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vleMinifterkonferenz von Brüssel Pari». 13. Mir-. Die Verhandlungen -wischen Potneart und den belgischen Ministern begannen gestern nachmittag 2 Uhr und dauerten vier L tun den. Sofort nach Schluß der Konferenz begab sich Poincarä zu König Albert» mit dem er «ine lange Besprechung hatte. Poincarö reist heute früh nach Paris zurück. Beim Verlassen des Sitzungssaales sagte er zu den ihn erwartenden Journalisten, er hab« geschworey, ihnen keinerlei Mitteilungen zu machen. Auch der belgische Außenminister Iaspar weigerte sich, der offiziellen Mitteilung etwa» hinzuzufügen. Diese besagt, daß di« gestrige Konferenz die Fragen ge prüft hat, die sich auf die Ruhr und andere auf dem rechten Rheinufer neuerdings besetzten Gebiete be ziehen. Die beiden Regierungen haben die not- wendigen Maßnahmen getroffen, um die Kohlen- und Kokslieferungen nach Belgien und Frankreich zu beschleunigen. Sie haben weiterhin die Frage geregelt, die sich auf die Durchführung der franko - belgischen Eisenbahnregi« be ziehen und sich über die Unterdrückungs maßnahmen und Sanktionen geeinigt, die für den Fall ergriffen werden müssen, daß neue Attentate gegen die Besatzungstruppen unter, nommen würden. Sie haben die Regeln für die Ausfuhrerlaubni« festgesetzt und sich endlich noch einmal dahin geeinigt, daß die Räumung der Huhr und der neuerdings besetzten Gebiete auf dem rechten Rheinufer nicht gegen bloße Versprechungen unternommen, sondern etappenweise durchgeführt werden könne, entsprechend der Schnelligkeit, mit der Deutschland seinen Reparationsoerpflichtungen nach kömmt. Die beiden Regierungen sind fest ent schlossen, diese Gebiete nicht zu räumen, ohne vorher von Deutschland sichere Garantien für den Schutz derjenigen deutschen Staatsangehörigen erhalten zu haben, die mit Behörden der Alliierten zusammen gearbeitet haben. * Das feierliche Versprechen Frankreichs und Del- glen», das Ruhrgebiet und die neu besetzten Gegenden auf dem rechten Rheinufcr staffelweise bei der Er- füllung der Reparationsverpflichtungen durch Deutsch, land zu räumen, wird hier allgemein auf belgische Wünsche zurückgeführt. Poincarä hat dem bclgi- scheu Verlangen schließlich nachgegeben, dabei aber stark betont, daß Frankreich und Belgien nicht auf bloße Versprechungen Deutschland» zur Räumung schreiten würden. Theuni» und Iaspar haben Poincarö davon überzeugt, daß es zur Sicherung des Erfolge» nicht genügen könne, einen Säbel auf den Tisch zu werfen, sondern daß man dem deutschen Volke auch zu ver stehen geben müsse, daß es in seinem Interesse liege, die berechtigten und notwendigen Reparationen zu bMlSlgen und nicht durch blinden Widerstand eine LHe, bie alle Beteiligten von Tag zu Tag schwerer erWfanben, in die Läng« zu ziehen. Ueber da» allgemeine französisch-belgische Pro- gramm der Lösung der Reparationsfrage ist in Brüssel, wie an hiesiger amtlicher Stelle versichert wird, nichts gesprochen worden. Di« französischen Regierungs kreise bleiben dabei, daß es dem Interesse Frankreich» nicht entsprechen würde, seine Bedingungen vorzeitig bekanntzugeben und festzulegen. Fortsetzung in Paris? Pari», 13. Mar-. Die Chicago Tribüne glaubt, daß in Fortsetzung der gestrigen Brüsseler