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Sette L. Nr. SV. Abend-Ausgabe Leivziaer Taqedlatt Donnerstag, L4. Februar ISIS eine wirkliche Entscheidung fallen, so mutzte eine der beiden Mächte dieser ihr eigenstes Gebiet verlassen und die andere aus dem ihrigen angreifen und schlagen. Das Volk, das solches wagt, muhte von gröherer Tatkraft und Entschlossenheit beseelt sein, größere und nachhaltigere Stärke in sich fühlen als der Eigner, und dieses waren hier die Spartaner, sie schufen eine den Athe nern ebenbürtige Flotte und suchten mit ihr die Entscheidung.' Und ein« Flotte im Jahre 1918 braucht nicht aut Schlacht schiften zu bestehen. . . Die Haftung für Staatsdarlehen und Zinsen zwischen Staat und Gemeinden Man schreibt uns von geschätzter Seite: Bei den Beratungen über die von unt in der Abendausgabe vom Montag veröffentlichten Anträge, die von der Rechenschafts deputation an die Zweite Kammer gestellt werden, um die Re gierung zu ermächtigen, aus dem gewerblichen Genossenschaftt- stock noch während des Krieges und bis sechs Monate nach Friedensschluss an die aus dem Felde Heimkehrenden und sonst m- iolge des Krieges wirtschaftlich besonders Geschädigten Dar lehen zu gewähren, Kat das Verhältnis zwischen Staat und Gemeinden bei den Kreditgewährungen, ins besondere die Haftung für Darlehen und Zinsen, eine wichtige Rolle gespielt. Dies ist natürlich, weil die Regelung der Frage schon bei der Errichtung des gewerblichen Gcnossenschastsstockcs Meinungsverschiedenheiten kervorgerufen hat, und weil in der letzten Zeit Handels- und Gcwerbekammern, Innungen und Ge- werbeverelne sowie Gemeindeverwaltungen sich damit beschäftigt haben, und auch die Mitteistandsvereinigung dazu Stellung ge nommen hat. Soweit Aeuherungcn über deren Beratungen in der presse bekannt geworden sind, gehen sie alle dahin, datz die Gemein den die Gewährung der Darlehen zu befürworten und die Gesuche zu prüfen haben, datz sie aber dem Staate gegen über gar nicht oder nur zum geringen Teile die Bürgschaft für die Darlehen übernehmen müssten. Den Kredltsuchern gegen über müssten sich die Gemeinden in der Forderung von Sicher heiten auf das unbedingt erforderliche Matz beschränken, im Elnzclfalle auch auf besondere Sicherheiten verzichten. Bei der Beratung über diese Fragen in der Rechenschafts deputation herrschte zwischen der Deputation und der Regierung völlige Einigkeit darüber, datz die Gewährung der Darlehen nur nach Befürwortung durch die Mohngemeinde des Darlehns- suchenden erfolgen könne, und datz dec Befürwortung die pein lichste 'Prüfung der Kreditbcdürftigkett und der Würdigkeit vor ausgehen müsse, datz aber im übrigen, was die Sicherheits leistung anlange, den Gemeinden wie bisher keine Vor schriften gemacht werden dürfen, datz ihnen vielmehr freie Hand gelassen werden solle, und datz die Gemeinden kredttwürdigen und bedürftigen Darlehnssuchern gegenüber im Einzelsalle auf be sondere Sicherheiten verzichten müssten. Meinungsverschiedenheiten traten aber zutage bet der Frage der Haftu ng. Die Regierung wollte anfangs die Gemeinde als Darlehnsschuldnerin ganz in Anspruch nehmen und dem Staate gegenüber als Selbstschuldncrin zur Verzinsung und Rückzahlung der Darlehen verpflichten. Einige Mitglieder der Deputation wollten die Gemeinden angesichts ihrer großen finanziellen Lasten ganz befreien, zumal ja gerade aus besonders armen Gemeinden die Darlchnssuchenden kommen würden. Die Deputationsmehrheit vertrat den Standpunkt, datz im Interesse der gewissenhaften ^..Prüfung der Darlehnsgesuche die Gemeinden die Haftung mit übernehmen müssten, und so einigte man sich dahin, datz die Do- meinden für Rückzahlung der Darlehen und für