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Sette 2. Nr. 547. Morgen-Nusgave. Leipziger Kagrift -er Truppen -es Obersten Maritz. Pretoria, 26. Oktober. Da? Reutcrsche Büro meldet amtliche Bei Kaimas am Oranjefluß griff Oberst Marit; mit feiner gesamten Streit macht, vier Maschinengewehren und acht Geschähen, dieEngländeran.die -ebn Verwundete batten. Eine Schätzung der Verluste de? Feindes ist unmög lich, da er seine Verwundeten mitnahm. (Das Reuter biiro meldet nichts van einem Siege der Engländer; diese scheinen also geschlagen worden zu sein.) Vas zweimal ^entführte" Unterseeboot. Rom, 2t». Oktober. Wie die..Tribuna" meldet, ist das von dem Marineleutnani BeUoni entführ te Unterseeboot durchaus nicht sreiwillig von der französischen Regierung ausgcliefert worden, viel mehr hat es der nach A;accio gereiste Vizcdirektor der Fiatgesclftcsiast entsiihrt. wie -ie Zranzofcn wobrbeitslieben-e Menschen vergewaltigen. Rom, 26. Oktober. Professor Vcrnot, Lehrer der griechischen Literatur an -er Universität Paris, der in VaIcnciennes als Dolmetscher der deutschen Sprache ningierlc hat sah der deutschen Gefangenen b e i o n d e r s angenommen. Er gab ihnen beruhigende Nachrichten über den Verlaus der Aisneichtacht. und als das Unterseeboot „U 6" drei engliiche Kreuzer in den Grund bohrte, teilte der Professor ihnen dieses mit und gratulierte ihnen. Professor Pernot wurde deshalb vor ein Kriegsgericht gestellt und >u zwei Monaten Gefängnis verurteil! Protest gegen üic Schreckensherrschaft in Mozeöonien. Sofia, 26. Oktober. Das bulgarische Ra tio n a l k o in i t e c veranstaltete gestern eine große Versammlung in Sofia zwecks Aussprache über die erschreckenden Rachrichten, tue ununter- broci>cn aus Mazedonien anlangcn. Mehrere Redner schilderten die unhaltbare Lage der bulga rischen Mazedonier, die unter fremder Herrsck-ast leben. Die Versammlung nahm einstimmig eine Entschließung an, in der sie gegen die un erhörte Schreckensherrschaft der serbi schen und griechischen Behörden Maze doniens Einspruch erhebt und die bulgarische Re gierung bittet, Mittel zur Erleichterung des grausa men Loses der mazedonnchen Bute nen zu fuchen, und versichert, das; sie hierbei auf den vollen und ein mütigen Beistand der ganzen Nation zählen könne, die ungeachtet der übermenschlichen Anstrengungen der jüngsten Vergangenheit zu jedem Opfer für die Freiheit Mazedoniens bereit sei. Warnung! Amtlich ergeht folgende Mitteilung: Verschiedene Wahrnehmungen in der letzten Zeit lassen als gewiß erscheinen, das; unsere Gegner aus dem Wege über das neutrale Ausland versuchen, Material und Werkzeuge zur Anfertigung von Munition und anderem Kriegsmaterial i n Deutschland anzukausen Es läge die Mög lichtest vor, das; in Deutschland ansässige Firmen ver suchen, sich dies zunutze zu machen. — Ganz abgesehen von der »»deutschen Gesinnung, die solche Ge schästshäuser an den Tag legen würden, läge u. a. auch ein schlvercr Verstoß gegen das Strafgesetz vor; denn nach tj 8g RStG. wird mit Zuchthaus be straft, wer vorsätzlich während eines gegen das Deutsck^ Reich ausgcbroäienen Krieges einer feind lichen Macht Vorschub leistet. Veför-erung -es Komman-anten -es Kreuzers „Karlsruhe^*. Der Kommandant des so erfolgreichen