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Riesaer G Tageblatt und Anzeiger Wett«« und Aqetgn). Lelegramm-Adreff» .Tageblatt', Riesa. Amtsblatt Kemsprechstell« Nr. SO der Königs. Amtshauptmannschaft Grotzenhain, des Königl. Amtsgerichts und des Stadttaths zu Riesa. 1« Sonnabend, ZV. Januar 1894, Abends. 47. Jahr». Da» Riesaer Tageblatt erscheint jeden Ta» Abend» mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bet Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestellen, sowle am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 25 Ps., durch die Träger frei in» Hau» I Mart 50 Pf., durch den Briefträger frei ins Hau» 1 Mark 65 Ps. Anzrigen-Annahme für die Nummer de» Ausgabetages bis Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastanienstraße 59. — Für die Redaction verantwortlich: Herrn. Schmidt in Rier». Zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers soll Sonnabend, den 27. Januar dieses Jahres von Nachmittags F Uhr ab in den Räumen der hiesigen Bahnhofsrestauration ein —Festmahl — abgehalten werden. Alle patriotisch gesinnten Herren der Stadt und ihrer Umgegend werden zur Theilnahme an dieser Feier mit dem Ersuchen ergebenst eingeladen, ihre Betheiligung bis zum 25. Januar in den auf der Rathskanzlei und in der Bahnhofsrestauration ausliegenden Listen einzutragen. Der Preis eines Gedeckes (einschl. Musik) ist auf 3,50 Mk. festgesetzt. Riesa, den 18. Januar 1894. Heldner, Amtsrichter. Schwarzenberg, stellv. Bürgermeister. * Bekanntmachung. Infolge des seit einigen Tagen eingetretcnen Thauwetters und der dadurch auf der Eis decke des Elbstromes entstandenen Unsicherheit wird hierdurch das weitere Begehen der Elbeis- decke innerhalb des Stadtbezirks von Rief» untersagt. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 30 Mark eventuell entsprechender Haft strafe geahndet werden. Riesa, den 20. Januar 1894. Der Stadtrath. Klötzer. Bekanntmachung, die Anmeldung der Ostern 1894 schulpflichtig werdenden Kinder betr. Ostern 1894 werden diejenigen Kinder schulpflichtig, die bis dahin sechs Jahre alt werden. Außerdem können solche Kinder ausgenommen werden, die bis Ende Juni dieses Jahres das 6. Lebensjahr vollenden. Diese schulpflichtig werdenden Kinder sind demnächst zur Schule anzumelden, und zwar die Kinder, die in die Einfache Bürgerschule eintreten sollen, Donnerstag, den LS. Januar, Vormittags zwischen 8 und 12 Uhr, die Kinder, die in die Mittlere Bürgerschule eintreten sollen, Freitag, den LS. Januar, Vormittags zwischen 8 und 11 Uhr, und die Kinder, die in die Höhere Bürgerschule eintrcten sollen, Montag, den SV. Januar, Nachmittags zwischen 2 und 4 Uhr. Die Anmeldung hat in der Schulexpeditton im Schulhause an der Kastanienstraste zu geschehen. Vorzulegen ist bei der Anmeldung für alle Kinder eine Jmpfbescheinigung, für aus wärts geborene Kinder außerdem Geburtsurkunde mit Taufbescheinigung. Riesa, am 2. Januar 1894. Die Direktton der städtischen Schulen. Bach. * Tagesgeschichte. Eine praktische Probe ans den Zukunftsstaat ist in Mannheim gemacht worden. Im Vorjahre knüpfte bekanntlich die Socialdemokratie an die Arbeitslosenfrage eine sehr ngr Agitation. Die -vorübergehend arbeitslosen, nahezu -ausschließlich aus unbestimmte Beschäftigung überhaupt ange wiesenen Tagelöhner, von denen ein großer Theil weder Landes- noch Gemeindezugehörigkeit besitzt, wurden schon da mals in den Dienst des städtischen Tiefbauamts gestellt und mit dem Anfahren und Zerkleinern von Steinen beschäftigt. Die Stadtbehörde war auch so entgegenkommend, sich der