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Dienstag, 18. April 1939 Sächsische Volkszeitung Nummer 91, Seite 7 Vie Mlidluiig rler Xenis vsrreMin ^01888 808 1^81^1 Hö!82 Volgl x)rI>«l>er-K«l>t««l>uk: Vr«i t)u«IIe»-V«rt»e, Köoie»i>rüek Lei Oeee^e») MlllliUUlUII«!IlIiIlNIlllIiIIllIl>IIIllIlllli>lllIl!lllIIIllNlllI>l!lIiilllilIlII!IlIIlI!IIII!!II!IIl«!!l!lIIllliII!»MllIMI!!I,!II!I„I!NI!MlIIllllII!llIll!I!lIlIllN!IllI!lllll!I!lll!lINU!!II„IlllllIII»llllllllIIllllII < Fortsetzung. „Du übernimmst dich, alter Junge, im übrigen gebe ich dir zu bedenken, daß du dieses Geld niemals wirst ausbringen können bei deinem noblen Lebenswandel." „Ich nicht, aber du sollst mir dazu verhelfen", lachte Boston FLly unbekümmert in das ernste, bedenkliche Besicht seines Freundes hinein. Herbert von Borwig wiegte den Kopf hin und her. „Das ist deine Lebensauffassung, mein Lieber. Du spielst mit den Frauen und um die Frauen wie am grünen Tisch mit Geld." Während der letzten Worte hatte Gaston FKy zwei Setten aus seinem Notizbuch herausgerissen und darauf den Inhalt der Wette zweimal verzeichnet. Nun reichte er seinem Freund die Blätter hinüber und sagte mit lässig anmutender Geste: „Bitte!" „Auch was Geschriebenes forderst du Pedant?" fragte Herbert von Borwig mitleidig lächelnd und schob die Unter lippe vor. „Cs muß alles seine Richtigkeit haben, mein Bester. Auch eine Wette ist für mich ein Geschäft wie sedes andere." „Und Wettschulden sind Ehrenschulden, nicht einklagbar, ich weih", nickte der andere ziellos gegen ihn hin. Ohne noch ein Wort zu erwidern, zeichnete Herbert von Borwig zweimal seinen Namen unter das von dem Grasen Geschriebene. „Hast du nicht Lust, weiter zu tanzen?" fragte er schließlich Gaston FLly, doch der schüttelte den Kopf. „Keine ist so wie Xenia Barrenthin. Wer sie gesehen hat, hat kein Interesse mehr an einer anderen Frau." Herbert von Borwig schielte den andern von der Seite an. Sollte der Junge wirklich einmal eines Besseren belehrt werden? Vielleicht war in der Tat eine Frau allein imstande, FKy aus diesem Leben herauszureißen und einem besseren zuzusühren. Der Graf winkte den Kellner heran und zahlte. Die beiden Freunde erhoben sich und verließen das Lokal. „Was fängst du mit dem Abend an?" fragte Borwig den Grafen und schlug sich seinen Mantelkragen hoch, da der Novembersturm durch die Straßen fegte und auch wieder ein wenig Schnee mit sich brachte. „Ich gehe nach Hause", entgegnete der Gefragte. „Was?" Borwig blieb mitten auf der Straße stehen und starrte seinen Freund ganz entgeistert an. „Das ist das erste mal, daß Ich so etwas von dir höre, seit du in Berlin bist." „Ich habe dir schon einmal gesagt, wer eine Xenia Bar renthin kennt, der — ach was, das verstehst du wohl nicht so, alter Junge." Er machte eine Handbewegung, durch die er andeuten wollte, daß er gewillt war, dieses Gespräch auszu geben, da es zu nichts führe. „Nein, du hast recht, davon verstehe Ich wahrscheinlich nichts", erwiderte Herbert von Borwig unter einem kleinen mokanten Lächeln. Damit trennten sie sich. Schon von weitem erkannte Xenia Barrenthin am nächsten Tage den kleinen eleganten Sportwagen, den ihr Gaston beschrieben hatte, und der nun vor dem Bahnhof Zoo hielt. Der Besitzer des Wagens, in eleganter Sport kleidung, stand davor und besah sich scheinbar interessiert die Karosserie. Erst als Xenia dicht an seiner Seite war und ihn an sprach, fuhr er herum. „Oh, ich bin überglücklich, daß Sie Wort gehalten haben", sagte Gaston FLly und küßte ihr die Hand. „Haben Sie daran gezweifelt?" Sie lächelte ihn ein