte"), Schultze < „Die Zerrüttung der Weltwirtschaft"), die Stellung zu allgemeine» und brennenden Tagesfragen nahmen. Einige Vorlesungen wurden in englischer bzw. fran zösischer Sprache gehalten. Eine Gefangenen - Meuterei unisrdrückt In der Strafanstalt Lichtenburg bei Torgau über fielen im ArbcitSsaal 30 Gefangene den Wacht meister, schlugest ihn nieder, steckten ihm einen Knebel in den Mund, legten ihm einen Strick um den Hals und nahmen ilnn Seitengewehr und Schlüssel ab. In demselben Augenblick kam ein zweiter Beamter hinzu. Sogleich warfen sie sich auf ihn, um ihm die Schlüssel zn entreißen. Ter Beamte warf aber die Schlüssel zum Fenster hinaus auf den Hof. Dadurch wurden die Wachen aufmerksam und der Aufruhr konnte unterdrückt werden. Todevstnrz einer Mondsüchtigen. Die 15jährige Tochter des Oberstleutnants Erdmann in in Weißenfels ist in einem Anfall von Mond sucht voin Fenster des dritten Stockes ihres Hauses auf die Straße abgestürzt, und zwar in demselben Augenblick, als der heimkehrende Vater die Haustür aufschloß. Das unglückliche Kind war sofort tot. — Ein anderer tödlicher Unfall eines Kindes trug sich in Blankenburg zu. Dort stürzte auf dem Bahnhofe die 10jährige Tochter des Stellmachermeisters Schilling aus Rockcnbach, die mit ihrer Schule auf einem Aus fluge begriffen war, aus dem Zuge und brach den Schädel und beide Oberschenkel Sie starb alsbald. „Wandervögel" mit der Drahtschere. Zehn junge Burschen und Mädchen, die Mafjcndieb- srähte von Leitungsdraht verübten, sind jetzt zu sammen mit vier Hehlern in Berlin hinter Leipziger Tageblatt uoä HsvdelLreltuag Ur. 129 Zelte 3 Schloß und Riegel gebracht worden. Die Jungen und Mädchen hatten sich als Wandervögel mas kiert und veranstalteten mit Rucksäcken und Man dolinen „harmlose" Ausflüge in die Umgebung Berlin-. Die Ausflüge galten aber in Wirklich keit der AuSkundschafr von Gegenden, an denen Leitungsdraht am leichtesten abzuschneidcn war. S Milliarde« ««terschlageu. Eine Hamburger Firma, die sich mit dem Vertrieb von Kakao pulver belaßt, wurde von einem ihrer Angestellten durch groben Vertrauensbruch um einen Betrag von 5 bis 6 Mlliarden Mart geschädigt. Erne heitere Zahnpraxi». In Berlin wurde im Hause Bülowstraße 104 in dem dort befind lichen zahnärztlichen Institut ein Nachtlokal aus gehoben. 17 Personen, die bei einem Sektgelage angetrofsen wurden, konnten festgsstellr werden. Die neuen Srot- und Mehrpreise für Leipzig-Land In der Sitzung des Bezirksausschusses der Amts- houptmannschoft Leipzig stand der neue Brotpreis als erster Punkt auf der Tagesordnung. Regierungs rat Ebbckc führte aus: Die Erhöhung der Preise für eine Tonne Roggen von 212 009 auf 760 000 .« und bei Weizen von 212 000 auf 800 000 .il, sowie der gestiegene Kohlcnprcis, die gestiegenen Löhne und die vielen anderen Mehrausgaben erzwingen einen erhöhten Mehl» und Brotpreis ab 4. Juni mit der Marke 7. Die Preisunterschiede zwischen früher und heute lassen sich aus folgender Tabelle ersehen: Bisher Ad 4. Juni -100 Kilogr, Roggcnmehl .33 200 116 500 100 „ Weizenmehl 34 000 . 128 000 „ 1 Pfund Schwarzbrot 210 , 560 , 1400 Gramm Schwarzbrot 588 , 1570 . 1900 , Schwarzbrot 708 , 2130 , 1 Semmel zu 65 Gramm 25 . 