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ten auch weiter in materiesten Nöten die Gnadenstätte auf, aber im Vordergrund stand jetzt das Suchen nach geistiger Hilfe, nach Klarheit und Wahrheit, nach Beseitigung der allerwärts ausge streuten Zweifel und einem sicheren Halt In den Dingen de» Glaubens. Das Madonnenbild sah von da mehr seelisches Leid zu seinen FUtzen ausgebrettet, als es jemals körperliches ge sehen hatte. Neben der Kirche errichtete» die Jesuiten ein Seminar (Gymnasium), in dem die Jugend gesammelt wurde, die sich dem Theologiestudium widmen wollte. Aus dieser Bildungsstätte gingen dann die meisten einheimischen Priester des ganzen Su detenlandes hervor. Im Verlauf von rund SO Jahren hat sie bis zum vorigen Jahr nicht iveniger als 7k>0 Theologe» und Priester gestellt, eine Zahl, die nur der recht verstehen kann, der die Priesternot im Sudetcnland kennt. In jenen Zeiten, wo fast alle übrigen Schulen Böhmens für den Priesternach wuchs versagten, stellte Mariascheln seinen Anteil weiter. Aber der Ort behielt auch als Wallfahrtsstätte seine alte Bedeutung; selbst der Weltkrieg lieh den Zustrom der Pilger nicht ab brechen. Erst als der Krieg vorbei war. prophezeite man IM Zuge der revolutionären Vorgänge in Böhmen, datz Mariascheln vor dem Ende stehe. Jedoch die Dinge nahmen einen anderen Lauf. Prozessionen, die vor 400 Jahren gelobt worden waren, wurden wieder ausgenommen, und neue Gelöbnisse wurden ge macht. Mariascheln blieb ein besonderer Lichtblick in den wei terhin über das Sudetenland l)«reinbrechenden geistigen Kämp fen. Vor einigen Jahren wurde die Gnadenkirche zum Range einer Basilika erhoben. Der Wallfahrtsort liegt in rein deutschem Gebiet. Maria« schein blieb auch nach dem Weltkrieg vor der Durchsetzung mit Tschechen weitgehend bewahrt; von der schönen Bergwclt nach Norden umgeben steht es heute wie frisier In jeder Weise al» die Perle aller sudetendeutschen Wallfahrtsorte vor uns. Etwas südlicher, der Elbe zu, beginnt das sudetendeutsäw grotze In dustriegebiet, durch das viele Prozessionen ihren Weg nehmen müssen, an rauchgeschwärzten Fabriken und an den Schichten der Kohlenbergwerke vorbei. Man muh. wenn man sie da vorüberziehen steht, an das Wort eines Schriftstellers denken, der vor Jahren von Prag aus Marinschein besuchte: „Keiner unserer deutschen Wallfahrtsorte in Böhmen", schrieb er. „steht so unmittelbar zwischen Waldland und Industrieland. Die Ge sänge der Wallfahrer mischen sich mit dem harten Lied der Ar beit. Das ist. wenn ich es bedenke, die eia->»'licke. uralte, wenn auch so oft vergessene Art der Sudetende"ttchen. Dah wir nur nicht über dem Klang der Hämmer und dem Rauschen der Rä«' der das Lied der Ewigkeit überhören." » A. warum küssen fich die Menschen? Diese berühmte Frage des Katers Hidigeigei, die uns so Komisch erscheint, datz wir sie nur einem Katergehirn zugute halten, ist vcm Standpunkt einer anders gearteten Rasse durch aus nicht unberechtigt. Denn in der Tat ist der Kuh nur auf die Länder, die von der weihen Raste bewohnt werden, be schränkt, während er in den Augen der Ostasiaten als ein selt samer, unverständlicher Brauch erscheint. So kennen die Japa ner keinen anderen Kuh äls den, -en die Mutter dem Kind in den ersten Tagen seiner Jugend gibt. Später ist er verpönt, und selbst im engsten Familienkreis gibt es keine andere Art, sein« Liebe zu bezeugen, als durch Freundlichkeit und Höflichkeit. Sogar in den europäischen Filmen, die nach Japan gelangen, werden die Küste und zärtlichen Umarmungen von dem Zensor sorgfältig herausgeschnitten. Man kann also in