Besprechungen, wo das neue Reparationsprogramm überhaupt nicht erörtert wurde, in den nächsten Wochen eine neue Konferenz in Pari» stattfindcn werde, wobei das alliierte Reparationsprogramm festgesetzt ward« soll. TH«» ni» und Poincart seien überzeugt, daß -te Duftige» Verhandlungen zu einer radikalen Revision de» Versaw« Vertrage» führen würden und baß e» notwendig sei, dazu Italien, England und Japan einzulad«. v«k Standpunkt Fritz Thyssen« Et»«»»» Daa»i»er»«t»e» »««»»««r ro»e»t««t»b Land«, 13. März. Der Korrespondent dar Daily Mail in Brüssel berichtet seinem Blatt über eine Unterredung, die ihm Fritz Thyssen in Hamborn gewährt« und tu dem der Wunsch gewisser industrieller Kreise de« Ruhr gebiete» zu« Ausdruck ko», mit Frankreich -u ver bandeln. Der Korrespondent berichtet, daß Thyssen vor einigen Wochen an die Berliner Regierung mit e<nem Vorschlag zu Verhandlungen herangetreten sei, der auf einer ausländischen Anleihe beruhe und wo von ein Drittel an Frankreich gegeben werden solle. habe sich Cuno geweigert, dieses Projekt in Betracht -u ziehen. Thyssen glaube jedoch noch immer so schreibt der Korrespondent, daß eine auswLrtige Anleihe die best« Methode sei, durch die die Ruhr befreit und Frankreich -ufriedeagrstellt werde« könne. Thyssen sei für eine Kommission zur Festsetzung der Zahlung«». Frankreich v»ue dann da» linksrheinische Gebiet al» Pfand behalten, Deutschland aber könne frei produzieren «ad sein« Verpflichtungen erfüllen. Vie Llbwehrfrsol Eine Reihe Parlamentarier habe» in verschie denen Städten Reden über die Einheitsfront gehalten. Zu Hamburg sprachen di« Demokraten Reichsminister Oeser «ud Dr. Haa», in Frankfurt a. M. der Volkoparteiler Dr. Str«s«man», in Hagen i. W. der dem Zentrum zugehörige Reichsminister Dr. Herme» und in Stuttgart der deutschnationole Führer Hergt. E» ist nicht ohne Bedeutung, daß selbst Hergt für eine starke nationale Abwehrfront Die Dresdner Verhandlungen Unerfüllbare Korberungeu der Konrrnrmiflen Dretztveriau unserer »re»p,-r «»rtstleti»», Dresden, 13. Dtärz. Die aus Wunsch des Sozialdemokratischen Partei- tags eingeleiteten neuen Verhandlungen mit den Kommunisten stehen schon wieder vor dem Scheitern. In einer kommunistischen Versammlung im Zirku» Sarrasani, in der Klara Zetkin und der sächsische Kommunistcnführer Böttcher sprachen, bezeichnete Böttcher di« sozialdemokratischen Minister Sachsen ais Stinneskncchte. Die Zeit sei noch nicht da, ein« Räterepublik in Sachsen zu errichten, aber das Paria- ment, das noch nicht beseitigt werden könne, müsse ein Korrektiv durch die Betriebsräte erhalten. Auf der Grundlage der Betriebsräte könne sich allein die Arbeiterregierung aufbauen. Man sei vor dem Scheitern der sozialdemokratisch-kommunistischen Re gierungsverhandlungen in Sachsen. Die Lage fei sehr kritisch und zugespitzt. Käme kein Betriebsräte- kongvcß zustande, dann sei die Arbeiterregierung in Sachsen für diesmal erledigt. Eine rein sozialdemo kratische Regierung habe nur dann Anspruch auf kommunistische Unterstützung, wenn sie sich folgenden Bedingungen unterwerfe: Errichtung von Arbeiter wehren, weitestgehende» Mitbestimmungsrecht oer Betriebsräte bei der Einbringung und Durchführung von Gesetzen und allgemeine Amnestie in Sachsen. Werde