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Sonnabend/Sonntag, 18./1S. Jun! 194V SLchsIf«he Volkszeitung prnMrsche Oausfrarr Keine Unwirklichkeit um das Kind Sonst wird die Enttäuschung später zu groß. — Es gibt keinen „schwarzen Mann!" Hermännchen. Peterchen- Fritzchen - schön aufpassen - Das Spiel ist viel zu gefährlich. Kommt lieber nach Hause zur Mutti " - so hört man die besorgten Mütter rufen, die ihr Kmd in eine Art angenehme Zwangszelle eingewöhnen, in der dem Kind niemals etwas zustossen kann. Sogar eine Beule ein blaues Auge, ein aufgeschlagenes Knie sind zur Unmög. lichkeit geworden. Auf diese Weise erzielt man Kinder, die nachher ängstlich durch die Welt gehen und kaum wagen, einen Fuss vor den anderen zu setzen. Immer in der Angst, es könnte etwas Unvorhergesehenes eintreten. Der richtigere Weg ist der, das Kind langsam aber sicher in die Welt der harten Realitäten einzuführen — denn diese sind sonst zu rauh und zu gefahrvoll für das Wesen, das sich nie mit ihnen messen konnte. Wenn ein Kind nie in voller Freiheit herumgelaufen ist. dann wird der Heranwachsende Mensch auch keinen Mut haben, sich «m Leben durchzusetzen, weil er eben vor den sich aufwerfenden Komplikationen zuviel Furcht hat — genau wie damals als Kind, als jeder Stein als eine Gefahr für den kleinen Mann betrachtet wurde. Ein kluger Erzieher hat einmal gesagt: „Die Erwachsenen sind komische Menschen. Sie bringen alle Gefahren rings um das Kind zum Verschwinden, weil sie damit gewissermassen in direkt sein eigenes Leben Heller gestalten und entlasten wollen von dem Druck, der auf allem lastet, was mit dem harten All tag zusammenhängt. Sie wollen ivenigstens im Kind immer das Glück sehen, das sich im Leben so selten oder so schwer einstellt Die Könige im Märchen wandten sich ja auch an den Spatzmacher, wen» die Bürde der Krone ihnen zu schwer vor- l""" Eine b^lge Mutter wird rasch erkennen, wenn das Kind sich nach der ängstlichen Seite hin entwickelt. Es handelt sich Immer um einen Erziehungsfaktor. Das Kind wurde nie dazu erzogen, logisch zu denken. Denn Furcht ist immer die Unge- witzheit vor dem, was bevorsteht und was man nicht durchschaut. Dabei lätzt sich eigentlich astes lm Leben doch irgendwie charak terisieren und erklären und enträtseln. Und sobald etivas er kannt ist, ist es auch nicht mehr gefahrvoll oder ängstlich zu betrachten. Man darf dem Klnd natürlich nicht die Geschichten vom schwarzen Mann erzählen und ihm sagen, in einer dunklen Ecke steht jemand. In der dunklen Ecke steht keiner, denn es kann nicht in jeder dunklen Ecke der Welt jemand stehen und aus gerechnet auf ein Kind warten, um ihm Böses zu tun. Die ein malige Schockwirkung, die vielleicht ein Kindermädchen oder eine unvernünftige Mutter bei einem Sprötzling mit einer sol chen Schreckgeschichte erzielte, kann sich bitter rächen und ein ganzes Leben hindurch erhalten. Wlr sollen also nicht dem Kind den ganzen Saal, in dem cs lebt, seinen Lebenslauf beginnt, seinen Alltag mit Rosen ausschmücken und nichts an das junge Ding heranlassen. So wurden noch nie Menschen zum Mut erzogen. Und — ob Mäd chen oder Junge — dem Mutigen gehört nach wie vor die Welt. Und der Aengstliche. der die blauen Flecken