japanischen Kinos sehen, wie der Held und sein schönes Gegenüber ihr« Lippen spitzen, man sieht die Gesichter einander sich nähern, aber niemals darf Lippe auf Lippe treffen — in diesem kriti schen Augenblick sährt di« Scher« de» Zensor» unbarmherzig dazwischen. Den Ursprung unsere» Küste» glaubt ein amerikanischer Psychologe in da» östliche Mittelmeergebiet versehen zu könne«. Die Tatsache, datz er zwischen Müttern und kleinen Kindern auch dort besteht, wo er bei Erwachsenen unbekannt ist, läht darauf schlletzen, datz der mütterliche Kutz den Ausgangspunkt der Entwicklung bildete. Obgleich der Kuh heute ganz Europa mit Ausnahme Lapplands sich erobert hat. ist sein Sieg doch ein verhältnismähig junger. In früheren Zeiten scheint er ein Vorrecht der höherstehenden Klaffen gewesen zu sein, und noch früher hat er vorwiegend nur zu heilige» Zwecken gedient, als ein Zeichen der Verehrung und der Ehrfurcht. Der Nachklang davon lebt noch in manchen Riten der östlichen, aber auch der westlichen Kirche fort. Erst der fortschreitenden Zivilisation war es vorbehalten, den Kuh zum Symbol der Liebe zu stempeln. Aber wenn auch der Kuh mit den Lippen bei einem gro ben Teil der menschlichen Rasten unbekannt ist. so wird er bei vielen durch den Nasenkuh ersetzt. Diese Form ist selbst im nördlichsten Winkel Europas, in Lappland, üblich. Diese Art des Kustes, die mannigfach« Formen aufweist, je nach dem Lande, wo sie geübt wird, hat ihren typischsten Ausdruck bei den Lhlnesen gefunden. Wenn ein Chinese kllht, dann legt er leine Nase auf die Wang« der Geliebten und schöpft einen tiefen Atemzug, während er seine Augen Nledersenkt.^ Obgleich er mit feinen Lippen schmatzt, berührt er mit ihnen doch nicht die Wang« d«s Mädchens Unsere Art des Kustes erscheint den Chinesen nicht nur seltsam, sondern auch verabscheuunqswllrdig wie eine Art von Kannibalismus, und chinesische Mütter be nützen den Kutz de» wettzen Mannes als Klnderschreck für ihr« ungeratenen Sprötzlinae. Das Verbreitungsgebiet des Nasen- kustea ist weitaua grätzer al« da» de» europäischen Kustes, doch gibt e» auch «intg« Völker, bei b«n«n dieser Brauch in jeder Ge stalt unbekannt ist. Hierher gehören hauptsächlich einige India- nerraffen sowohl Nord- wie auch Südamerika». Oerle sudetendeutseher Wallfahrtsorte Sin üovjShrtge« HeMgtrrin Bei asten Deutschen jenseits der alten Retchsgrenzen gibt erbaut nach dem Vorbild der Kirche San Jesu in Rom. es eine Fülle von Gnadenstätten. Bis in den fernsten Osten kann diesen Abschnitt um die Jahrhundertwende in de hinein findet man sie; einmal sind es einfache, kleine Kavesten, ---- die ost in ganz einsamen Gegenden stehen, zu denen die Be wohner zu bestimmten Zeiten des Jahres pilgern, dann sind es grähere bekanntere Wallfahrtsorte, zu denen man von weit l)«r kommt. Für nicht wenige Deutsche in entfernten Gegenden sind die Wallfahrtstage zugleich die einzigen Tage im Jahr, wo sie einem kirchlichen Gottesdienst beiwohnen können. Einer der eigenartigsten, uns näher liegenden Wallfahrts orte ist das sudetendeutscke Mariaschein. Nur wenigen ist es bekannt, datz dieser Ort einmal oieselbe Bedeutung hatte, wie das heutige Lourdes la dieses vielleicht Übertroffen hat, und datz er schon vor 600 Jahren entstanden ist. Wandert man Uber das Erzgebirge nach Mariaschein, so steht man schon vom Gebirge her die zwei goldenen Kugeln der Turmspitzen in der Tiefe aufleuchten. Sie ziehen die Blicke unfehlbar mit ihrem funkelnden Glanz auf sich und beherrschen das Land mit den Hügeln, Feldern und Häusern. Früher dien ten die Uebergänge Uber das Gebirge den Prozessionen