Turbincn- trcuzcrs „Karlsruhe" Fregattenkapitän L »decke, ist zum Kapitän zur See befördert worden. Der verdiente Offizier ist im April 1860 in die kaiserliche Marine eingetreten. Drei Jahre später wurde er zum Leutnant zur See befördert und am 27. Januar 1008 wurde er Stabsoffizier. Als Fregattenkapitän war er während der Balkanwirren Kommandant des Kreuzers „Dresden", der zum Schutz der Deutschen nach dem Mittelmeer beordert worden war. Gustave herve gegen -ie -eutfche Sozial-emokratie. Gustave Heroö. einer der hervorragendsten Führer der französischen Sozialdemokratie und eifrigster Verkünder des Weltsriedensgedankens, schrerbt letzt in der „Guerre Sociale": Nach der Verletzung der belgischen Neutralität, nach t.'öwen, nach Reims hoffte ich um der Ehre Deutschlands willen, des Deutschlands, das einen Goethe, einen Wagner, einen Beethoven, einen Lapalle, einen Karl Marx hervorgebracht hat daß eine Minderheit sich erheben würde, um due Ehre des deutschen Namens zu retten. Mit Schmerz stelle ich fest, dasz es eine solche Elite in Deutsch land nicht zu geben scheint. Bei den deutschen Intellektuellen . . . Schweigen! Bei den deutschen Sozialdemokraten . . . Schweigen! Es brauchen also nicht bloß der Kaiser und die Junker, es brauchen auch die deutschen Intellektuellen und die deutschen Sozialdemokraten eine Lett ioii Im Interesse Deutschlands selbst, im Interesse der Menschheit könnt ihr, Soldaten Frankreichs, Belgiens und Englands, die ihr den deutichen Soldaten gcgenübersleht, in aller Ruhe schießen! Die deutsche Sozialdemokratie wird sich diese freundlichen Worte gewiß merken, die in so grotesker Weise ihre Stellungnahme und die sittliche Ver pflichtung zu ihr verkennen. Eiferne Kreuze. Das Eiserne kreuz wurde ferner verliehen: dem Hauptmann im Infanterie-Regiment 72 Huber, und zwar >. Klasse, nachdem er bereits am 17. Sep tember gemeiniam mit feinen Brüdern Hauptmann Werner Huber und Königl. Oberföruer Karl Huber das Ei eure kreuz 2. Klasse erhallen hatte, dem Leuinant der Reserve Dr. Dannhäuier, Oberlehrer am Königlichen Stiftsgymnasium zu Zeitz, dem Feldwebel lllrici, dem Musketier Martin Kellermann, dem Feldwebel Mar Bachmann, dem Landwehrmann Telephonist Rudolf Fritzjche, dem Reservist im Reierve- Jnfanterie - Regiment 66 Hugo Ha genauer, sämtlich aus Zeitz, dem Oberarzt Dr. med. Schiff mann - Schkölen, dem im Reserve-2nfanterie-Regi« ment 137 dienenden Lehrer HansBurghold aus Zeitz unter gleichzeitiger Beförderung zum Leutnant, dem Jäger nn Nescrve-Jäger-BataiUon 4 Emil Baumann aus Ofiig, dem Mitglied des Freiwill. Automodilkorps Fabrikbesitzer Karl Berger aus Wolkenburg, dem Oifiziersstelloertreter Fritz Spillner, dem Unteroiftzier im FeldartiUerie- Regiment 55 Kurt Löb er, dem Oberleutnant und Kompanieführer Schütt, Kreisfchulinspettor in Teuchern, ferner dem Leutnant und Abteilungs- Adjutanten im 2. Pommerschen Feldartillerie-Regi- mcnt Nr. 17 Hermann von Decker aus Kassel. Damit haben sich vier Generationen der Familie von Decker diese Kriegsauszeichnung verdient. Der Vater des Leutnants, der 1896 verstorbene Oberstleutnant Hans von Decker, Vorstand des Artillerie-Depots in Reisse, erhielt das Eiserne Kreuz 1870 bei Seoan als Leutnant im Kur hessischen Felonrtillerie-Regiment Nr. 