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809 Aauplschristtelker: Dr. Everth, Leipzig SvNNabLNd, den 5. Verlag: Dr. Reinhold L Eo., Leipzig 1918 Der Friedensvorschlag an Wilson Der deutsche Heeresbericht (Amtlich.) Grotze- Hauptquartler, 5. Oktober. Westlicher Nrtegsichauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht In Flandern wurden erneute Angriffe de- Feindes gegen google de und Roeselaere abgewiesen. Gegen unsere eeucn Linien östlich von Armentieres ist der Feind über Vois — Grenier — Fournes — Wingles und über die Bahn dicht östlich Lens gefolgt- Dor Lambrai zeitweilig Auflebend« Arlillerielätigkeit. Heeresgruppe Boehn Der Engländer setzte beiderseits von Le Lakelet seine starken Angriffe fort. Er nahm Le Latelet. Die Höhen nördlich und östlich der Stadt wurden gehalten. Der in Beau- revoir eindringende Feind wurde im Gegenstoß wieder ge worfen. Nördlich von St. Quentin griff der Franzose zwilchen Sequehart und Morcourtan. In LeSdinS und Morcoort fassten sie Fuß. Lesdins nahmen wir wieder. Au der übrigen Front und südlich von St. Quentin scheiterten die feindlichen Angriffe vor unseren Linien. z Heeresgruppe Deutscher Kronprinz u n d G a l l w i h. Franzosen und Italiener griffen erneut in Teilvorstöhen und in einheitlich geführtem Angriff unsere Stellungen auf dem Rücken und an den Hängen des Lhemin des Dames zwischen Ailetke und der Aisne an. Schleswig-Holsteinische und würtlembergische Regimenter brachten die Angriffe zum Scheitern. An der Alsne und Kanalfront sehr rege Er- kundungstätigkeit. Oestlich vonReims haben wir in vorletzter Nacht unsere vorder« Stellung zwischen Prunay und St. Marl e-*-P y vom Feinde unbemerkt geräumt, vnd rilck- wärtige Linien bezogen. Der Feind ist gestern über Prunn y— Dontrien —St. Souplet gefolgt. Auf dem Schlachtfelde in der Champagne nahmen wir im Gegenangriff die noch im Besitz des Feindes ver btiebenen Teile des Höhenzugrs nordwestlich von Somme-Py wieder. Nach stärkster Feuervordereitung griff der Feind beiderseits der von Somme-Py nach Norden führenden Straße in breiter Front an. Unter schweren Verlusten sür -en Feind sind feine Angriffe gescheitert. Brandenburger und Schleswig-Holsteiner, Gardefüsiliere, Pommern, bayerische und rheinische Regimenter zeichneten sich bei Abwehr des Feindes besonders aus. Beiderseits der Alsn« Artilleriekampf ohne Infanterie tätigkeit. Zwischen den Argonnen und der Maas hat der Amerikaner gestern erfolglos angegriffen. In den Ar ¬ gonnen und am Ostrande des Waldes schlug württem- bergische Landwehr seinen mehrfachen Ansturm ab. Oestlich der Aire flieh er bis in die Höhe von Exermont vor. Der Ort selbst, der vorübergehend ve lore» war, wurde wiedergcnommen. Beiderseits von Geh nes wiesen badische, elsah-lothringifche und westfälische Regimenter jeden Ansturm vor ihren Stellungen ab. Besonders schwer waren die amerikanischen Angriffe, die sich beiderseits der Strahe Monfaucon — Bantheville gegen das Waldgelände südlich von Lunel richteten. Wo der Feind vorübergehend in unsere Linien eindrang, warf ihn sofortiger Gegenstoß wieder zurück. Das Infan terie-Regiment 458 zeichnete sich hierbei besonders aus. Auch auf dem äußersten linken Flügel des Angriffsfeldes haben bayerische Rejerveregimenter ihre Stellungen voll behauptet. Der Kräfleeinsatz des Amerikaners bei feinen gestrigen Angriffen an Panzerwagen, Infanterie und Artillerie war außerordentlich stark. Seine blutigen Verluste waren außergewöhnlich hoch. Bei Abwehr feindlicher Panzerwagen zeichneten sich be sonders aus: In Flandern: Leutnant Becker vom Feld-Art.-Regk. 16, die 3. Batterie vom Sächf. Foß-Art.-Regt. 19 unter Leutnant Postrenecki, Feldwebel Witt der 2. Batterie vom Fuh-Art.- Batl. 127, Oberleutnant von Glas und Leutnant Encker -er S. Batterie bayer. Feld-Art.-Regls. 