aus dem benachbarten Sachsen, und diese hatten den schönsten Zugang zu dem Wallfahrtsort, und sobald sie tiefer ins Tal gekommen waren, kamen sie schon an den alten, ehrwllrdigen Kirchen der Bergstadt Graupen vorbei und an schweren Stetnkreuzen, die am Wege standen. Es waren oft sehr bewegt« Zeiten, wenn diese Prozessionen gegen Mariaschein zogen. Der Wastfahrtsort entstand zur Zeit der Hussitenkriege. Als im Jahre 1426 die Schlacht bet Aussig geschlagen worden war, der einige Stunden ostwärts von Mariascheln gelegenen, heutigen zweitgröhten Stadt des Sudetenlandes (nach Reichen berg), gingen die Ueberlebenden daran, in Mariaschein ein Massengrab für die ,800 gefallenen katholischen Ritter zu graben und darüber eine Kapelle zu erbauen. Diese Kapelle ist ur kundlich in der Geschichte als die erste Stätte des heutigen Gnadenbildes des Wallfahrtsortes bezeugt, des Bildes. Uber dessen Herkunft nichts sicheres bekannt ist. Es stellt die Mutter Gottes mit dem gekreuzigten Sohn aus ihrem Sckotz dar, und Maria wird von sieben Schwertern durchbohrt. Das Bild kann als Symbol der vielen Drangsale gewertet werden, mit denen das Sudetenland viele Jahrhunderte hindurch über schüttet worden ist. Bald schon nach der Erbauung der ersten Kapelle wurde das Bild weit bekannt im Lande: Pilgerzllge kamen aus entfernten Gegenden und man suchte Hilfe vor den hussitischen Bedrängnissen, da Stadt und Land überall verwüstet wurden. Ueber dies« Anfangszeit liegen zwar nur verhältnis- mätzig wenig Berichte vor. aber die iveniaen lassen das sckncste Anwachsen des Gnadenortes deutlich erkennen. Nach kaum einem halben Jahrhundert war sein Ruf schon bis zum Mittel punkt der Christenheit gedrungen, denn ein Sendschreiben des Papstes Julius II. nimmt schon 1607 ausdrücklich auf Maria schein Bezug und verleiht den Pilgern einen mehrjährigen Ab latz. An Stelle der kleinen Kaveste mutzte eine grötzere Kirche erbaut werden, und der böhmische König Wladislaw. der spä tere gleichzeitige König von Ungarn, sandte ein Weihegeschenk an Mariascheln und sprach feierlich seine Ehrfurcht vor dem wundertätigen Bild aus. Ganze Landstriche Böhmens und Sach sens gelobten damals alljährlich Wallfahrten, und so verlierend die Hussitenkriege bis zu ihrem Ende waren, schlietzlich gelang es doch, die Wunden wieder zu Heiken und die verwüsteten Ge biet« aufzubauen. Zahlreiche Stiftungen wurden für die Wall fahrtsstätte aemacht, und man konnte das Gotteshaus kunst voller ausgestalten. Als dann die Reformation von Sachsen nach Böhmen eln- zudrinaen begann, geschah etwas Merkwürdiges. Die erwähnte nahe Bernstadt Graupen wandte sich dem neuen Glauben zu, und in Mariaschein ltetz der katholische Fürst von Lobkowitz um die Gnadenkirche sieben Kapellen zum Schutze erbauen. Die Wallfahrten der protestantisch gewordenen Bevölkeruna von Graupen aber hörten nicht etwa auf. sondern diese Stadt schickte ihre Pilger weiter und feierte aste Marlenfeste mit, wie dies bis dahin geschehen war. Ja. die Stadt schenkte den Je suiten denen di« Betreuung von Marlaschein übertragen war, Kratze Stücke Landes, worauf die Jesuiten ein kleines Kloster errichteten, die Anfanasgründung des späteren und noch heute bestehenden grotzen Iesuitenklosters, das so bedeutungsvoll für den Ort und für ganz Böhmen werden sollt«. Als der 30iäh- rige Krieg ausbrach, der sa in Böhmen seinen Anfang nahm, mutzte das Gnadenbild nicht weniger als fünfmal von Maria schein flüchten. Es wurde verborgen gehalten und mutzte ein mal bis Prag gebracht werden, um vor der Vernichtung sicher zu sein. ..Jedoch", so sagt der Chronist, „jedesmal glich di« Rückkehr des Bildes einem Triumvhzug". 