11. Der Groß vater, Generalleutnant der Artillerie Hermann von Decker, gestorben 1872 als Inspekteur der 1. Ar tillerie-Inspektion, erwarb sich bas Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse ebenfalls im Jahre 1870 und zwar in den Kämpfen bei Straßburg. Dessen Vater wiederum, der 1814 verstorbene Generalmajor z. D. Karl von Decker, erkämpfte sich das Eiserne Kreuz im Jahre 1813. Zürs vaterlan- gefallen. Wie aus den Familiennachrichten der vorliegen den Ausgabe unseres Blattes ersichtlich ist, starben den Heldentod fürs Vaterland der Stud. rer. nat. Hans Thiers ch, der Gefreite der Re serve im Reieroe-Jnsanterieregiment Nr. 107 Fritz Posse lt. der Schlößer Otto Kröber und der Former Franz Schulze, beide Arbeiter der Firma Meier <L Weichest, der Buchhandlungsgehilfe Otto Lorenz, Angestellter der Firma K. F. Koehler. Die Beamtenschaft des kaiserlichen Post amtes 3 zeigt an, daß der Postbote Reservist im Schützcnrcgiment Nr. 108 Alfred A rno Quaas Ms öer Aucht aus Tunesien. Von Harry Edgar Kutschbach. Während noch Anfang Juli die „Döp<che Tuni sicnnc", die als einzige Zeitung — zwar mit drei- lägiger Verspätung — die europäische Bevölkerung der Insel Djerba auf dem lausenden hielt, die Er inordung des österreichischen Thronfolgers mit den silxirfstcn Worten verurteilte, zeigte sich bald ein merklicher Umschwung in der Tendenz dieses offi ziellen tunesischen Regierungsor^ans, als Oesterreich das bekannte Ultimatum an Serbien stellte. Wie mit einem Schlage „erkannte" die französische Regie rung — denn der Bei von Tunis ist nichts anderes, als das Werkzeug der das Protektorat ausübenden Französiscl»en Republik —, das; Oesterreich das kleine «erbten vergewaltige, und daß man nunmehr noch fester zum Bunde mit Rußland halten müße, um den Schutz Serbiens wirkungsvoller ausüben zu können. Es war ja kein Zweifel, daß im Kriegsfälle zwiichen Oesterreich und Serbien Rußland letzterem zu Hilfe eilen und daß andererseits Deutschland nicht neutral bleiben würde. Und Deutschland glaubte man nur durch eine französisch: Drohung in Schach halten zu können. Aber trotz der gefährlichen Sprache, in der die „Dk-fnckn! Tunisien»?" redete, glaubte wohl niemand so recht an den Ernst der Lage. Man horste ja immer noch, daß all das Gebrüll und Kriegsgeichrei wie schon so viele Male in ein hohles Nichts aus tönen würde. So verkehrten wir drei einzigen Deut scheu nach wie vor in der französischen Gesellschaft non Houmt Souk und lachten redlich einen jungen Lehrer aus, der sich in seinem Uebereifer die «tiefel mit dicken Nägeln beschlagen ließ, um sie als Militarstiefcl zu tragen, und der sich für viele Mo nate Lebensmittel einkaufte. Um so überraschter ivaren wir. als wir eines Tages — es war Sonn abend. der 1. August — auf die Post gingen, jedoch die Schalter geschlossen vorfanden. Bereits unter wegs war uns der genannte Lehrer wie ein illkihn finniger rennend begegnet, indem er einen Zettel in der Hand hielt und kaum Zeit fand, den Passanten auszuwcichcn. Hinter dem Schaltergitter aber malte der Postbeamte in Rundschrift die großen Lettern auf ein Plakat: „sto Premier jmir <1e In Mobilisation In climanebo. 