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.nacht. 2n Lagen wie der henttgen, die tn jener Kundgebung -er Fraktion durchaus zutreffend gewürdigt wird, kommen derartige Kleinigkeiten wie Personalsraaen natürlich nicht in Betracht. Aber eS konnten und durften auch andere Bedenken die National- liberalen auf ihrem Wege nicht zurückhalten. Sah sie B. erst kürzlich ein neue» eigenes Programm anfgestellt patten, und e» jetzt nach kaum z Tagen wieder abgeündert had«», kann ihnen nur Beschränktheit verargen. St ist bereit» mehr an alten Ueder- zeugungen und Einrichtungen gefallen al» ein krischgebackenes Parteiprogramm, dem wir adrigen» im Wesentlichen zusttmmen konnten und das in diesem Wesentlichen auch aufrecht erhalten bleibt: und es wird am Ende auch noch mehr stürzen. Die Haupt sache ist. daß das Neich und das Dasein des Volkes erhalten wird, lind diese großzügige Gesinnung spricht auch aus dem neuen Ent schlüsse der Fraktion und aus seiner Begründung, dle wir an an» derer Stelle mitteilen. 2m übrigen erwarten wir alle noch unvergleichlich gespannter, al» wir die Umwälzungen der letzten Tage verfolgt haben, die Er klärung, die heute nachmittag der neue Reichskanzler im Reichs lage abgeben wird. Eß liegen bereits Nachrichten an» Amerika und England vor, die wir vielleich! als ein günstige» Vorzeichen für diese einzigartig bedeutsame Kanzlerred« auffassen dürfen. Der Washingtoner Berichterstatter der «Times' tritt schroffen Aus legungen der oben erwähnten Wilsonrede entgegen und deutet sie als ein Entgegenkommen gegenüber den Zentralmächten. (Ander seits hat Wien die Punkte Wilsons bereits angenommen!) Zu gleich hört man, daß Gerard, der frühere amerikanische Bot schafter in Barlin, sich über die Ernennung des Prinzen Max überraschend freundlich geäußert habe. Die angesehene englische Zeitschrift «Nation" nennt den Prinzen einen zweiten Freiyerrn von Stein und sieht in ihm den einzigen Mann, der der Welt Ver trauen in die Gesinnung des deutschen Volkes beizudringen vermöchte. . . Wenn der Reichskanzler nach seiner Rede eine entsprechend günstige Presse im feindlichen Ausland hätte, wie nach seiner Er nennung, so dürften wir im Ausblick ans die nächste Zukunft etwas leichter atmen, als es in der letzten Zeit möglich war. Stimmen der Annäherung Au» der feindlichen Presse liegen seit gestern zahlreiche Stimmen vor, die zeigen, mit welch fieberhafter Aufmerksamkeit man bi» Bildung der neuen Negierung in Deutschland verfolgt. Deutlich geht aus ihnen hervor, daß sich eine Annäherung zwischen den kriegfahrenden Mächtegruppen vorbereitet. Wir verzeichnen folgende Meldungen: England Haag, 5. Oktober. (Lig. D r a ht b e r i ch t.) In der bekannten, in England weit verbreiteten Wochenschrift .Nation' schreckt dec Ekesredakteur Nottingham: .Wo werden die Deutschen einen zweiten Stein finden? Es gibt nur einen solche» rettenden Faktor, dies ist Prinz Max von Baden. Bei ihm besteht wenigstens die Gewähr einer hohen sittlichen Würde.' Nottingham zitiert dann die bekannte Ned« des Prinzen Mar im Dezember 1UI7 und folgert daraus zum Schluß: «W enn diefer Mann im Namen dctDeutschen Reiches sprechen wird, so ist tatsächlich ein neuer Faktor vorhanden, der eine Gestnnungsänderung beweist.' Amerika Haag, 5. Oktober. (Lig. D r a h t b e r i ch t.) Aus Washington wird gemeldet: Der ehemalige amerikanische