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Ltttvock, Ä«r IS. LprN I-eiprig« ^Lgrdlstt «ock ll«»äelLLettm»g «r. S1 Sette 2 ^agesderickt Steuererklärungen Die Frist zur Abgabe der vorgenannten Steuer erklärungen geht mit dem 30. April zu Ende. Trotz dem sind bi» heute v:rhältni»»äßig nur wenige Steuererklärungen abgegeben worden. Die Verzöge- rung mag ihre» wesentliche» Grund darin haben, daß die durch das Gesetz über die Berücksichtigung der Geldentwertung bestimmten Aenderungen den Steuerpflichtigen noch »icht bekannt waren. Nach dem aber nunmehr di« Merkblätter, die die für die Einkommensteuer wesentlichen Vorschriften diese» Gesetzes enthalten und die Steuertarife sowie dir Vermögenssteuererlläruageu den Pflichtigen durch die Post zugesandt worden sind, empfiehlt es sich, sim beschleunigt mit der Fertigstellung der Steuer erklärungen zu befasse». Die fristgemäße Fertigstellung und Abgabe der vorgefchriebrneu Erklärungen ist überdies auch um deswillen für jeden Steuerpflichtigen eine Not wendigkeit, «eil nach 8 42» des Einkommensteuer gesetzes in der Fassung de» Gesetze» vom 20. März 1923 jeder zur Abgabe der Einkowmensteuerrrklärung Verpflichtete di« vorgeschriebene Nachzahlung auf die Einkommensteuer 1921/22 bis spätestens zum 30. April 1923 zu leiste« hat. Wer die Nachzahlung nuht bis zu diesem Tage an die zuständige Hebestelle leistet, hat den gesetzlich vorgesehenen Zuschlag (für jeden der ersten drei Monate 15 v. für jeden späteren Monat 30. v. H.) zu entrichten. Die Nachzahlung muß auch dann ge leistet werden, wenn einem Steuerpflichtigen die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen ausnahms weise verlängert werden sollte. Auch auf die Awangsanleihe sind bi« zum 30. April zwei Drittel zu zeichnen. Soweit die Zwangsanleihe nicht bis zu diesem Tage gezeichnet ist, erhöht sich der Zeichuuagsprei» für jeden ange- sangenen folgenden Monat um je 10 v. H. de» Nenn wertes. El« alte» Ehepa« durch Sa» Vergiftet. Zn ihrer Wohnung in der Pariser Straße in Leipzig-Gohlt» sind ein Sljähriger Eisenbahninvalid und seine 76 Jahre alte Ehefrau infolge einer Gasvergiftung erstickt. Offenbar liegt «in Unfall vor. Es wurde ein Hahn des Gaskochers offen vorgefunden, auf dem ei« Topf mit Kaffee stand. Flammentod ei»« Dreist». Zn ihrer Wohnung in der Königftraße in Wahren ist eine 79jährige Ren tenempfängerin dadurch verunglückt, daß ihre Kleider beim Feueranmachen iu Brand gerieten. Kurz darauf wurde die bedauernswerte Frau bewußtlos, mtt schweren Brandwunden bedckt, aufgefunden. Zm Krankenhaus St. Georg ist sie in der darauffolgende« Nacht gestorben. «eine Sinheitrstenagraphte? Da« bayerische Kul tusministerium hat die «eitere Beteiligung an den Verhandlungen zur Schaffung einer Einheitssteno graphie wegen ihrer Aussichtslosigkeit abgelehnt. Bayern wird auch in Zukunft an dem System Gabelsberger festhalten. Die staatliche Steno- graphenprüfuag, die iu» letzten Jahre wegen der Verhandlungen bezüglich der Ginhettsstenographie unterblieben, wird alsbald ausgeschrieben. Si« große» Gchwuggellager. Die Kriminalpolizei in Lörrach beschlagnahmte ein reichhaltige» Lager von Schmuggelwaren, vornehmlich Pforzheimer Schmucksachen, im Werte von 40 Millionen Mark, die nach der Schweiz geschmuggelt werden sollten. Et» »getreuer Bankbeamter. Ein Beamter der Zweigniederlassung eine» angesehenen