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-lummer 8. Sächsisch« Volkszeitung Nr. 8. — 10. 1. 37. Bevölke» 'ZU M sio niraei Erschöpf, dort den Geschöplei und unmittelbar. Vorarbeit geleistet, Behörden gerecht zu M- 4 Die «rille. „Also die Brill«, die ich Ihnen verschrieben habe, ist nicht die richtige? Sie sehen immer noch die schwarzen Flecke?" „Ja, aber ich muh sagen, daß ich die Flecke mit der Brille deutlicher sehe!" Billige Fahrten. Die Direktion der Neuyorker Untergrundbahn sah sich neu lich genötigt, mit einer Altmetallsirma einen Beitrag zu schließen. Es handelte sich darum, zwei Tonnen falscher Zehn» Lentstlicke zum Einschmelzen zu verkaufen. Telephongespriiche. „Hat jemand nach mir gerufen, Marie? fragt die sechzehn jährige Tochter des Hauses. „Ja, der Herr, der immer „falsch verbunden" sagt, wenn Cie nicht selbst am Telephon sind!" ist die An-twort der Köchin. * Der Bewerber. „Ich habe die Absicht, mich mit einem Ihrer Mädel zu verheiraten, Herr Direktor! Haben Sie etwas dagegen?" „Ganz und gar nicht! Welche ist es denn — die Köchin oder das Stubenmädchen?" (Uusnaordlactet) loäliclie 6ei8terer8ckeinun8 Hadschi Mehmed war ein eifriger Nachtwächter auf dem Gehöft des Bey Abidin in Bümrülii in der Türkei. Unermüdlich UNsschrltt er Nacht für Nacht den Hof und die Stallungen, auf daß kein Einbruch oder Diebstahl geschehe. Mehmed war kein furchtsamer Mann. Das bewies er vor einigen Tagen, als ihm de» Nacht» zwei Geistergestalten erschienen. Er schrie nicht, lief auch nicht davon, sondern kurz entschlossen richtete er sein Schieß, gewehr nicht eben allerneuesten Datums auf die weißgekleideten Gestalten und begann eifrig draufloszuschieben. Die Gespenster verschwanden auch sogleich, dafür erschien aber die halbe Be wohnerschaft des Dorfes, die durch die Gewehrschüsse ausgewacht war. Die Gemeinderäte, ja selbst der Herr Ortsvorsteher kamen, mangelhast bekleidet, aber um so aufgeregter angelaufen. Und nun erzählte Mehmed zitternd und bebend von den beiden Geistern, di« ihn erschreckt hatten. Kaum hatte er kurz sein Erlebnis berichtet, als er leblos zu Boden stürzte. Am nächsten Tage kam schon eine Polizeikommission, die festftellt«, das, der Nachtwächter gestorben war, und zwar, wie die Ob» duktion ergab, infolge des ausgestandenen Schreckens. Jetzt sucht die Polizei nach den beiden „Geistern" bzw. nach den beiden Männern, die sich osfensichtlich einen schlechten Scherz mit dem Nachtwächter erlauben wollten. Vs8 Reckt Lur Otirlei^e Zwei Zigeunersrauen. Etel Kolompar und Julia Orban, wurden vor dem Budapester Strafgericht wegen zahl reicher Diebstähle zur Verantwortung gezogen. Selbstverständ lich logen die beiden Zigeunerinnen das Blaue vom Himmel herunter, um ihre Unschuld zu beweisen. Besonders in dem Budapester Vorort Rakoßzentmihaly sollen sie viel gestohlen haben, doch behaupteten die beiden, sie hätten sich zu der Zeit, als die Diebstähle verübt worden seien, gar nicht in Rakoßzent- mihaly befunden. Doch der Richter vernahm als Zeugen auch den Mann der Etel Kolompar, der, da er ja aus den Gang des Gerichtes gewartet hatte und daher nicht wutzte, was seine Frau ausgesagt hatte, erklärte, er hab.e mit seiner Frau mehrere Monate in Rakotzzentmihaly gewohnt, gerade zur Zeit, als dort so viel Diebstähle verübt wurden. Der Vorsitzende vertagte hieraus die Sitzung, um neue Zeugen zu bestellen. Als nun der Gefangcnenwärter Etel aus dem Saale führte, gelang es ihr, in die Nähe ihres Mannes zu kommen, dem sie zwei sä-allende Ohrseigen versetzte. Der Richter ries hierauf di« rauflustige Zigeunerin sofort zurück und verdonnerte sie wegen ungebührlichen Betragens augenblicklich zu drei Tagen Dunkelhaft. Empört richtete sich die Zigeunerin auf: „Warum bestrafen Sie mich, das ist doch mein Mann, den