90 „ 650 Gramm Weizenmehl 150 , 530 , 350 „ Roggenriehl 138 , 450 , Backlohn 23 420 „ 33 550 » Zur Ueberprüfung hat der Bezirksausschuß einen eigenen Unterausschuß ernannt, der die Zahlen nach genauer Durchsicht für richtig befunden hat. Die Preise für Schwarzbrot betragen in Berlin 650 in Dresden 590 .ll, in Chemnitz 578 ^<(, uc Delitzsch 580 -R. Der Amtshauptmann glaubt bei der hohen Forderung der Reichsgetreideftclle die Zwecklosigkeit eines Protestes erwähnen zu müssen. Nichtsdesto weniger schließt er sich dem Antrag des Mitgliedes des Bezirksausschusses Schmidt aus A bjend u n g eines Protestes an, was gegen eine Stimme beschlossen wird. Gleichzeitig soll auch gegen die herrschende Art der Zuckervcrteilung Ein» sprnch erhoben werden; in der letzten Zeit mehrten sich die Fälle, daß arme Familien 14 Tage bis drei Wochen hindurch keinen Zucker erhielten und der bc- sonders für Kinder so wichtige Nährstoff aussiel. Der ab 4. Juni gültige Brot- rind Mehlprcis wurde sodann gegen eine Stimme angenommen. In derselben Sitzung sprach noch Regierungsrat Dr. Etienne über die Einverleibung der Gemeinde Sommerfeld in die Gemeinde Engclsdors, ferner über die Verschmelzung der Armenkasse Tellschütz mit der Gemeindckassc, über den vierten Nachtrag zum Be- soldungsortsgesctz in Engclsdorf, über die Erhöhung der Tayesgeldcrsätze für die Gemeinderatsmitglrcdcr i Kleindalzigs. Alle diese Punkte wurden genehiüigt. Zugestimmt wurde ferner dem Nachtrag zur Wasser- werksordnung für Böhlitz-Ehrenbcrg, der Lustbar- keitssteucr in Althen. Von den Hundesteuerantrögen wird der Holzhauscner genehmigt, die Gesuche non Sommerfeld, Pöhlitz-Ehrenberg und Engelsdorf wer den dem Ministerium zugcsandt werden, da sic über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehcn. Rcgicrungsassesso.r Dr. Gertin referiert über die Genehmiguyg der Satzungen für den Arbeitsnach weis Zwenkau, über die Errichtung einer Scknveiue- schlächtcrei in Pöhlitz-Ehrenberg durch Oswalo Richter und die Genehmigung des Plaitenwerkes für Inrlo- Bauwcise; den letzten zwei Punkten wird bedingungs los zugestimmt. Vorher wurde das Vorkaufsrecht bei Grundstücken für Bezirlsverbändc und Gemeinden erörtert. 8» Die Liebe vor dem Forum Kleine Äoceacciaöen vor Berliner Gerichten Berlin, Ende Mai. Sie hatten sich bei einer Ausführung des Vereins „Thesp,» iE»" kennen gelernt. Und der Weg, der sie aus dem Hinterzimmer der Kneipe in der Seestraße bis vor die Schranken des Schöffen gerichts geführt hatte, war lang und leidvoll ge wesen. Man kennt diese kleinen Theatervercine des Ostens und Nordens der Riesenstadt Berlin, I in denen arme, vom Alltag verstaubte Bureau- > seelen sich durch ein bißchen Wortflitter, falsches i Pathos und bunten Kleidertand aus der rauhen. ! durch Chef, Kladde und Paketverscbnüreu ver- > ekelten Wirklichkeit hinausflüchtcn Für manche verschwimmt in diesen rraumseligen Abendstunden dann oft Phantasie und Realität So war es auch bei dem Friseur Max T. und dkr kleinen feschen Kontoristin Frieda B mit den kurzen, schwarzen Ringellocken, von denen der erste gegen den Baker des Mädchens, den SchlosscrmeisterB., jetzt Privatklagc angestrengt hatte. Vorsitzender: Sie haben Fräulein B bei einer Aufführung von „Romeo und Julia" kennen ge lernt? — Kläger T.: Jawohl. Ich spielte die Titelrolle in dem Schäckspehr und Fräulein B. auch. Ta man aber in „Thespis 99" scheinbar recht naturalistisch spielte und lebte, setzte sich das vcronesische Idyll der Kulissen in der etwas weniger romantischen Seestraße fort. — Vorsitzen der: Und Ihnen ist das Benehmen des Herrn T. besonders ärgerlich gewesen, Herr B. ? Angeklagter B.! Et war einfach empörend. Das Mädel hatte sowieso nichis anders als den Theaterklamauk im Kopp. Janz jrün war se schon ins Jesicht, morjens de Arbeit und abends immer die ver fluchte Proberei. Un det schönste war, wie det Stick vorieba war, fing et