Offen bacher Bankgeschäfte« in Frankfurt a. M. ist wegen Effektendiebstahl» verhaftet worden. Die Bank be ziffert ihren Verlust auf 5—10 Millionen. Eine sonderbar« Sammelwut. Al« ein psym pathische» Rätsel stellt sich der Iusnzober- sekretär Kühlemann in Berlin dar, der sich dem- nächst vor dem Schwurgericht wegen Unterschlagung zu verantworten hat. Kühlemann hat in der Zett von 1915 bis 1920 öffentliche Gelder in erheblichem Umfang« veruntreut. Jetzt ergab die nähere Unter suchung, daß er von einer geradezu wah.sinnigen Anschaffung»wut befallen war. Man fand bei ihm eine ganze Sammlung von Wortbüchern aller möglichen und unmöglichen Sprachen — Sprachen, die er gar nicht beherrscht. Zn 15 Aktenbä u den HL er Polizciberichte über Unglücksfälle sowie Tode» anzelgen aller Art gesammelt. Da» prägnanteste Moment seiner Sammelwut waren aber viele Tau- sende obszöner Bilder. Vom Gericht befragte Sach- verständige sind bereit» jetzt zu dem Ergebnis ge kommen, daß der Angeklagte geistig vollkommen ob- norm sei. A>« Tod« verurteilt. Da« Volksgericht in München hat die beiden Mörder de» Kaufmann» Daun au» Marienburg, den Kaufmann Immenkamp und den Angestellten Zultu« Kaste au« Düsseldorf, die im Dezember vorigen Jahres in der Nähe von Mittenwald Daun mit einem Holzprügel ntederge- schlagen und seiner Barschaft beraubt hatten, zum Tode bzw. lebenslänglichem Zuchthaus unter Ab erkennung der Ehrenrechte auf Lebensdauer ver urteilt. Aufgeklärter Raubmord Der Berliner Polizei ist es nun gelungen, den Mörder der Anni Dittner aus der Mogftraße festzu nehmen. Er ist ein 40 Jahre alter aus Zella in Thüringen gebürtiger Kaufmann Karl Häusler, der sich seit Jahren arbeitslos in Berlin aushielt. Am Tage seiner Verhaftung bot Häusler in einer Wirtschaft am Zionskirchplatz einen Mantel und einen Jumper zum Kauf an. Den Mantel verkaufte er auch an ein junges Mädchen. Dieser Handel erregte Verdacht. Die Kriminalpolizei wurde benachrichtigt, und die Beamten nahmen alsbald die Ermittlungen auf. Sie machten abend» in einem Lokal im Norden Berlins die Käuferin des Mantels ausfindig und begaben sich sofort mit ihr und dem Mantel zu den Eltern der ermordeten Verkäuferin Anni Dittner. Diese er kannten den Mantel gleich al« den ihrer ermordeten Tochter wieder. Di« Beamten verfolgten die Spuren weiter und trafen den Gesuchten in der Wolliner Straße an. Die Käuferin des Mantels stellte ihn al» den Verkäufer bestimmt fest. Zur Rede gestellt, woher er den Mantel habe, gab er auch bald zu, daß er Anni Dittner ermordet und den Laden aus geraubt hatte. Im Verhör durch den Kriminal kommissar Wernebura und Albrecht erklärte der Ver haftete, er habe Anni Dittner im Februar d. I., als sie vor einem Schaufenster stand und sich die Aus lagen angesehen habe, angesprochen und lei so mit ihr bekannt geworden. Er habe sie seitdem öfter getroffen und habe erfahren, daß sich dort öfter ein erheblicher Betrag an Geld und großem Werte in den Sachen der Kundschaft befanden. Die Not habe ihn nun auf den Gedanken gebracht, da» Mädchen zu ermorden und zu berauben. Neue Teuerungswelle in Oesterreich Wie die österreichische statistische Kommission amt lich feststellt, ist der Teuerung»index in der Zett vom 15. März bi» -um 14. April abermals um über 7 Prozent gestiegen, nachdem bereit» in der ooraufgegangenen Monatsfrist vom 15. Februar