werde ich doch noch ohrfeigen dürfen!" Leider ging der Richter auf diese sonderbare Auffassung vom Eherccht nicht ein, so das, die Zi geunerin jetzt in der Dunkelhaft darüber nachdenken kann, ob cs ihr gestattet ist, ihren Mann zu verprügeln, „weil er ihr Mann ist", oder nicht. Vie xsekeime Im zaristischen Rutzland war die revolutionäre Bewegung immer stärker geworden, und man hatte sich endlich entschlietzcn müssen, das parlamentarische System einzusühren. Es wurden Wahlen ausgeschrieben, überall, auch im „Königreich Polen" schritt man zur Urne. Die Wahl war, so wurde der rung klargemacht, geheim, direkt DI« Wahlleiter hatten gute Anforderungen ihrer vorgesetzten ,.Ru> Peter schienen« lag Her Gemein! Wir gel gespräch gene Sp ser Par des Esse So mutz eurem Herzen eine Anbetung aus ihm ströu etwas Fromm reitschast für Herrn und Gr erst recht der anders. Bevo Namen für if das; er doch s« zen göttlichen Religion, wie Wesen. Nicht wa gesagt habe? Wirklichkeit n alle Geschöpfe, gehen alle St Geschöpfe kam Wüste zur abc Wesen, alle Fi dort, wo ihr eurem gottini sülltesten Stui liaion etwas fern vom Leb« drin seid ihr Dinaen as<-, bi< sie an sieb her Streiken dräng zu stehen mein weil kein wer den Gatt hin spri< dort lauschen holten sie still, lclum. Aber ihr Freunde, ich s nicht so gut, > allenthalben d mehr fromme zu zweifeln, d sind, daran f Freunde, das migkeit. die , Kleinlichen de an ihrer Nein Menschen? Selbstbetrügcr durch die äutz zu dürfen um ja viel lcichtei den Menschen, das Wellen bc sein, auch die und Freund l allzu gut. mei eine ganz un ..Feder Meirich irgendwo eine eine Feigheit, darum nicht Z! ihr Geduld ha siickmngen zu wird acwitz et Mei'sckren. die Religion nicht- henecken Hins aus ihrer Rcl dnstrie machen Es gibt in d« Spur von Wal richtigkcit selb migkeit auch r zu leisten glar urteilt nicht a losen, der Uns der engen Nei mallen auch ni so weniger wi Gottes Angesi« Meine F Ken, das; ihr der doch der r> Vater allezeit, kam vom Vat gesandt werde ganze Sinn se men und so Z Doch seht, am eine sichtbare Metzen lassen, seine Liebe tr> wie bekleidet lredürfen. Un! den auch wied wohnen, die b und betreuen es auch um d sammlungen, gibt, ein heilig lind das Aust Gruppe zur a das schrecklich, das Ausschreib stunden wird cs mutz wahr Amt machen, in eurem Sin lichen Betrieb Seht ihr, so wie Gott is Er zieht eure zu einem wm als zivlsck-en i! Darüber lackt man E« teschwert sich. MIill«r bekam au» versehen zwei Mark zuviel bei der Lohn» aurzahlung. Schmunzelnd steckte er das Geld ein. Beim näch sten Zahkungstag geschah e» jedoch, daß man ihm zwei Mark zu «enig gab. Da sing er an, sich mächtig zu beschweren. Die Sache wurde untersucht, und man entdeckt« dabet auch den ersten Fehler. „Na, hören Sie mal", sagt« d«r Kassierer, „warum haben Si« denn in der vorigen Woche nicht protestiert?" „Das will ich Ihnen erklären", sagte Müller, „wenn ein mal ein Fehler gemacht wird, sage ich nichts, aber wenn sich solch« Nachlässigkeit wiederholt . , ." (Berltngske Tidende.) / Seite 10 Diese falschen Münzen hatten sich innerhalb einer Woche i*l den automatischen Schaltern der Neuyorker Untergrundbahn» ftationen angesammelt ... de-m Titel Kommerzienrat, den er mit dem gleichen Er folge unterrichtete. Der Großkaufmann war darob so dankbar, daß er den jungen Lehrer nicht nur reichlich be zahlte, sondern auch neu einkleidete und bat, ihn und seinen Sohn auf Ferienreisen zu begleiten. Willi machte seine erste Reise nach Frankreich und im nächsten Jahre nach England. Wie ein Dürstender sog er die Umgangssprache der fremden Volker ein. Der Kommerzienrat wurde sein Beschützer. Er nahm ihn mit zu den klassischen Schauspielen, namentlich zu denen, die in der Schule besprochen wurden. Willi wurde feinhörig für die