scheut, verdrückt sich Ins Eckchen — aus Furcht, das Vorwagen könnte gefährlich werden. Mii Rat und Tat Etwas von -en Küchenkräutern Es ist natürlich kein« grotze Hilfe, aber immerhin sollte .doch jede Hausfrau in dieser Zeit ihre Küchenkräuter selber an- dauen. Haben wir kein Plätzchen im Garten, so nehmen wir Blumenkästen oder Töpfe, je nach der Unterbringungsmöglick)- keit. Wir dürfen nicht zu dicht säen und bedecken die Samen dann mit einer dünnen Schicht Erde. Sobald die Pflanzen ihre ersten Blätter bekommen haben, nehmen wir so viele Pflänz chen heraus, datz die Pflanzen in dem richtigen Abstand stehen. Estragon mutz man, sobald die Pflanzen etwa 1« Zentimeter lang geworden sind, stutzen, damit die Blätter besonders aro matisch werden. Hohe Pflanzen wie Estragon und l-albhohe wie Kerbel und Dill müssen so stehen, datz sie die niedrigen Pflan zen nicht beschatten. Dünne Pflanzen werden nach der Ernte an der Luft getrocknet, Dill und Estragon am liebsten in Essig aust>ewahrt, der dadurch einen würzigen Geschmack bekommt mrd als Zutat zu Salaten usw. ausgezeichnet ist. Die Ge schmacksstoffe der frischen Kräuter sind in den Blättern und Bluten verteilt. Wir können den ganzen Sommer Kück-enkräu- ter aller Art anwenden, um den Geschmack der Sotzen, Suppen, Fischgerichte und Salate zu verbessern. Die Erde mutz gut und reichlich gedüngt sein, auch müssen die Kräuter vwl Sonne mittags aber leichten Schatten haben. Man pflanzt Estragons Dill, Salbei, Kerbel, Brunnenkresse, Petersilie, Majoran Schnittlauch. Den Kerbel verwendet man zu Suppen Im Herbst werden di« Stengel mit den Samen abgeschnitten und in Büscheln an einer Wand zum Trocknen ausgehängt Estragon blatter dienen den ganzen Sommer hindurch als Geschmacks würze für Suppen, Fischsotzen. Salate. Mohrrüben usw., vor allem aber für Cstragonessig und beim Gurkeneinlegen. Dill ist gut sür Salate. Fisch und junge Kartoffeln. Man kann ihn autzer als Dillcssig auch getrocknet für den Winter aufbe wahren Beim Kochen von Makrelen soll man ein Büschelchen Kerbel, Petersilie. Dill und Schnittlauch zusetzen. — Salbeitee ist ein altbekanntes Hausmittel. Man pflückt die Blätter bei Gebrauch. Zum Trocknen im Herbst nimmt man di« ganzen Blütenstiele. Salbei ist mehrjährig, ebenfalls Thymian, den man sehr gut im Steingarten anpflanzen kann. Majoran ist ein trefflicher Zusatz für Pilzgerichte, Erbssuppe usw., Brunnen kresse eine gute Beimischung für Salat«. — Man kann mit die sen deutschen Würzkräutern asten Gerichten ein sehr feines Aroma geben und braucht di« ausländischen Gewürze durchaus nicht zu vermissen. Bohnenwasser als Waschmittel Beim Kochen von weihen Bohnen kann man aus dem Kochwasser ein sehr gutes Waschmittel gewinnen und die Boh nen doch auf gewöhnliche Weise verzehren. 