Ver mittelung der (socialdemokratischen) „Centralisation" der ange meldeten Arbeiter zu bedienen und dem Antrag derselben nach- .zugeben, daß der für die Leistungen nach Raummeter zu be rechnende Arbeitsverdienst zu gleichen Theilen an die Arbeiter zur Auszahlung gelangte; die von der Centra lisation gewählten Aufseher erhielten auf den Arbeitstag 2 Mk. 50 Pf., die Arbeiter kamen im Durchschnitt nicht so hoch; es handelte sich damals um etwa zweihundert während zehn Wochen beschäftigte Arbeitslose. Trotz des anfänglich sehr milden diesjährigen Winters bemächtigte sich die erweiterte socialistische Organisation der Arbeitslosen schon im November; allerdings nahmen nur bezahlte Wanderredner sich der Sache an, während die angesessenen Agitatoren erst jetzt eingegriffen haben. Die Centralisattcn trat mit der Forderung „Gleichen Lohn für alle" in wesentlich anderer Form auf: die Stadt behörde sollte nämlich den in gleicher Weise wie im Vorjahre Beschäftigten einen Mindest-Tagelohn von 2 Mk. 30 Pf. ge währleisten. Der Stahtrath bewilligte für den Collecttv-Accord «inen erheblich höheren Lohnsatz als den üblichen, so daß die Centralisation immerhin einen Erfolg hatte. Nun hat sich die merkwürdige Erscheinung gezeigt, daß innerhalb vier Wochen, seitdem die Steinschlägerarbeiten vergeben sind, die Zahl der arbeitenden Arbeitslosen jeden Tag geringer und der Unmuth unter den bei der Arbeit Verbleibenden immer größer ge worden ist. Von etwa 450 angemeldeten Arbeits losen, für welche Beschäftigung vorhanden ist, haben sich zuletzt nicht mehr vierzig zur Arbeit «ingesunden. Die Aufklärung wurde in einer in Mann heim abgehaltenen Versammlung gegeben. DaS ganze ge nossenschaftliche ArbeitSsystem mit der Lohngleich, heit wurde in Grund und Boden verdammt. Die Zahl der arbeitswilligen und fleißigen Arbeiter wird bei Wei- tem von Denjenigen überholl, welche von Jenen sich „durch schleifen" lassen wollen, ja, nach mitgetheilten Einzelheiten zu schließen, eine rasfinirte Geschicklichkeit besitzen, durch Schein arbeit die Fleißigeren zu nöthigen, den Lohn für die Faulen mitzuverdienen, der sich dadurch natürlich merklich schmälert. Diesem Mißstand übzuhelfen, ist nun der Stadtrath nöchmals auf die Forderung der Arbeitslosem eingegangen: die Aus löhnung beim Steinklopfen nicht mehr auf der Grundlage des Collecttv-Accords vorzunehmen. Seit vergangenem MiMtaa werden die mit Steinklopfen beschäftigten Arbeitslosen in drei Gruppen eingetheilt, und zwar in zwei Gruppen für fleißige Arbeiter und in eine Gruppe für träge Arbeiter, d. h. für solche Arbeiter, die mehr leisten könnten, wenn sie den guten Wille» dazu hätten. Der ganze Zukunftsstaat-Rummel, wie ihn die socialdemokrattschen Apostel lehren, ist eitel Schwindel und Flunkerei, das hat sich denn auch hier wieder in der Praxis erwiesen. Deutsche- Reich. In der Presse werden die Aus sichten des TabakfabrikatsteuergesetzeS allgemein als durchaus ungünstig bezeichnet. In den leitenden «reisen der Reichs regierung wird abweichend davon an der Erwartung festge- hatten, der Reichstag werde das Tabakgesey, wenn auch mit verminderten Sätzen, schließlich doch annehmen. Insbesondere meint man, die bei der ersten Berathung von Seiten des Centrums eingenommene Haltung sei nicht als eine endgiltige anzusehen. Der Zollbeirath für die russischen Handelsvertrags- Verhandlungen hielt am Donnerstag wieder eine Sitzung ab. Wie verlautet, haben die bisherigen Ergebnisse starken Wi derspruch auf konservativ-agrarischer Seite gefunden. Die Tarifsätze sind jetzt vollständig