Bühnensprache. Mslang hatte er mehr den Dialekt seiner Familie und der Gasse gesprochen. Seine Aufsätze bekamen Stil. Seine Ausdrucks weise wurde freier. Friiher hatte er oft Hemmungen. Er konnte nicht glauben, daß ihm jemand ruhig zuhörte. Darum überhastete er sick und kam schließ lich ins Stottern. Sonst kroch er gleich ins Mauseloch, wenn ihm jemand widersprach. Jetzt verteidigte er geschickt seine Meinung und belegte sie mit schlagenden Beweisen aus der Lektüre. Sein Auge wurde ruhig, seine Haltung aufrecht, sein Gang sicher. Das Lehrerkollegium stand vor einem Rätsel, da MM nichts von seinem Werdegang verriet. Wie bei einem Nennen lief dieses hoffnungslose Pferd mit einem Male vor und schlug alle, die ihm einst weit voraus waren. Beim Abitur war Willi Käsehage der reifste von allen Schülern an Kenntnissen und Charakter. Er hatte eine doppelte Schule absolviert: die Schule des Lernens und die Schule des Leidens. von ihm auch noch besondere Anerkennung verlangt wird dafür, daß ein „verhältnismäßig billiges" Klei- gewählt wurde ... Die letzten Tage vor dem Batt bringt der Aermste meist außer dem Hause zu. Er schützt dringende Bespre chungen, wichtige Sitzungen vor und ergibt sich dem Al kohol. Denn zu Hause ist nur noch von dem Ball die Rede. Sämtliche weiblichen Mitglieder des Haushalts bis zum Dienstmädchen — das doch gar nicht mitgcht! — sind vollkommen aus dem Häuschen. Eine Probesendung von Höllenqualen bedeutet der Nachmittag vor dem Fest. Die Damen kommen eine Stunde später als erwartet nach Hause — die Frisöse hatte so—o viel zu tun? Inzwischen wartet schon d e Schneiderin. Mit 100 Metern Fitz werden die Kleider e n letztes Mal geändert. Der Gatte inzwischen preßt sich n sein krachendes Frackhemd und versucht unter tausend Segenswünschen seine längst solcher Arbeit entwöhnten Finger am Binden der weißen Schleife. Die bestellte Kraftdroschke kommt fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit. Noch ist kein Mensch fertig, man darf für eine Viertelstunde das Wartegeld bezahlen. Und das Bezahlen höret nimmer auf, sobald man die lichterfüllten Räume des Balls betreten hat. Garde robe und Programm verschlingen kleine Silbermünzen. Eine Mark entzieht man Dir als „Kostüm-Ablösung". Der bestellte Tisch steht in einer Ecke, wo man nichts si^st. Der Wein ist sauer und sagenhaft teuer . . . Und dann darfst Du zusehen, wie die Damen mit Dir gänzlich unbekannten Herren tanzen. Du indessen sitzt da, smiast an Deiner Zigarre und langweilst Dich schrecklich. Die ganze Leere und Langeweile des Welt» alls stürzt in diesen „Stunden des Frohsinns" über Dei nem Haupte zusammen. Es gibt weise Familienväter, die sich zum Ball ein Geduldsspiel mitnehmen, um die tote Zeit ein wenig zu verkürzen . . . Noch viel schlimmer aber, wenn niemand mit Dei nen Damen tanzen will! Dann lassen sie ihre Berstim- mung an Dir aus. Du bist überhaupt an allem schuld, was an diesem Abend schief geht. Ein dutzendmal min destens bekommst Du zu hören: „Da sieht man, was ich für einen Mann habe!" Mit ausgebluteter Brieftasche, einer leichten Magen verstimmung und einer schweren Müdigkeit trittst Du schließlich den Nachhauseweg an. Um, wenn alles gut ge gangen ist, von Deiner teuren Gattin, Tochter oder Braut die Frage zu vernehmen: „War es nicht himmlisch?" Aber Gott sei Dank ist dies nur eine „rhetorische" Frage: eine Frage also, auf die eine Antwort nicht er» ivartet wird. Der Ball — wie wir ihn alle erleben: Dennoch wird auch der ältere und abgeklärte Mit mensch, dem der Walzerschwung jugendlicher Tage eini germaßen fernliegt, den Ball nicht verachten. Ist doch der Ball ein großartiges und nachdenkliches, aber auch ein ermunterndes und ermutigendes Sinnbild des Lebens. Wir glauben zu tanzen, ivas wir lustig sind, aber cs sind