erst recht an: Tenn pfiff et abends, wenn wir alle schon in de Posen lagen. Erft hört ick et nich. Aber denn sagt ineine Olle: Du, sagt se, horch mal an Friedas Kammer. Un ick hör und hör inima bloß en Geflüster: mach uff, da steht se mir doch am Fensta, denken Se, Herr Vorsitzender, in de Seestraße, wo se doch alle aufeinander lauern, und spricht mit dem Kerl da lauter Schmalz. Und er wenzelt mit dem Hintern Wien valiebter Kater Ick fchazeiß der Fenster zu und sage janz ruhig zu meine Tochter: „Frieda", sag ick, „der das nich noch ceinal passiert" Vorsitzender: Aber es passierte doch noch ein mal, nicht Muhr? — Angeklagter B: Ecnmal? Drei-, viermal! Bis ick'S satt hatte Und wie sich der Kerl Wieda ran pirscht, stand ick mit en alten Blumcntopp hinta de Schalusi, et war jrade Voll mond, ja, un denn ha ick eben losgepleffert. Un treffen tu ick ebend imma. — Vorsitzender: Das wird Sie aber eine gehörige Straw kosten. Sie können doch nicht einfach fremde Leute mit Blumentöpfen werfen. — Angeklagter B : Ach wissen Se, Herr Vorsitzender, ich bin schon jenuch bestraft, det Mädel is mir da ja wechgcloofeu. Und er sieht wehmütig zu der Tochter hinüber, die sich trotzig an ihres Ronreos Seite schmiegt. Er hat so gar nichts von der alten Capulet-Würdc, wie er da, die dicken Hände über den Weißbier- bauch gelegt, halb zornig, halb weinerlich dasteht. Und es gelingt den Anstrengungen des Vor sitzenden, nach langem Bemühen einen Vergleich zustande zu dringen. So geht diesmal die -Lache glücklicher aus, als damals unter dem ungeschickten Prinzen Escalus. Doch, Trost der Welt, wär'n die damals nicht unversöhnt geblieben, Shakespeare hält' nie sein Trauerspiel geschrieben- * Adromcit ist nicht mehr jung. Er ist in Tschun- kawe, Pillkallen, Eydtkuhnen Stallschwcizcr ge wesen. In die Stadt kam er selten. Mit Berlin verband ihn nur ein Postkartenwechsel, der all jährlich mit seiner, in diesem „Sündenpsuhl" lebenden Tante Marie Rogge zu Weihnachten und Ostern stattfand. EL hatte ihr aber in diesen Zeiten nicht mehr gefallen, und das Zeitliche zeitlich sein lassend, war sie unter Hinterlassung einer Katze und einer Barschaft von 150 000 Mark gen Himmel gefahren, Abromeit als crnziger Erbe mußte die Fahrt in die Metropole antreicn Er sollte sie nicht allzusehr kennen lernen. Kaum cingetrossen fand Abromeit, dessen Quadratfchuhe sich außerordentlich gut dem breiten Pflaster muster Berlins anpaßtcn, den liebenswürdigsten Empfang durch eine Emgcbornc, deren Wigwam in der Nähe des Schlesischen Bahnhofes sich de befand lind den sic ihm bereitwilligst zur Per fügung stellte. Aber Undank ist der Welt Lohn. Als Abro meit nach drei Tagen geschieden war und daheim seinen Koffer öffnete, iand er ihn, den er sorg fällig gepackt hatte, mit Steinen und Zeitungs Papier ausgcstopst. Auch das Geld in der eingc- packtcu Brieftasche war durch kunstvoll zu passen dem Format geschnittenes Butterbrotpapier ersetz« Abromeit schnob Rache und zeigt Elima Besse- mcyer an. Dabei stellte sich heraus, daß sein? Huldin eigentlich Olga Knolle hieß, und ihr Vor strafenregister lang war wie eine ehemalige kaiser liche Tiiicrkarte. Heute stand nun Olga vor dem Schöffen gericht. Sic verteidigt sich: Ter olle Kerl sprach mir an — Abromeit haut mit seiner riesigen Stallschweizerfaust auf den Zcugeutisch: Da soll doch Sie hatte mich gleich am Wickel, faßte mich, al- ich mich nach einer Elektrischen umsah, unter den Arm. - Vorsitzende r: Und da gingen Sie gleich mit? — Abromeit (wird rot, zögert und flüstert erst nach eindringlichem