da» abgelehnt, dann blieben nur Neuwahlen übrig. Der radikale Flügel der Sozialdemokratischen Partei in Sachsen hat da» Menschenmöglichste ver sucht, mit den Kommunisten zu einer Verständigung zu kommen. Die Errichtung von Arbeiterwehren aber und die Mitbestimmung der Betriebsräte bei der Gesetzgebung, sind Punkte, die auch die Radikalen in der Sozialdemokratie nicht gutheißcn. Es ist b"S» halb mit dem Scheitern der Verhandlungen zu rechnen. Sächsischer Landtag Lrayt-ertckt ouferer Gre-dner «ivrNH-itvng Dresden, 13. März. In d« heutigen Sitzung wurde zunächst der Ge währung eine» Darlehen» in Höhe von 500 Millionen Mark an die Landesbrandverstcherungsanstalt zuge stimmt. Weiter lag vor ein« Beschwerde eine» Herrn Markus Kornblum in Plauen über seine Aus weisung au» Sachsen. Abg. Kaula (Nnatl.) erklärte, der Ausschuß hab« mit einer Stimme Mehrheit beschlossen, die Be schwerde der Regierung mit dem Ersuchen zu über ¬ weise», die Ausweisung vorläufig rückgängig zu machen und auf «in Jahr Bewährungsfrist zu er kennen. Die Minderheit bitte, der Beschwerde nicht nachzugeben, da nicht einmal den Landeskindern Wohnung beschafft werden könne, Kornblum ohne Einreiseerlaubnis nach Deutschland gekommen sei und in Plauen «ine mehr al» fragwürdige Tätigkeit ausübe. Ministerpräsident Duck bittet da» Haus, sich dem Ersuchen der Minderheit anzuschließen. Er führte dieselben Gründe an, wie der Vorredner und weist darauf hin, daß Deutschland leider von fragwürdigen Elementen zum Tummelplätze wirtschaftlicher Aus beutung gemacht werde. Kornblum sei wegen unbe fugtem Drenzübertritt» bestraft worden. Lr gehe auch nicht einer geregelten Arbeit nach, sondern mache Kompanicgcschäfte mit einem Trödler. Er sei voll- ständig mittellos nach Sachsen gekommen, besitze jetzt ein große» Vermögen in Sachwerten, komme aber seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nach. Er, der Ministerpräsident, habe die Ueberzeugung, datz der Bedarf an Handeltreibenden in Deutschland mehr als reichlich gedeckt sei. (Sehr richtig!) Der Minister wird fortwährend von den Kommunistea unterbrochen. (Abg. Renner rüst ihm zu: Quatsche» Sie doch nicht so!) Abg. Menke (Eoz.) beantragt Rückverweisung der Angelegenheit an den Ausschuß. — Da» Hau« trat diesem Anträge bei. Sodann lag vor ein Gesuch de» Landwirt» Theodor Ientsch in Dresden um Prüfung de» Ver halten» der beteiligten Behörden in feiner Gutsver kaufssache. Nach längerer Debatte, in der das Ver halten der Behörden al» widerspruchsvoll bezeichnet wurde, gelangt« die Angelegenheit au de« Rechts ausschutz. — Endlich stand zur Beratung die Eingabe de» Stadtgemeinderate» zu Hohenstein (Eächs. Schweiz) wegen Ueberbrückung de» Polenztales und Besserung der Steigungsverhältniffe der städtisch:« Mühlbergstraße. Finanzminister Held bat um Zurückverweisung der Eingabe« mit dem Anträge de» Prüfungsausschusses an den Haushaltausschuß tt, der die finanziellen Konsequenzen zu prüfen haben wird. Die Rückverweisung wurde einstimmig be schlossen. Nächste Sitzung Donnerstag, 15. März, vormittag» 10 Uhr. Tagesordnung: Nachtragskapitel und Anträge über Kinderelend. und da» Zusammengehen aller Parteien mit der Reichsregierung gegen den französischen Vernich- tungswillen eintrat. Wenn