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Sonnabend/Sonntag. 8./I. AprN 1941 Säcksittst« BolkszeUnnO Nummer 8S, Seile t pvsKtLsche Hsussrstt Der Zauber des «Spielzeuges Kinder und ihr Zeitvertreib — Eine «deutliche Entwicklungslinle Ein Spielzeug ist nützlich, ivenn es zwei Hauptforderun gen entspricht: Es mutz unterhaltsam sein und erziehe risch wirken. Um unterhaltsam zu sein, mutz cs das Interesse des Kindes fesseln. Alles, nas seine Neugier reizt, fesselt auch Interesse. Ferner erhöhen sich der Wert und die Nützlichkeit eines jeden Gegenstandes dadurch, datz er dem Kinde Meleaen- heit gibt, seine Geschicklichkeit zu üben. Allgemein gesprochen, sollte das Spielzeug um so grötzer sein, je jünger das Kind ist. Es ist erstaunlich, was Kinder alles verschlucken können. Es gibt kaum einen sich des Bronchoskopes bedienenden Spezialisten, der nicht mit all den Dingen, die er aus Magen und Lungen von Kindern herausholtc, einen mittel- grossen Spielivarenladen ausstatten könnte. Neben der Grötze des Spielzeuges, ist die Form wichtig, besonders bei kleinen Kindern. Spielzeug mit rauhen und sci-arsen Kanten mutz ver mieden iverden. Nicht vereinzelt stehl der Fall jenes Kindes, das das einzige seiner Ellern war und im Alter von 1k Monaten einen Luftballon geschenkt bekam, der an einem spitzen Stock befestigt war. Kaum eine Stunde später wurde das Kind zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht. In seiner Begeisterung tiber bas Spielzeug ivar es gelaufen und über den Ballonstock gefallen. Seit 5 Jahren hat es nun ein künstlick)es Bein. Von der Geburt an bis zum Ende des 8. oder 3. Monats zeigt das Kind so gut wie gar kein Interesse für irgend etwas anderes als seine körperlichen Bedürfnisse. Vom 3. bis etwa 18 Monat gebraucht es drei Sinne: Gesicht, Gehör und Gefühl. Jedes Spielzeug, das in dieser Zeit zur Unterhaltung dienen soll, mntz sich darauf beschränken, sich an diese drei Sinne zu wenden. Bunte Gegenstände, Klappern, Gummitiere und Balle eignen sich gut, vorausgesetzt, datz die Grundbedingungen für Sicherheit gegeben sind. Das Kind spielt meistens allein, es ist fähig, sich selber zu unterhalten. Ungesähr im Alter von 2 Jahren fängt das Kind an ein merkliches Interesse für Spielgefährten zu zeigen. Alter von 18 Monaten bis 4 Jahren ist das Spiel iveitgehend Bewe- gungsspicl, und daher mutz jedes Spielzeug, das von grotztem Wert sein soll, diese Art von Betätigung erlauben. Es gibt für die Kinder kaum irgendeine Form des Spiels, bei der die Bewe gung nicht eine wichtige, wenn nicht gar eine überragende Rolle spielt. Jeder Gegenstand, der Bewegungsmogllchkeit bietet ist eine willkommene Gabe auch für ein Kind zwischen 4 und 10 Jahren, Fahrräder, Dreiräder, Hampelmänner, Kreisel, Schlitt schuhe und Sprungseile sind Dinge, die dem Kinde Freude ma- cl>en. und bei denen es gleichzeitig seine Energie betätigen kann. Bei Kindern im Alter von 7 bis 10 Jahren nehmen di« Spiele allmählich die Eigenschaft von Wettspielen an. Balle, Wippen, Schaukeln. Sprungseil« und Rollschuhe bilden jetzt die Hauptbesck-ästigung der Kinder. Zwischen 10 und 13 Jahren be steht das Spiel vorwiegend aus Wettspielen uiid Uebunqen, die gelernt sein wollen. Alle Arten von