wenig kokett an, und der Wind wehte ihr ein kleines rötliches Löckchen in die weiße Stirn. „Man kennt sich In den Frauen so schwer aus", sagte er, und es klang beinahe schwermütig. „Na, einen solchen Eindruck machen Sie sa nun nicht gerade, Herr Gras", stellte Xenia fest. Darob traf sie ein er staunter Blick aus den schwarzen, untergründig glühenden Augen des Südsranzosen. Es war einer jener Blicke, mit denen der Gras die kleine Xenia Barrenthin am gestrigen Tage eingefangen hatte. Sie wußte es und ärgerte sich über sich selbst. Sie ärgerte sich überhaupt schon ein wenig über dieses ganze Abenteuer, in das sie sich da eingelassen hatte. Wenn dieser Mann vielleicht glaubte, sie werde sich auf einen Flirt einlassen. Io hatte er sich getäuscht. Und während die kleine Xenia nun wie eine große Dame hinter dem Mann am Steuer im Wagen des elegant wirken den Gefährts saß und sie mit unverhohlener Bewun derung zusah, wie seine sehnigen Hände um das Lenkrad ge spannt waren und seine scharfen, dunklen Augen den Weg, den das Fahrzeug nahm, aufmerksam musterten, mußte sie wieder an die vergangene Nacht denken, in der so viele Er wägungen und Überlegungen auf sie eingestürmt waren. Sie hatte sich immer und immer wieder gefragt, da sie schlaflos in ihrem Bett gelegen, ob das die Liebe auf den ersten Blick gewesen sei, die sie zu diesem fremdländischen Manne empfand. Nein und tausendmal nein. Sie wußte es heute, es war nichts anderes als das eitle Bewußtsein, von einem schönen, ritterlichen Manne, der in gewissem Sinne entflammen konnte, verehrt zu werden, was sie so voreilig hatte handeln und ihm ihre Zusage hatte geben lassen. Auf der eigens für die Gäste des Schlosses Marquardt angelegten Autobahn fuhr nun der Wagen in raschem Tempo dahin. Als Xenia und der Graf In die prachtvoll eingerichteten Gesellschastsräume traten, war es Xenia, als umwehe sie plötzlich ein Hauch aus einer vergangenen Zeit, aus der Zeit, da ihre Eltern noch lebten und sie Im Hause der Guten so ost die Rolle der großen Dame gespielt hatte. Aller Blicke waren auf das elegante Paar gerichtet, das jetzt durch die Diele schritt, in der zu einer erstklassigen Kapelle sich die Paare im TanL beweaten. Xenia und Graf FLly nahmen an einem der Tische un weit des Tanzparketts Platz. Voller Genugtuung beobachtete der Graf, wie die Herren von den Nebentijchen mit unver hohlener Bewunderung das schöne Mädchen an leiner Seite musterten. Selbst die eleganten Frauen hier hoben ihre Lorg- nons vor die Augen und zollten dem reizvollen Paar, wenn auch zuweilen mit etwas neidischen Blicken, doch unverkenn bar ihre Bewunderung. Gaston JKy grüßle hier und da ein paar Bekannte, die sich vor Xenia wie vor einer Fürstin verneigten. „Ich finde es hier hinreißend", sagte Xenia mit dank barem Blick in des Grafen lächelndes Gesicht, und nahm die Ihr dargebotene Zigarette aus dem kostbaren Etui ihres Be gleiters entgegen. Er ließ Champagner kommen, und Xenia trank in kleinen, genießerischen Zügen das eisgekühlte Getränk. „Es freut mich, daß Sie sich hier wohlfühlen, und ich schätze mich glücklich, daß Sie durch mich dieses bezaubernde Lokal kennengelernt haben." „Bezaubernd, sa, das ist der rechte Ausdruck", nickte Xenia. „Sie kommen mir selbst vor wie ein Zauberer, der diese Wunderwelt für mich errichtet hat." „Nun übertreiben Sie aber bestimmt, Fräulein Barren thin. Eine Frau wie Sie, die so aussieht, die weiß doch des Lebens Schönheiten zu genießen." Es mar, als verschleiere sich Xenias Blick, als wanderten ihre Gedanken in eine vergangene, nie wieder zurückzu bringende