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93 blick zu verbergen, dafür sei als Zeuge unser Ahnherr, der Sonnen« gott, angerufen. Um mich aber trotzdem vor dir, meine Tochter, wenn du am Leben bleibst, vor dem, der dich aufnehmen wird, falls die Gott heit Jemanden zu dir führt, und vor der ganzen Welt zu vertheidigen, eröffne ich die Ursache, weßhalb ich dich aussetzte. Unter den Göttern sind unsere Vorfahren der Sonnengott und Dionysos, aus dem Heroen- geschlechte Perseus und Andromeda und außerdem Memnon. Mit Gemälden aus ihrer Geschichte schmückten die Erbauer unseres Königs palastes denselben im Laufe der Zeit. In den Sälen und Hallen ließen sie die Thaten der andern malen, die Schlafgemächer verzierten sie mit den Darstellungen der Liebe des Perseus und der Andromeda. Nach einer zehnjährigen kinderlosen Ehe mit Hydaspes hielt ich hier einstmals in der Hitze des Sommers Mittagsruhe. Dein Vater be suchte mich damals und schwur, daß er es auf Befehl eines Traumes thue. Ich merkte sogleich, daß ich schwanger geworden sei. Die Zeit bis zu meiner Entbindung war ein Volksfest und verging unter Dank» opfern für die Götter, weil der König einen Thronerben hoffte. Als du bei deiner Geburt weiß warst, welche Farbe der Natur eines Aethiopiers widerspricht, erkannte ich selbst die Ursache: in den Armen meines Gatten hatte ich das Bild der ganz unbekleideten Andromeda, wie Perseus sie eben vom Felsen herunterführt, angesehen, und dadurch hatte mein Kind zum Unglück dieselbe Farbe bekommen. Ich beschloß nun, den mit Schande gepaarten Tod zu vermeiden, in der Ueberzeu- gung, daß deine Hautfarbe mir die Anschuldigung des Ehebruchs zu ziehen würde (denn Niemand werde mir glauben, wenn ich den Vor fall erzählte) und deine Erhaltung der Gunst des Zufalls anheimzu stellen , was doch dem sichern Tode oder unter allen Umständen dem Bastardnamen vorzuziehen sei. Gegen meinen Gemahl schützte ich vor, du seist gleich nach der Geburt gestorben, und setzte dich heimlich und ver borgen aus, gab dir so viel Kostbarkeiten, als ich konnte, als Belohnung für deinen Erretter mit, schmückte dich mit andern Dingen und hüllte dich in dieses Tuch, welches die traurige Erzählung deiner und meiner Schicksale enthält und welches ich Unglückliche, als ich zum ersten Mal Mutter ward, mit Thränen, die ich über dich vergoß, und mit meinem Blute beschrieb. Wenn du aber am Leben bleibst, meine süße Toch ter und mein Kind nur für einen Augenblick, behalte dein edles Ge-