abgeschlossen, aber der end giltige Abschluß der Verhandlungen und Vorlegung de« Ver trages im Reichstag wird immerhin noch mehrere Wochen dauern. Wie der „Köln. Ztg." gemeldet wird, hat der deutsche Unterhändler von Tittemann dein Zollbeirath das Ergebniß der von Rußland erzielten Zollbindungen uns Zollherabsetzungen -bekannt gegeben. Die amtliche Veröffent lichung unterbleibt vorläufig. Die „Krzztg." schreibt: „Die (konservative) „Pomm. ReichSp." läßt sich die Nachricht schrei- den, daß von konservativer Seite u. U. von Freiherrn von Manteuffel und Graf Kanitz Verhandlungen mit der Regie rung gepflogen würden, um den russischen Handelsvertrag durchzubringen, wenn er Mr Ms kurze Zeu abgeschlossen würde. W»r sind in der Lage, diese Nachricht al» völlig an der Lust gegriffen zu bezeichnen." Das ändert aber nicht« an der Tharsache, dafl Graf Kanitz in seiner Flugschrift, die in der „Krruzztg." bisher keine eingehende Besprechung ge funden hat, eine starke Ncigimg bekennt, für den Vertrag zu stitnmen, falls der Abschluß nür atif kurze Zeit erfolge. Der offene Brief de» Frhrn. von Thüngen an den Reichskanzler scheint eine ganze Reihe von Prozessen wegen Caprivibeleidiaung nach sich zu ziehen. Nicht bloß der Ver fasser des Briefes, Frhr. von Thüngen selbst, und der Re dakteur des „Volk" werden auf Antrag des Reichskanzlers strafrechtlich belangt werden, sondern auch auf andere Blätter Mtden diese Anklagen ausgedehnt, so gegen die „Landes-Z." in Würzhurg, die den Thüngenschen Brief abdruckte. Ca privi scheint dLS VisMNck'He Recept, da» er früher ab scheute, jetzt auch benutzen zu wollen?" Ter Bund der Landwirthe hat den Abg. Freiherrn v. Unruhe-Bomst aufgefordert, sein Mandat niederzulegen, weil er für den rumänischen Handelsvertrag, entgegen seiner Er klärung vom 8. Juli, gestimmt hat. Der ReichStagSabgeord- nete Uhden hat es auf eine Aufforderung des Bundes hin bestimmt abgelehnt, ein bindendes Versprechen zur Ablehnung des russischen HandelSrertrages abzugeben. Auch die For derung, bei der Abstimmung mit der Mehrheit der Vertreter des Bund s der Landwirthe zu stimmen, lehnte er ab. Wie verlautet, soll in Kürze ein großes WaarenhauS für Aerzte eröffnet werden; hunderttausend Mark sollen zu diesem Zwecke bereits beisammen und der größte Theil der Mediciner soll als Kundschaft gewonnen sein. Hierzu be merkt die „Conservative Corresp/': Dieser neue Con- sumverein wird ganze bisher noch blühende Geschäftszweige schädigen, insbesondere droht dem Jnstrumentenhandel völlige Vernichtung und dem Buchhandel ein unberechenbarer Schade,. Wir bedauern, daß die Gtaatsregirrung keinen Anlaß nimmt, zegen derartige Gründungen auf das Schleunigste und Ernst hafteste vorzugehen. Die Einrichtung solcher Waarenhäuser, die sich aus bestimmte Kategorien der Bevölkerung stützen, fördert die Ziele der Socialrevolutionäre. Keine socialpoli tische Gesetzgebung kann da etwas nützen, wenn der Staat mit verschränkten Armen zusieht, wie das Kleingewerbe ab sichtlich immer weiter ruinirt wird. Was ist die Errichtung solcher Waarenhäuser anderes als ein Boycott? Die Ossi- ziere, die Beamten, die Reuhspost und jetzt die Aerzte boy- cottiren die Gewerbetreibenden; sie reißen deren Verdienst an sich und erklären sich in Kriegszustand mit den Gewerbe treibenden. Vom Reichstag. Der Reichstag setzte gestern die erste Lesung des Weinfteuergesetzes fort. — Abg. Zorn von Bulach (kons.) führte aus, in Hüddeutschland betrachte man den Wein als notwendiges Nahrungsmittel. In Elsaß- Lothringen sei der Weinkonsum 57 Liter pro Kopf. In den