Zeit. „Damals, als meine Ellern noch lebten, da war das alles für mich eine Selbstverständlichkeit, dieses Leben ohne Sorge, in Schönheit und Freude. Das aber ist seit langem, langem vorbei." Vertraulich legte er leine Hand aui die ihre, aber sie entzog sie ihm rasch, und ein strafender Blick trat sein Antlig, das nun fast erschrocken ausiah. „Sie iollen das alles wieder haben, Fräulein Barrenthin. Das Leben hat noch viel Gutes und Liebes sür Sie auigeipart." Sie mußte mit seinen Worten nicht viel anzusangen, und wenn sie sich nicht täuschte, io hatte aus seinen Worten ein doppelter Sinn geklungen. Die Musik spielte einen neuen Tanz. Gras Fely machte eine leichte Verbeugung vor Xenia, und nun tanzten sie zu dieser betont rhythmisch stark akzentuierten Musik. Wieder siel dem Manne auf, daß begehrliche Blicke der tanzenden Männer aus seiner Begleiterin hasten blieben. Das stachelte sein Verlangen nach dem schönen Mädchen noch mehr an. Wie sie sich wiegte in vollendeter Harmome in diesem Tanz! Voll Leidenschaft drückte er ihre Hand, und es war ihm, als merke er ihren leichten Gegendruck. „Man müßte immer io tanzen durchs ganze Leben", flüsterte er ihr zu, und Xenia schlug fragend die großen Augen zu ihm auf. „Ich fahre in den nächsten Wochen an die Riviera und würde mich glücklich schätzen, wenn Sie mich begleiten könnten." Sie lachte ihm freimütig ins Gesicht hinein. „Sie machen leidlich schlechte Scherze. Herr Gras." Er machte eine etwas scheinheilig wirkende Bewegung mit der Hand und markierte eine kleine Verbeugung. „Es ist mein vollster Ernst." „Wie denken Sie sich das eigentlich?" fragte sie und wagte nicht, ihn anzublicken. lFortletzung folgt.» Lin Geheimnis der Akropolis Die Aliropolis In Atlzen mit den prachtvollen Bauwer ken aus Griechenlands grösster Zelt ist viele Jahre hindurch Gegenstand so gründlicher Untersuchungen gewesen, datz man meinen sollte, es gäbe dort nichts mehr zu entdecke». Der Amer.kancr Oscar Bronecr hat aber dennoch vor kurzem eine interessante Entdeckung gemacht. Während seiner Arbeiten in Athen siel ihm eines Tages ein Fclsspalt auf, durch den er sich hineinzwängte und in eine kleine Höhle mit drei Wänden kam. Von hier führte ein schmaler, gewundener Gang in die Tiefe, und endlich kam man in einen Raum von etwa 3,5 Meter im Viereck. Die Wände waren etwa 3 Meter hoch, der Boden aber war mit klarem, völlig sauberem Wasser ge füllt. Warum hatten die alten Athener diesen Wasserbehälter In der Tiefe der Akropolis gebaut? Man nimmt an, datz es geschehen ist, um In Kriegszcitcn einen sickzeren Wasservorrat zu haben, denn im Sommer können drei Monate vergehe», ohne daß In Athen ein Regentropfen fällt. Durch dielen tief verborgenen Teich wurde die Stadt unabhängig von Wasser zufuhr im Falle einer Belagerung. Der Sargassofisch ist ein Unikum Immer wieder sendet man von Europa und von Amerika aus wissenschaftliche Expeditionen in dos sogenannte Sargasso- niecr, das zuerst von Kolumbus entdeckt wurde und das bis zum heutigen Tag seine Rätsel noch nicht restlos verraten hat. Aber man ist Im Laufe der letzten Jahre in der Kenntnis der Abson derlichkeiten des Sargassomeeres erheblich weitcrgckommen. Heute weiß man über die Entstehung Bescheid. Man weiß auch, daß die Behauptung, im Sargassomeer würden die Schisse fest liegen und langsam in die Tiefe gedrückt, ein Märchen ist. Ucbcr die Entstehung kann heute folgendes gesagt ivcrden: An der Westküste Europas spaltet sich der sogenannte Golfstrom. Ein Zweig geht nach Nordostcn, der andere aber geht nach Süd osten, um sich als sogenannter