2 aoüt 1914." Jetzt wußten wir, baß der Lehrer doch nicht jo unrecht gehabt hatte, und daß die Lage in Europa in der Tat sehr kritisch sein mußte. Wir drei Deutschen hatten beschloßen, erst einmal den Lauf der Dinge abzuwarten, um nicht unnütz den Ort unseres langen Aufenthaltes zu verlassen. Ueber- dies war za eine Kriegserklärung noch nicht erfolgt, und noch immer konnte alles friedlich enden, obwohl die tollsten Lärmnachrichten bekannt geworden waren. Noch an demselben Abend machte» wir unfern ge wohnten Spaziergang, freilich nicht ahnend, daß dies unser leister in Houmt Souk gewesen sein sollte. Friedlich donnerten zu Ehren des arabischen Rama dan vom alten Bordj. dem ehemaligen spanischen Fort, das im sechzehnten Jahrhundert zum Schutze gegen Seeräuber erbaut wurde, die Böllerschüsse, um den Mohammedanern mit dem Untergang der Sonne des Ende des täglichen Fastens anznkündigen, als uns unvermutet das Haupt der Polizei von Djerba anredete. Er war nicht, wie gewöhnlich, in Zivil, sondern hatte den Fes mit der Polizeimiitze ver tauscht. währens ein Säbel zu seiner Linken die hohe Macht noch mehr zum Ausdruck bringen sollte. Mit ernster Miene erzählte er uns die unglaubliche Nach richt, daß Araber einen llebcrfall auf die Europäer planten, und ein jeder in den nächsten Tagen bei seinem Konsul Zuflucht nehmen müsse. Auf der ganzen Insel Djerba aber bestehe kein deutsches Kon sular. w shalb uns der sranzösisckp: Regierungsver treter durch ihn, den Polizciches. den freundschaft lichen Nat erteilen lasse, baldmöglichst die Insel zu verlassen, zumal, da er nicht die Verantwortung für nns übernehmen könne. Es war offensichtlich, daß die Nachricht von dem geplanten llebcrfall der Araber nur ein Märchen war. und ein Vorwand, um uns, die unliebsamen Ausländer, trotz unseres friedlichen Verhaltens zu entfernen. Denn obwohl eine gewisse Unzufrieden heit der tunesisclicn Araber mit der französisckzen Re gierung nicht zu leugnen ist — die Araber in Tripo- litanien werden von den Italienern derartig ver hätschelt, dasz sie cs bedeutend bester haben als ihre Stammes und Glaubensgenossen in Tunesien und deshalb von ihnen beneidet werden —, so gibt es wohl in der Tat keinen Araber, der in diesem Augen blicke sriedlickxr war als der von Honmt-Souk. Wir beschlossen also, noch einige Zeit hier zu bleiben und erst abzureiscn, wenn der Krieg wirk lich erklärt sei oder man uns des Landes verweise. Um jedoch die Einwohner nicht herauszufordern — es gibt zwar nur etwa 30 Franzosen in Houmt-Souk, einschließlich der Beamten usw. —, so hüteten wir auf Wunsch des Herrn Lauret. des französischen Rc- gierungsvcrtreters. nach Möglichkeit das Haus und gingen nur in die Stadt, wenn es unumgänglich not wendig war. Immerhin bekamen wir in den nächsten Tagen viel Interessantes zu hören und zu sehen. Bereits am ersten Mobilmachungstagc zeigte sich ein recht militärisches Bild. Fast all« Franzosen, die im dienstpflichtigen Aster standen, erschienen schon am frühen Morgen in der Uniform und zeigten sich stolz in den Straßen. Zugleich bildete sich aus Grund eines Ausrufs der Regierung eine Bürgergarde, die sich aus Männern aller Nationalitäten zusammen setzte. Unter dem Befehl von zwei französischen Offi- -ie«» marfchiertrn jung« Fran-ose», Engländer, Lagedlatt. auf dem Feld« der Ehre gefallen ist. Der Natur wissenschaftlich Medizinische Verein zu Leipzig gibt bekannt, daß der aktive Bursche Sind. med. Paul Roh, Einj.