Dr. Herme» al» da» Ziel unserer Abwehr die Schaffung der Grundlage für eine rein wirtschaftlich« Behandlung der Repara tionsfrage bezeichnete, so unterstrich Reichsminister Oeser die Tatsache, daß wir zur Verständigung bereit sind, wenn e» Frankreich ist, und Stresemana die Steuerwilligkeit Deutschland», wenn es erst die end gültige Reparattonssumme kenne. Alle aber beton ten aufs schärfste die Einigkeit in der Abwehr. Dar Hinterland hält dem Ruhrvolk die Treue. Westarps ttriegsziele Sn der Wocheas<vrist Da» DemokrattsS« DemiStand mach» -ttchard Ma» folgend« tref fenden Bemerkungen über den deullwualtsna^n Führer Graf Westarp und seine .Lrt«g»»tele*: Auch in Deutschland stellt «an Kriegoziel« auf. Leider. Vernünftige Politiker tun da» nicht. Graf Westarp darf es daher. Lr hat Deutschland schon einmal durch eine ähnliche Klugheit mit ruinieren helfen. Unbelehrbar, wie nur je ein echter preußischer Junker von altem Schrot und Korn. Al» die Re volution vermorschte Throne zum Einsturz bracht«, verhieß uns das erste deutschnationale Flugblatt, daß die alten mitschuldigen Parteiführer nicht wieder kehren sollten. Auch dort sah «»an also klar. Nannte sogar ausdrücklich de« Namen de» Grafe«. Dann aber wuchs Gras über diese Erkenntnis. Graf Westarp kehrte in den Reichstag zurück. Ihm war alle« vergeben. Und vergeben» hatte der Zusammen- bruch Deutschlands, den seine sture Haltung in der preußischen Dahlrechtsfrage nicht zuletzt mit ver- schuldet hatte, an seinem Gewissen gerüttelt. Ec stellt wieder Kriegsziele auf. Schon an und für sich töricht, da es die mühsam errichtete Einheitsfront zermürben muß, doppelt töricht aber, wenn ein Prophet sich auf- tut in deutschen Landen, der schon einmal bankrott gemacht hat. Die „Uaiserin" an -!e velgaröer! Au« Pommern wird berichtet, daß in Delgard eine .Mitteilung* eiugegangen ist von der Kaiserin* Hermine au» Doorn. .Bürger, Arbeiter und Frauen* — man sieht, daß die Frauen noch eine »Sonder stellung* hintennach bei dieser große« politische« Be gebenheit haben — hatten Wilhelm H. zum Geburts tage trotz der hohen Depeschengebühren ^»»gedrahtet* und haben darauf folgend« beglückend» unü aller gnädigste Antwort erhalten: Hau» Doorn, L Februar 1328. .Bewegte» Herzen» läßt der Kaiser Seine» wärmsten Dank aussprechen für die treue» Wünsch«. Mit bestem Gruß an die Belgarder. gez. Kaiserin Hermirm.* Danach scheint ^hr» Majestät*' auch di» Fm»^ ttonen de» Flügeladjutanten und Oberyafmarschall* übernommen zu haben, die ja früher dl« Aufgabe hatten, Huldigungen der braven Untertanen portofrei zu beantworten. Hoffentlich vergessen die brave« Belgarder nicht, nun auch der Kaiserin" -ea» Wiegenfeste zu telegraphieren. Denn wir RMge» Deutschen haben ja sonst keine Sorgen, Meine politische Nachrichten Der ehemalige regierend» Bürgermeister von Hamburg, Dr. Predöhl, ist an eine» Schlaganfall gestorben. Der neuernannte Kommissar für Rm» Epp» monsi, der die Funktionen eine» Bürgermeister, ausübt, «achte dem Kardinal-Vikar Pompili eine» offiziellen Besuch. Im Jahre 1888 gratulierte -war der damalige Bürgermeister voa Rom Tortonia dem Papst Leo XIH. zu seinem Priesterjubiläum. Er wurde jedoch dafür vom damaligen Minister präsidenten Erispi zur Demission gezwungen. Der Besuch Eremonsi» dagegen