Kanarienstrom zwischen den Ka naren und dem Kap Verde mit der Aequatorialströmung zu ver einigen. Auf diese Weise entsteht in der Mitte ein Kreis, in dem überhaupt kein Strom, oder fast kein Strom herrscht Hier hau- fen sich nun die Sectangmassen an. bilden eine feste Schicht, von der nur von Zeit zu Zeit durch schwere Stürme Teile abgerissen werden. Die früheren Schreckensgcschichtcn des Sargassomeeres sind inzwischen dementiert worden. Aber Tatsack)« ist und bleibt, daß im Sargassomeer bzw. innerhalb der schwimmenden Tang massen ein Leben herrscht, wie man es sonst auf der ganzen Welt nicht noch einmal findet. Merkwürdige Würmer und Wesen, von denen man nicht mehr genau sagen kann, ob sie nun Tiere oder Pflanzen sind, kriechen und rutschen hier herum, schlingen sich von einem Pslanzenast zum andern, immer aus der Suche nach irgendeinem eßbaren Gegenstand — bis zum Schluß die Suchenden selbst ausgefressen werden. Die größt« Sensation ist der Sargassosisch, der seine Flos sen wie Hande gebrauchen kann. Er klettert in dem Tang um her, kann überhaupt nicht im freien Walser schwimmen, lebt aber recht gut und bequem, da die Natur ihm gute Augen und einen vortrefflichen Magen gab. Sein Maul und sein Magen können sich so ausdeknen, daß der Sargassosisch Tiere verschlin gen kann, die ungefähr genauso dick sind wie er selbst. Im „Unterholz" dieser schwimmenden Insel gibt cs klei nere Lebewesen, die daraus warten, daß oben aus dem dichten Gestrüpp das eine oder andere Tier tot heruntersinkt, damit man cs auf dem schnellsten Wege aussrelscn kann. Denn sie leben ja alle nur, um ihren immer hungrigen Magen zu füllen. Baumwollslrcchen — die Wege der Zukunft? Nach langen Experimente» ein erfolgreicher Versuch! Die moderne Zeit hat andere Verkehrsmittel als früher. Dementsprechend mußten sich auch die Ingenieure im Straßen bau nach und nach umstellen. Man wurde sich darüber klar, daß es nicht nur daraus ankam, eine haltbare Straße zu bauen, sondern man brauchte Wege, die haltbar und auf der anderen Seite schonend für die Fahrzeuge waren und blieben. Man iveiß heute, daß die von Deutschland beim Bau der Autostraßen gewählten Methoden in gewisser Hinsicht ideal genannt werden müsse». Aber für andere Länder werfen sich unter anderen klimatischen Bedingungen, unter anderen Bo ¬ denverhältnissen auch andere Notwendigkeiten aus. So mußte man in vielen Teilen Amerikas Straßen anlcgcn, die haltbar, s!>r das Auto schonend und gleichzeitig tzaubbindend waren. Man hat nun im Lause der zu diesem Zweck durck-gesührlcn Experimente seststcllcn können, daß die Straßen mit einer Tceruntcrlagc und einer Cmlaoe in Baumwolle besonders gut geeignet waren, sofern man der Tceruntcrlagc Kiesel in einer besonders kleinen Form zusügte. Für die USA. die unter einem Uebcrsluß an Baumwolle leiden, ist natürlich ei» derartiger An-nveg sehr vorteilhaft. Man hat schon besondere Masebinen konstruiert, die in breiten Streifen die Baumwolle aus den Boden legen und in die Teer masse hineinprcsscn. Durch diese cnac Verbindung zwischen Teer und Baumwollsaser wird eine Decke erzeugt, die vor allem in der Hinsicht einen Vorteil gegenüber der normalen Teerdccke aufweist, als sick keinerlei Rillen bilden, die sonst Immer da auslrctcn, wo die Ränder der Autos längere Zeit regelniäßig fahren. Man kann also damit rechnen, daß bei einem in jeder Hinsicht positiven Verlauf der jetzigen Vaumwollexperimeule die VaumwolldcAe für die Länder mit einem Baumwallübcr- fluß die ideale Lösung des Straßeuprovlcms bilden wird. Der verwandelte Othello / Dor vielen Jahren