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Donnerstag, 28. September 1SSS Sächsische Volkszeitung Nummer 228, Seite S Der deutsche Michel Das Välkersckiachtdenkmal zu Leipzig trägt an seiner Vorderseite «in riesiges Relief, das den Kampsschutzengel des deutschen Volkes, St. Michael, darstellt, wie er, umgeben von den Schrecken des Schlachtfeldes, in siegesgewisser Ruhe dasteht, in der Rechten das feurig« Schwert, die Linke fest auf den Schild gestützt. Es ist der gleiche Michael, dessen Hahne den deut schen Stämmen voranwchte, als sie vor tausend Jahren unter Führung des Sachsetzkaiscrs Otto auf dem Lcchseld zusammen standen, um die Ungarn von der Rcichsgrenze zu vertreiben, den In Kämpfen gegen Magyaren und Sarazenen, Tataren und Tür. Ken, in Kreuzzügen und in allen Kriegen bis zur Reformations zeit die Schlachlenhymnen deutscher Krieger anricsen als den „Unbesiegbar starken Hcld", den „Herzog Michael", der vor den benlschcn Heeren ins Feld zieht, ihnen Schirm und gerechten Sieg verleiht. Der starke Engel, der Fahne und Schwert trägt, -er durch seinen Namen Michael lWer ist wie Gotts zum Hüter der grö beren Ehre Gottes bestellt ist, der mit Satan selbst gekämpft und ihn überwunden hat, war unseren Vorfahren besonders teuer. Sie erkannten in ihm viele Züge ihres aitgermanischrn Echlachtengoites wieder, je tiefer aber deutscher Neichsgedanke und christliche Sendung ihnen zu selbstverständlicher Einheit zu- sammenwuchs, um so gewisser fühlten sie sich im Schutze des mächtigen Erzengels. Sein Nam« selbst klang an das alte deutsche Wort „michel" (groß) an und trug dazu bei, alle Vorstellungen von Gröhe, Krast, Unüberwindlichkcit in seiner leuchtenden Ge stalt zusainmenzufassen. Mit Vorliebe wählten sie schon in der christlicln-n Frühzeit Michael zu ihrem Namenspatron oder zu dem ihrer Söhne, so -aß die Begriffe deutsch und Michel oder die Abkürzung Michel bald eins wurden. Der Ausdruck „deutscher Michel" Ist schon aus dem frühen 16. Jahrhundert bezeugt, ohne dah darin zunächst die herabsetzende Bedeutung lag. die unsere Feinde ihm später zu geben versuchten. Im Drcihigsährigen Krieg hatte der Reiter general Hans Michael Obentraut bei Freund und Feind den Bei namen der „teulsche Michel", und dieses Vorbildes, der als Mann von hünenhaftem Wuchs, blondhaarig und blauäugig, von unge stümer Tapferkeit, aber auch aufrechter Treuherzigkeit geschil dert wird, brauchen wir uns wahrlich nicht zu schämen. Sogar auf feinem Grabstein zu Hannover stand ..der tavfer« teutsche Michel" — damals noch eine ritterliche Ehrenbczcichnung. Aber damals war auch noch ein letztes Bewuhisein der Herkunft des „deutschen Michel" von dem himmliscl-en Banner- Aum Mlchaellrtag, 2d. September Herrn selber lebendig, und so lange konnte der herabziehende Spott keinen Raum gewinnen. Es kam die Zeit, da wir diesen Zusammenhang vergaßen, zugleich aber auch alle völkische Selbstachtung verloren, und so wurde di« traurige Erscheinung möglich, daß wir uns unser Stolzestes und Eigenstes, St. Mi chael. den starken Schutzpatron unseres Volkes, von hämischen Nachbarn umlügen liehen in die bekannte Karikatur des ver- schlafeuen Vauernjungen mit der Zipfelmütze über den Ohren, ein Bild der Töstx'lhaftigkcit und politischen