Turngeräten Kon,men zur Verwendung. Auch Zusammensetzbiider und Geduldsplcle sowie Experimentierkästen. die Nachdenken >md .Handeln erfordern, sind nützliche Förderer des geistigen Entwicklungsprozesses. Mii Rai und Tai Kleine Ratschläge für das Backen Trotz grösster Aufmerksamkeit und kleiner Gasflamme gibt es zum Acrger der Hausfrau doch ab und zu einen Kuchen dessen leckeres Aussehen durch eine hätzlich verbrannte oder zu dunkle Kruste beeinträchtigt wird. Man kann sich dagegen schlitzen, wenn man zum Au-,streichen der Formen nicht Butter sondern stets Schmalz verwendet Vor allem darf man nie ge salzene Butter zum Ac-sstreichen benutzen, da die Salztcilchen leicht zum Nnbrennen beitragen können. Eine weitere Vorsichts- matznahme besteht darin, datz man die Kuchenformen im Ofen auf das Backblech stellt und darunter eine Schale mit Wasser aufstellt. Bei sehr empfindlichen Teigarten ist es auch nicht un praktisch, die Form selbst mit gefettetem Papier auszulegen. Die Beseitigung von Grasflecken Mit der schönen Sommerzeit, aus die wir uns alle schon freuen, kommen auch wieder die unangenehmen Grasflecke die fast unvermeidlich sind, wenn wir im Grünen Rast halten. Sie sind keineswegs leicht zu entfernen, und das beste ist schon, sich niemals direkt ins Gras zu legen, sondern immer eine Decke auszubreiten. Ist der Sckmden aber einmal geschehen, so soll man zunächst an einem Stofsläppchcn versuchen, ob der Stoff -es Kleidungsstückes die Behandlung verträgt. Erst dann geht man daran, den Fleck mit lai.ivarmem Seifenwasser auszurciben. Auch Ammoniak ist mitunter vorzüglich wirksam. Zeigt sich an dem Probeläppchen aber, datz die Farben auch nur im gering sten angegriffen werden, so unterlasse man die Sslbftbehand- lung und gebe das Kleidungsstück zur chemischen Reinigung. Das Reinigen von fettigem Geschirr Sehr fettige Kochtöpfe, Pfannen und Geschirr sind schwer ,u reinigen. Wenn man aber heisses Sodaivasser zu Hilfe nimmt, geht die Säuberung rasch von statten. Man mutz die Besätze dann nur sorgfältig in heissem Wasser nachspülen, damit jede Spur des Sodas entfernt wird. Ist man hierin nachlässig, so kann man sich dadurch ein später in dem Topf gekochtes Gericht ver derben. da es ein trübes Aussehen bekommt und ost auch einen unangenehmen Geschmack anntinmt. Kinderkleidchen zu bemalen Ein einfacher iveitzer oder hellfarbiger Voile ergibt ohne viel Arbeit entzückende Kinder- und Iungmädchenkleider, ivenn man die Stoffe, statt sie zu besticken, was sehr zeitraubend ist, einfach mit Buntstiften bemalt. In Buntstiften hat man wun derschöne Farbschattierungen. Man wählt irgendein gefälliges Muster, heftet es unter den Stoff ,rnd spannt dieses nun glatt auf einem Zeichenbrett aus. Hierauf malt man mit den passen den Buntstiften das Muster aus den Stoff. Der fertig bemalte Stoff wird zwifclien Löschpapier gelegt und mit nicht zu heitzem Eisen gebügelt. Das Löschpapier mutz häufiger gewechselt wer den. Waschen kann man dies« beinalten Stoffe in kaltem Was ser und Gallseife, doch ist starkes Reiben und Auswringen zu vermeiden. Besonders hübsch können auch auf diese Weise ver zierte Fenstcrvorhänge ausseihen. Die Arbeit macht Freude, und man hat die Genugtuung, für wenig Geld