Botschafter in Berlin, Gerard, erklärte, daß seiner Ansicht nach der neue deutsche Reichs- Kanzler dle Absicht hab«, ein ehrliches und aufrichtiges Friekensangebo t zu machen. Gerard ist der Ansicht, daß dl« Er« neanang des Prinzen Max von Badea die Aufgabe dar-an» dentfchen Politik bedeutet. Er sei im «wer der Ansicht gmoese». daß Deutschland, falls es wirklich Frieden lchliehen wolle, «atweder Prinz Max von Baden oder Dr. Tals zum Reichskanzler er nennen »erd«. Haag,». Oktober. (S i g. Drahlb «rtchl.) Wie der Washing toner Korrespondent der «Limes' meldet, ist die allgemeine Auffassung, daß Wilson mit der kurzen Antwort auf di« Buriannol« den übrigen Alliierten jeglichen Weg zur wetteren Kriegs zieläuherung Versperren wollte -urchaus falsch. Der Präsident hab« gerade im Goarnteil den Wunsch ausgesprochen, daß di« übrig»« Verban det«« «ine ausführlich« Krlegszlelerklürnna atz- geben sollten. In diplomatischen Kreisen lft inan mit dieser An sicht Wilsons vollkommen einverstanden und darüber sogar sehr »rfrent. Eia» besser« Form für btese Erklärung s«i nicht zu finden als «in« sorg fältig formuliert« Antwort auf die österreichisch-ungarisch« Rote, worin entweder die 8 oder die 14 Punkt« d«s Wilsonsehe» Programms ver kündet würde«. Dies wäre auter den jetzige«, Amsiänden dl« beste Methode, n> stat«» Anritz, hei den Zentralmächt«, Hervorzuruf»».' Frmckrelch Vafsl, S. Oktober. (Eigener Vrahtb'or»cht.) ver Sonder- derichtarstalter der .Vaster Nachrichten' in Paris telegraphier», da- man in Paris mit große« Inteeeff« dl« Bestrebungen Deutschlands verfolg«, dem Reiche einen demokratischen Anstrich zu geben. immerhin wird in politischen maßgedenden Kreisen hervor gehoben, daß auch der grundsätzlichste Umschwung in Deutschland nicht alleProvleme des Krieges lösen würde. Ts würe ein Irrtum, anzunehmen, daß di» Ereignisse der deutschen inneren Politik einen Einfluß Sus den Krieg ausüben könnten, sofern man sich in Deutschland nicht klar und^etnfach entschließt, den Frieden der Entente nach den Wilsonschen Grundsätzen anzunehmen. Die Veteili-rm- der Ratioaalliberale« an der Regierung Der Vorsitzende der nationalliberalen Reichstasisfraktion hat in deren Aufkrag folgende» Schreiben an den Abgeordneten Fisch beck gerichtet: Sehr geehrter Herr Kollege! Das mir gestern von Ihnen Überreichte, von den Mehrheiksparkeien des Reichstages entworfen« und von S. M. dem Ka fer und dem zu künftigen Reichskanzler gebilligte Programm habe ich der nativnal- ltberalrn Reichslagsfraktion vorgelegt. Durchdrungen von dem Wunsch, eine Einigkeit unseres Volkes aus einer möglichst breiten Grundlage zu sichern, und im Hinblick aus die gegenwärtige ernste Lage unseres Vater- landes hat die Fraktion einmütig beschlossen, sich auch ihrerseits auf den Boden dieses Programms zn stellen. Wir sind daher bereit, gemeinsam mit den Mehrheilsparteien an der Durchführung dieses Programms mitzuarbeiten und die kommende Nc.chsleitung mit allen Klüften zu unterstützen. In kollegialer Hochachtung Ihr sehr ergebener (gez.) Dr. S t r e s e m a n n. s * Dle «Nationalliberale Korrespondenz' sagt dazu: «Wie aus diesem Schrecken hervorgeht, haben die Verhand lungen zwischen der nationalliberalen NeichStagSfraktlon und den Äcehrheitsparletcn ein positives Ergebnis gehabt, so daß dle neue Negierung mit Einschluß der Nationalliberalen gebildet