8. In der Champagne und an der Maas: Leutnants Niklassen und Stehlia vom 4. Garde-Feld-Art.-Regt., Leut nant Schäfer vom Feld-Art.-Regt. 194, Unteroffizier RackowSki von -er Mlnenweeferkompanie 173, Leutnant Grothe vom Feld-Art.-Regk. 22S. Wir schossen in den beiden letzten Tagen 65 feindliche Flugzeuge ab. Leutnant Bäumer errang seinen 40. und 41. Lujtsieg. Der Erste Generatquartiermeifier. Ludendorff. (W. T.-B.) te Tat allein Beweist der Liebe Rrafr. Du liebst Dein Land / Handle. Bring'ihm Dein Gelb! Darum zeichne! Nurian nimmtWilsonsBedingungenan Wien, 5. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Die Friede,lsnote des Grafen Burma wird heute veröffentlicht wer den. Es wird in ihr ausgesprochen werden, dah sämtliche Bedingungen Wilsons zur Annahme gelangen. G G B « rlln, 5. Oktober. (Drahlberlcht unserer Ber liner Schriflleitung) Von der heutigen AelchSlagtsihung meint die «Tagt. Rundschau' grollend, daß in ihr Mitteilung von einem neuen Friedensangebot an Wilson gemacht werden würde. Dabei würden wir anbieten: Wiederherstellung Belgiens mit Ent schädigung, Autonomie Elsah-Lothringcns und Volksabstimmung in den Randliaoien, Eintritt in den Völkerbund. Auch wir glauben, daß die Mitteilungen im Reichstag« sich in dieser Richtung bewegen werden. Vielleicht ist ein Friedensangebot oder besser eia Gesuch um Ver mittlung, das diesen Vorschlag ealhält, bereits an Wilson ergangen. Aber es scheint uns einigermaßen unvorsichtig von der «Tägl. Rundschau', die Dinge in dieser verschärften Gestalt aufzumachen, als ob das Friedens angebot eine Folge der pazifistischen Strömungen sei, di« angeblich die ReichslagSmchrhcit durchziehe. Unvorsichtig schon um deswillen, weil man nun noch vielleicht veranlaßen könnte, einmal zu untersuchen, wem wer es zu verdanken haben, daß die Situation so wurde, wie sie non leider ist. In welcher Richtung sich die heutigen Mitteilungen des Reichskanzlers bewegen werden, kann man deutlich aus der Art ent nehmen, wie die .Germania' und der .Vorwärts' sich zu de» fünf Punkten in der Wilsonschea Rede vom 27. September äußern, die erst seht unserer Kenntnis unterbreitet wird. Der .Vorwärts' meint von der Wilsonschea Rede als Grundlage für Verhandlungen: ..Es kann rein Zweifel darüber bestehen, dah sie rundweg anzunehmen find ' * Genf, 5: Oktober. (Eigener Drahtbericht.) ..Echo de Paris' meldet: Zar Beschlußfassung über -enAntrageiner neutralen Macht ist das Ministerium unter Dorfitz Llemen- reaus Freitag früh zu einer Sondersitzung zusammengetreten, di« bis Mitzag nicht beendet war. Frankreich wird feine Entschlüsse in llebereinstimmung mit seinen Alliierten fasten. .Journal du Peuvle' meldet: .Die Alliierten debattieren von neuem über den Frieden. Bevor nicht die mit Spannung erwarteten Friedens bedingungen der neuen parlamentarischen Regierung Deutschlands versiegen, ist mit endgültigen Beschlüsten nicht zu rechnen.' Der holländische Friedensschritt in London Bafel, k Oktober. (Elg. Drahtbericht.) Rach einer Dmesmeldung vom Freitag wurde die -allän-lfch, Etnla- dungsnote an die Kriegführenden zu Besprechungen im Haag dem Premierminister Lloyd George von dem holländischen Gesandten übergeben. Unmittelbar darauf wurde ein Kablnettsrat einde- rufen. ,D al y New s' schreiben: Die Rote Englands an Oesterreich- Ungarn, die Einladung Hollands an die Kricsührenden und voraussichtlich auch di« bevorstehende Programmrede des neuen deutschen Reichs kanzlers seien Friedensmomente von hervorragender Bedeutung. O Genf, 5. Oktober. (E i g. D r a h tb e r i ch t.) Am letzten Freitag früh dringen die Londoner Zeitungen noch nicht den Text der Antwortnote Englands an Oesterreich-Ungarn. Nur die «M o r - nlng Post' enthält eine kurze Notiz, wonach der Inhalt der Note die Wahrscheinlichkeit weiterer Besprechungen als Hoff nung zuläht, ohne dah die groß angelegten militärischen Enlscheidungs- operaktonen