Unfähigkeit. Dem- gcgt'niiber mar cs «in schönes Zeichen deutsä)«r Neubesinnung, vielleicht eine Ahnung der schweren Bewährungsproben, die uns bevorstanden, dah auf dem 1913 enthüllten Bölkerschlachtdenk- nial St. Michael, das Urbild und Vorbild deutschen Heldentums in seiner schönsten Mannhaftigkeit, «inen bel)«rrschenden Raum erhielt. Im deutschen Brauchtum haben tausend Jahre Michaels- Verehrung bedeutsame Spuren hinterlassen. Das ganze Mittel- alter hindurch und noch bis ins 19. Jahrhundert hinein war der Michaelstaq ein wichtiger Termin im bäuerlichen Leben, ein Ziehtag des Gesindes, aber auch der Tag. an dem die Abgaben entrichtet werden muhten. Diese Abgaben bestanden oft In Hüh nern und anderem Geflügel, und damit mag di« Sitte zusam menhängen am Abend des Michaelstages gebratenes Geflügel zu essen, den sogenannten „Lichtbraten", weil er bei Licht auf getrogen wird, zum Zeichen, dah von nun an nicht mehr wie im Sommer der Arbeitstag mit dem Tageslicht zu Ende ist, son dern bei Licht fortgesetzt wird. Dieser Lichtbraten ivar nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen germanischen Län dern üblich, in England und Skandinavien, wo überall St. Mi chael hol)e Verehrung genoß. Auf der Tafel der Königin Elisa beth von England zum Beispiel durst« am Michaelstaq die „Lichtgans" niemals fehlen. Auch zahlreiche bäuerliche Wetter regeln knüpfen sich an den Michaelstaq. Sind an diesem Tag die Vögel schon fort, so kann man aus einen strengen Winter rechnen. Dagegen bedeutet Regen zu St. Miclwel einen milden Winter un- lange Regenzeit. Denn wenn Michael „seine Flügel badet", dauert der Regen bis Weihnachten. Im bürgerliä)-städti- schen Leben wer-en wir uns der alten terminähnlichen Bedeu tung des Micl-aelstaaes nur noch in wenigen Ausdrücken dunkel bemüht, so -nm Mispiel, wenn wir die Herbstferien, die das sommerliche Schulhalbjahr vom winterlichen trennen, zuweilen noch „Miä)aelisserien" nennen. Am 29. September, morgens um 6.16 Uhr ging das Boot von Helgoland aus in See. Noch immer herrschte schwere Dünung, und zunehmender Wind und Seegang aus Nordwcst behinderten den Vormarsch. Heftige Bewegungen des Boots körpers machten die Benutzung des Kreiselkompasses unmög lich. Fast zur gleichen Stunde trafen die Panzerkreuzer des Vll. britischen Kreuzergcschwaders von der Doggerbank her bei Maas-Feuerschiff ein, um den Kanalausgang zu bemachen. Am 21. September um 8.3» Uhr vormittags sichtete „U 9" die Küste bei Ameland. Kurs Süden. Windstärke 7. Aber die Lage wurde günstiger, denn die schwere See lies jetzt von achtern auf, so dah sich am Nachmittag der Kompaß wieder beruhigte und benutzbar wurde. Gegen Abend, dicht unter der Küste, auf der Höhe von Schevcningcn, versuchte Weddigeu, das Boot auf den Grund zu legen, um der erschöpften Mann schaft etwas Ruhe zu gönnen, aber selbst auf 25 Meter Tiefe ließ die Grundsee es wiederholt aufstoßen. So muhte das Boot über Wasser beigedreht werden, und wieder folgte eine Nacht aufreibendsten Kampfes gegen die entfesselten Elemente. Aber hartnäckig hielt der Kommandant an der Durchführung des erhaltenen Befehls fest. Frühmorgens am 22. September um 1 Uhr wurden nur 1090 Meter querab plötzlich abgeblendcte Fahrzeuge gesichtet. „U 9" tauchte und steuerte weiter