werden wird- Es hat nicht an Schwierigkeiten gefehlt, die zu überwinden waren, ehe dieses Ergebnis erzielt werden konnte- Die Fraktion hatvvnvornherein keinen Zweifel gelassen, daß sie gründ- sätzlich bereit war, sich der NegierungSbiidung nicht zu ver sagen. Sie muhte sich aber natürlich dl« Frage vorlegen, ob es ihr möglich sei. mit dem Programm übereinzustimmen, aus dessen Boden die Negierung gebildet werben sollte. Sir stan- weiter vor der Frage, ob ihr Eintritt aus inner- oder außen- poliiischcn Gründen gewünscht oder nicht gewünscht wurde. ES fcheint, nlS ob es eine Zeitlang nicht an Bestrebungen gefehlt hat, die darauf hinzielten, die verhältnismäßig schmale Grundlage der drei Mehrheitsparieicn zur Negterungsbasis zu machen, und die von dem besonderen Wunsche diktiert waren, die neu« Negierung lediglich als demokratisches Kabinett ins Leben treten zu lasten. Demgegenüber bestand namentlich bet den bürgerlichen Fraktionen der Neichslagsmehrheit der lebhafteste Wunsch, die nattonalliberale Fraktion In die Bildung der Regierung einzubeziehen und auch von der Regierung wird, wie auS einer amtlichen Notiz tn der .No.-deutschen Allgemeinen Zeitung' heroorgeht, die Teilnahme der Nationalliberalen an der Negierung mit Genugtuung begrüßt. Di« Fraktion stand daher, nachdem der Abgeordnete Fisch beck als Vorsitzender der Mehrheitsparteien ihr offiziell von dem Programm der MehrheitSparteien Kenntnis gegeben hatte, vor der Frage, ob sie es über sich gewinnen konnte auf den Boden dieses Programms zu treten. Di« außergewöhnlichen Ereignisse der letzten Zeit hatten die Fraktion bereits dazu veranlaßt, gegen über dem sogenannten sozialdemokratischen Mindestprogramm eigene Richtlinien aufzustellen, die ihren Standpunkt zu den großen Fragen der inneren und auswärtigen Politik umrissen. Vergleicht man dies« nationalliberalen Richtlinien mit dem Programm der MehrbeikSparlelen, so wird man bas ein» sagen können, daß sich da» Programm den nationalliberalen Richtlinien tn vielen Be ziehungen annähert. Teilweise gingen sogar die nationalliberalen Richtlinien über das jetzige Mehryeitsprogramm hinaus. Dies betrifft beispielsweise die Aufhebung des Artikels 9 Absatz 2 der Reicysverfassung, die in deni Programm der MehrheitSparteien nicht gefordert wird. Eine große Reih« svztaldemokratlscher For derungen, die für die nationallibera e Fraktion unanneymbar ge wesen wären, ist anscheinend auch bei den übrigen bürgerlichen Fraktionen auf Ablehnung gastvhen. Sv findet sich tn de» Pro- gramm der MehrheitSparteien nicht mehr ot« Forderung der Ein führung dsü ReichstagswahirechteS für alle Bundesstaaten durch RetchSgesetz. Jedoch wird die Einsüyrung soicher Reform«« -vtL wo der jetzige Zustand e< erfordert, angestredt- Einer solch« For derung konnte bl« Fraktion um so »her zustimmen, al» st« im Reichstag bereits dafür »lngettaten ist, den mangelnden Reform willen in den deldrn Mecklenburg durch Etngretseu tzeü Reiches in die dortigen Verfastungüzustände zu ersetzen. Die MehrheitSparteien haben fick anscheinend auch anderen Forde rungen des sozialdemokratischen Mindestprogramm», die gewiss» Spitzen enthielten, nicht angeschlossen, so daß auch nach dieser Richtung hin Schwierigkeiten beseitigt worden sind, dle angesichts des sozialdemokratischen Programms bestanden hätten. Das deutsche Volk wird durch die