850 Gramm Bohnen werden in 2 Liter Master weich gekocht, dann gibt man sie auf ein Sieb und lätzt die Flüssigkeit abrinnen. Die Bohnen bereitet man nun zu. indem man sie mit Salz abschmeckt und etwas Butter zusetzt. Bei dem vorherigen Kochen darf man kein Salz Hinzulun. Schwarze und farbige Wost- und Seidenstofse wer den wie neu, wenn man sie in dem lauwarmen Bohnenwasser wäscht, in zweimal zu wechselndem lauwarmem Wasser gründ lich nachspült und dann trocknen lätzt. nm die Stoffe zu bügeln Flecke von Fett. Obst, Wein, ja sogar Tinte verschwinden, wenn man den Stoff zuerst einweicht und dann in lauwarmem Bohnenwasser sorgfältig wäscht. Der Kampf gegen di« Motten Wichtiger als sonst ist «s, einen erbitterten Kamps gegen die Motten zu führen, denn wir können es uns nicht leisten, irgcndwelcl>e Kleidungsstück« von Motten verzehren zu lassen. Wir rvollen es uns deshalb zur Regel machen, beim ..Einmot ten" der Wintersachen, das wir jetzt vornehmen, keinesfalls Stücke mit wegzulegen. die irgendwie Flecke haben, denn solcl>e fleckigen Stellen schätzen die Motten als Brutstätte für ihre Eier am allermeisten. Da die Motteneler nicht fest an den Stof fen haften, ist cs gut, die Sachen gründlich zu Klopfen und zu Nummer 188, Seite S . — — - - - - * bürsten. Ausserdem vertragen die Eier kein Sonnenlicht. Wenn wir also die gefährdeten Sachen richtig gut sonnen und lüsten, sterben die Eier schnell ab. Auf dunklen Kleidungsstücken ster be» die Eier nach etwa 20 Minuten Sonnenbestrahlung, auf weissen Wollsachen nach Stunden. Aste Taschen müssen umgekehrt und gründlich ausgebürstet werden, ebenso alle Kra gen und Ausschläge. Und dann, wie gesagt: alle Flecke gründlich entfernen! Man packt die Wintersachen am besten in gut schlie ssende Kisten, an denen alle etwaigen Fugen mit Papierstreifen sorgfältig verklebt sind. Man packt jedes einzelne Stück in doppeltes frisches Zeitungspapier und macht aussen eine Auf schrift, die den Inhalt kennzeichnet. Obenauf legt man noch irgendein Mottenmittel und schliesst dann die Kiste. All« Schränke sind gut auszuivaschen und vielleicht mit einem Des- infizierungsmittel avszuspritzen. Dann schliesst man die Schranktür für eine halbe Stunde fest und kann sicher sein, dass die noch etwa darin befindlichen Larven an Gasvergiftung gestorben sind. Sorgfältige Behandlung -er entrahm ten Frischmilch Kühl aufbewahren, vor Sonnenlicht schützen Die Milch als wertvolles Nahrungsmittel enthält neben Milcheiweiss, Milchzucker und verschiedenen Mineralsalzen da» hochwertige Milchfett. Dieses Milchfett muss in Form von But ter in gerechter Verteilung der Allgemeinheit nutzbar gemacht werden. Daher wird die Abgabe der Vollmilch auf einen be stimmten Verbraucherkreig wie Kinder. Kranke usw. beschränkt und der Hausfrau für den täglichen Bedarf, vor alles für Koch zwecke, die entrahmte Frischmilch in bester Qualität zur Ver fügung stehen. Die entrahmte Frischmilch muss vielfach aus weiteren Ent fernungen in das Verbrauchsgcbiet geleitet werden, und durch den Transport können gerade in der warmen Jahreszeit Schmierigkeiten hinsichtlich der Qualität auftreten, da bei höhe ren Temperaturen eine rasche Vermehrung der in der Milch enthaltenen Keime eintritt. Sowohl beim Verteiler als auch vom Verbraucher ist deshalb eine besonders sorgfältige Behand lung der entrahmten Frischmilch notwendig. Grundsätzlich ist stets eine ausreichende Kühlhaltung erforderlich, um eln« vor zeitige Säuerung zu vermeiden. Weiterhin mutz durch sorg fältige Reinigung aller Geräte und Behältnisse jede Infektion, die zu einer Beeinflussung des Geschmackes führen kann, ver hütet werden. Um ihre Haltbarkeit zu verlängern, vor asten« kalls sie nicht