eine Steigerung von 6 Prozent verzeichnet worden war. Dadurch ist die Teuerung wiederum auf den Höch- st en Stand, den Oesterreich verzeichnete, gelangt, den Index vom September 1922, und zwar besonders infolge des außerordentlichen Anziehens der Fleisch preise. Für den Staat erwächst au» diesem Anwachsen de« Index eine sehr empfindlich« Mehrausgabe, da den Beamten Gehaltsverbesserungen gewährt werden müssen, die man, falls nicht wiederum ein Rückgang eintreten wird, auf da« Iahresbudget mit nahezu einer halben Billion Kronen Voranschlägen muß. Wie Ungar» der Wohnungsnot zu Leibe geht. Die ungarische Regierung hat einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, durch den zur Hebung der Wohnungs not alle Aktiengesellschaften und industriellen Be- triebe angehalten werden können, die zu Geschäfts, zwecken benutzten Wohnungen zu räumen und außer dem für ein Fünftel ihrer Angestellten Wohnungen bauen zu lassen. Saumseligen wird eine Geldbuße bi« 10 Millionen Kronen auferlegt. Die auf diese Weise einlaufenden Beträge werden zu staatlichen Wohnungsbauzwecken verwendet. Absturz von Flugzeuge». Nach Madrider Blätter meldungen sind zwischen Forcinas und Tarifs neun Flugzeuge abgestürzt, die zu den Veranstaltungen von Sevilla flogen. Einzelheiten fehlen noch. Reise-ilder aus Gü-west-eutschlan- (Bon unserem Sonderberichterstatter.) ' l. Frankfurt Zunächst fällt dem, der von Norden kommt, auf, daß hier längst Frühling herrscht. Die Kastanien, bäume grünen, die Magnolien, die Mandelbäum chen in den Vorgärten und Anlagen blühen, und der Goldregen steht in üppiger Pracht. Ueberhaupt hat die Stadt bereit» einen südlichen Lharakter. Man findet zahlreiche Landhäuser italienischer Bauart, — Gebäude mit flachen Dächern und grünen Fensterläden —, «in Stil, wie er besonders in Süd tirol anzutreffen ist. Von der Mess« ist in der Stadt nicht viel zu verspüren. Ganz im Gegensatz zu Leipzig, da» von seiner Messe völlig beherrscht wird. Hier konzen triert sich der ganze Trubel auf die mehrere hun dert Meter lange Strecke vom Hauptbahnhof bi« zum Platz der Republik, an den da« Ausstellung»- gelände grenzt. Der Verkehr ist mit dem zu Leip zigs Messe nicht zu vergleichen. Die Menschen stoßen und drängen einander nicht, sie treten sich nicht gegenseitig auf die Füße. Denn die Straße ist breit genug, eine „Völkerwanderung* * zu ertragen. Reklame wird nicht zu viel und nicht zu wenig betrieben. Man verunstaltet nicht da, Straßenbild, man überhängt nicht die Häuserfaffaden. Man tut nicht mehr als erforderlich. Aber das ist nur äußerlich. In den Meßhallen sieht es anders aus. Was an Reklame vielleicht versäumt worden ist, wird hier an Aufmachung, an Luxuriosität wie an Reichhaltigkeit der Ausstel lungen nachgeholt. Weniger in der Textilbranche, in der Ldelmetallindustrie als gerade auch vor allem im Meßhaus „Schuh und Leder*, dem neu- eröffneten Ausstellungspalast der Lederwaren industrie. Das ist ein riesiges Gebäude, von der Höbe eine» vierstöckigen Hauses, langgestreckt: e» schließt sich dicht an das Haus Offenbach an, das Meßamt. Die Stützpfeiler der Halle, aus Beton, sind noch ungetüncht und machen, vielleicht gerade ob ihrer Nacktheit, einen gigantischen Eindruck. Daneben wirken die Stände miniaturenhaft. Sie sind niedrig, doch breit, und vielfach mit weißem Velours überspannt. Die Ausstattung