1661 kehrte es zum letztenmal endgültig nach Mariaschein zurück. Der Ruf des Bildes war durch die Krieaswirren nicht geringer, sondern gröber geworden. Als ein Sprotz des mächtigen polnischen FUrstenqeschlechts der Sapieda in Mariaschein geheilt worden war, erhielt die Kirche zum Dank dafür «ine kostbare Malerei. Geschichtlich ist bezeugt, datz nach dem 30jährigen Krieg die Zahl der Wallfahrer von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sich vervielfacht«. 1676 zogen 20 000 Pilger in das kleine Mariaschein ein, eine für die damalioe Zeit mit ihren unvorstellbaren Beschwernissen der Reise in Mitteleuropa äukerst hohe Zahl. Der Zustrom stieg so sehr an. datz um die Jahrhundertwende, um 1700, bereits über 100 000 Bilger im Jahre gezählt wurden. In dieser Zeit nahmen die Heilungen von Kranken einen immer breiteren Raum ein. Aus dem Jahre 1693 liegt ein Bericht vor. aus dem hervorgeht, datz in diesem Jahr „400 Heilungen an Kranken aster Art geschahen". Die Kirche war längst wieder zu klein ge worden, und von 1701 bis 1706 wurde «ine neu« noch grötzere Alle Araft kommt aus den Wurzeln Von Gtto Urbach Ein gefällter Kirschbaum lag droben auf der Anhöhe am Wegrande. Seine Wurzeln waren ausqegraben. Nur die Haupt wurzeln freilich, denn unzählige Fasern lagen noch weiterstreckt tief unter der Erde. Wie mächtig doch solche Wurzeln sind, — gleichsam ein ganzer Baum unter dem Ackerboden! So tief mutz ein Baum gewurzelt sein, um seine ihm vom Schöpfer gegebene Bestimmung zu erfüllen, um urnräftig zur Höhe em porzuwachsen, zu blühen und Frucht zu tragen. Unwillkürlich mutzte ich bei diesem Anblick an Nietzsche- Zarathustras Rede „Vom Baum am Berge" denken. Zarathustra fand einen seiner Schüler, wie er an einen Baum gelehnt sah und müden Blickes in das Tal schaute. Zarathustra fatzte den Baum an und tat so, als ob er ihn schütteln wollte. Dann sprach er: „Wenn ich diesen Baum da mit meinen Händen schüt teln wollte, ich würde es nicht vermögen. Aber der Wind, den wir nicht sehen, der quält und biegt ihn, wohin er will. Wir werden am schlimmsten von unsichtbaren Händen gebogen und gequält." Zarathustra fährt in seinen Gedanken Uber den Baum am Berge nach einer Weile fort: „Je mehr er in die Höhe und Helle will, um so stärker streben seine Wurzeln erdwärts, abwärts, ins Dunkle, Tiefe, — ins Böse." Wir wollen dem gedankenttefen Worte Zarathustras nach denken; es hat uns viel zu sagen. Aber es enthält einen Ver gleich, den wir nicht widerspruchslos hinnehmen können! Bei aster Anerkennung der dichterischen Leistung Nietzsches: die Deutung seines Sinnbildes von den Wurzeln des Baumes am Berge ist völlig verfehlt, denn sie ist im Kern unecht und un richtig. Mit Naturnotwendigkeit mutz der Baum seine Wurzeln in die Tiefe« des Erdreichs senken. Würde er es nicht tun, so könnte er gar nicht in die Höhe wachsen. Aus der Tiefe zieht er seine Kraft. Seine ganze Kraft kommt aus den Wurzeln. Wie kann man diesen wunderbaren und notwendigen Naturvorgang als Gleichnis für das Böse wählen, das überwunden werden soll? Wie kann man ihn als Sinnbild für die schlimmen Triebe und Begierden anwenden, die gleich wilden Hunden vor Lust in Ihrem Keller bellen, wenn der Geist alle Gefängnisse zu lösen trachtet? Wir müssen Zarathustra entschieden in den Weg treten. Sein Vergleich ist so gründlich verfehl» wie nur etwas! Die dunkle Tiefe des Erdreichs, woraus der Baum seine Kraft holt, Ist Sinnbild für den wahren Grund unserer Kraft und für die Heraufholung unserer Kraft aus diesem Grunde. Betrachten wir die