erfolgte in volle« Einver ständnis mit der italienische» Regierung. Berliner Theaterchronik Don chlkr«6 vvdlln (Bersin) . Nicht nur Stück«, auch Theaterkritiker sind — langweilig. Bei größerer Auswahl, auch der Kritiker, gibt es interessante Momente. In Berlin sind zwei alphabetisch geordnete Herren I. und K. Der K. ist seit lange sehr bekannt, thront in seinem Rayon, ist ein ganzer kritischer Veteran (und Invalide). Der eine schreibt an einer Börsen zeitung: der andere — auch an einer Börsenzeituag. Jeder hat eine Meinung, die er für seine hält. Herr I. hat bestimmt nicht die de» K-, und K. be stimmt nicht —. So daß da» Aeltungslesen plötzlich Vergnügen macht. Welch« Meinung aber hat K. im Gegensatz zu der Meinung de» Z? Er ist nicht mehr jung, obwohl er noch immer von der Seligkeit (der MehliWrtt) des Dasein» schwärmt. Er ist mit einem vielgefeierten, wenig beurteilten Jubilanten de» Dramas hochgekommen und steckengeblieben. Da» etste weiß er, da» -weite nicht. Er sagt: ein Stück muß was sein, die Richtung macht es nicht fett. Man begreift rasch, daß ein Stück was ist, wenn es ihn an geliebte Muster erinnert: Veteranen erinnern sich nern. Der jung« I. ist Dogmatiker, hat Scheuklappen, hat eine scharfe, moderne Klinge, sucht Platz für auf- kommend« zeitgemäße Männer und Arten. Er ist Berserker. Der älter« ist umfänglicher, macht rei zende Witzchen, ist skeptisch (jedoch nicht bi» auf de« Granit seiner Reminiszenzen). Beide haben Rosinen, auch im Kuchen. Man versäume nicht —. » Direktionswechsel an d« Bokksbühne ,Vülowplatz*. Katßler geht. Die Auftraggeber, dl« Berliner Arbeiterschaft will «ehr »Volkstümlich- keit*. Schwere» Problem. K. H. Martin wirb al» Nachfolger aenannt. Do will er sich di« Stücke, die echten, herholen. Jedoch ist viele» zu bessern. Dlr Arbeiter sahen: man muß sich nicht ftü .Kunst*', sondern für eine fruchtbare Seelenhaltung entscheiden. Da läuft .P ol ikuschka*, ein neurussischer ffilm i» Tauentzienpalast. Sech» Akt» nach Leo Tolstoi. Reale: Alexaad« Sfanin; da» Mo»kou»r Künstl»rth«»t»r. Da» ist «chr rlo di« infam«« Detektiv- und Konflikts»»«, «in schließlich Fassadenkletterer, Fliegerjagdea. Böse Instinkt« reizt und stärkt der moderne Film und viel« neu« Stücke. E» »»hört « dtofer knallte«, faschi stischen Zeit. Grossindustrielle and Kaufleute reg«. r«n den Film. Bevantmortkichkeit fitzt wo ander» .Polikuschka* erzählt das einfache Leid armer Men schen. Kein« tendenziöse Armeleutrstube. Reines, also unparfümierte» Leben, wie eben ein Ding von Leo Tolstoi. Trauer in einer Familie über die Aus hebung eine» Sohne», ein gutmütiger, frommer Trunkenbold, Fahrten über ein wunderbare» Land, menschliche Habgier, ein Trunkenbold erhängt sich, er war kein Bösewicht: Soldaten tanzen unter Schnap». Herrliche» Spiel. Maa verorßt, daß e» Spiel und Kinoaufnahme ist. Tiefsinnig die Filmenden beim Aufhangen: der Strick ist da, di« Schlinge, dann der Kopf klein, Großaufnahme, furchtbare« Leid, immer größer die Aufnahme, die Züge verschwinden, die Augen riesig gehen in» Leere, verlöschen. Fräulein Dergner ist rasch avanciert. Die kleine, diskrete, schr könnerische Person frischt den Glanz mancher Stücke wieder auf. Man hat ihr im Lessingtheater da» »Fräulein Julie* de» jun- aev