ist äußerst feudal und durchaus künstlerisch. Manche Kojen sind ganz in expressionistischem Stil gehalten. Zick zackförmige Glasschriinke, seltsame Behälter stehen da, hell beleuchtet. Das Licht fällt auf ebenso selt same Schuhgebilde, Shimmys Dies ein Ausschnitt aus dem Meßbild! Im übrigen ist das Getriebe in den Hallen sehr stark, sehr lebhaft und unterscheidet sich in nicht« von dem Leipziger Meßhallentrubel. Kaum vermag man sich vorwärt« zu bewegen, oder — man wird eben vor wärts geschoben! Und überall wird „wegen ve» Gedränges* vor Taschendieben gewarnt. Ob da» Meßgeschäft gut wird oder nicht?! -- wer kann das prophezeien. Im allgemeinen ist man pessimistisch, und auch das Meßamt macht darau» kein Hehl. Zumal da sich die Franzoseninvasion auf der Messe unmittelbar fühlbar zeigt. Aus dem Rhein» und Ruhrgebiet, aus Rheinhessen ist nur ein ganz, ganz schwaches Kontingent von Ausstel lern erschienen. Die meisten Stände der Kaufleute und Industriellen aus den besetzten Landstrichen sind leer. Man hat sie auch nicht anderweit vermietet, um den von der Heimat abqeschnittenen Landsleuten nicht eine Konkurrenz erstehen zu lassen! —- Die Luft ist frischer als in anderen deutschen Städten! Ja — und die Menschen sind freier und weniger eng! Die Stadt hat ein gesundes Antlitz! Ueberall findet man Zeichen liberalen Denken», kosmopolitischer Gesinnung (trotz nationalen Be wußtseins!) — Das Zeichen wahrer Demokratie. Einige Beispiele: Frankfurt hat einen Platz der Republik. Früher hieß er Hohenzollernplatz. „Wir leben in einer Republik und nicht mehr von Lohenzollern Gnaden*, sagten sich die Bürger der Stadt. — „Folglich !* Und sie tauften den Hohenzollernplatz in „Platz der Republik* um. — Auch gibt es einen Rathenauplatz. Aber die« alle« würde nicht viel zu bedeuten haben, wenn nicht die Gesinnung de» einzelnen Bürgschaft für die Gesinnung der Gesamtheit, wenig sten» der überwiegenden Mehrheit in ihr, leisten würde. Und da» scheint -nach dem, was ich bisher » hier — und ich weile erst einen Tag in Frankfurt — erlebt habe, der Fall zu sein. Mit Stolz spricht der Bürger von der Nationalversamm lung der 48er Jahre, mit Eifer von der einstigen großen Freiheitsbewegung. „Das ist die Paulskirche!* sagt ein Mann zu mir, der mich vor dem Gebäude stehen sieht. „Wissen Sie, da» waren Demokraten (er sagt wahr haftig Demokraten!!), die Anno 48 dort auftraten! Der Uhland, der Die Männer wollten di« Vereinigung des ganzen Deutschtums!* Das nur nebenbei. Wesentlicher für den Dem»- kratismus, der sich in der Stadt am Main kundtut, ist die Stellungnahme der Arbeitgeberschaft zur Ar beitnehmerschaft. Nichts hat mich so symphatisch berührt als das Lob, das in fast jeder Rede, sei es von der Meffeleitung, sei es von Stadt- und Regie- rungsräten, dem Arbeiter erteilt wurde: „Der tat kräftigen Unterstützung, dem rührigen Fleiß des Ar- beiters sei es zu verdanken, daß die Ausstellung so gut zustande gekommen ist.