-Freiw. im Infanterieregiment Nr. 106, sein Leben fürs Vaterland ließ Ferner fielen auf dem Feld« der Ehre: der Soldat ErichWalter Hänig; der Gefreite der Reserve im Infanterieregiment 106 Georg Jacob; der Unteroffizier der Reserve im Infanterieregiment 27 Gymnasialoberlehrer Dr. Gust. Ad. Knoisel aus Plauen; der Bürgerschullehrer Guido Langer aus Plauen, der zum Eisernen Kreuz vorgeschlagen war; der Rittmeister im Dragonerregiment 26 Hans van Graevenitz; der Oberleutnant der Land- ivehr. Regierungs- und Forstrat Joachim von dem Barne; der Oberleutnant und Kompanie führer Viktor Pernwerth von Bären stein, Rechtsanwalt, Sohn des Geheimrats Pern werth von Bärenstein in München. Ehre ihrem Andenken! Weitere Melüungen. Die Kriegszentrale des Hansabundes hat es als eine der wichtigsten ihr obliegenden Ausgaben be trachtet, der Kreditnot und Kreditangst des Mittel standes in Stadt und Land durch geeignete Organisa tionen zu begegnen. Die unter weitgehendem Ent gegenkommen des Reichsbankdirektoriums geführten Verhandlungen sind erfolgreich gewesen. Unter Teil nahme führender Männer aus allen Berufsständen ist eine ganz Deutschland umfassende Kreditorga nisation geschaffen, der die Gemeinden und Kreise als Mitglieder angchören sollen, derart, daß jeder Gemeinde in einfachster Form die Vorteile der Krieg-Kreditbank gesichert werden. Schon in den nächsten Tagen wird diese Kriegskreditoraanisation in Wirksamkeit treten. Die Zahl der in Zwickau untergebrachten Schu tz g c f a n g e n e n, die vor kurzem ungefähr rund 1000 Personen beiderl:i Geschlechts und jeden Alters betrug, hat sich in der letzten Zeit wieder er höht. Kürzlich sind 150 und am Sonnabend etwa 300 weiter: Schutzgefangene in Zwickau eingetroffen. Unter ihnen befinden sich Franzosen, Belgier und Russen. Inzwischen sind über 20 Personen im Alter von 64 bis 88 Jahren, darunter :in Abbö, gestorben. x- Seit einigen Wochen sind verschiedentlich im Lande Gerüchte über Unbotmäßigkeiten und schwere Bestrafungen (Erschießens Kriegsgefan gener im Grfangenlager Königsbrück ver breitet worden. Die Gerüchte sind sämtlich frei erfunden. Das stellvertretende Generalkommando in Bres lau hat eine Verfügung, durch die das Erscheinen der „Schlesischen Volkszeitung" bis auf wei teres verboten wurde, wieder aufgehoben. Die Zeitung ist bereits wieder erschienen. Der Rechtsanwalt O t t o S t u r m f e l s in Groß- Umstadt, ein bekannter Führer der hessische» So zialdemokratie, der zurzeit verwundet im Lazarett liegt, wurde zum R e s e r v c l e u t n a u t befördert. .... . n , .. Dem „B. T." wird aus Zürich gemeldet: Einzelne italienische Blätter teilen Essad Pascha die Rolle eines italienischen B a s a l l c n f ü r st e n in Mittelalbanien zu. x- * Aus dem Haag wird berichtet: Der Chef des englische« Generalstabes, Sir Charles Douglas, ist am Sonntag in London gestorben. Zur Charakteristik ües moöernen Engländers. Von Professor Dr. Ernst Groth. Da ein Teil der Auslandspresse die Geschichts fälschung begeht, daß sie tut, als hätten wir Deutschen England den Krieg erklärt und dieses unschuldige, friedliebende Land in frevelhaftem Weltmachtsdünkel zuerst