Ereignisse, die sich an den Zusammenbruch Bulgariens anknüpfen, gerade tn den nächsten Zelten in schwere Mitleidenschaft gezogen werden. Angesichts der Schwere der Stunde, die diese Verhältnisse uns aus erlegen, und angcstch^ unserer Belastung durch dle ge samte weltpolitische Lage wird man den Anschluß der nattvnalliberalen Fraktion an die Regierung im Lande sicher überall verstehen. Schon jetzt zeigen uns zahlreiche Schreiben auS Parteikreisen, daß man hier als das Gebot der Stund« richtig da» eine erkannt hat, nicht in trotziger Opposition abselt» zu stehen sondern dem Ganzen zu dienen.' Doe der Eröffnung des Reichstages G Berlin, 5. Oktober. (Drahlberichk unserer Berliner Sch r i ftl eitung.) Die heutige Plenarsitzung -es Reichstages, die aus 1 Uhr angesetzl war, ist auf 5 Uhr nachmittags verschaben worden. Die Verschiebung hängt mit außenpolitischen Ereignissen zusammen, deren weitere Entwicklung zunächst noch abzewartet werden soll, da sie unter Umständen in der Kanzlerred« erwähnt und erörtert woben müssen. AuS diesem Grunde lst es auch möglich, baß die Sitzung eine weitere Hinausschiebung erjährt. Auch di« russischen Ding« spielen du wohl mit hinein. Wst haben bereits Mitgeteltl, daß die Sowjet regierung den Brest-Liiowsker Vertrag mit der Türkei gekündigt Hot und daß sie in einer weiteren an Deutschland gerichteten Note die Erwartung ausgesprochen hat, Deutschland möge freiwillig vom Ab kommen von Brest-Litowsk und seinen Zusatzverträgen zurücktreten. Das alles wird vermutlich in di« Red« des Kanzlers hlnetnspielen. Im Publikum hat sich die Nachricht von der Verschiebung der Reichstags- sihung natürlich noch nicht verbreitet, deshalb drängen sich um die Por tale die Masten, die Einlaß begehren und sich nur schwer vertrösten lassen wollen. In der Wandelhalle ist ein lebhaftes Hin und Her. Ucker- all stehen Gruppen beisammen und allerorten ist nur «in Thema desi Gesprächs: Der tiefe, bittere Ernst dtessr Stunde. Der Seniorenkonoent hat sich heute um t Uhr versammelt und beschlossen, die Plenarsitzung unter allen Umständen um 5 Uhr abzuhalten. Indes ist es zweifelhaft geworden, ob die nächste Sitzung schon am Montag stattfinden kann. Dl« Bestimmung darüber soll dem Präsidenten überlassen werden, doch sollen dir Sitzungen nicht vor Montag stattfinden. Di« Fraktionen versammeln sich im Laufe des Nachmittags nochmals zu Beratungen, und zwar u. a. die Fort- schrittler um 8 Uhr und die Nattvnalliberalen um 4 Uhr. Rücktritt des Chef» des Zivilkabinetts Rach den ursprünglichen Mitteilungen des Vizekanzlers v. Paper über die Absichten dar Krone waren sich di« Fraktion«« deretls so gut wie einig, als plötzlich Herr v. Berg, der Kablnettsches des Kaiserik auf der Bildfläche ersktgen und durch sein sonst ganz unoerstäudliches Handeln den Eindruck erweckte, als ob er nicht Ordnung, sondern Ver-, Wirrung stifte« wolle. Unter anderem äußert, er, wie di, «Vosfische Zeitung' meldet, über den gleichen Kanzlerkandidaten zu den Ange hörigen der verschiedenen Fraktionen ganz entgegengesetzte Meinung«. Hort U Berg, de» schon in der Beratung des Kaisers elne Mr da» Ansehen der Kron« wenig ersprießliche Rolle gespielt hat, de« de« Kaiser trotz verschiedenster Warnungen im unklaren über die Lag« lieh, und dauernd gegen di« Parlamrntarisierung fein Votum adgab» der dann schließlich an der Ueberhastung der