* In solchem Sinne, in solcher Gesinnung sprach man h!er — und spricht so! Line wahrhaft demo- kratische Stadt — das Frankfurt am Main! Nvinrieft Sulmemn. Milderung der Einreisebestimmungen Infolge der Hinweise von Verkehrsverbänden und Behörden auf die nachteiligen Wirkungen einer allzu scharfen Durchführung der Einreisebestimmungen für weite Kreise des deutschen Wirtschaftslebens, be sonders für das Hotelgewerbe, den Kurgcbrauch und Bäderverkehr, hat das Auswärtige Amt im Be- nehmen mit dem Reichsministerium des Innern, wie die Reichszentrale für Deutsche Derkehrswerbung mitteilt, die bestehenden Vorschriften einer Nach prüfung unterzogen. Wenn es zurzeit auch noch nicht angängig er- scheint, die aus der Notwendigkeit der Verhältnisse entstandenen Sperrmaßnahmen gegen die Heber- flutung Deutschlands mit unerwünschten Elementen gänzlich oder grundsätzlich wieder aufzuheben, so siebt die Reichsregierung doch durchaus auf dem Stand punkt, daß einwandfreie Ausländer, an deren Ein reise ein deutsche» politisches, wirtschaftliche» oder kulturelles Interesse besteht, nach wie vor in Deutsch land willkommen sind und bei der Erlangung oes Sichtvermerks keinen unnötigen Schwierigkeiten und Scherereien ausgesetzt werden dürfen. Im Einver ständnis mtt dem Reichsminister des Innern sind deshalb die bestehenden Einreisebestimmungen nach Möglichkeit gemildert und die deutschen Vertretungen im Auslände mit entsprechenden Weisungen versehen worden. Die Luftpost nach Kopenhagen. Zwischen Ham. bürg und Kopenhagen verkehrt nun täglich ein Post flugzeug, das Hamburg um 9 Uhr früh verläßt, um 11 Uhr an seinem Bestimmungsort eintrifft, um 4 Uhr wieder in Kopenhagen startet und um 6 Uhr in Homburg eintrifft. Diese neue Flugpost ist für den Briefverkehr Mischen Dänemark und Deutsch- land von größter Wichtigkeit. -di ll/uere -wl-er/e/re/7 Der Lrie/krS-er Lammt i» «iieeen «m äen oinruLaeeiere»». AeeL/sestü?e Drneueru?>§«m^leLtt meL. ckamit Leins DnterdreeLunA ernkritl. Ze »er L»n-eio»e»en. <ta/? Kem- erntrrtt, «anckern cker Der-v-epreis »ek-e ökerbt reis »m ^4prrL Um den Ureml Don Loft« Dem gehaltvollen Buche „Der Weg nach Olten, «eile durch Nutzland. Ukraine, Lran«- kaukaslen, Persien, Buchara und Turkestan. (Leipzig, F. «. BrockhauS) entnehmen wir de« folgenden Abschnitt. Mit Orenbura ist Asien zu Ende. Am letzten Reisetag auf turkestanischem Boden wurde der rus sische Einfluß bereit» stärker und stärker. Wohl sah man noch hier und da Kamele vor Wagen und Pflug gespannt, aber Turban und Tibetaika und die spitzen Filzhüte der Kirgisen traten mehr und mehr zurück hinter den russischen Mützen, und in den Dörfern leuchteten grün und blau die buntgestrichenen rus sischen Blechdächer. In Orenburg aber war auch die asiatische Sonne fort. Als wir in den Bahnhof einliefen, hing ein trüber Regenhimmel über Fluß und Stadt. Seit Monaten sah ich dies zum erstenmal wieder, und es wurde einem fast schwermütig um» Herz. Man ver gißt Asiens Sonne nicht, wenn man einmal unter ihr gelebt. --- Wir fuhren der Wolga zu, der Hunger- wolga. Erinnerungsbilder vom Frühling in der südlichen Ukraine stiegen grauenhaft in mir auf. Mit leichtem Schauder sah ich dem Strom entgegen. Allein der Hunger, der gleich einem Heuschrecken schwarm die ehemals reichsten Gegenden Rußland» langesallen hatte, ist wieder fortgezogen. Mil- lionen Leben fraß er, aber da» Leben selbst konnte er nicht zerstören. Inmitten de« allgemeinen Ster bens ging die Saat auf. Und mehr noch: auch auf den Feldern, die im vergangenen Jahre infolge der Trockenheit nicht aufgegangen waren, blühte und reiste das Korn. „Lin Wunder!* riefen sich be kreuzigend die Dauern. „Felder, die nicht bestellt w urden, tragen Frucht.