ms mittelalterlichen Strindberg gegeben. Mit diesem naturalistischen Einakter legt Strindberg eine Ecke dekadenten, raffinierten Dasein» bloß. Der Geschlechterkampf spielt diesmal nicht die Hauptrolle. Thema ist: Klassenkampf zwischen zwei Verschieden- gc schlechtigen. Im Leben etwa» Gewöhnliche», lite rarisch, besonder» dramatisch überau» schwierig; hohe Kontrapunktik. Thema: Da» Weibchen lockt, aber nicht da» Männlich« springt «, sondern — der Kammerdiener. Nachher siebt sie «ulenlo» da, die Herrin, weil der Sieger nicht der Mann, sondern der Kammerdiener ist. Al» Weibchen wäre sie gern — vielleicht — machtlos vor de« brutalen, gesättigten Man» (da» ist eine härtere Arbeit zu schneiden al» die de» Diener Poeten im .Reigen*). Nun ist st« auch al» Herrin durch di« weiblich« Preisgabe er ledigt. Bleibt die robuste, wahrhaft stählerne Kov- segnen-: da» Rasiermesser für ihren Hal». Nebenbei: da» ist dl« Konsequenz de» Tragiker». Der Komöbienmanu findet «in« ander«, und durchaus muß e» nicht so sein. Vielmehr kommen Kammer diener und Fräulein» in solchen Kreisen ohne Halo- notpetnllch« Konsequenz vor. Sogar schreiend« füdf Pfund schwere Konsequen- ähnlich' Vorgänge soll e» gegebne -ad«. Ein alte» holzschnittarttg« Stückchen an» do» Flämischen ging vovauor .Lanzelot und San« o«reta*. Marku» Hübner hat *» mit gute« Humor übertragen. Ach, Mark»» Hübner. Da» treiben Siel Einmal warb«» Ei» mit do» aus ländisch«« Geistigen für bi« ,L!art4*. Sie wollte» ein einflußreiche» Gremium Geistig«, Internatio naler, schaffen. Do ist die .LlartS*? Ein Teil der Clortisten, in Frankreich, soll -um Sowjetstern schwören, die humanitäre, unpolitische Schicht flöten gegangen sein. Wie sie immer flöten ging, während andere Politik machen. E» ist gut, daß Sie Sinn für Humor behalten haben. Eine leise, lustige, luftig« Parodie auf Fräulein Julie ist Kanzelst*. Der edle Ritter, die nieder« Magd, also umgekehrte» Vorzeichen. Er verführt sie, verstößt sie bann; siehe Lokalnachrichten. Ein anderer Ritter aber, wie sie traurig im Wald« dicht vor dem Rasiermesser sitzt, findet sie. Und korrigiert Strindberg, zeigt Interesse für die nächste Zeitungsseite, Dcrlobungsanzeigen. Und warnend erhebt nach vollzogener Vermählungs tat der Dichter noch den Finger gegen Strindberg. Der Ritter war nämlich gedrängt worden, sein Gretchen zu verstoßen, von der adligen Mama. Jetzt stürzt sich da» bisher abgewiesene poetisch über- gerechte Rasiermesser auf ihn selber. S» ist ein blanker Dolch, den er erst im Gewand, dann in der Hand, dann gräßlich im Vusen trägt. Ein trauriger Verfall, pädagogisch zu Nutz und Frommen. Lin Wort ist schön in dem Stückchen. Di« verführte Sanderein, Sünderin, klagt dem zweiten Ritter, ein Falk« hätte ihrem Daum die Blüte genommen. Dar auf der Ldle: «in Daum hätte nicht «ine Blüte, son dern viele, viele. Was sosehr, sehr gern hört. .Professor Vernhardt* ist im Residenz- theater Kassenstück geworden. Die wohlbekannte Komödie Schnitzler» — sie greift munter in da» hakenkreuzlerische Menschenleben — bracht« e» beson der» im dritten Akt zu einem rauschenden Beifall, al» der A^enarzt menschliche» und ärztliche» Gefühl gegen Parlamentarismus, Korruption und so «eiter verteidigt«. Die Leute applaudierten «ehrmal» bei offener Seen«; »an sag«, di« Berliner find verbildet. Daß am Schluß zweier Akte aber «la Herr vortrat -u einer Ansprache für die Ruhrhilfe, gefiel mir gar nicht. Ma» gönn« den Menschen dio kurze Ent rücktheit au» der ärmlichen, schreckliche» Gegenwart (zwei Stunden, di« sie t« Residenztheater horrend bezahl«), lass« die Gefühl« de» Stücke» ruhig au», muck«. Dies« Ansprachen find Regiefehl«. ZuIHt Fr« Lilla Bupiour. vor ihrer Amerika reis«, u» fein« (knallprotzengesüllt«) Theater a» Kurfürstendamm. St« ist »in« der wenigen groß« Schauspielerinnen von wirklich klassisch«, Kaliber. St» ist. «na» mag fi» «r ersten »der -man-igste» Aufführung ei»« Stücke« seh«, in unglaublich qleichbleibendem Maße Herrin ihrer Mittel. Da« sieht wie ein Problem au», ab« zeigt: zur Kunst ge hört Automatik, die Weg« lauf« sich von selbst; e» muß nur ein Künstlermensch sein, der d« Auto amten blsitzt. .Der Schatten* i» drei Akt« vo» Davoi Rikodemt (Regle Geyer). Maa weiß: di» Frau ist sech» Jahre gelähmt. Wie sie gesund wird (Ende vom ersten Akt), hat der Mann schon eine Ge liebte mit einem dreijährigen Kind, wa» di« Frau l« zweiten Akt erfährt. Zuletzt legt sich ihre Der- zweiflung: sie gibt den Mann frei, will ihm, den sie siebt, .Schatten* sein, unter dem « ausruht, wenn er mag. Flaue Lösung? Die Knallprvtzen im Parkett meinten es. E« ist die Lösung, di« allemal, als erste, im Leben gesucht wird. Rach einigen Jahren bleibt e» nicht dabei; manchmal kehrt sogar der Mann zurück. Aber dieser Mana kehrt nicht zurück, die Frau ist ihm zu stark. Lr hat sich di« kleine Büraervfrao mit dem Kindchen gewählt; die erst« behält er, ab« die andere ist sein besserer Schatten. (Man sagt: wer'» so haben kann.) Nerven zerreißend italienisch veristisch die Durieug in der Szene, wo sie zuerst die Hände erhebt, die Lähmung überwindet. Dann da» Zufammenbrechea im raffi niert dosiert« zweit« Akt. Schauerlich. Der Man im Schatt« (der Durieux), Gerbard Trami, war Stahl-Nachbauer, ein tüchtig« Spiel«. Prof. Wilhelm Roscher s. Im All« von 78 Jahr« ist in Dresden der Altertumsforscher Geh. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Roscher, bekannt durch zahlreich« wertvolle Arbeiten auf dem Gebiete der »«gleichend« Mythologie und Religionswissenschaft, gestorben. Wilhelm Roscher, eia Sohn de» berühmt« National ökonomen, hatte seine Vorbildung auf der Fürsten schule zu Sankt Afra in Meißen «hatten und studierte dann in Gotting« und in Leivzia, wo er mit Friedrich Nietzsche und Erwin Rohde den noch beute blühend« Philologisch« Verein in» Leben rief. Rach einem längeren Studienaufenthalt in Italien unb Ablegung der Lehramtsprüfung war er von 1883 an nahezu vier Jahrzehnt». zuletzt al» Rektor deo Gymnasium» in Di^ea, im sächsisch« Schuldienst tätig. Seitdem lebte er in Dresden in, Ruhestände. Lr «ar ordentliche» Mitglied der Säch sisch« Gesellschaft der Sissenschaft« in Leipzig und Ehrendoktor der Universität Athen. Alo Schrift steller auf dem Gebiet« der klassischen Philologie, Archäologie und Mythenkunde hat « ein« ungemein fruchtbar«, arrch im Ausland« anerkannt« Tätigkeit entfaltet. Seit 1884 gab er da» sede« Fachmann bo- kannte und rmentbehrllche .Ausführlich« Lexikon de« griechttiben und römischen Mvtbosogie* herou»