Befragen»: Ja, sic kniff mich so'n bißchen aus, das lann ich nicht vertragen Dann hat sic mich aber ausgeplün dert. Tas Luder! Und die Katze von meiner Taute, die war auch am zweiten Tag verschwunden. Die Angeklagte kriegt einen plötzlichen Wulaniall: So. na mir kann's egal sein, wenn du mich ver pfiffen hast wejen den lumpigen Zaster, wo de drei Tage bei mir warst, mcinetwejeu, ich habe dir den Koffer aufjefüllt. Aber die Katze, die hast du jesressen! Hatten wir am letzten Tag nich Hasenbraten, der wo dir noch so schön schmeckte? Tableau. Abromeit stehl da, würgt an Worten. Erst als der Vorsitzende das auf lange Monate lautendd Urteil verliest, wird er ruhiger. Und mit dem Gegenspruch: „Einmal Bube und nicht wieder!" verlaßt er den Saal. O Eine unheimliche Angestellte hatte, wie sich jetzt in einer Verhandlung vor dem Moabiter Gericht herausstellte, längere Zeit hindurch ein Hotel der südlichen Friedrichstadt heimgesucht. Im Verhandlungssaal sah freilich Fräulein Milli S. </<7v Wellen Lei/rrryer ür a//e>» Z'üückeu, .4-/c>rku--eu .4nua/uue«ke/keu eke« /.eyuf-e>' Ta-ed/aüe» uaek eker -Veueu so,t,e in eken Aeie/tn/kistt//«, 8. Gilles und Ieanne oder Drama und Geschichte Bon Ssorz Witkowski Gilles de Rais, geboren 1404, war einer der mächtigsten Vasallen Frankreichs. Mit 14 Jahren wurde er durch den Tod des Paters Herr der aus- gedehnten Gebiete von Rais, südlich von Nantes und oer Loire, und gewann bald darauf durch die Heirat mit einer der reichsten Erbinnen neue große Besitzun gen hinzu. Frühzeitig trat er in den Dienst Karl Vll., der, von den Engländern bedrängt, immer weiter zurückwich. Als im März 1429 die Jungfrau von Orleans in Lhinon vor dem König erschien, war Gilles de Rais dort zugegen und blieb der Er retterin Frankreichs zur Seite, bis die Krönung des Königs in Reims ihr Werk besiegelte. Bei diesem Anlaß wurde der jugendliche Feldherr mit 25 Jahren zum Marschall von Frankreich ernannt und kämpfte unter dem Befehl der Jungfrau weiter, bis sie unter den Mauern von Paris standen. Dann aber ließ er auf den Rat des allmächtigen Ministers La Tri- mouillc, seines Verwandten, die Retterin im Stich und zog sich auf seine Schlösser zurück, von wo er nur hier und da noch in den Kampf cingriff. Ieanne Darc war bei dem Sturm auf Paris schwer verwundet worden. Der Glaube, sic sei unbe siegbar, schwand und die Mißgunst des Hofes und der Barone versagte ihr den nötigen Beistand. Bei einem Ausfall aus Compicgne nahmen die Burgunder sic gefangen, der König tat nichts zu ihrer Befreiung und sie wurde den Engländern ausgcliefert. Als Zauberin und Ketzerin, als Tcusclsanbeterin und sittenlose Dirne angeklagt, widerstand sie vor dem Gericht des Bischofs von Beauvais monatelang ver gebens der Verleumdern und wurde am 24. Mai 1431 verurteilt, ihre Verbrechen zu bekennen undallewi dernatürlichen Handlungen abzusänvören. Sir wurde daraus vom Feuertode zu lebenslänglichem Gefäng nis „begnadigt". Um trotzdem ihren Tod zu erzwingen, nahm man ihr die Frauenklcidcr, die sie nach dem Urteil an Stelle ihrer vom Kriege her gewohnten Monnertracht an gelegt hatte. Der Bischof stellte daraufhin fest, daß Ieanne rückfällig wäre, und sie selbst, der unsäglichen Leiden müde, nahm ihre Abschwörung zurück und crkliirte sie für einen Ausfluß der Schwäche, denn alles was sie gesagt, erblickt und getan habe, sei ihr von Gott eiWegeben worden. Daarit war ihr Los entschieden, und am 30. Mai 1431 wurde sie aus dem Marktplatz in Rouen lebendig verbrannt. Indessen war der Marschall Gilles de Rais in ein unerhörtes