ganzen Angelegenheit die Schuld trug, machte bet seinem Auftapchen den Eindruck, als ob wt fchon wieder umgefalle« fet und nun für di« Diktatur lrgendeive» .starken Mannes' wirke« wollte. Wie des Vlatt hört, wird nunmehr Her» ». Berg au» feinem Amt« fchetkeu. * Der Kaiser empfing gestern vormittag -en Generalfeld marschall von Hindenburg und hörte -en Generalflabßvorlrag. * Der Reichskanzler Prinz Max von Baden hat gestern dem öster reichisch-ungarischen, dem türkischen und dem spanischen Botschafter einen Besuch obgestaltet. 8KSSSWWWWWMVN»Wck»»SMmsMW WWW8MWS»M«S«WM Kastanien Bon Hertha Reihner. , An einem ber letzten sonnigen Lag« «ar ich in Lützschena. In seidenem Blau spannte sich der Himmel über das Land, «ouwnlos un strahlend. Aber dl« leis« Wehmut des Frühherbstet lag über -en Wiesen und mischte in das fahle Grün der Bäum« «in iraurlges Braun. Noch war der schmale Porte «weg, der vom Dorf zum Brückchen führt, Über- bulcht, «ehrten Blätter dem Licht. Durch goidgrün« Dämmerung schritt ich -um Master. Dl« Steinbilder im Park schienen zu lächeln. Sonnengold umfloß sie und wandelt« ihr starres Trau in welche Linien. Eine Landschaft voll sentimentaler Grazie, die Karl Walsers zürilichr Hand zeichnen könnt« für feingeschliffene und müde Verse. Aber vom Parktor zum Guishaus flammt« bat Gold der alten Kastanienalle«, durchbrachen di« rostleochtenden Baamkupprn wie ein leidenschaftlicher Akkord die gedämpft« Zartheit einer anmutigen Melodie. Ich lieb« die Kastanien. Kein anderer Baum scheint mir so erd stark, schützend und stolz, keiner stehl so wunderbar in ber Landschaft, keines anderen Baumes Blüte ist seiner vergleichbar. Alles an ihm ist Schönheit, Kraft und Harmonie. Sehnsüchtig stand ich am Gitter und blickt« in den rokgoldenen Dom. Am Boden lagen die glänzenden, runden Frücht«, di« aus der hellgrünen Hülle gesprungen waren. Als Kind sammelte ich mit Leiden schaft di« herabgefollenen Kastanien und war traurig, wenn da» tiefe glänzende Braun so bald dahin war, die runden Dinger, dl« sich so schön glatt angefühlt hatten, schrumplig lm Kasten lagen. Das Verlangen durchströmie mich, durch diese Alle« zu schreiten, ganz langsam, genießend, den herben, erdkräftigen Teruch des Laubes, des herbstlichen Bodens einalmend. Losgelöst vom wilden Rhythmus, von der erregenden Atmosphäre der Großstadt, der Still« dieser Erde hingegeben. — Aber das Gitter wehrte. Lange schaute lch in die seltsam feierlich«, langgestreckt« Wölbung der Alle«. Erinnerungen stiegen auf an Bilder, tn denen Kastanien standen. — * Herbst in Weimar! Von ber Kunstschule bis nach Belvedere hinauf läuft di« uralte Kastanienallee. Gibt es irgendwo in Deutschland ein« schöner«? Line, die ihre Schatten über so viel erlesene, seltene Men schen geworfen hat? Ein Sirom von Erinnerungen geht von ihr aus. Im Oktober ist sie wie «in goldenes Band in der Landschaft, von einem schier glühenden Gold. In sanfter Steigung führt der Weg durch den Farbenrausch »mpor. Sann öffnet sich «m Rahmen des Blättergoldes der Blick auf da» Schloß. Das leuchtend« Gelb mit dem kräftigen Grän brr Fensterläden, der architektonische Niwlknius des Baues strahlen noch beut« die kul tivierte Lebensfreude sener Zeit ans, als vor Anna Amaliens großen klugen Auge« sentimentale Schäferfpiel« Im Park aufqeslihrt wurden. O u». Ecker -ie ^«»cken Menschen seltener Listiger