sehr hiibfche Gegen stände Herstellen zu könne«. Zur Behandlung d«r Strümpfe Vor der ersten Benutzung sollt« man neu« Strümpfe stets für fünf Mnutcn in kalte» Wasser legen. Dadurch wird die Farbe besser erl>alten und auch di« Dauerhaftigkeit verlängert. Die Strümpfe müssen aber triefend natz ausgehänqt werden. Sie schmiegen sich dann beim Tragen dem Bein besser an. Beim Waschen später iverden die Strümpfe stets in lauwarmem Was- ser ausgedrückt, aber niemals gerieben. Man spült sie in kaltem Wasser, darf sie aber nicht auswrinqen. Schlechte und scharfe Seife greift die Strümpfe an wie zarte Haut. Die Spanierinnen und ihr« schönen Haar« Spaniens Frauen sind um ihres sck)önen Haares will«» berühmt. Sie sollen cs zum grotzen Teil dem Gebrauch von Rosmarin verdanken. Ein Bündel Rosmarin wird mit kochen dem Wasser übergossen, datz man nach einer halben Stunde ab giesst und durchseiht. Nachdem man das Haar auf übliche Weis« gewaschen hat, wird cs mit dem Rosmarinaufgutz sorgfältig nachgewaschen. Das Gefätz, in dem sich dieser Ausgutz befindet, stellt man so, datz das Haar einige Minuten darin bleibt. Es bekommt dadurch einen wunderschönen Glanz, abgesehen davon aber ist diese Rosmarinwaschung stärkend und gesund für dos Haar. Kleine medizinische Rundschau Zahnkrämpfe? Die gelegentlich bei Säuglingen und Kleinkindern aujlce- tenden krampfartigen Anfälle werden leichtfertigerweise auch heute noch vielfach mit der „Zahnung" in Verbindung gebracht. Diese ist aber unter keinen Umständen mit dem Auftreten von Krämpfen verbunden. Zahnkrämpsc stellen vielmehr fast immer eine Erscheinung dar, die aui krankhafte Veränderungen tm inneren Stoffwechsel zurückgeführt werden müssen und beson ders leicht in Verbindung mit Phosphor- und Kalkstosswechsel- störnngen verbunden sind, wie diese auch bei leichtester, sonst unbemerkter Rachitis auftrcten können, wen» durch die Plötz- liche Vermehrung des VitamiiuD-Bestandes im Körper unter Einflutz der Frühjahrssonne gerade diese Stosswechselvorgäng« stark aktiviert werden. Man sollte sich deshalb unter keinen Umständen mit der Vorstellung von „Zahnkrämpfen" zufrieden geben, sondern jeder Krampscrscheinung ärztlich aus den Grrnd gehen lassen. Das Kondensbad, ein neues Heilbad? Vor etwa 20 Jahre» hatte ei» Berliner Arzt als Neuig keit soge»a»»te Kondensbäder empfohlen, ohne allerdings da mit das nötige Gehör zu finden. Nun hat sich neuerdings der Italiener H. di Gaspero nochmals mit dieser Frage befasst und auf Gruird eigener Erfahrungen Kondenswasser, destilliert.-» Wasser zu Heilbädern empfohlen. Da solcl-es Wasser sim Gegen satz zu gewöhnlichem Brunnen- oder Leitungswasser) vollkom men frei von Mineralstoffen ist, wirkt cs ganz besonders salz« entziehend auf die Haut Es erfolgt also eine besonders ener gische Entlaugung der Haut und damit gleichzeitig eine erheb liche Beeinflussung des Gesamtmineralstoffwechsels im Organis mus. So ist es auch zu verstehen, datz unter dem Einfluss solcher Bäder auch erhebliche „Badercaktionen" zur Beobachtung kom men können. Es steht noch zu erwarten, welches Echo diese Ver öffentlichung in ärztlichen Kreisen finden wird. Zuviel Fttt als Krankheitsvrsack>e! In einer Zeit, in der viele Menschen über einen