geschah es einmal, daß die Bewohner einer ostdeutsci-cn Kleinstadt durch zwei sensationelle Ereig nisse überrascht wurden. Das erste war eigentlich eine rein kommerzielle Angelegenheit. Da hatte nämlich ein Herr August Kullicke am Marktplatz ein neues Sciscngeschäst eröff net, einen höchst modernen Laden mit einer Auslage, in der neben den biederen Waschseifen und Putzmittcln raffinierte Toilettenartikel, Parfüms und sogar vollständige Schmink- und Schönheitspflege-Garnituren zu sehen waren. Lippenstifte und Schminkdosen empörten die beiden Frauenvcreine der Stadt aufs tiefste. Hinzu kam, daß die beiden alteingesessenen Eeiscnhändler der Stadt äußerst ein flußreiche Persönlichkeiten ivaren. Einer mar Stadtmrordncten- vorstcher, der andere leitete den in gesellschaftlicher Hinsicht tonangebenden Echühcnverein. So war es verständlich, daß jeder gute Bürger den neu modischen Laden des Herrn Kullicke. der natürlich aus Berlin hergekommen war, strengstens mied. Vergeblich bemühte sich Kullicke, durch ein paar tausend Reklamezettel und große In serate im „Generalanzeiger", in denen er auf die unerreickte Qualität seiner Waren hinwics, Kundschaft anzulocken. Er hatte sowohl den Einfluß der beiden Konkurrenten und Ihres Anhangs als auch die moralische Disziplin der Frauen unter schätzt: außer einigen Neugierigen betrat niemand seinen sck-ö- ncn, modernen Laden. Das ziveite Ereignis, das die Gemüter der Bürger be wegte, hatte einen weit angenehmeren Charakter. Ein Wander theater kam in die Stadt, um im großen Saal des Schützen hauses an drei Abenden Shakespeares „Othello" aufzusiihren, alle Plätze für sämtlick>c Vorstellungen waren ausverkauft, di« Schneiderinnen arbeiteten Tag und Nacht an den eigens sür dieses Ereignis l^estellten Thcalcrkleidern, und der Gymna- sialdirektor Dr. Lachs las mit seinen Primanern den „Othello", Eitle lttftiae Erzästliing von G. G. Loerster um sic durch eingehende Analyse würdig aus die Ausführungen vorzubereilen. Als die Theatcrtrup;»e ihre Programmzettel an den An schlagsäulen anklebte, gab es eine neue Sensation. „Den Othcll" — so stand darauf — „wird ein echter Mohr spielen." Und tags darauf sah man den Schwarzen. Mit Zylinder und elegantem Paletot bekleidet, spazierte er durch dic Straßen, schnmrz wie Kohle, hin und wieder seine weißen Zähne fletschend. Ein Haufen Neugieriger begleitete den sckivarzrn Künstler. Seltsamerweise trat er in den Laden des uner wünschten Herrn Kullicke, wo er sich längere Zeit aushielt. Am erste» Theaterabend war der Saal des Schüßenhauscs bis auf den letzten Platz gefüllt. Dr. Lachs saß mit seinen Primaner» in den vordersten Reihen. In gehörigem Abstand hatten die Mädchen der Oberklasse des städtischen Lyzeums Platz genommen. Sämtliche Honoratioren waren mit ihren Familien erschienen. Im ersten Akt bewunderte man vor allem den Mohren, der ein Künstler von größtem Format zu sein schien. Er stellte die Leistungen aller anderen Schaustnclcr in den Schatten und rührte sämtliche Damen — ja, sogar der leichtsinnige Dentist Milzdrücker führte zur Genugtuung aller Cdeldcnkendcn ein Taschentuch an seine Augen. Im zweiten Akt bemerkte man verwundert, daß der Mohr nicht mehr pechschwarz war, sondern eher dunkelbraun. Manche schrieben das dem elektrischen Licht zu und schimpften aus das Elektrizitätswerk. Aber im nächsten Akt lies ein Murmeln der höchsten Ueberraschung durch den Saal — der Mohr war keineswegs schwarz, sondern hellbraun! „Der Künstler will ein« neue Auffassung demonstrieren!" erklärt« der in der Shakcspcarcforschung bewanderte Dr. Lachs,