angegriffen, so würde es Malteser und Italiener in Zivil durch die Straßen, das Gewehr auf der Schulter. Bon ihnen wurde von nun ab der Markt sowie all« öffentlichen Staatsgebäude „militärisch" bewacht. An demselben Tage mußten wir auch Zeugen eines unliebsamen Vorfalles sein. Wie alle Sonn tage, so hatte auch heute das österreichisch-ungarische Konsulat die Flagge gehißt. Aus Verlangen der kleinen französischen Kolonie aber holte der Konsul die österreichisch - ungarische Fahne wieder ein, und als er am folgenden Tage von den Be hörden zum Verlassen des Landes aufgesordert wurde, blieb er in Djerba und reichte dafür in Wien seine Entlastung ein! Wahrlich, ein guter Patriot! Da durch waren wir in der Folgezeit ohne jedweden Schutz und nur auf uns selbst angewiesen. Allerdings möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß der Konsul kein Deutschöslerreicher, sondern ein Dalmatiner war. Am übernächsten Tage, also am 4. August, er schienen plötzlich in unserer kleinen Wohnung zwei starkbewaffnete Gendarmen, die uns einen Brief vom französischen Regtcrungsvertrcter überbrachten. Es war 1 Uhr mittags und wir saßen gerade bei Tisch. In dem Briefe stand unter anderem, um 2 Uhr berühre ein neutrales italienisches SHiff auf der Durchreise nach Tripolis die Insel Djeroa, und man gebe uns den dringenden Rat, diesen Dampfer zu unserer Abreise zu benutzen. Natürlich war dies nicht möglich; denn abgesehen davon, daß wegen der seichten Küstengewässer sich Dampfer nur vis auf 9 Kilometer der Insel nähern können und die ver mittelnden Barken selbst ungefähr eine Stunde brauchen, um bis an die Schiffe zu fahren, hatten wir für eine so plötzliche Abreise noch nichts vorbereitet. So ließen wir denn dem französischen Negierungs vertreter mitteilen, daß es für uns im Bereiche der Unmöglichkeit läge, noch lseute die Insel Djerba zu verlassen, dasz wir aber den nächsten neutralen Dampfer benutzen würden, der drei Tage darauf uns nach Italien bringen würde. Noch an demselben Nachmittag fingen wir mit den Reisevorbcreitungen an. Da erschien plötzlich um 4 Uhr ein gewöhnlicher Soldat in unserer Wohnung und begann, uns in der unverschämtesten Art zu be handeln. «Nun, Sie sind ja immer noch hier!", rief er uns zu, „wenn Sie nicht abreisen wollen, so werfen wir Sie einfach alle ins Gefängnis, denn um 6 Uhr beginnen die Feindseligkeiten!" — Wir hasten hierauf nur ein Achselzuck«» zur Antwort, legten aber sofort bei der Behörde eine schriftliche Beschwerde ein. Infolgedessen hatten wir bis zu unserer Abreise keine derartige» Belästigungen mehr zu ertrag««. Die letzten zwei Tage in Djerba verlief«» recht eintönig für uns. Endlich war der Tag unserer Ab reise gekommen. Prachtvoll leuchtete noch der voll Dienstsg. 27. Vkwver 19l4. sich empfehlen, wenn unsere Press« die beiden welt geschichtlichen Daten so oft wie möglich, vielleicht als stehenden Satz brächte: „Am 4. August er klärte England dem Deutsc^n Reiche den Krieg. Am 13. August erklärte England Oesterreich-Ungarn den Krieg." Ausfallend ist es auch, daß in der Auslandspresse der Grund für diese Kriegserklärung, England müsse die Selbständigkeit und Freiheit Belgiens schützen, immer mehr verschwindet. Im Hinblick auf Indien, den Burenstaat, Aegypten u. a„ deren Selbständigkeit England nicht nur nicht geschützt, sondern selbst skrupellos vernichtet hat, mußte dieses uneigen nützige, salbungsvolle Eintreten Englands für Bel giens Freiheit denn doch dem blödesten Gehirn als bloßer Humbug erscheinen. Englands Preßsöldner haben denn auch mit Findigkeit schnell einen andern Grund zusammengebraut: Am Interesse des all gemeinen Weltfriedens müsse der kriegslüsterne, friedensfeindliche Militarismus Deutschlands ausgerottet werden, wenn nicht anders, dann mit dem ganzen deutschen Volke. Das Ziel der Tripel entente sei der Weltfrieden. Deutschland sei der einzige Störenfried, und deshalb müsse die ganze Welt zu den Waffen greifen, um diesen Dämon nicderzuschlagrn. Diese von sittlichem Pathos triefend« Begründung wird nun wohl so lange »achgeplappcrt werden, bis die Tatsache langsam durchsickert, daß der teuflische deutsche Störenfried ja seit 1870/71 gar keine Kriege gesuhlt hat, daß im Gegenteil gerade die Staaten der Tripelentente: Rußland, England, Frankreich aus den blutigsten Kriegen und dem damit ver bundenen fricdeusseindlichen Militarismus zu Lande und zur See gar nicht herausgekommen sind, ja daß diese Friedensprophetcn und Abrüstungsherolde die meisten jener Kriege aus purer Machtgier und bru talem Egoismus selbst geradezu heraufbeschworen habe». Der russisch-türkische Krieg, der Burenkrieg, der ägyptische, der marokkanische u. a. sagen genug. Trotzdem! Die Vernichtung des deutschen Mili tarismus ist ein wundervolles Schlagwort, mit dem sich aller Konkurrenzneid, alle Gehässigkeit und Heuchelei ethisch vortrefflich drapieren läßt, ein wirkungsvolles Leitmotiv für eine lärmende deutsch feindliche Völkersinfonie. Und so blasen denn auch die meisten englischen Schriftsteller diese verlogene Melodie vom deutschen Militarismus in allen Ton arten mit unermüdlicher Ausdauer nach. Der lauteste Bläser in diesem Hcuchlerkonzert gegen Deutschland und Oesterreich-Ungarn ist Bernard Shaw. Weshalb gerade dieser Schrift steller, der bis jetzt aus Deutschland enorme Tan tiemen schmunzelnd eingcstfichen hat, am tollsten gegen Deutschland tobt, das ist psychologisch ganz er' klärlich; nur durch dieses Jiugotum kann er sich bas Wohlwollen der Engländer wieder erkaufen. Denn niemand hat England heftiger angeklagt, niemand hat das innerlich unwahre, heuchlerische und mora lisch zerfressene Wesen der heutigen englischen Gesell schaft schärfer, rücksichtsloser und treffender charakte risiert als Vernarb Shaw. In der von seiner Frau herausgegebenen „Auswahl" aus seinen Werken (1913) lesen wir z. B. folgendes Urteil: „Jeder Engländer wird mit einer zauberhaften Macht geboren, die ihm zur Herrschaft über die Erde verhilft. Wenn er etwas haben will, so gesteht er sich nie ein, daß er es haben will. Er wartet ge duldig, bis in ihm, Gott weiß wie, die Ueberzeugung erwacht, daß es moralisch und religiös seine Pflicht sei, die Völker zu besiegen, die jene von ihm begehrte Sache besitzen. Dann aber ist er unwiderstehlich. Gleich dem Aristokraten packt er, was er begehrt, und tut er, was ihm beliebt; gleich dem Krämer verfolgt er sein Ziel mit jener Ausdauer, die ernster reli giöser Ueberzeugung und einem tiefen Gefühl mora lischer Verantwortlichkeit entspringt. Eine wirk