mehr oder weniger schwor empfundenen Feltmangel Klagen, ist es durckmns notwendig, aus die Tatsache hinzuweisen, datz aus der anderen Seit« ein zu starker Fettqenutz nicht unerhebliche Gefahren für die menschliche Gesundheit darftellen kann. Nicht nur. datz hier durch allgemeine Körperversettungszustände oder gewisse Haut, erkrankungen hervorgerrefen »veröden können, es lietz sich kürz lich an Hand eingehender dänischer Statistiken Nachweisen, datz mit einer Zunahme des Fettvcrbrauches linsbesondere in Form von Nichtbutterfettcn) auch prompt die Sterblichkeit an Zucker krankheit und auch die Zahl der Todesfälle an Gaüenstein- erkrankungen anstieg Als im sogenannten dänischen Butter jahr 1018 die Einfuhr vegetarischer Oele ansblieb und die Bevöl kerung auf die sonst ausgcfiihrte Butter allein angewiesen war. sank eindeutig die Ziffer der Gallensteintodcssälle und auch dir Häufigkeit an Infektionskrankheiten Reiner Sauerstoff bei Migräne! Die ungeheure Verbreitung des Migrüne-Kopstchmeizcs in allen Bevölnerungskreiscn lässt beim Bekanntwerden neuer Heilmethoden stets bei vielen bisher erfolglos behandelte« Migränikern den Wunsch aufkommen, auch dieses Mittel wenigstens zu versuchen, vor allem wenn die üblichen Kons- schmerzmittel — das Koffein, die Mutterkornpräparate oder homöopathische Arzneien — ihren Dienst versagen Eine neue Hoffnung kann wohl nach den eingehenden Untersuchungen des amerikanischen Arztes wenigstens für einen Teil der Migräne kranken gehofft werden, da cs diesem Arzte gelang, bei einem grotzen Teil seiner hartnäckigen Patienten mit cinsachen Sauer- ktoffeinatmungen eine Heilung zu erzielen. Benutzt wurde dazu am besten ein sogenanntes Maskcngcrät. Gedanken nach einem Umzug Plauderei am Mochenende von Marabu. Die deutschen Kaiser des Mittelalters regierten das Reich im Umherziehcn. Schon das lässt daraus schliessen, datz sie sehr tüchtige Leute waren. Denn das mutz furchtbar unbequem und schwierig gewesen sein. Schon uns kleinen Leuten, die wir keineswegs ein grosses Reich zu regieren, sondern nur einen winzigen Kreis von Pflichten ausznfüllcn haben, erscheint ein Umzug als ein schwe res Schrecknis Freunde, wir haben es erlebt. Eben liegt der I. April, neben dem 1. Oktober der grösste Umzugstermin des Jahres, hinter uns Wer in diesen jüngstvergangenen Tagen einen Umzug zu bewältigen hatte, wird wohl sein Leben lang daran zurückdenkcn. Wandertrieb und Wurzelhaftigkeit Der Mensch hat dem Körper nach keine Wurzeln wie die Pflanze, die mit dem Boden schicksalhaft verbunden ist und in der Regel an derselben Stelle keimt und ausschiesst, sich entfaltet und blüht, welkt und stirbt Der Mensch scheint mehr dem srei schweisenden Wilde zu gleiche», das sich seinen Standort ganz nach seinen Bedürfnissen wählt und ohne Zö gern von einem Gelände Abschied nimmt, das ihm keine gün stigen Bedingungen mehr bietet. Manche von uns scheinen sogar den Zugvögeln zu ähneln, die von Zeit zu Zeit ein geheimnisvoller unwiderstehlicher Trieb nach der Ferne packt. Sic müssen fort und ins Weite, keine Bande der Liebe und Gewohnheit können sie halten. Trotzdem trägt der Mensch in seinem Wesen etwas von der Bodenständigkeit und Wnrzelkraft der Pflanze. Er, die Krone der