ausreichend kühl aufbewahrt werden kann, emp fiehlt es sich, die Milch bis kurz vor dem Kochen zu erhitzens ein direktes Auskochen oder längeres Kochen ist unbedingt zu vermeiden. Nach dem Erhitzen mutz die Milch, die nicht soforf genossen wird, wieder genügend gekühlt nx-rden. Während der Aufbewahrung ist die Milch nicht nur vor Wärme, sondern auch vor starkem direkten Lickst, vor allen, vor Sonnenstrahlen zu schützen, da diele den Geschmack sehr leicht beeinträchtigen. Ebenso ist die Milch sehr empfindlich gegen freinde Gerüche, wie z. B Hering. Seife usw., da sie diele leicht aufnimmt. Di» Milchflasche und der Milchtops sollen deshalb stets zugedeckt fein. „Er verträgt kein Gemüse" Von einer grotzen Anzahl von Menschen pflegt man zu sagen, dass sie einen schivachen Magen besähen und kein Gemüs» vertrügen. Sie bekommen nach jeder Mahlzeit mit Kraut, HUl- sensrüchten, Kartoffeln und Schwarzbrot Magendrücken, Auf stotzen und Völlegefühl, können, wenn die Mahlzeit am Abend lag, danach nicht schlafen und vermeiden sie. Manche pflegen auf solche Mahlzeiten auch mit Stuhibeschwerden zu reagieren. Nach neueren Untersuchungen sind diese Beschwerden auf Stö rungen in der Zusammensetzung des Darmsastes und der Darm« bakterien zurückzusühren, von denen letztere ja gerade bei der Verdauung von Zellulose, also Pslanzenzcllstosf, eine wesentliche Mitwirkung zu erfüllen haben, indem sie die Zellulose austösen und die Auslösungsprodukte unserer Verdauung zur Verfü imig stellen. Um diese Fehler der Darnstunktion zu beheben, werden neuerdings Verdauungsfermente hergestellt, die die chemischen Substanzen dieser Darmbaktericn enthalten und an ihrer Stesse die künstliche Auslösung dieser Zellulose herbeisühren. Auf diese Art kann nun auch der schivache Magen die Möglichkeit gesun der Ernährung durch ausreichenden Gemiiseverbrauch zur Er haltung seiner Gesundheit und Spannkraft benutzen. Du bist Orplid, mein tand! Plauderei am Mochenende von Marr du. Mit dem Menschenantlitz ist es wie mit dem Oberleder der Schuhe: Es bleibt nickst lange so glatt, wie cs bei fabrik neuer Frische ivar, sondern reiht bald Falte an Falte. Wer die Runenschrift der Falten aus den Gesichtern der Menschen lesen kann, dem erzählen sie von Kampf und Arbeit, von Mühen und Sorgen. Und von Enttäuschungen. Unter tausenden ist kaum ein Antlitz ohne die Falten der Enttäuschung. Der Trost der Natur aber steht jedem Schmerz gütig zur Seite. Wenn es das Schicksal des Menschen ist, von dieser Welt, in der er leben muh, enttäuscht zu werden, so hat seine Seele gleichzeitig die Kraft, dieser Enttäuschung sich gewachsen zu zeigen. Sie träumt die Welt anders, als sie wirklich ist. Im luftigen Reich der Phantasie lätzt sie ein Land entstehen, in dem die Unvollkommenheiten der Wirklichkeit des Erden leides abgetrocknet sind. Schau einmal auf die Gesichter der Menschen, wenn in einem Konzert „Der Gesang Weyles", jene zwingende Verto nung der Verse Mörickes durch Hugo Wolf, ausklingt: „Du bist Orplid, mein Land!" Augen wie Karpfen, ganz grotze, hungrige Augen haben da alle diese Menschen auf einmal bekommen. Das ist ihnen Orplid? Ach, sie wissen meist gar nichts von jener Novelle „Maler Nollen", aus der das Gedicht stammt und in