nach Westen, um erst bei Tagesanbruch aufzutauchen. Klar und hell brach der schicksalhafte Tag an. Ter Nord wind hatte abgeflaut. Als „U 9" auftauchte, sah Weddigen im Osten auf 22 Seemeilen den Leuchtturm von Scheveningen. Der Lotwurs ergab 27 Nieter. Die Petroleummotoren wurden angcstellt. Kurs Maas-Feuerschiff. Es ging dem Feinde ent gegen. Um 6 Uhr vormittags sah man im Süden Masten über -en Horizont wan-ern. „Tauchen!" Durchs Sehrohr stellte -er Kommandant fest: Ein Kriegs fahrzeug . . . Feind! Vier Schornsteine! Da ... Zu beiden Seiten noch zwei. Abstand je zwei Seemeilen. Das ist der Engländer! Kreuzer . . .! Wird -le Marschsicherung für das Gros sein. Warten . . . Aufpassen . , . Aber kein Gros kam . , , Dann ran an diese! Es Ist kurz nach 7 Uhr früh. „Drei fein-ttchr Arerrz«*!" *r»ft we-digeir in Vie Zentrale Die Leute kennen ihren Kommandanten. Am vielen Aus Da« rvav rv«-dig«n mit seinem „U d"! A-Boot gegen die „Grand Fleet" Vrei englische Arenzer an einem Tag! — Vie letzte Fahrt Die Geschichte der U-Boote im Weltkrieg ist eine Kette von Heldentaten, eine ununterbrochene Folge von todesmutigen Leistungen und tollen Husarenstückchen tapferer Männer. Alle Meere machten sic unsicher, in allen Wassern reihten sie Sieg aus ^ieg an die deutschen Fahnen, fast zweihundert dieser unheimlichen, gefährlichen Boote sind mit Mann und Maut, angesichts -cs Feindes in die Tiefe gefahren, — ihre Pflicht erfüllend getreu bis in den Tod. Viele Taten dieser Männer verzeichnet heute zu ihrem ewigen Ruhm die Geschichte, keiner von ihnen aber hat eine derartige Volkstümlichkeit erreicht und die Jahre hindurch bewahrt wie Otto Weddigen. Wer heute von einem U-Boot spricht, -er verbindet mit ihm immer noch in Gedanken die Nummer des Bootes, das Otto Weddigen fuhr: „U 9". Es ist zum heroischen Symbol dieser entscheidenden Wafse geworden und bis heute geblieben. Denn es ivar das erste Unterseeboot, das der Welt bewies, welche unheimliche Macht es in der Han- eines unerschrockenen Kommandanten zu sein vermag. Dieses eine kleine Unter seeboot hatte nicht nur drei englische Panzerkreuzer und bald einen vierten vernichtet, mit zwei Dutzend Mann über zwei- tnuscndzweihun-crt gesiegt, es setzte die ganze englische Flotte in Furcht und Schrecken, und der „Herr der Meere" sah seine Vormachtstellung bedroht. Funkspruch um 22. September 1914. Das letzte Drittel September hatte begonnen. Acht Wochen dauerte der Krieg. Viele Helden hatte das Volk schon. In Vst und West war Heroisches geleistet. Da trat ein junger, kriegsgctrauter Kapitänleutnant mit seinem U-Boot die Fahrt an, von der auch er als umjubelter, nie vergessener Kriegs- Hel- zurückkommen sollte: Otto Weddigen . . . Am Abend des 22. Septembers herrschte eine nervöse Spannung aus -er Marinestation Wilhelmshaven. Gerüchte durchschwirrtcn die Lust. Es mußte irgendwo etwas passiert fein. Die Engländer hatten einen Schaden erlitten. Was? Man wußte es nicht. In Holland sollten gerettete englische Matrosen Armee. Stesse zur Erwägung. Möglichkeit für Angriff eines U-Bootes trotz schwieriger Navigierung." Im Westen sahen sich unsere Landtruppen Tag für Tag neuen, frischen Kräften des Feindes gegenüber. Die Engländer landeten einen Truppentransport nach dem