Lurusleben versunken. Mit einer Leib garde von 200 Bcrittcncn zog er non einem seiner Schlösser zum anderen und der Glanz seines Hofes übertraf den des Königs. Leidenschaftlich liebte er Musik, Tanz und Schauspiel und Unsummen gab er aus. So kam es, daß selbst seine scheinbar unrrschöpk. lichen Mittel nicht ausrcichten. Er mußte seine Güter mit Schulden belasten und zum Teil veräußern und nahm seine Zuflucht zur Zauberei, zur Alchimie der Hexenmeister, zumal des florcntinischcn Priesters Francesco Preloti, den er mit großen Ko sten kommen ließ. Gilles schloß mit dellen Beistand einen Bund mit dein Teufel und verschrieb ihm seine Seele, sagte Gott ab und opferte seinen Lüsten Kin- der, die er mit einer wahnsinnigen Grausamkeit in Lä>aren hinmordcte. An ihn, den obersten Richter in seinen Lande», wagte kein-w Hand zu legen, und schwerlich hätten die Untertanen die Sühne seiner Schandtaten ae- fordert, hätten nicht die eigenen Verwandten beim König Karl VII. beantragt, ihn für rechtlos zn er- klären. Da kam es zum Prozeß und die Anzahl d-r geopferten Kinder, nach den Akten gegen 200, die Geständnisse seiner Helfershelfer und seine eigenen Aussagen häuften eine solche grauenhafte Menge van lasterhaften, widernatürlichen Freveln auf sein Haupt, daß Gilles de Rais zum Tode verurteilt wurde und am 2. Oktober 1440 gleich Ieanne Darr auf dem Scheiterhaufen endete. Sie beide ragten weit über menschliche Durch- schnitttsart hinaus, nur daß bei der Jungfrau my- ftischc Begeisterung, Vaterlandssinn, Standhastig'eit und alle edlen Eigenschaften so ungewöhnlich erschei» ncn wie in ihm dir an Wahnsinn grenzende Gewalt des Trieblcbens, der verderbten Instinkte und des ungezähmten Machtbewußtseins. Die Lebenslinien beider laufen eine Zeitlang nebeneinander, durch ge- meinsame Kriegstaten vereint, und die Schicksals- Wendung Johanna, erfolgt, als kurz zuvor der Mar schall ihrer großen Sache den Rücken gekehrt hat. Mit einer leichten Aenderung konnte der Dichter aus dieser zeitlichen Folge einen ursächlichen Zu» sammenhong gestalten. Wenn nicht die nolitische Intrige, sondern die Leidenschaft Gilles de Rais be wog, der Iunasrau seinen Beistand zu entziehen, war ihr Los durch sein Handeln bestimmt Wenn weiter diese unbefriedigte Leidenschaft über ihren Tod hin ¬ aus unauslöschlich in ihm glühte, dann wurde alles Schändliche, Widernatürliche, zum Ausfluß eines inneren Zwanges. Der Dramatiker Georg Kaiser hat schon früher aus der Geschichte Frankreichs Episoden her- ausgchobcn, um historisches Geschehen mit selbstän digem Modeln und Ausbeuten ins Bereich der Dich tung hinaufzuhebcn: in den „Bürgern von Co- l a i s", im „F r a u e n o p f e r". In „G i l l e s u n d Ieanne" verfährt er ebenso und übt damit sein gutes Recht. Hat doch Schiller an der einen der bei den Gestalten, die hier vereint erscheinen, sein Majr- stätsrecht nicht minder kühn geübt, indem er der Jungfrau statt des Scheiterhaufens den Tod auf dem Schlachtfeld«: und den Bl-ck in die geöffnete h'inm- lische Seligkeit gewährte. Und gleiches haben viele Dichter mit anderen Gestalten und Vorgängen der Geschichte gewagt. Goethe machte seinen Grafen Eg- mont zum unverheirateten, lebensfrohezi Kavalier, während er in Wahrheit fchft ein -Dierteljahrhundert in kinderreicher, glücklicher Ehe lebte; Heinrich von Kleist läßt seinen Prinzen von Homburg als schwär merischen Jüngling austrctcn und doch war er zwei mal vermählt, hatte 15 Kinder und zählte 42 Jahre, als er den Sieg bei Fehrbellin entschied. Solche Bei spiele ließen sich häufen; ja, es