der Phantasten von einem Traumland Orplid reden. Aber jeder der Hörer hat sein eigenes Traumland, an das er gemahnt wir-, wenn -er ahnungsvolle Sehnsuchtsruf über -em Raum schwebt: „Du bist Orplid, mein Land!" Aua der Jugendzeit Diese Traumländer sind sreilich sehr verschieden, so ver- schieden wie die Mensck)en selbst sind. Man konnte eine ganze Geographie der Traumländer unserer Herzenssehnsucht schreiben. Die Erinnerung an die Seligkeit der Kindheit ist für die einen jenes Reich der Vollkommenheit, in das er zum Aus- gleich der Wirklichkeit gern flüchte«. Dem Kinde erschien die Welt als ganz jung und neu. Täglich gab es in ihr Entdeck»»- aen ru mackien, Geheimnisse zu lüsten. Jeder Tag war voll neuer Ueberraschungen, unvergesslicher Eindrücke. Die Menschen erschienen als viel einfacher, klarer in ihren Ha^ngen. sw waren entweder ganz gut zu uns °d°r 2°" schlech n'^io n-rmlrreiid oemilckt aus böse und gut, wie sie uns Ipaier erlckeinen Wir selbst aber - wir waren all dem Neuen und fühlten Kraft in uns, mit allem fertig zu werden. Nun aber, da wir erfahren und abgestumpft sind, da uns die ganze Welt als alt erscheint, weil wlr selbst gealtert find, will cs uns dünken, als hätten wir jene köstliche Zeit der Frische und Fröhlichkeit in einem ganz anderen Lande erlebt. „Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit klingt ein Lied mir immerdar!" Aber es braucht keine sentimentale Weise zu sein ivie jenes Schwalbenlied Rückerts. Es kann auch eine kraft volle Trostweise sein, eine Aufrichtung der Seele, die sich im Getriebe des Alltags müde gelaufen hat. Arkadien und Thul« Aus der Erinnerung empor kann so das Traumlanü unse rer Seele steigen. Es kann die Erinnerung eines einzelnen Menschenlebens sein, die den holden Zauber der Iugendjahre wieder bescknvören möchte. Aber auch die Erinnerung ganzer Generationen kann es sein, die aus der Enge der Gegenwart in die Weite einer schöneren Vergangenheit flüchtet. „Zurück zur Natur!" Mehr als einmal hat dieser Sehn- suckstsruf Menschenherzen begeistert. Und er wird sie immer wieder ergreifen, so lange graue Stadtmauern und finstere Dächer den für die grün« Weite der freien Landschaft bestimm ten Menschen einengen werden. Dom goldenen Zeitalter träum ten schon in den Städten der Antike die Menschen. In der Grossstadt Rom sangen die Dichter von den Freuden des arka dischen Landlebens. Im 18. Jahrhundert, als die Städte wieder gewaltig zu wachsen begannen und die Menschen bedrängten, Ist dieser Ruf nach der ursprünglichen Güte der Natur wieder aufgeklungen. Im Zeitalter der modernen Grossstädte aber hat er gewaltig an Kraft gewonnen: Sport und Wandern, Schreber gärten und Siedlerstesten sind lebendige Zeugen dafür. Nicht nur in zeitlicher, auch in räumlicher Ferne kann das ideale Land der Sehnsucht gesucht werden. „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn?" Aus der schmerzlichen Frage Mignons haben Generationen deutscher Menschen ihr eigene Sehnsucht nach der Sonn« des Südens widerklingen hören. Aber auch der Süden hatte seine Traumländer: für die Antike war es Indien und das versunkene Atlantis, Thule und das von geheimnisvollem Nebel umgebene Land der Kimmerier. Das Mittelalter liess seine Phantasie nach