* Bis man die Ursache er- l. nnte. So stehe» ring» um die Dörfer die großen gelbe» Drusch ober, gleich gegen den Hunger erbaute Türme. Nur wenig Hungrige sieht man auf den Stationen, dagegen Zünder und Frauen mit Brot und Butter, Eiern und Fleisch. Die Ernte war an der Wolga out. Der Heuschreckenschwarm de« Hunger» zog vorüber.-,,- k, 'p - > ff», ss Wir fahren über den ungeheuren Strom. Kur sor dem Passieren der Brücke ergeht der Befehl, die Fenster zu schließen. Wo^er nicht befolgt wird, feuert rücksichtslos der rote Posten. Ich stehe am Fenster und blicke auf die unab sehbar breite Flut. Bewaldete Inseln teilen ihn. Sandbänke wölben sich gleich Walftschrücken. Wie verloren zieht mitten auf dem Strom ein kleiner Dampfer. * * * Moskau! Mit Spannung sehe ich der Haupt stadt des Eowjetreichs entgegen. Ungleich allen andern Besuchern, die al« erstes die Zentrale auf suchen, habe ich sie bisher in weitem Bogen um fahren, sah die Provinz, das Land, die äußersten Bezirke bi» an die fernen Grenzen. Ich habe in Hinterzimmer und unaufgeräumte Höfe des Sowjet staate« geblickt, die man sonst Fremden wohl nicht gern zelgt. Aber ich sah auch neues Werden und spürte den Einfluß Moskaus bi« an und über die persische, afghanische Grenze. Es ist Sonntag, al» wir un» der Stadt nähern. Die Datschen, die Landhäuser inmitten der pedan tisch langweiligen Kiefern, die ebensogut im Berliner Grünewald stehen könnten, sind wieder bewohnt. Zum größten Teil hat man sie den früheren Besitzern -urückgegeben. Man steht festtäglich gekleidete froh« Menschen. Und dann die Stadt! Ein Meer von Zwiebel- türmen und Kuppeln: goldenen, grünen und blauen. Die Sonne gleißt und blinkt auf ihnen. Und in ihrer Mitte die Burg, in der alle Fäden zusammen laufen, der Kreml. Gleich nach meiner Ankunft, kaum daß ich Quar tier gefunden, laufe ich durch die Straßen, lasse mich treiben. Don der Zerstörung de» Bürgerkriegs und der Not der Revolution ist nickt» mehr zu sehen. Moskau unterscheidet sich in nicht» von irgendeiner andern mittel- oder osteuropäischen Stadt, von Derl n oder Warschau. Beleucktung wie Straßenbahn funk tionieren. Es gibt Theater und Restaurant», Ver gnügungsstätten, in denen man Milliarden in einer Nacht au»geben, und Warenhäuser, in denen man alle» kaufen kann bi» auf französische Toiletten und amerikanische Stiefel zu V0 Millionen da» Paar. Reich und arm, darbende Geistige und übersatte Schieber — wie bei un», höchstens, daß die Kontraste noch stärker sind. Aber mit wenigen Worten wird man Moskau nicht charakterisieren können, ebensowenig wie das ganze Reich. Es gibt eben nicht nur eines, sondern Dutzende, die übereinandergelagert sind. Daraus wie au« dem ständig raschen Wechsel, der rapiden Entwicklung, in der sich Rußland befindet^stnd die einander widersprechenden Schilderungen zu erklären. Jeder Reisende sieht eben nur mit seinen Augen das Moskau und das Rußland, das er aufzufassen ver mag: der Kommun'st steht rote Fahnen, der Händler —- auf der Straße liegende Milliarden. Da» rote Tuch knattert über dem Kreml. Die blutfarbene Fahne paßt gut zu dem ungefüge ge türmten, machtvollen Bauwerk au» massigen Wällen, bunten Kacheln und goldenen Kuppeln. Der alt- Moskowiter Stil, geboren au» Blut und Gold. Gold wollte die rote Fahne durch Blut überwinden und gab doch nur wiederum eine Mischung au» beiden. Auf dem Roten Platz vor dem Kreml, der die Paraden der