darf behauptet wer den, daß überhaupt kaum jemals, die Geschichte dem Dichter unverändert verwendbares Material dar- bietet. Das Deamn ist, wie Richard Wagner am 31. Januar 1883 an Heinrich von Stein schrieb, das aus nnse--ei7> schweigenden Innern znriickgewnrfene Spiegelbild der Welt. „Jene Geschichte", sagt er. „in welcher es nicht ein Jahrzehnt gibt, das nicht säst cinzia von der Schmach der menschlichen GeselOchast erfüllt ist. überlassen wir, zur Stärkung ihres steten Fortschrittglonbens, den Anschauungen unserer Pro- fessnrrn, wir haken e- mit Menschen zu tun, mit mel- chen, je hervorragender stc waren, die Geschichte zu keiner Zeit etwas anzufangen wußte: ihre Ueber- schreitungen des gemeinen Willensmaßes, zu denen eine leidensschwere Notwendigkeit sic drängt, sind es. was uns einzig angeht." Noch Lessing hatte in seiner Hamburgischen Dra maturgie behauptet, der tragische Dichter wähle wahre Namen, weil dir Charaktere, welche ihnen die Geschichte beilegt, mit den Charakteren, dir er in Handlung zu zeigrn sich vorqenamwrn, mehr oder weniger Gleichheit haben. Er schießt dareus, die l Charaktere seien dem Dramatiker heilig. Diefe zu I verstärken, diese in ihrem besten Lichte-zu zeigen, ssi I alles, was cr von dem Scinigcn dabei hinzu tun dürfe; die geringste wesentliche Veränderung würde die Ur sachen auihcben, warum sic diese und nicht andere illomrn führen. In der Tot würde rs nicht nngrhen, dir Grund linien der historischen Perföuiichtcctcn völlig zu ändern, etwa Wallenstein als kaisertreuen, blind-gc- Horsomen General hiaznsrcllen, oder Agnes Bernaucr ! zur eitlen, ehrgeizigen Fra» zu machen. Aber wir lassen es uns doch gern gefallen, wenn Bernard Shaw seinen Cäsar als allen, ein wenig eitlen Herren zeichnet oder auch Napoleon als komische Fi gur auf die Bühne bringt. Nur dort erwacht in uns ein Widerspruch, mo die Dichtung bereits eine Ge stalt mit ihrem Stempel geprägt hat. Gerade für tue Jungfrau von Orleans trifft das zu, und so wird mancher Zuschauer das neue Werk Kaisers zunächst mit einigem Befremden ausnchmen. Da kann zum Glück Schiller selbst als Zeuge ongcruscn werden, da mit dem Nachfolger um des großen Vorgängers Wil le» sein. Recht nicht verkümmert zn werden braucht. Schiller plante neben seiner romantischen Tragödie eine realistische, in dcr> die Jungfrau von Orleans als Hexe auf dem Scheiterhaufen sterben sollte. Vol lends bei einer für uns im Dunkeln stehende Gestalt, wie dem Marschall Gilles de Rais, bleibt der Ge staltung freier Spielraum und so läßt sich sagen, daß Kaiser weder mit Gilles noch mit Ieanne über die Grenzen des dem D'chter Erlaubten hmausgc- schritten ist. ' Pastcurfeicr in Straßburg. Aus Straßburg wird uns gedrahtet: kei der heutigen Pasteurseier in Straßburg waren all-- Staaten der Welt, außer Deutschland und Rußland, vertreten. Die Hauvt» feier fand vor der Universität statt, «Ivo ein ais Gegenstück zum Goethcdenk m a 1 gedachtes Standbild Pasteurs enthüllt wurde, das aber von dieser Stelle wieder verseht wird, weil die Straß burger das für ihren Geschmack als zu tnbistische Derk einmütig als unschön, abgelehnt haben. Mille- rand snrach bei der Denkmalsenthüllnng, während Poinrarä bei d<w Einweihung des Pasteurmuseums eine Rede hielt. Beide erwähnten die deutschfeind lichen Kundgebungen Pasteurs nach dem Frieden von 1870. Zum Rektor der deutschcn Technische» Hochschule in Prag für das kommende Studienjahr ist der Professor für experimentale Chemie, Dr. Franz Wenzel, gewählt wordq^ .
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