deren Verzinsung zur Hälfte haften sollen. , n » < Die Regierung änderte demgegenüber ihren früheren Standpunkt, forderte aber, datz die Gemeinden die Haftung iu «drei Vierteilen" übernehmen müßten. Sie begründete ihren Standpunkt damit, datz nur eine höhere Haftverpflichtung die Gemeinden veranlassen könne, die Frage der Bedürftigkeit und Würdigkeit sorgfältig zu prüfen, datz Preußen in gleichen Fällen noch weniger Bürgschaft, als von der Regierung vorge schlagen, übernehme, und datz nur in Anschauung der besonderen sächsischen Verhältnisse die Regierung so wett gegangen sei; auch die Tatsache, datz der Staat sich erst selbst die zu den Darlehen not wendigen Mittel im Wege der Anleihe gegen mindestens 5pro- zentige Verzinsung verschossen müsse, anderseits aber für das Kalenderjahr des Friedensschlusses und die ersten 6 Monate des nächstfolgenden Jahres gar keine Zinsen, sodann aber innerhalb der nächsten 3 Jahre nur 3 Prozent Zinsen erhalte, müßte die Ge meinden veranlassen, gern eine höhere Bürgschaft zu übernehmen. Die De putations Mehrheit vertrat demgegenüber die Meinung, datz die Gemeinden die Prüfung der Verhältnisse ebenso gewissenhaft vornehmen würden, wenn sie für die Hälfte des Dar lehens haften müßten, datz aber der Staat etwaige Ausfälle leichter verschmerzen könne als die Gemeinden, insbesondere ärmere Ge meinden. Sic blieb darum bei ihrem Beschlüsse stehen. Da auch, wie erwähnt, Gewerbekammern und Gemeindeverwaltungen den gleichen Standpunkt vertreten, ist zu hoffen, datz sich die Erste Kammer auf den gleichen Standpunkt stellt, und datz die Regierung ihre Meinung zugunsten der Gemeinden ändert. Das Ergebnis de« Luftangriffs auf England in der Nacht zum 1. Februar Von zuständiger Stelle erfahren wir über das Ergebnis des LufkangriffsIn der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 1916 das Folgende: Liverpool. Hauptziele des Angriffs waren die Docks, Hafen- und Fa brikanlagen. Die Wirkung der Bomben lvar gut; während der Rückfahrt der Schiffe war noch weithin «in mächtiger Brand sichtbar. Eine Reihe von Brücken- und Hafen anlagen wurde so schwer beschädigt, daß sie vorläufig nicht mehr benutzbar sind. Eg soll auch eine Anzahl von Schiffen auf dem Mersey schwer getroffen sein, u. a. ein unterhalb Birkenhead liegender Kreuzer und ein Transport- schiff der Leyland-Linie. Eine Stallung mit 200 Pferden wurde durch Feuer zerstört: die Pferde und die kanadischen Wachmannschaften sollen dabei umgekommen sein. In Birkenhead, Garston und Bootle ist großer Schaden angerichtet worden. Booth Line 8- Heoward Line sind durch die teilweise Zerstörung ihrer Dock anlagen schwer beschädigt. Drei Schiffe wurden sehr mitgenommen. Die angrenzenden Trockendocks und Maschinenfabriken sowie die .Birkenhead Drydock, Engine 8- Boiler Works' wurden vollkommen zerstört. 3m ganzen wurden über 200 Häuser durch Bomben oder Brand zerstört. An der M e r s e y - Mündung i'.n Bootle) wurde eine Pulverfabrik völlig zerstört. 3n Crewe, südöstlich von Liverpool, sind die Bahnanlagen stark beschädigt, wodurch der Verkehr mit London unterbrochen wurde. Militärlager sollen dort in Brand gesetzt worden sein. Manchester. Angriffsziel waren in erster Linie die Hochofen wer Ke, die mit gutem Erfolge mit Bomben belegt wurden. Zwei Hochofenwerke und zwei größere Fabriken (Eisenwerke) wurden völlig zerstört. Eine Reihe anderer Fabrikanlagen hat beträchtlichen Schaden erlitten. Sheffield. 