anderen. Konnte man ihnen nicht schon aus der Ueberfahrt über den Kanal an den Kragen? Konnte nicht ein U-Boot trotz der Wachsamkeit der Engländer, ihrer patrouillierenden Flotte, der Minen und Sperren und Sicherungen, der Landarmee wichtige Vorarbeit leisten? Der Chef -cs Admiralstabes wußte, daß es eine schwie rige. tollkühne Ausgabe sei. Er besohl nicht, er „stellte an heim" . . . Trotz schwieriger Navigierung . . . Aber das Wetter war derart schlecht, daß ein« solche Unternehmung hossnungslos erschien. Noch am 18. September tobte ein schwerer Weststurm bis Stärke 12. Eine Sturmslut hatte den Flugschuppen auf Borkum mit den beiden dort stationierten Flugzeugen zerstört . . . Endlich, am 19. Septem ber, schienen sich die beiden Elemente etwas zu beruhigen. Man konnte an die Verwirklichung des geplanten Unterneh mens gehen. Um dem auszusendenden U-Boot eine möglichst große Aussicht zu gebe», sollte es eine Wartestellung zwischen West Hinder Feuerschiff und Ostende einnehmeu, die gerade außerhalb der gefährlichen, der Einfahrt vorgelagerten Sand bänke lag und von Transporten aus dem Kanal sowohl wie aus der Themse gleicherweise passiert werden mußte. Zu dieser wichtigen Ausgabe wurde „U 9" ausersehen, Kommandant Kapitänleutnant Otto Weddigen. And Einfahren des Sehrohres merken sie, -aß die Beute nicht mehr weitab sein kann. „Auf zehn Meter halten!" Mit größter Sorgfalt reguliert Marineoberingenieur Schön den Trimm, die Tiefenlage des Bootes, aus das genaueste ein. Noch immer herrscht durch die Stürme der vorhergehenden Tage starke Unterwasserdünung, aber „U 9" liegt glänzend. „Achtungl Angriss beginnt! Beide Torpedorohre klar machen!" tönt es vom Kommandoturm. „Beide Torpedorohre klar!" kommt es bald daraus zurück. Es Ist 7.16 Uhr . . . Weddigen visiert den Gegner. Bald ist der in der Mitte stehende Kreuzer im Fadenkreuz. Der Kommandant sieht und schätzt. Schußentfernung 660 Meter. Geschätzte Fahrt 10 Seemeilen. „Zweites Rohr! Achtung!" 7.20 Uhr: „Los! — Aus 15 Meter gehen!" Der unheimliche Silberfisch verläßt das U-Boot, das tiefer geht. Einige Sekunden atemloser Spannung Dann ein lauter Knall: Treffer! Und in dem schmalen U-Boot schreien zwei Duhen Kehlen Hurra! Aber es ist kein« Zeit zu feiern. Schon kommt das Kommando aus dem Turm: ..Auf 10 Meter gehen!" Das Boot hebt sich, der Kommandant fährt das Sehrohr aus, sucht den Gegner. „Der hat genug!" sagt Weddigen, als er -en Kreuzer wieder sieht. Das Schiss krängt nach einigen Minuten stark und kentert, aber da hat der Kommandant bereits den Angriff auf den nächsten Kreuzer unternommen, der leichtsinnig und ohne Sicherung dem sinkenden Schwcsterschiss zu Hilfe eilen will. „Rohr nachladen!" kommt es aus dem Kommandoturm des U-Bootes. Der Torpedooffizier springt nach vorn und leitet das Nachladen. Kein« einfache Sache. Das schwere Torpedo muß etwa fünf Meter weit geschleppt wer-en. Bun« fliegen die umhcrstehenden Ausrüstungsgegenstände durcheinander. Um dir durch das Nachladen des Torpedos entstehende Gcwichtsvcr- WWW Goethe auf der Probe von einem neutralen Dampser gelandet worden sein. Der FT-Ossizier der Station trat in die Funkerbude. Die Apparate summten und knarrten. Die Luft war vosser Tele gramme. Der Offizier ließ die schmalen Papicrstreifen, die