dem Orient schweifen, dort im Lande der .Heiden" wurden ungeheure Abenteuer er träumt. Die Entdeckung d^r Neuen Welt lenkte bann die Phan tasie nach Westen: unter den Söhnen der freien Prärie erhoffte man sich ein schöneres Leben. Der Zauber der Indianer-Roman tik klingt noch hinüber in unser« Tage. Aber schon greift die Plwntasie empor zu den Sternen, träumt sich auf anderen Pla neten schönere Länder. „Für heute weilen wir auf diesem Stern", erzählt Gustav Falke zum Tröste der geliebten Frau, und Stefan George kündet mit der Gebärde des Sehers: „Ich spüre Luft vom anderen Planeten . . ." Utopia Die Träume der grotzen Menschenfreunde, der Philosophen und Künder einer neuen Zeit, ziehen nicht aus der Erinnerung ihre Kraft, sondern aus der Hoffnung. Nicht rückwärts in die Vergangenheit weisen sie, sondern vorwärts in die Zukunst. Sie schivcben jenseits von Raum und Zeit, aber sie mosten Wirklichkeit werden auf dieser Erde. So hat schon der grotze Spötter Aristophanes den grösseren Sokrates verspottet, dass er in „Wölkenkuckucksheim" zu Hause sei. Und Thomas Morus, Kanzler des launischen Königs Hein rich Vltl. von England, verlegte das ideale Reich der Träume auf die „Insel Utopia". Das von ihm geschaffene Wort, das soviel bedeutet wie „Nirgendwo", ist geradezu zur Begriffs bestimmung für alle Phantasien geworden, denen keine Wirk lichkeit entspricht. Und doch hat die Entwickelung der Staaten zum sozialen Aufbau hin schon manches von der Utopia-Phan tasie des Thomas Morus Wirklichkeit werden lassen. Friedrich Nietzsche hat dem Empfinden des Weisen und Denkers Ausdruck gegeben, der der Wirklichkeit seiner Zett vorauseilt und mit dämonischer Gewalt das Bild der Welt beschwört, die einst Wirklichkeit werden soll: „Ach, wohin soll ich nun noch steigen mit meinen Sehnsucht! Von allen Bergen schaue ich aus nach Vater- und Mutterländern. Aber Heimat fand ich nirgends ... So liebe ich allein noch meiner Kinder Land, das unentdeckte, im fernsten Meere, nach ihm heisse ich meine Segel suchen und suchen . . ." Ewige Sehnsucht Kein Menschenleben, und mag es bis zum Rande gefüllt sein mit grossen Erfolgen und schönem Erleben, kann der Sehnsucht des Herzens ganz genügen. Die Erdenwelt mutz da» Menschenherz enttäuschen, wie sie es zuerst gewaltig anzuziehen die Kraft hat. So weist alles Irdische hin auf ein Jenseits, olles Zeitliche auf die Ewigkeit. Das letzte Land, an dessen Küste die Hoffnung und Sehn sucht des Menschen Anker wirft, ist die ewige Heimat. Die Apoka lypse hat uns dieses Land der letzten Sehnsucht in grotzarttger Vision geschildert: „Ich schaute einen neuen Himmel und eine neue Erde. Ich hörte eine laute Stimme vom Throne sagen: Siche, das Zelt Gottes unter den Menschen. Er wird unter ihnen wohnen. Sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird mit ihnen sein als ihr Gott. Und er wird abtrocknen jede Träne von ihren Augen. Der Tod wird nicht mehr sein; weder Trauer noch Klage noch Schmerz wird mehr sein; denn das Frühere ist vorbei." Alle Traumländer, die menschliche Herzen in irdischen Bezirken suchen, sind nur Ahnungen des neuen Sein», da» wlr jenseits des Grabes erhoffen. Die Träume der Sterblichen sind Verheissung und Bürgschaft der Unsterblichkeit.