Kalt» -rettete« KM KOW» G Gr, Zwelgck - An einem Iunlmorgen trank ich einmal als einziger Gast unter den Lauchstedker Bäumen Kaffe«. Di« anmutig«» Linien der kleinen Pavillons waren von den Zweigen fast verdeckt. Sonnenlicht tanzte in ««lßgolbenen Kringeln üb«r die Lisch« im VläNerspiel -es Morgen windes. Die Vögel jubilierten. Aber Lauchstedt fchUef. Et schläft immer, auch «enn aus d«r kleinen Konzerthage Sonn- kagSmustn schallt und geputzte brave Bürger am Teich promenieren. E- träumt von der Zett, alt elegant« Damen tn Kreuzbänderschuhen und großen Schutenhüten unter den Kastanien empfindsam« Ged'chte lasen und in dem rührenden Minlaturtheater Herrn von Goethrt Stücke bejubelt wurden. Und Ich dachte an meine Kastanie in Straßburg. St« stand meiner Wohnung gegenüber, sensettt der III, Inmitten einet kleinen Platzes, zu dem das Nikolausbrllckchen führte, zwischen spitzgiedligen Patrtzierhausern des 18. Jahrhunderts, deren Dächer nach ber blauen Kette der Vogesen schauten. St, war von wunderbarem Ebenmaß. Ihre kugelförmig», riesige Krone beschirmte «in« Runddank, die in warmen Nächten nie leer war. Jeden Morgen grüßt« mein Blick aus dem Fenster den Baum. In jenem sonderbaren Frühling 1917, der nach endlosen Winterwochen förmlich explodiert», wurde er in zwei Tagen grün. Im März, alt der Schnee noch dle Bank mlt weißem Polster überzog, sang ein« Amsel in seiner Kron«. Ich sah in den kahlen Zweigen den kleinen schwarzen Punkt, der vom Frühling sang, der nicht kommen wollte. Dann er blickte ich den Vogel nicht mehr -> die Kastanie wurde grün. Aber ich körte ihn. Jeden Abend sudelt« er in ihren Zweigen. Und in sein Lieb tönte der ferne, dumpfe Geschützdonner von der Vcrdunsront. — Aut Geras Musikleben. Man schreibt uns au« Gera: Die Fürst- liche Hofkapesi» spielt unter Leitung von Hofkapellmeiister Heinrich Laber tn ihren Abonnemenkskonzerten neben einer Anzahl klastischer Werke u. a. folgend« moderne: Fürst Reuß-Köstrltz: L-Moll-Sinsoni«, Haos: Heiter« Serenade, Psltzner: Vorspiel zum Fest auf Solhaug, Strauß: Tob und Verklärung, Ehrenberg: Frieden, Siegfried Wagner: Vorspiel zu Sonnenflammcn. Klose: Das Leben ein Traum und Melotte: Konzertstück für Bläser, serner zwei Konzerte mit auSschlietzlich Bach- Werken. Auswärtige Konzerte finden statt in Bamberg, Darmstadt, Eisenach» Eschwege, Frankfurt a. M., Greiz, Halberstadt, Hall« a. S., Jena, Kassel, Leipzig (ö), Magdeburg, Mannheim, Marburg, Würz- bürg und Zeitz. Im Musikalischen Verein in Gera spielt di« Hoskapell« unter Laber» Leitung u. a. Bruckner: 8. Sinfonie, Liszt: Faust-Sinfonie, Tschaikowsky 8, Voldach: H-Moll-Stnfoni«, Reger: Romantisch« Suite, H. Wolf: Penthesilea, Klermann: Versunkene Glocke-Suite, Mahler:-I. Sinfonie und Kindertotenlieber. Solist«« sind Frl. Elena Gerhardt, Mllsa R'kisch (Letpzig), Frl. Vokmayer, Frl. Cramer, Hans Lthmann «nd Frau Klara Segnitz (Leipzig). D«s Aland-Museum abgebrannt. Di« Gruppe der Aland-Inseln lst dieser Tage von einem schweren Verlust« betroffen worden: daS Museum von Marie hamn ist durch eine Feuerhrnntt vernichtet worden Di« Sammlung wae zwar nicht besonders umfangreich, aber kuituroeschichtiich doch recht wichtig, »nb zwar fttr Finnland «b SchBskn kz »lotchee Vais«. Rementllch sie da» Van^ bas ,,r»M die Aland Inseln Mlt dem .Lande tm Westen' verknüpfte, enthielt es wertvolle