wie endlose Schlangen sich mühsam aus den Apparaten wanden, durch die Finger gleiten und warf flüchtige Blicke darauf. Nichts. Gar nichts. Die üblichen Meldungen, Befehle, Begrü ßungen, Anfragen und Antworten . . . Aber es lag etwas in der Luft. Vielleicht war ein Eng länder auf eine Mine gelaufen. Oder ein Unterseeboot hotte einen erwischt. Die Truppentransporte im Kanal sollten sowie so möglichst gestört werden. Ein Unterseeboot ivar mit diesem besonderen Befehl ausgelaufen. „U 9", Kapitänleutnant Wed digen. Gegen Mitternacht bestätigte Reuter amtlich, daß die Dampfer „Flora" und ,Hltan" britische Ueberlebende an der holländischen Küste gelandet hatten. Wieder stand der FT-Osfizter in -er Funkerbude der Station und las die einlausenden Meldungen. Nichts. Nichts, bis ihn plötzlich der unterdrückte Aufschrei eines Funkers an einen Apparat ries. Und mit gespannten Minen entzifferten sie: ,,. . . EMS „Hamburg" , . . Kreuzer der Tmssicherung Meidet FT-Signal von „U 9". „U 9" hat am 22. September -wischen S und 9 Uhr vm. iin Quadrat 117 Alpha Zusahzahl S hrei englische Kriegsschiff«, voraussichtlich Panzerkreuzer vom »I. Panzerkreuzergeschwader, mit sechs Torpedos in den Grund Hedohrt." Am gleichen Tag« noch, dem LS. September, kam die WtMch« deutsche Mitteilung heraus: »Perlin, den LS. September 1914. Das deutsche Untersee- tzVI >,A S" hat am Morgen de» LS. September», etwa L0 See- Mien nordwestlich von Hock »an Holland, die drei englischen MNzerkreuzer „Avoußir, .Hogue" und „Lressy" zum Sinken Mbracht, , »" Vie «ar Vas geschehens Al- „rr y" Am IS. September gin» pogendes Telegramm des Thess hes Admiralstabes bei der Hochseeflotte ein: . »Zur Zeit finden größer« Truppentransporte nach Ostend« statt. Störung ist von großem Wert für den Veneratstab der Die Tätigkeit des Regisseurs hat im Film und auf der Bühne eine noch immer ivachscnde Bedeutung gewonnen. Es ist daher von großem Reiz, sich einmal zu vergegenwär tigen, wie Goethe feine Aufgabe als Leiter der Weimarer Tljeaterausführungen ausfaßte. Sein Wirken ist uns in manchen Berichten der unter ihm tätigen Künstler geschildert worden. Besonders anschaulich hat der Musiker Karl Eber wein, der sich rühmen durfte, „Goethes Kapellmeister" zu sein, von der Mitarbeit des Dichters bei den Proben be richtet. Goethe war von außerordentlicher Pünktlichkeit und ließ Nie auf sich warten. In den Proben und Vorstellungen nahm er seinen Platz in der Mitte der ersten Bank des abonnierten Parterre. Nach Errichtung der Parterrelogen wählte er die mittelste, und zwar die entfernteste von der Bühne, von wo aus di« Rezitation am beste» zu beurteilen ist. Wie horchte man auf, wenn er aus der Tiefe des Parterre seine Stimme er schallen ließ, das Organ der begabtesten Sci-auspicler an Kraft, Fülle und Wohllaut überbietend! Seine Direktion des Thea ters war, wie asses, was Goetl)« unternahm, systematisch: daher seine Befehle faßlich und eindringlich wie ein höheres Gesetz. Mit bem idealisierenden Stil, den Goetli« in der Schau spielkunst vertrat, hing es zusammen, daß er von den Schau spielern verlangte, sie fassten möglichst dem Publikum -»gewandt spielen. Auch ass« unruhigen Bewegungen waren ihm verhaßt. Als der Tenor Moltke einmal besonders heftig agierte, faßte