immer andere, die uns den Takt vorschreiben, die uns zum Tanze aufsviclen. Wir drehen uns und schreiten, wir kommen in Schwung lind schließlich in Schweiß — und kehren doch immer wieder an denselben Platz zu rück. Wir jubilieren und tanzen im Licht — am Ende aber werden die Lampen ausgedreht un- wir müssen uns zur Ruhe legen... Das Leben ein Ball! Ein Ball trotz all seinem Kampf und Streit. Ja, gerade deshalb! „Will der Herr Graf ein Tänzelein ivagen, Mag er es sagen, Ich spiel' ihm aus!" singt Figaro in Mozarts unsterblicher Oper. Kampf und Streit des Lebens hat doch etwas Erhebendes, Begeisterndes, Hinreißendes wie ein feuriger Tanz. Und wenn die Dichter vom „blutigen Kriegestanze" sprechen, rühren sie an ein uralt heiliges Sinnbild. Bannen doch schon die primitiven Völker in das Bild des Tanzes das tiefste Erleben: Krieg und Sieg, Liebe un- Tod. „Loin du bal" — fern vom Ball mag sich mancher träumen, mag in die Einsamkeit einer Geleyrtenstube oder ein weltfernes Waldtal flüchten. Er bleibt doch mit ten drin im Tanz des Lebens, der ihn erst sreigibt, wenn der Tanz der Blutkörperchen in seinen Mern zur Ruhe gekommen ist. Fern vom Ball dieses Lebens ist keiner. Auch der Einsame nicht... Das kann als nie-erdrückend empfunden werden, und ist doch etwas sehr tröstliches. Jeder ist geladen zum großen Feste des Lebens. Und wenn er die Spielregeln beachtet, wenn er den Rahmen der Kleiderordnung und die rechten Tanzschritte einhält, dann ist es gar nicht so schwer für ihn, sich zurechtzu finden . . . Wieder spielt die Musik zu fröhlichen Bällen aus. Wer in jugendlichem Ueberschwang sich noch in Batt seligkeit begeistern kann, dem wollen wir das gerne gönnen. Die andern aber sollen sich nicht in Äerger oder gar Verachtung beim Anblick des bunten Treibens in den festlicken Sälen abwenden. Sie mögen des großen Sinnbilds gedenken, das in allen seinen Gestalten Achtung verdient, und sich freuen, daß sie noch teilnehmen dürfen an dem großen Ball, der Leben heißt. der Fabrikarbeiterin bei der Aufnahmeprüfung durch fallen zu lassen, was er leicht hätte tun können, da Käsehage kaum genügende Kenntnisse aufwies. Nun war es zu spät. Nun konnte man den Burschen nicht los wer den, zumal sein sittliches Betragen ohne Tadel war. Willi war ein frommer, unverdorbener Junge. Trotzdem er keine gute Behandlung von den Lehrern erfuhr, war er ihnen aufs Wort gehorsam, schon weil er vor ihnen herzklopfenden Respekt hatte. Da kam über Nacht eine seltsame Wandlung' in sein Leben. Er hatte gehört, daß manche Schüler Nach hilfestunde gaben. Jetzt war er in Obersekunoa. Könnte er nicht einem Sextaner Nachhilfestunden erteilen? Er annoncierte mit Wissen seines Onkels in der Zeitung und hatte Glück, weil er nur 50 Pfennig für die Stunde ver langte. Das erste verdiente Geld! Was sollte er damit an fangen? Er sann hin und her und entschloß sich für Bücher. Vorläufig ohne innere Teilnahme. Er hatte bei einem Professor, für den er einen Weg besorgen mutzte, eine Bibliothek gesehen. Das stach ihm in die Augen. Mählich aber gewann er Interesse an seinen Büchern, las und kam nicht davon los. Zuerst waren es GeschichtenbUcher. Dann blitzte ihm der Gedanke durch den Kopf, er sollte sich auch gelehrte Bücher anschaffen. Seine Einkäufe machte er in einem Antiquariat, dessen Inhaber Switbert Niemann in einer engen Seitenstraße hauste. Niemann, Odysseus genannt, hatte einen kleinen Laden, der bis an die Decke mit Schmökern vollgestopft war. In dem Laden roch es nach alten Büchern, Staub und — Sauerkraut, dem Lieblingsessen des Odysseus, der ein Junggeselle war und sich in dem anstoßenden Zimmer sein Mittagessen selber kochte. Willi faßte Zuneigung zu diesem Sonderling, der ihn Immer mit -Handschlag begrüßte und in ihm einen treuen Kunden sah. Er