Schöpsung, hat ja von allen Sinsen des organischen Lebens ein Stück in seinem Selbst bewahrt. Wurzeln kann er dem Körper »ach nicht haben. Aber seine Seele streckt Wur zeln aus. fühlt sich mit dein Boden, auf dem der Körper wandelt und wirkt, durch Liebe und Treue verbunden. Welche Kraft strömt uns durch solche Wurzeln der Seele aus dem Heimatbode» zu! Mit welcher Innigkeit umfassen wir die Stadt und den Kreis, in dem wir seit Jahren, wenn nicht sei« Jahrzehnten schaffen und sorgeitt Alle unsere Zartlichkei aber wenden ivir an den kleinen Fleck, der uns Wohnstatt und Heim, Schauplatz unserer Freuden und verschwiegener Zeuge unserer Leiden ist. Ein Umzug, der uns von Wohnung "od Wirkungsstätte trennt, reisst viele dieser Wurzelfäden durch. Und nun fühlen wir uns aus einmal als eine Pflanze, die dem gewohnten Boden entzogen und in fremdes Erdreich gesetzt werden soll. Sie welkt und lässt verzagt die Blätter hängen. Und «» hangt von der Geschicklichkeit de» Gärtners ab, ob sie aus dem neuen Boden gedeihen wird. Besitz als Freude und Last Nach Besitz zu streben Ist ein dem Menschen eingeborener Trieb. Schon das Kind greift begierig nach jedem bunten und glänzenden Gegenstand: „Haben!- Diese Neigung, uns mit schönen und freundlichen Dingen zu umgeben, verlässt uns bis zum letzten Atemzug« nicht. Unser Heim ist die Stätte, die wir mit diesen Schätzen zu einer kleinen, in sich geordneten Welt gestalten. Schlichte, schöne Möbel, stille und innige Bilder, gute Bücher, ein paar gewählte Stücke Glas oder Keramik — das sind die Kulissen unseres kleinen Welttheaters, die Szene unserer privaten Freuden, unserer Erholung und Behaglichkeit. Ein Umzug wertet alle diese Werte um. Was bisher Glück« war, wird auf einmal Hindernis. Für den, der wandern will oder muss, ist Besitz eine Last. Welche Mühe, alles vom gewohn ten Platze zu rücken und in handliche Kisten oder Pakete zu ordnen! Die bisher sinnvolle Ordnung wird dabei zum Unsinn. Die Zierate der Wohnung, die das Auge erfreuten, verschwin den hinter Zeitungspapier. Die stumm redende Weisheit der Bücher versinkt in Kisten. Dafür wird der Bücherschrank mit Bettkissen ausgcstopft. Man kennt das Kinderspiel „Alle Päume wechseln sich". Das wird bei einem Umzug in einer Art gespielt, die fast wie eine Satire auf die gewohnte Form deines Lebens wirkt. Als Leitmotiv klingt dir der Kehrreim des Studeittenliedes von einst in den Ohren: „Die Welt ist rund und muss sich dreh», was oben war muss unten stehn..." Wahl dem, der sich über diese schreckhafte Veränderung mit blutigen Witzen und eisgekühltem Humor hinwogzuretten vermag. Wessen Gemüt aber nicht frei von Empfindlichkeit und gegen die leichten Stösse, die uns von den Schlaglöchern auf unserer Lebensbahn vermittelt werden, nicht hinreichend ab gefedert ist, der wird bitteren Augenblicken nicht entgehen. Der Anblick der zerstörten Häuslichkeit, die doch seine kleine Welt war. wird ihn an die Beraubung der Altäre am Kar freitag erinnern. Und er wird die Worte der Schrift in seinen Ohren klingen hören: „Wenn Ihr die Greuel der Verwüstung sehen werdet, dann fliehet. . Ueberraschungen für dich und durch dich Aber es ist beim Umzug gar keine Zeit zu schmerzhaften Gcfühlswallungen. Denn man