Belege. Anscheinend lst von d«m Bestand« der Sammlung nicht ein einziges Stück gerettet worden. Kunststeu«, tu England. Wie der .Sammler' mittet«, soll in Eng land ad Oktober ein Luxussteuergeseh in Kraft treten, das für Gemälde, Plastik und Antiquitäten «inen Steuersatz von 1ö»S Prozent vorsteht. Die Londoner Sammler und Händler erwarten von diesem Gesetz einen Rückgang des Londoner Kunstmarktes um mindestens 80 Prozent. Hochstift für deutsch« Volksforschuu- zu Gotha. Mit dem neuen Hochst.ft lebt dir .Deutsche N a ti on al da ch e r«l' daselbst, die ieider im Dezember 1917 durch Feuer teilweise zerstört wurde, wieder auf. Daneben wird «in «Deutsches Volkstumsmuseum' errichtet. Bilde sollen alles sammeln und der Nachwelt ausbewahren, tvaS irgendwie zur Erkenntnis des Deutschtums überall und zu allen Zetten, seiner Verbreitung, Kulturarbeit und Lag« dienen kann. Jede Schrift, jede Zeitung, soder Kalender, jeder Veretnsbericht ist will kommen, ebenso Bllber, Photographien (genau beschreib«»!) und Gegenstände aller Art. Sendungen sind zu richten an dos .Hochsttft' zu Gotha. Für den Vorstand: Langhans, v. Gruber, Bauch, Katndl. — Als ordentliche Mitglieder sind weiter in bl« erst, Abteilung des Hoch stiftes ausgenommen worben: Dr. Alfred Ptoetz ln MÜnchenberr- iching und Prof. Dr. Ludwig Plate in Jena, in dl« zweit« Abteilung: Pros. Dr. Dietrich Schäfer in Berlin und Prof. Dr. Freiherr v. Lichtenberg in Gotha, in dl« dritte Abteilung: Prof. Dr. Gustav Kvsslnna ln Berlin und Dr. Richard v. Pfaundler tn Wien. Ehrenpromotion««. Uns wird berichtet: Rektor und Senat der Technischen Hochschule zu Darmstadt haben auf einstimmigen An- trag der Abteilung für Maschinenbau dem Ingenieur Max Oertz in Hamburg ln Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen im Iachtbau und Flugwesen, ferner dem Fabrikbesitzer Willi Schacht in Weimar für hrrvorraaend« wissenschaftlich« Leistungen und befruch tende Arbeiten auf dem Gebiet« de» Papleringenieurwesent die Würde eines Voktor-Ingenieurs ehrenhalber verstehen. * .Die Weltliteratur.' Der aktivste Bundesgenosse aller Bekämpfer der Schundliteratur in jeglicher Form ist .Die Weltliteratur'. Eie bringt seit Jahren nur di« wertvollsten Wirke alter und zeit genössischer Dichter. Jede Woche ein abgeschlossenes Wbrk. Jede Nummer 20 Pf. Was alle theoretischen Versuche dankenswert erstrebten, ver- wirklicht «Die Weltliteratur' durch dl« Tat. Ihr lst das Beste für d>« Niafsen des Volkes gerade gut genug, darum ist sie «in wortloser, aber offener Feind des üblichen Famillendiatirvmans und der selchten Ünteo- haltungslektüre. «Die Weltliteratur' bracht« aus dem unendlich reichen Schatz aller Völker schon so viel der besten Roman« und Novellen, bah selbst nur «in« Litelaufzählung zu viel Platz erfordern würde. Wir be schränken uns darauf Hinzuwelsen, daß di« neueste Nummer der «Well- llterakur" dem größten deutschen Humoristen Wilhelm Bul'ch ge widmet wird. Mit einer biographischen Ein'eltunq und dem Porträt W. Buschs (aus dem Jahre 19V4 stammend) werden vier vollständige Werke, und zwar «Der Zylinder', .Fr'tz«', .Vierhändig' und .Ein« kalt« Geschichte' gebracht. Für 20 Pf. ein« Wilhclm-Busch-Ausgabe, die sich in Satz und Bild genau an die Originalausgabe hält, das lst die neueste Gabe, di, der Verla, lvi« Vettitterettn', München Äl«, seine» Scher» FrWNcke« DeM-EO beschert,