durfte in dem Bücherladen nach Herzenslust kramen. Da stieß Willi Käsehage eines Tages mif eine Abteilung, die eine Sammlung von Lehrer kommentaren für griechische, lateinische und deutsche Klassiker enthielt. Diese Ausgaben durften nur an Lehrer abgegeben werden. Aber das wutzte Willi nicht. Er wußte, daß es Schülern streng verboten war, Uebersetzungen — Esels brücken — zu benutzen und daran hielt er sich. Odysseus kümmerte sich nicht um solche Verbote. Geschäft ist Ge schäft. Er verkaufte alle Bücher, die verlangt wurden. Jetzt ging für Willi eine Tür auf. Staunend stellte er fest, daß seine Professoren dieselben Bücher benutzten. Früher hatte er geglaubt, daß die Lehrer ihre Weisheit wie Spinnen aus sich hervorbrächten. Doch nein, hier stand es ja in seinen Büchern. Willi wußte oft im vor aus, was in der nächsten Stunde der Professor sagen würde. Der unterdrückte Schüler begann, Selbstvertrauen zu fassen. Er lernte lieber und leichter, zumal seine Mitschüler anfingcn, ihn zu schätzen und ihn um Rat zu fragen. Von nun an verwandte er jede freie Stunde, um zu arbeiten. Die Ferien, an denen er früher umberge bummelt war, dienten zu Wiederholungen. Willi entdeckte das Gesetz, durch Wechsel in der Arbeit sich von der Arbeit zu erholen. Und das andere, daß freudig getane Arbeit an und für sich Erholung ist. Er empfand nicht mehr die übertriebene Hochachtung vor dem Lehrerkollegium, die ihn ehedem erschüttert hatte. Auch sie waren Menschen. Auch sie l;atten Lehrer. Auch sie brauchten Büci^r. Auch sie mußten sich nieder knien und aus Quellen schöpfen, Quellen, die ihm nun er schlossen waren. Mit zunehmender Reise merkte er, wie die Magister oft fremdes Wissen für eigenes ausstrahlten. Er gab gescheite, geradezu verblüffende Antworten, Antworten, die er instinktiv in seine eigenen Worte klei dete. Er hielt nicht nur Schritt mit der Klasse, sondern überholte sie, dank seiner Bibliothek, die Odysseus mit neuen einschlägigen Büchern vermehrte, nachdem er wußte, was der junge Herr benötigte. Aus dem hilflosen Schüler war ein tüchtiger Lehrer geworden. Gerade weil er so schwer gelernt und so wenig Mitleid gesunden, kannte er, was einem schwacl-en Schü ler not tat. Mit unermüdlicher Geduld paukte er seinem fast völlig unbegabten Sextaner, der ihm anvertraut war, bas Pensum ein, sodaß sein Vater, ein Buchhalter, das Honorar auf das Doppelte erhöhte. Als Willi die Unterprima erreichte, bekam er einen zweiten Schüler, den Sohn eines Großkaufmanns mit um den werden. Große Mengen von Umschlägen lagen bereit, die je «inen Stimmschein der zarentreuesten Partei bargen. Wenn ein Bauer zur Wahl kam, dann wurde ihm einer dieser Umschläge in di« Hand gedrückt und er zur Urne gewiesen. Ein Bauer war aber zu neugierig, um sich so absertigen zu lassen. Er drehte den Umschlag unschlüssig in der Hand hin und her und fragte, ob er nicht einmal sehen dürfe, was er enthalte. „Was!?" rief da der Wohlkommissar erbost, „die Wahl ist doch geheim, du Trottel, du!" PNtLner sl8 Opern8änLer Einige Stunden vor der Ausführung von Psitzners Meister werk „Palestrina" erkrankte plötzlich der Darsteller des Kar dinals Novagerio. In dieser kurzen Zeit war es höchstwahr- schcinlich unmöglich, einen Ersatz herbeizuschassen, und schon wurden alle Anstalten getroffen, um die Ausführung abzusagen. Da hörte der Komponist, der zufällig in der betreffenden Stadt, Berlin, weilte, von dem Dilemma. Sofort ging er zur Staatsoper und machte den Vorschlag, daß er selbst die Rolle des erkrankten Sängers übernehmen wolle. Am Abend stand er wirklich in seinem Kardinalsgewand aus der Bühne und sang die schwierige Rolle mit einer zwar nicht überaus angenehmen Stimme, aber doch vollendet musikalisch, so daß Las Publikum mit seinem achtungsvollen Beifall nicht geizte.