3m Süden der Stadt wurden zwei Hochöfen beworfen, von denen der eine zum großen Teil zerstört wurde. Ferner wurden meh rere große Industrieanlagen und der Bahnhof mit Bomben belegt. Außerdem sollen zwei Schuppen, die militärische« Zwecken dienen, zerstört sein. Starke Brände wurden nach dem Angriff noch lange Zeit beobachtet. Nottingham. Angriffe wurden ausgeführt auf grotzc. Fabrikanlagen und Hochöfen, wobei sehr gute Wirkung beobachtet wurde. Ferner auf eine Batterie, die. nachdem sie unsere Luftschiffe wirkungslos beschossen hall«, zum Schweigen gebracht wurde. Eine Munitionsfabrik und mehrer« Fabrikanlagen wurden stark beschädigt. Oestltch von Rot ti n g h a in bei Grantham wurden die Bahnanlagen zerstört, so daß der Betrieb mehrere Tage unterbrochen werden mußte. Der bet weitem größte Schaben ist in Sheffield und Nottingham angerichtet worden: Londoner Versicherungsgesellschaften schätzen denselben auf 400 000 Pfund Sterling. Birmingham. Zwei groß« Regierungswerke und zwei Munitionsfabriken sind völlig zerstört, eine Brauerei beschädigt. Großer Schaden wurde über haupt in Staffordshire, Shropshlre, Leshtre, L«t- cestershtre, Lincolnshtre und Aorkshire angerichtet. — 3n Eccleshtll bei Bradford wurden eine MunltlonSfabrik und .3 Spinnereien, in Partington wurden durch eine Bombe 22 Häu ser zerstört. Humber. Eine Batteri«, di« ihr Feuer ohne Ergebnis auf eines unserer Luftschiffe richtete, wurde angegriffen und zum Schweigen gedracht. Geschütze und Scheinwerfer der Batterie wurden zerstört. Ferner wurden auf eine Anzahl von 3ndustrleanlagen am Humber so- wie auf ein Hochofenwerk mit ausgedehnten Anlagen Bomben gewor- fr«. Uederall wurden oute Erfolge beobachtet. 3n SrlmSdy «ne ben dle KatS, Werften und Lagerhäuser zum Teil schwer beschädigt, ebenso mehrere Fracht- und Fischdampfer. Lin Heu- und Strohlager ist niedergedrannt, wodurch beträchtlicher Schaden entstan den ist. Zwischen Hedon und Salt Enden (unterhalb Hüll) wurde ein Pulvermagazin zerstört. 3n der Näh« von Hüll ist eine Eisengießerei schwer beschädigt. 3n Hüll selbst sollen di« Verhee rungen sehr groß gewesen sein und denen tn Sheffield und Nottingham nahezu gletchkommen. 3n der Ktng Street lst ein Häuserblock gänzlich zerstört. Die Bahn- und Hafenanlagen haben derart gelitten, daß große Schwierigkeiten in den Betrieben entstanden sind. Mehrere in den Docks liegende Handelsschiffe sollen beschädigt sein. Oberhalb Gool wurde ein Hochofen schwer beschädigt. Ferner sind auf dem Humber der kleine Kreuzer «Earollne" und die Zerstörer .Eden" und ..Rtth versenkt worden Der kleine Kreuzer .Caroline" ging tn 6 Mi nuten unter, 31 Mann der Besatzung wurden getötet, S8 verwundet und 47 ertranken. Great Darmouth. Eine Fabrik und verschiedene Industrieanlagen worden »ft Bomben belegt, wobei ante Wirkung beobachtet wurde. Ferner ward« an der englischen Ostkllste noch «ine Batterie zu« Schweigen gebaacht. An der Ostallst« Englands ist weiterhin der englisch« Dampfer «Franz Fischer" von einem der Luftschiffe versenkt worden. Die moralische Wirkung des Angriffs scheint sehr stark gewesen zu setn. Bestätigt wird dies indirekt durch die eng lische Preise, dle über die bisher wirkungslosen Abwehr- maßnaymen klagt, und die die Forderungen des englischen Binnenlandes nach Luftabwehrgeschützcn und Flugzeugen lebhaft unterstützt. Der Finanzausschuß der Liverpool Corporation hat be schlossen, alle tn chrem Besitz befindlichen öffentlichen Gebäude der Stadt gegen Schaden durch Luftangriffe zu versichern. Der ge samte Betrag dieser Versicherungen durch lokale Gesellschaften soll etwa 3 000 000 Pfund Sterling betragen. Stürmers Antrittsrede in der Duma vvtb. Petersburg, 24. Februar. (Drahtbertcht.) 