der Alliierten unterbrochen würden. Die .Westminster Gazette' schreibt: Die Friedensnote Oesterreichs und der Schritt eines neutralen Staates sind von dein gleichen Wunsche beseelt, der Well überflüssige Leiden zu ersparen. Die nächsten vier Wochen bringen militärisch und politisch die Anbahnung der Ent scheidung oder der Verständigung. Rußland gegen die Türkei Eine Note an die deutsche Regierung G Berlin, 5. Oktober. (Drahtbericht unserer Berliner Sch r 1 ftleitung.) Rußlandhat den mit der Türkei in Brest-Litowsk abgeschlossenen Friedensvertrag für null und nichtig erklärt. Rußland begründet die sen Schritt mit den Grausamkeiten, die von den Türken gegen die Bevölkerung der von Rußland abgelrcnnten Provinzen be- gangen worden seien. Außerdem hätte die Türkei trotz der Un terzeichnung des FrieLensvertrages die Feindseligkeiten wieder ausgenommen und hätte sogar eine Expedition gegen Baku, eine der bedeutendsten Städte der russischen Republik, veranlaßt. In. folgedeffen stellt die Regierung der russisch-föderativen Republik fest, dah infolge der Handlungen der otlomanischen Regierung der Vertrag von Brest-Litowsk null und nichtig ist. Rußland befindet sich also wieder im Kriegszustand mit der Türkei. Gleichzeitig ist unter dem 2. Oktober eine Note Rußlands an die deutsche Regierung abgegangen, in der u. a. ge sagt wird: .Im Augenblick der schicksalsschweren Krise des deutschen Imperialismus sagen die russischen Volksmassen zu ihm: Gieb wieder, was du genommen l-ost!' Rußland zeige schweigend feine Wanden und nehme an, daß der erst« Schritt, der für die Deutsche» selbst vorteilhaft zvärc. von ib« selbst aas unternomm« astrd. Nichtungspunkt: der Friede k. kt. Die Bedeutung der neuen Ernennungen — SolsS und ErzbcrgerS — liegt vor allein und zunächst darin, daß die Regie rung nnmer «homogener', immer gleichartiger und einheitlicher wird. ES handelt sich um zwei besonders bezeichnende Namen und um ein politisch vornehmlich wichtiges Amt. Herr von Hintze, der sich äußerpolitisch der Regierungs-Mehrheit anpassen wollte und innerpoUtisch schon im Großen Hauplguartier sür die Parlamcn- larisierung cingetreten war, hatte doch im Auslande nicht den be sonderen Ruf gehabt, den der bisherige KolonialstaalSsckretär sich durch seine ganze Haltung während des Krieges, namentlich durch vielbeachtete Kriegsreden erworben hat. Wird nun gleich in den ersten Tagen der neuen Regierung ein Versuch unternommen, zum Frieden zu kommen — wahrscheinlich schon heute nachmittag in der Antrittsrede deä Reichskanzlers —, so mußten vorher die Be dingungen für das Gelingen wenigstens io günstig wie möglich ge staltet werden. Deshalb durste die Besetzung gerade des Aus wärtigen Amtes nicht länger Zweifelhast bleiben, während die Ent scheidung über andere Posten noch Zeit hat. In diesem Sinne be grüßen wir die Ernennung des Herrn Dr. Sols, ohne im übrigen seine diplomatische Ucberlegenheit über Herrn v. Hintze behaupten zu wollen. Aber er genießt auch in der großen Masse deS eigenen Volkes mehr Zutrauen als sein Vorgänger, der es sich vielleicht ebenfalls erworben hätte, bisher aber nicht besaß. Herr v. Hintze hat nicht viel Zeit gehabt, an der leitenden Stelle seine Gaben zu zeigen. Die eine Rede, die er kürzlich im HauptauSschusse neben Hertlings Auslassungen gehalten hat, blieb gänzlich in den alten. nichtSalsdiplomatischen Methoden des NichtssagenS und Ver tuschens stecken. Vielleicht schreckten ihn die Souren deS Herrn von Kühlmann, der in einer militärisch sehr viel günstigeren Lage den Mut besessen hatte zu sagen, was er meinte und — was er als Staatssekretär des Aeußeren litt. Kühlmann hatte noch gegen die Auffassung anzukämpfen, als könne der Krieg allein durch die Waffen zu einem glücklichen Ende geführt werden, und er hatte außerdem nicht die Möglichkeit, sich politisch so frei zu