Zaren wie der Bolschewiki sah, liegt jene Kathedrale, die Iwan der Schreckliche seinem Erbauer durch Ausstechen der Augen lohnte, damit er keine zweite ebenso schöne anderwärts errichten könne. E» ist ein Werk von barbarischer Pracht. Ueber einem niederen Unterbau steigt «in Gewirr von zwiebelförmigen Kuppeln auf. Jede Kuppel in anderer Form und Farbe, gedrehte und gewunden« Kuppeln von starken, bunten Farben. Au» her Kirch« tönt Gesang. Ich trete in ein mystische» Dämmer. Matt leuchtet Gold. Kau« dringt der Schein der Kerzen durch die sie um- lagernden Deihrauchsschwaden. Lin Pope in gol- denem Ornat, wallendem weißen Haar und Bart. Andächtige auf den Knien. „Gospodin! Gospodin!* Der Schrei steigt au» dem Dämmern in» Dunkle zu einem grausamen, unheimlichen Gott. Frauen schlagen mit der Stirn hart auf di« Steinfliesen. In starrem Ornat steht der Driester wie ein goldene« Schild vor dem Allerheiligsten. ZL trete wieder in» Freie. Di« rote Fahne über dem xreml knattert mir entgegen. Es ist «in un- t«hsure» Tuch. K. 8. ?. 8. ft. steht in verblaßten Puihststßen darauf. Kirche und Kreml. Da» ist Tag und Nacht, Blut und Gold, Todfeindschaft aus inner stem Herzen. Und doch stehen sie beide dicht nebenein ander, und doch sind beide Manifestationen des glei chen russischen Geiste», der heute vor den Augen eurer gleichgültiyen und erschütterten Welt um neue Ge staltung rrngt. „Verfolgung* vo» Dietzeuschmidt. Aus Königs berg wird un« geschrieben: Im Neuen Schau- sp leih aus, das in dieser Spielzeit einen wahren Uraufsührungsrekord aufstellt, wurden wieder binnen kurzem zwei dramatische Neuheiten aus der Taufe gehoben. „Verfolgung*, ein Albdruck in 7 Statronen von Dietzenschmidt, zeigt den zarten Legendendichter von einer neuen Seite: al« raffinierten Sketchautor. Ein mehr artistisch als künstlerisch gelungenes Werk, das uns mit der grau samen Willkür wilder Fieberphantasien durch alle Leidensstationen eines von Gläubigern und Erpres sern verfolgten Menschen jagt. Zwar hebt die lieber- steigerung der zum Teil unerträglich krassen Vorgänge in» Symbolhaft-Typische (Schicksalsgedanke!) da» ffolterkammerspiel auf «in höheres dichterisches Niveau und zuletzt leuchtet in der Mahnung „Redet nicht so viel von Sünden!* eine ethische Grundidee auf. Trotzdem wirkt das Ganze mehr wie eine Mystifikation al» wie ein Mysterium, und der End- etnoruck ist nicht erschütternd, sondern einfach niederschmetternd. Daran konnten auch di« von Direktor Rosenheim mit allen Mitteln moderner Stllisierung»kunst in» Werk gesetzte glänzende In szenierung und die hervorragende Verkörperung oder richtiger Vergeistigung der Hauptrollen nichts än dern. Weit erfreulicher läßt sich die dreiaktig« Gro teske „Dollar* von Fritz Gottwald an, die ebenfalls hier zur Uraufführung kam. Line Eintags fliege, wie schon der Titel verrät, aber immerhin ein Stück, dessen Aktualitätsreiz keineswegs sein einziger Vorzug ist. Da» Thema der unbesieqlichen Allmacht de» Dollar« ist darin nach allen Richtungen grotesker Aomödienwirkung erschöpft. Zum Schauplatz der Begebenheiten hat d«r Autor da» valutaschwächste Land erwählt: Rußland. Nirgend« herrscht S. M. der Dollar mit so absoluter Gewalt wie in dieser „freiesten Republik der Welt*. Der eigen» au» Wien herbeigeeilte Autor durfte sich vor dem klat schenden Publikum wiederholt dankend verneigen.