3n seiner Rede vor der Duma wies Mintstervrästdcnt Stürmer noch auf die Ver änderung des wirtschaftlichen und politischen Lebens Rußlands hin und sagte: Die Bande, die auf den Sitten des Landes beruhen, sind durch die Bande wirtschaftlicher 3nkeressen erseht. Diese Veränderungen machen e-> notwendig, mit der größten Vorsicht vorzugehen. Dle Regierung würde strafbar sein, die ins Blaue hinein handeln würde, da wo die Lage die sorgfältigste Umsicht erheischt, Arbeit, Enthaltsamkeit und Steg, das soll jetzt die Grund- laae unseres nationalen Denkens bilden. Vor allem soll die kirchliche Gemeinde nach den religiösen und sozialen Bedürfnissen des Volkes geändert werden. Dann kommt die Reform der länd lichen Gemeind« (Volost) entsprechend den Bedingungen des modernen Lebens, die sich geändert haben. Die Arkeitergeseh- gebung muß die Aufmerksamkeit der Regierung und der gesetz gebenden Körperschaften auf sich lenken. Der Redner schloß, indem er die Erklärungen der Regierung über di« Einigkeit des Volkes, die na tional« Auferstehung und dos brüderliche Polenvvlk, das sein edles Blut in dem Kampf gegen den ewigen Feind der Slawen vergieße, wiederholte und betonte, der Etat sowie die dringenden Verteidigungsmaßnahmen müßten ohne Aufschub erörtert werden. Die Regierung weiß wohl, daß in der Duma Meinungs verschiedenheiten bestehen. Ohne in eine eingehende Kritik dieser Meinungen sich einzulassen, verpflichtet sich die Regierung von jetzt an, sämtliche Meinungen bei der Bearbeitung von Gesetzesvorlagen in Betracht zu ziehen. Er lege auch der den beiden Kammern zustehen den Gesetzintliative große Wichtigkeit bei. Der Schluß dec von dem Dumamikglied Lhidlowsley ver lesenen Erklärung des Dumablocks lautete: Die Gründung des Bundes der nationalen Verteidigung, an dem die ganze Ration ketlnehmen sollte, wurde durch eine uner wartete Vertagung der Duma unterbrochen. In Unkenntnis der gebieterischen Bedürfnisse einer Konzentration der Anstrengungen der Ration widersetzte sich die Regierung dem einigen Gedanken des ganzen Landes. Der allgemeine Witte des Volkes, Vertrauen tn seine Regierung setzen zu können, wurde bos hafter Weife als ein Kamps um die Macht ausgelegt. Die Einberufung der Kammer wurde zweimal aufgeschoben. Die nationalen Kräfte wurden in unfruchtbarer Welse verwendet. Der demoralisierende Ein fluß von Unzufriedenheit und Gleichgültigkeit lähmte den großen na tionalen Schwung. Dle Unfähigkeit der Behörden zerstört das Wirtschaftsleben des Landes und hindert dle Aus beutung seiner Reichtümer. Der Mangel an Voraussicht und die will- kürlichen Maßnahmen der ordentlichen und außerordentlichen Be hörden, die Unordnung in der Zufuhr der Lebensmittel, die maßlose Preissteigerung der notwendigsten Waren, Mißbrauch dc Gewalt und Unterschletfe, alles das schuf das Bild einer durch den wahren Stand der Dinge keineswegs gerechtfertigten Not. Dle Unmöglichkeit, die Aufgabe aüszuführen, die die Regierung auf sich ge nommen hat, hat dieser Tage eine indirekte Bestätigung durch den Rücktritt Goremykins erfahren, der für die verhängnisvollen Folgen der Taktik der Zwietracht verantwortlich ist. Die Majorität ist weiterhin der Ansicht, daß die Bildung einer fähigen und durch das Vertrauen d«S Landes starken Regierung, die bereit ist, radikal das gegenwärtige Verfahren der Verwaltung zu ändern und in Uedereinstimmung mit der nationalen Vertretung zu arbeiten, als notwendige Vorbedingung einer wirksamen Organisation des Landes zu betrachten lst. (Anhaftender Bei fall.) Indem der Redner dle der nationalen Verteidigung von den Städteverbänden erwiesenen großen Dienste hervorhob, sagte er, ein Aufschub würde die schwersten Folgen zetttgen. Dle große Mehrheit der Duma habe vor «lnem halben Jahre auf diesen Weg zu einer wahren Besserung htngewiesen, der mit Taten und nicht mit Worten beschritten werden müße. (Stürmischer Beifall.) 