bewegen, wie Herr von Hintze in der gänzlich gewandelten militärischen Lage und bei der allgemein veränderten Auffassung von unseren Friedenszielen es gekonnt hätte. Man mag nach jener einen Rede, worin Herr v. Hintze versagte, nicht schließen, er habe sich gänzlich ungeeignet erwiesen, allein es läßt sich auch nicht be haupten, daß man in ihm den augenblicklich fähigsten deutschen Diplomaten habe gehen lassen. Davon hat er nicht zu überzeugen vermocht. Herr Erzberger, der zweite der gestern neu ernannten Männer, ist der bekannteste Gegner des uneingeschränkten U-Bootkrieges gewesen, und es ist ihm, bei aller Abneigung, die gegen ihn besteht, zuzubllligen, daß er leider im Wesentlichen recht behalten hat. Unsere U-Boote haben trotz ihrer gewaltigen Lei stungen — die man völlig erst dann wird würdigen können, wenn man allgemein weiß, wie hoch die Engländer die Technik ihrer Ab wehrmittel gesteigert haben —, England eben nicht zum Frieden gezwungen, bevor die amerikanische Hilfe so weit vorbereitet war, daß sie in Europa wirksam werden konnte; und die U-Boote ver mochten auch die Amerikaner weder an ihren Truppentransporten noch an Sendungen von Munition und Kriegsgerät zu hindern. In der Entscheidung, die im Februau 1917 für den rücksichtslosen U-Bootkrleg fiel, steckt der großen Rechenfehler, der verhängnisvoll geworden ist. Hier liegt eigentlich der Angelpunkt deS militärischen Umschlages vom Herbst 1918. Erzberger nun hat auf die Wclttonnage als auf die notwendige Grundlage unserer Berechnungen hingcwiesen schon zu einer Zeil, als die Marlnever- roaltung noch nicht so weit war, sondern nur mit der damals feind lichen Tonnage rechnete. Wenn das ReichSmarineamt jetzt eben- falls längst auf jenem Standpunkt anoelcngt ist, so ist es dabei in Erzbergers Spuren gewandelt. Es nützt nichts, so peinliche Tat sachen zu leugnen. Herr von Capelle hat ja denn auch, noch ganz unabhängig von der jetzigen Regierungskrise, die Konsequenzen aus dieser (und auch noch aus anderen) Tatsachen ziehen müssen.— Erzberger hat sich weiterhin in ^en letzten Tagen durch sein Buch über den Völkerbund — es mag nun gut oder schlecht sein — der großen Öffentlichkeit mit einer höchst zeitgemäßen Parole ein geprägt: Vom Völkerbund handelt, so viel man weiß, ein wichtiger Teil des neuen Friedensprogramms der Regierungsmehrheit und dementsprechend auch des Reichskanzlers. Und über den Völker bund hat soeben wieder Wilson anläßlich seiner 4. Kriegsanleihe eine Rede gehalten, deren ausführlichen Text wir in einem Teil der Auflage in der Morgenuummer gebracht haben und im übrigen Teil in dieser Nummer geben. Nunmehr sind also wirklich die zwei von vielen Volksgenossen bestgehaßten Männer, Schcidemann und Erzberger, Mitglieder der neuen Negierung, und manchem fällt es «zweifellos bei bestem Willen und aus ehrlicher Ucberzeugung nickt leicht, sich gerade mit dieser Tatsache abzufinden. Vielleicht Kanu, was Herrn Erzberger anlangt, wenigstens in Sachsen die Erwägung helfen, ob dieser Abgeordnete nicht vielleicht von Dresdner Zentrumskreisen vor allem aus dem Grunde soviel angcseindet wurde, weil er zum litauischen Thron einem anderen Kandidaten die Wege zu ebnen suchte als sie selber. Es war doch zum guten Teile die Kandidatur Urach, die dem Manne so üble Nachrede zuzog, daß der guis Bürger schließlich gruselnd die gefährlichsten und verwarf n' 'n Dinge von ihm glaubte. Dieses Gift wird sich um so schneller ver dünnen, ie mehr Wasser in den Wein der sächsischen Begeisterung für Litauen gegoßen wird. Die nalionalliberale Neichstagsfraktion hat selbstverständlich der Eintritt Erzbergcrs ebensowenig wie der Echeidemannt abgehallen, ihre Teilnahme an die Regierung zu beschließen. Et liegt «ine parteiamtliche Erklärung vor, die den mannigfachen Zweifeln und Scbwankunaen der letzten Tas« rin erfreuliches End«