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glänzte in einem desto blendenderen Weiß. Ermattung schloß ihm die Augen, doch der Anblick des Mädchens zog sie an und er mußte sehen, nur weil er sie sah. Nachdem er Luft gesammelt und tief Athem ge holt, sagte er mit leiser Stimme: Bist du mir wirklich erhalten, mein süßes Mädchen, oder hat auch dich der Kampf mit fortgerafft? ver magst du aber auch nach dem Tode nicht dich von mir zu trennen, son dern umschwebt deine Erscheinung und dein Geist mein Geschick?-) „Aisi dir beruht mein Sein und Nichtsein", versetzte das Mädchen. Siehst du dieses? (dabei wies sie auf ein Schwert, welches sie auf dem Schooße hatte) dein Ausathmen hinderte mich bisher, es zu ge brauchen. Mit diesen Worten sprang sie von dem Steine auf: die Räuber auf dem Berge, von dem Anblick wie vom Blitz getroffen, ver steckten sich vor Verwunderung und Schrecken hinter verschiedenen Ge büschen. Denn ausgerichtet erschien sie ihnen größer und göttlicher, die Pfeile klirrten bei ihrer Bewegung, das goldgestickte Gewand glänzte in der Sonne und ihr Haar unter dem Kranze flog bacchantinnenartig umher und bedeckte den größten Theil ihres Rückens ^). Dies setzte sie nun zwar in Schrecken, aber mehr noch, als das, was sie sahn, der Umstand, daß sie nicht wußten, was vorgegangen war. Einige hielten sie für eine Göttin, und zwar für die Göttin Artemis oder für die ein heimische Isis, andere für eine Priesterin, die, von einem der Götter in Raserei versetzt, den vielen Mord, den man sah, verübt hatte. Dies waren ihre Meinungen, die Wahrheit aber wußten sie noch nicht. Doch das Mädchen warf sich plötzlich auf den Jüngling, umschlang ihn ganz, weinte, küßte, streichelte ihn, wehklagte und traute nicht, ihn in den Armen zu haben. Als dies die Egypter sahn, kamen sie auf an dere Gedanken und sagten : Wie sollte das eine Göttin thun? wie würde ein göttliches Wesen einen Leichnam so leidenschaftlich küssen? Sie er munterten einander, kühn zu sein und nahe heranzugehen, um sich Kenntniß der Wahrheit zu verschaffen. Sie raffen sich auf, laufen 2) Man glaubte, daß die Geister der Verstorbenen aus der Erde umgehen und erscheinen, bis sie durch die Bestattung in den Stand gesetzt mären, sich zu den Seelen der Abgeschiedenen in der Unterwelt zu versammeln. '') Diese Schilderung erinnert an Hom. Odyss. V, 151 und besonders an Plutarch Aratus 32, wo die Tochter des Epigethes durch ihr übermenschliches Aussehen die Feinde in panischen Schrecken versetzt. 1*