3m Verlause der Dumaslhung ergriff auch Kriegsmlnister Poliwanow das Wort. Sr gab einen Ueberblick der hauptsächllchsten Ereignisse und der Leistung der russischen Armee seit dem Monat Juli. Ilse von Telken >i Roman von E. Krickeberg (Nachdruck verboten.) Christine trug einen steiflehnigcn Leüerslubl mtt zersessenen Polstern herzu, und den Blick des Professors ausfangend, sagte sie: .Sic wundern sich Herr Professor, daß im Vergleich zu unten, hier alles so einfach ist. Aber das ist nun einmal so! Dies hier sind die Möbel aus meiner früheren Stube, — immer noch besser als kahle Wände. «Sic hätten eine bessere Verteilung der Sachen vornehmen sollen. Mit dem Uebcrsluß aus der Wohnung der Frau Generalin würden Sie des gnädigen Fräuleins Zimmer sehr gemütlich Her richten können." «Nein! ' unterbrach sie ihn lebhafter, als cs sonst ihre Art war. .Das geht eben nicht. Die Frau Generalin denkt, hier oben befinden sich die Möbel aus des Herrn Salon. Wir müssen et immer sehr geheimhalten, wenn wir ... . etwas zu verkaufen gezwungen sind.' Ihm wurde eigentümlich jchwüi zumute. Fast bereute er es, die Unterredung mit ihr nacygesucht zu haben. Er ließ dos Thema fallen und sagte kurz: «Ich wollte Sie fragen, was Sie zu tun ge denken, wenn die Generalin nicht mehr ist.' «Gerechter Gott! Steht es so schlimm?' «Ich habe sie heute viel schlechter gesunden, als ich cs erwartet hatte. UedrigenS steht es ja schon lange so mit ihr, daß jede un vorhergesehene große Aufregung sie hinrassen kann." Sie nickte mehrmals mit Nachdruck. Einen Augenblick schwieg sie wie überlegend, dann aber sagte sie beherzt: «ES geht also wohl bald zu Ende. Das kann ich nicht einmal bedauern. Sie gelangt zur Ruhe und wir auch. Eie hätte sich dock nie tn die veränderten Verhältnisse fügen gelernt. Stolz und hochfahrend war sie stets, auch in ihrer guten Zeit; jetzt, da sie meint, nur durch ihr Auftreten ihr Ansehen wahren zu können, ist sie unerträglich hochmütig geworden. Aber sie hat in ihren letzten Lebensjahren viel zu dulden gehabt, und sie ist schwer krank. . . Mag sie ein mal in Frieden ruhen! Was uns betrifft, wir sind aus alles vor bereitet. Zunächst werden wir all den Krimskrams unten ver kaufen; der Wolf sagt, es steckt ein großer Wert in den Sachen, und ein Händler überläuft uns auch jetzt schon mtt seinen An trägen. Aber natürlich wird er unsere Notlage zu seinem Vorteil aasnutzen. Immerhin wird so viel h«ouskommen. datz wir mit Avlfgonq und Asset Anteil all unseren Verpflichtungen nach kommen können. Ker Henning wird sich nicht erst die Mühe geben, das Trinkgeld in die Tasche zu stecken. Ls stießt ihm ja doch sofort durch die Finger ' «Also auch Sie geben ihm eine Ausnahmestellung in der Fa milie?' «Nein!' sagte sie in ihrer harten Art. «Aber er soll erst seine eigenen Schulden bezahlen.' «Und was fangen seine beiden Geschwister an, ohne einen Pfennig Geld in der Tasche?' «Wolf hofft auf ein Stipendium an der Universität. Er wird nach wie vor Stunden geben und für Zeitungen schreiben, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und Ille, da lieber Gott, die wird sich eben auch weiter mtt Klaoterstunden ernähren. Ich werde dazu verdienen; vielleicht vermieten wtr Zimmer. So ist uns nicht bange. Wir werden ruhig und zufrieden and viel glück licher leben als jetzt. Gar zu lange kann das Darben ja auch nicht mehr dauern. Wolf wird es bald zu einer Anstellung und zum Doktor bringen. Er ist ja so grundgescheit und wtr- sicherlich auch einmal mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten Geld genug ver dienen. Da werden wtr dann alle drei ohne Sorgen tn Einigkeit und Frieden zusammen leben können.' «Bis einer von den jungen Leuten heiratet,' wars er ein. Christine