Wurzel einer Pflanze einmal ge nauer! Dieses Organ des Pflanzenkörpers dient teils der Be festigung, teils der Ernährung der Pflanze. Bei manchen Pflan zen erfährt die Wurzel Umbildungen zu Nahrungsspeichern. Wir beschränken uns auf diese wenigen Hinweise, die jedem Naturfreunde bekannt sind. Wir heben nur das Wesentliche her aus. Erstens: die Wurzel hält den Baum an seinem Standorte fest. „Wenn Ich diesen Baum da mit meinen Händen schüttest! wollte, ich würde es nicht vermögen." Zweitens: die Wurzel vermittelt ihm die Kraft zum Leben. Auch der innere Mensch hat solche Wurzeln, die ihn teil» innerlich festmachen, teils ernähren. Die tiefste und stärkste Wurzel, die ihn so festhält, datz er nicht wie die Spreu vom Winde hin und her geweht werden kann, ist das Gewissen. Durch das Gewissen ist der Mensch scstgegründet. Dadurch wird er zur festgewurzelten Persönlichkeit. Dadurch ist es ihm un möglich, jenseits von Gut und Böse zu stehen. Das Gewissen bindet ihn, hält ihn fest. Es bindet ihn zu letzter Verantwort- lichkett, — zur Rechtschaffenheit selbst über die verborgenen Taten, Worte und Gedanken. Und neben dem Gewissen sind es andere Wurzeln, die den Menschen festhalten, so zum Bei spiel die Heimatliebe, das Streben nach Hingabe und Leistung. Sie hängen aber alle unterirdisch mit dem Gewissen zusammen. Fehlt das Gewissen, fehlen die natürlichen guten Regungen u'ld Bindungen des Menschenherzens — wie alle natürlichen und übernatürlichen Ausstattungen kann der Mensch auch seine Wurzeln verlieren! — so sprechen mir von einem „wurzellosen" Menschen. Der innere Mensch l>at auch ernährende Wurzeln, das heiht gottgewollte Fähigkeiten, die Hälfte des Mutterbodens der Natur und der Uebernatur in sich hineinzuziehen. Wir denken an die natürlichen Kräfte des Gei st es und der Seele. Wir nennen als Beispiele in erster Linie die Sinne des Men schen, — Gesicht, Gehör, Tastsinn, Geruchssinn, Geschmack. Dt« Einbildungskraft und das Gedächtnis sind gleichsam Speicher wurzeln des Menschen. Doch die Wurzeln sind nichts aus sich allein oder für sich allein. Erst durch den Wurzelboden haben sie Sinn und Bedeutung. Ohne den Wurzelboden könnten sie ihren Zweck nicht erfüllen. Der Mensch wurzelt im Wurzelboden der Schöpfung Gottes. Der besondere Platz, an dem er sich ursprünglich vorfindet, ist die Heimat. Mit Recht hat man daher die Heimat als die „Grundlage menschlicher Existenz" bezeich net. Dies ist der ursprüngliche Standort liir' unser äutzeres Wir ken und für unsere Innere Existenz. Verlieren wir die Ver bindung, den Zusammenhang mit diesem Mutterboden, so sind wir „entwurzelte" Menschen. Die Gefahr, ein entwurzelter Mensch zu werden, ist im Zeitalter der Grotzstadt besonders grotz. Grotzstädtisches Dasein ist — zivar nicht notwendig, aber in der nüchternen Alltags wirklichkeit doch sehr ost, allzu ost, — ein Dasein, das nirgend wo hingehört und nirgendshin Bindungen hat. also überall und nirgends Bindungen hat. Das Grotzstadtlebcn ist häufig ein Leben ohne geschichtliche Verwurzelung. Für viele ist ja die grohe Stadt lediglich eine vorübergehende Unterkunftsstätte für Leute, die die zufällige Wahl des Arbeitsplatzes gerade dorthin geschlagen hat. Ein weiterer Zufall genügt ost, um einen Wechsel der Unterkunftsstätte herbeizuführen. Ohne Willen zum Endgültigen sind viele Grotzstadtmenschen mit ihrem Aufenthaltsorte nur lose verbunden. Sie kennen wohl dt« Hauptstratzen, die Geschäftshäuser, Fabriken und Vergnügungs stätten, aber kaum noch die geschichtlichen ehrwürdigen Erin nerungen der Stadtgeschichte. Die Menschen sind in einen halt losen