er ihn beim Arme und befahl, die Szene zu repetieren. Moltke drängt« und zuckte, sobald er zu sprechen hatte; Goethe aber «ich und wankt« nicht und brachte io den allzu beweglichen Sänger zur Ordnung. Es bedarf wohl keiner Versicherung, daß dieser Auftritt allgemein« Heiterkeit bewirkte. Goethe gelang es auch, aus Leuten etwas zu machen, denen »nan nicht da« Geringste zutraute. Das glänzendste Beispiel dafür ist die Erziehung der Schauspielerin Amalie Malkolmt, di« dann als Frau von Pius Alexander Wolff «in« Zierde der Berliner Hosbtlhne wurde. Wegen der Plumpheit Ihrer Bewe gungen und des Ungeschicks ihres Auftretens war sie allgemein gering geschätzt, bis Goethe ihr bei der Erstaufführung von Schiller» „Braut von Messina" zum Entsetzen asscr di« Fürstin Isabella zudiktierte. Und er vollbrachte das Wunder: die Mal- ßolml lernte durch ihn den edlen Anstand, der für di« Rolle notwendig ivar, und wurde mit einem Schlage eines der ersten Mitglieder der Truppe. Von Novitäten oder neu zu besetzenden Dramen hielt der Meister so lange Leseproben, bis jeder in den Geist seiner Rollt eingcdrungen war; dann erst sanden die Proben auf der Bühne statt. Mitunter deklamierte er ganze Szenen vor. In einer Leseprobe von den „Mitschuldigen" sprach er den Wirt, wobei er eine Komik entwickelte, daß man vor Lachen den Geist hätte aufgeben mögen. Goethe war kein Freund von kostspieligen Dekorationen und prächtigen Kostümen und lehnte den nach seiner Meinung übertriebenen Prunk der Berliner Bühne ab Er war der An sicht, das Ganze sei ja nur ein Spiel, man müsse der Phantasie des Zuschauers Freiheit lassen, das zu ersetzen, was noch fehlte. Somit kleidete Goethe seine Könige in Rasch. Nachdem Karl August die Grvßherzogliche Würde angenommen, war man auch auf Verbesserung der Garderobe bedacht. Den Damen am Thea ter riet Goethe, von dem Nationalen und Zeitgemäßen ihrer Partien nur das zu wählen, was sic gut kleidet. Er sagte: „Wenn ihr hübsch ausseht, so kann man vollkommen zusrieden sein." Auch hinsichtlich der Gesichtsmalerci ward den Darstelle rinnen alter ehrwürdiger Frauen gestattet, ihr Gesicht so zu malen, als wäre die Zeit spurlos an ihnen vorüberizegangcn. Goethe verhielt sich den Schauspielerinnen gegenüber durch aus zurückhaltend. Auch die beste hatte sich keiner größeren Gunst von ihm zu gewärtigen, als daß er ihr die Wange zum Kuß reichte. Uebclklingende Namen der Theatermitqlicder ver änderte der Chef Kraft seines Amtes für den Theaterzettel. Infolgedessen verlor eine Demoifcllc Petersilie ihren Peter... Der hochverehrte Meister hatte die Gewohnheit, die Augen zu schließen, wenn er einen Vortrag mit besonderer Ausmrrksam- keit verfolgen wollte. Als Sechziger konnte es ihm daher leicht passieren, dah er darüber einschlief. Und so geschah es wirk lich in einer Probe, der er In seiner Loge beiwohnte. Di» Schauspieler nahmen sich, wie immer in 'einer Gegenwart, sehr zusammen, und die Probe ging untadelig vonstatten. Die Agie« renden waren sehr erfreut, der Exzellenz keine Veranlassung ge geben zu haben, sich über dieses und jenes mißfällig zu äußern. Eine Schauspielerin, die dem Geheimrat eine Bitte vorzutragen wünschte, begab sich in seine Loge. Und siehe da, der Meister schlief ganz behaglich...