same moralische Haltung weiß er immer zu finden. Als Schirmherr der Freiheit und der nationalen Unabhängigkeit erobert er die halbe Welt und eignet sie sich an — und nennt das kolonisieren. Wenn er für seine Fabrikware einen neuen Markt braucht, so schickt er seine Missionare aus, um den Wilden das Evangelium des Friedens zu verkünden. Die Wilden töten den Missionar. Der Engländer greift zu den Waffen, um für das Christentum zu kämpfen. Er ist siegreich, erobert das Land und nimmt es als Belohnung des Himmels in Besitz. Zur Verteidigung seiner Insel stellt er einen Kaplan an Bord seines Schiffes, nagelt eine Flagge mit einem Kreuz an die Spitze seines Hauptmastes und segelt an das Ende der Welt mond über dem friedlich«!! Städtchen und zauberte ein Bild wie aus Tausendundeiner Nacht vor unsere Blicke, als wir die Barke bestiegen und die Insel Djerba für immer verließen. An Bord des italieni sch» Dampfers „ Etruria " nahm man uns Flücht- linge sehr gastfrei auf, indem uns der Kapitän eine eigene Kabine zur Verfügung stellte und sich Mann- schftcn und Mitreisende sichtlich bemühten, den Aus gewiesenen über des Schicksals Tücke hinweg zu helfen. Aber unser Gefühl der Sicherheit wich, als in Sfar unser Dampfer benachrichtigt wurde, daß «r auf der Reed« vor Anker gehen müßte. In schneller Fahrt kam ein Motorboot aus dem Hafen gefahren, dem drei höhere französische Offiziere entstiegen. Sie fragten den Kapitän, ob er Deutsche oder Oester reicher an Bord hätte, und unterzogen uns darauf ein«in Verhör. Sie sahen unsere Pässe ein, machte,» sich daraus Notizen und erklärten uns beim Weg. gang, daß wir in Sfax nicht von Bord gehen dürften. Dieser Aufforderung hätte es gar nicht bedurft, da wir überhaupt nicht die Absicht hatten, noch einmal den gastlichen französischen Boden zu betreten. Erst nachdem die Offiziere das Schiff verlassen hatten, konnte di« „Etruria" in den Hafen einlaufen. In den nächsten Tagen berührten wir auf einer prachtvollen Fahrt längs der tunesischen Küste die Häfen von Mahdia, Monastir und Susa. Kurz vor Tunis kreuzten in unserer Nähe mehrere Kriegs schiffe, die scheinbar die Bucht von Tunis über wachten und mit unserem Dampfer Signal« aus tauschten. In La Goulette, dem Vorhafen von Tpnis, konnten wir ohne weiteres oinfahren, und in eknstündiger Fahrt ging cs langsam durch den langen Kanal nach Tunis selbst. Am Eingang zu diesem Kanal hatte man eine Kanone mit einer ziemlich starken Besatzung ausgestellt, die jedes unerlaubte Einfahren in den Kanal unmöglich machte. In Tunis kam sofort eine Polizeibehörde an Bord, di« wiederum unsere Paste einsah und sich daraus No tizen m.ichtc. Nachdem die Polizei das Schiff vrr- lasten hatte, kam der Kapitän zu uns und sagte, er befürchte, wir würden hier an Bord seines Schiffes verhaftet werden, obwohl dies wider alles Völker recht verstoßen und er natürlich Beschwerde erheben würde. Aus den Reden der Polizeibeamten glaube er entnehmen zu müssen, daß sie nur noch Erkundi gungen ernztehen wollten, um dann mit dem Ver haftungsbefehl zurückzukehren. Stunden der größten Unruhe folgten für uns, denn dl« Aussicht, bis zum Ende dcs Krieges untir Bewachung der Spahis in Tunis gefangen liegen zu wüsten, war nicht gerade angenehm. Daher fiel na»