Fltigsand hineingeraten, wo sie keine Wurzeln schlagen können. Sie sind Nomaden geworden. Auch in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht haben viele Menschen keine Wur zeln mehr. Das ist eine ernste Gefahr. Der entwurzelte Mensch kann ebensowenig wie der wurzellose das Leben meistern. Er gleicht immer der Spreu, die der Wind verweht. Das Verhängnis vollste und Schlimmste ist, datz der Wurzellose und der Ent wurzelte den Zusammenhang mit der letzten und tiefsten Seins- Wirklichkeit verloren haben. Durch die Wurzel des Gewissen» und durch den Grund der Heimat ist der Mensch mit der für ihn auf natürliche Weise lehterreichbaren Tiefe des Seins ver bunden. Wer Heimat und Gewissen verloren hat. der hat alle» verloren Die Folge ist dann die innere Not der Verlassenheit und der lähmenden Wehrlosigkeit. „Weh dem, der keine Heimat hat!" Stehen wir noch verwurzelt im Boden? Ziehen wir noch lebendige Kräfte aus der lehterreichbaren Tiefe des Seins? Wie ist die Beschaffenheit unserer Wurzeln? Wir wollen un» diese Fragen vorlegen und sie mit unbestechlicher Ehrlichkeit beantworten! Bon der Antwort hängt unendlich viel für uns ad. Alle Kraft kommt au« den Wurzeln! Nur die Tiefgcwurzelten. die tn reichem Wurzelboden gründen, werden lm schön'erlsckcn Sinn Mistend«, Wollende und Gestaltende sein. . Mdn . -- — ... der Ent ¬ wicklung Mariaschein» als den Gipfelpunkt der ersten Blüte des Wallfahrtsorts betrachten, der, wie neuere Geschichtsschreiber sagen, dem Ansehen des heutigen Lourdes tn jeder Weise gleich kam oder noch übertraf. Noch 70 Jahre lang konnten die Gläu bigen ihre Pilgerfahrten ungestört fortsetzen. Dann begann jene Periode, wo von Wien aus (Böhmen gehörte zu Oesterreich) IM Zuge der Verordnungen des Kaisers Josefs II. (Josephinismus) die Klöster des Sudetenlandes zu meist geschlossen wurden, die Pilgerfahrten nach Mariaschein ein Ende fanden und die Wallfahrtskirche selbst ebenfalls geschlossen ward. Die Jesuiten verlieben die Stadt, und endlich wurde der Plan gefotzt, die Wallfahrtskirche abzubrechcn. Nur den Be mühungen des deutschen Äisclwfs von Leitmeritz, zu dessen Diö zese Mariaschein gehörte, gelang es, diesen Plan zu vereiteln und die Gnadenstätte zu retten. Statt dessen siel die wunder bare, an vielen Kunstwerken reiche Allerheiligen-Kirche im nahen Graupen, wo die Bevölkerung zum alten Glauben zu- rückgekehrt war. dem Geist jener Zeit zum Opfer; sie wurde dem Erdboden gleich gemacht. Es tauchten nun jene stürmischen Vorboten der zahlreichen späteren Geisteskämpfe in Mittel europa auf, die nach und nach im Laufe des vorigen Jahrhun derts schlietzlich in die modernsten Strömungen der Vor- und Nachkriegszeit übergingen, und die an das sudetendeutsche Volk die höchsten Anforderungen in geistiger Beziehung stellten. Die Zeit mar angebrochen, wo in ungewöhnlicher Weise von der Berteidigung der alten christlichen Grundsätze zugleich die Er haltung der reinen Geistesgrundlagen und aller völkischen Werte des Sudetendeutschtumg sich als abhängig erwies. Die früheren Kriege mit ihrer überwiegenden materiellen Not, mit ihren Bränden. Verheerungen und Epidemien waren vorbei, und das rein Geistige meldete sich mehr und mehr zu Wort. Es brach der zweite Abschnitt in der Geschichte des Maria scheiner Wallfahrtsortes an. Nach einem halben Jahrhundert der Verbannung kehrten die Jesuiten schlieklich nach Mariaschein zurück. Sie begannen mit der neuen, weitsichtigen Förderung des Wallfahrtsortes, die Kirche öffnete wieder ihr« Vforten, und ganze Städte und Ge meinden nahmen wieder teil an den Pilgerfahrten. Viele such-