schüttelte den Kopf. «Wolfgang, der Sonderling, der Menschenfeind, wird nie heiraten, und Ilse — die wird auch nicht heiraten — niemals." «DaS ist doch seltsam, daß sie alle Fräuleln Ilse so kurz un bündig das Heiraten absprechen.' «Ich es ihr adsprechen? — Vom Monde würde ich ihr einen guten, rechtschaffenen Ehemann herunterholen, wenn ich es ver möchte. — Aber das ist nun einmal so, Herr Professor, Ilse kann und wird nicht heiraten.' «Weil sie arm ist? — Es gibt gottlob noch genug Männer, die das Mädchen haben wollen und nicht sein Gew." «DaS Geld ist das allerwenigste dabei. — Da find andere Dinge, die ihr verbieten, eine Ehe zu schließen." «Das klingt ja sehr geheimnisvoll." «Und das muß es auch bleiben, Herr Professor', sagte sie kurz. «Es gibt Sachen, über die man nicht sprechen k«m, am allerwenigsten in diesem Hause — und im Übrigen gcht das ja auch Fräulein Ilse allein an.' «Sie haben recht, und es war auch durchaus nicht meine Ab sicht, mtch tu die inneren Angelegenheiten der Familie Telken zu drängen. Ich wollte Sie nur vvrbereüen aus out, was ko«»« kann. Doch ich sehe. Sie find gefaßt und gerüstet — dmutt lst meine Mission erftl»' W M . Inzwischen befand sich Ilse von Telken im Hause der Frau Kommerzienrat Schwarz, deren einzige Tochter Käte war ihre Klavierschülerin und im Lause der Zeit ihr zugleich zu einer lieben Freundin geworden. An diesem Tage aber wurde aus der Kla- vterstunde nichts. Kätchen war der geliebten Lehrerin bei ihrer Ankunft um den Hals gefallen und hatte glückstrahlend berichtet, daß sie sich verlobt habe, natürlich mtt dem Assistenten des Pro fessors Herrmann, dem Doktor Schweiger; daß am Abend die Verlobung im engsten Kreise gefeiert werden sollte, und Ilse dazu natürlich oabletben müßte. Äe hätte absichtlich die Stunde nicht absagen lassen, well Ilse auf eine Einladung ja doch nimmermehr gekommen wäre, und sie wollte ihre liebste Freundin an ihrem Ehrentage nicht entbehren. Ilse sträubte sich. Das ginge nicht. Ihre Mutter würde sie vermissen, Christin« in Sorge um sie sein. Sie bat dringend, daß man sie gehen ließe, und auch die Frau Kommerzienrat fand es rücksichtslos von der Tochter, Fräulein von Telken mit der Eln- ladnng fo zu überfallen. Ilse würde zum mindesten den Wunsch gehabt haben, ein wenig Toilette zu machen. Aber Käte lachte sorglos. Ilse mit ihrer Vornehmheit sei im allereinfachsten Kleide gesellschaftsfähig. Aber Ke würde ihr ihren allerschönsten Spitzen kragen leihen und aus ihrem eigenen Braukbukett eine Rose an stecken, damit ihr dunkles Kleid etwas Festliches erhalte. Und ihrem liebenswürdigen Ungestüm war schlechterdings nicht zu widerstehen. «Sie überrumpelt uns alle. Da Hilst Ihnen nichts, lassen Ste es sich ruhig gefallen, Fräulein von Telken", meinte dle Frau Rat mtt sauer süßer Miene, und Käte lachte wie ein Kobold. Sie und ihr Albrecht hatten die Mutter wirklich überrumpelt. Der Frau Kommerzienrat paßte diese Heirat ihres einzigen Kindes mit -em einfachen Assistenzarzt ganz und gar nicht. Sie hätte lieber den Professor als ihren Schwiegersohn gesehen, vnd wenn der durchaus nicht Anstalt machen wollte, eS zu werden, so hätten die jungen Leute mit der Verlobung wenigstens warten können, bis di« neue, große Klinik des Professors fertig war, an der der Doktor Schweiger die Stelle als Oberarzt erhalten sollte. DaS er trug aber das suaendlich« Feuer nicht, nnd Käte hatte kurz« Pro zeß gemacht. Sie war ihrem Albrecht bet einem seiner ärztlichen Besuch« vor den Augen der Mutter einfach um den Hals gefall« und hatte «klärt: «So steht es mit uns. Mutt«, und wenn du uns nicht unglücklich mach« willst, so gib uns deinen Segen!' (Fortsetzung tu d« Mvrgen-AusgebeI i