mutz höllisch aufpassen, dass man nicht im Geiste unter die Räder des Möbelwagens gerät. Bei edem Umzug finden sich Ueberraschungen ein. Und zivar bei edcm andere. Immer an der Stesse, an der du sie am. wenig- tcn erwartest. Und an der es dir ausserordentlich unan genehm ist. Man hat dir etwa einen grossen Koffer als Umzugslüge zugelegt, da deine Kosser nicht ausreichen. Selbstverständlich kommt dieser Koffer nicht rechtzeitig. Du packst zusammen mit ein paar lieben Freunden: sorgfältig seht ihr am Schluffe alle Möbel durch ob nichts vergessen worden ist. Nein, es ist alles ausgeräumt. „Doch cs ist ja alles scheinbar", sagt dec Volksmund. Das erweist sich auch hier. Denn während die Möbelräumer schon die ersten Stücke hinaustragen, entdeckst du doch ein Fach mit wichtige» Sachen, das nicht geleert war ben ist. Inzwischen aber hat es »och viele andere Ueber raschungen gegeben: Der Paketfahrer, der zum Abholen der Koffer für den Nachmittag bestettt war. kommt schon am Vor mittag, als die Packerei noch im besten Zuge ist. Dasür er scheinen die Möbelräumer, die für den frühen Morgen bestellt waren, erst gegen Mittag. Aber rege dich nicht aus! Denn die ärgsten Fehler machst du selbst. Du vergisst Dinge, die unter keinen Umständen über sehen werden durften. Wichtigste Notwendigkeiten, die eigent lich selbstverständlich wären, fallen dir überhaupt nicht ein. Hinterher begreifst du dich selbst nicht, dass dir so etwas passie ren konnte. Andere, die nicht unter dem panischen Schrecken eines Umzugs gestanden haben, begreifen cs auch nicht. Der Umzug ist eben ein aussergewöhnlicher Zustand, der alle Gefahr des gewohnten Lcbensablaufs umstösst. Gesegnete Leiden Wenn du, im Innersten erschüttert, die Räume kahl und leer gesehen hast, die dir so lange eine Heimstätte waren, wenn du all deine kleinen Freuden dahinschwinden sahst, bis an der vertranten Stätte nur noch Scherben und Papiersetzen, kurzum ein Kehrichthaufen zurückgeblieben ist —glaube ja nickt, dass du dann de» letzten Schrecken des Umzugs erlebt hättest. All dies ivar nur der Tragödie erster Teil. Denn an deinem neuen Wohnsitz, in den neuen Räumen warten auf dich neue Ueberraschungen, neue Enttäuschungen und Schrecknisse. Aber auch neue Freuden. Und das ist wohl das Tröst lichste und Versöhnende bei jedem Umzug: dass hinter dem grossen Einrcisscn und Abbrechen auch das neue Wiederaus bauen kommt. Zwar gibt cs auch bei jedem Ausbau Fehler und Fehlschläge — aber schaffen zu dürfen und etwas Neues entstehen zu sehen ist immer schön. - Und wir Menschen sind eben doch keine Pflanzen, denen Beharren und Blühen an gleicher Stelle dle ganze Erfüllung, das von der Natur gewollte Glück bedeutet. Wir wüsten wan dern, um uns ganz zu erfüllen, um dle vielfältigen, reichen Möglichkeiten unseres Lebens voll auszuschöpfen. „Zum höch sten Dasein immerfort zu streben!" Dieses faustische Gesetz steht über unserem Sein. Ihm gehorchen wir, wenn wir unseren Stab von der Stelle setzen. Und es ist ein Teil dieses Gesetzes, dass uns ein neues Schaffensglück nur geschenkt wird unter Trcnnungsschmerz und bitterem Scheiden. So segnen wir auch die Leiden eines Umzugs, denn assein aus dem Wur« -elgrund der Leiden wachsen neue Freuden empor.