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KMWMAW Kunst unä ^issensekast -lus -er Gesellschaft für Erükunde. Die im Vortragsfaale des Grafstmuseumo unter Herrn Geh. Hofrat Professor Dr. Partsch ab gehalten« Fachsitzung brachte den Dortrag eines be- sonders tief in das Innere des afrikanischen Konti nents etngedrungenen Forschers, des Herrn Geh. Hof rat» Professor Dr. Hans Meyer, über „U rundi und seine Bewohner". Von den Ergebnissen seiner Reise nach diesem am wenigsten erforschten Land, da» im äußersten Westen unseres ostafri kanischen Schuhgebietes gelegen ist, gab der Vor tragende ein klares Bild, indem er dabei den wirt schaftlichen Nutzen und die geographische Lage llrundiv eingehend behandelte. Urundi, ein Land in der Grütze von 30 000 Quadratkilometer, mit einer Be völkerung von 1>j Millionen Einwohner, hat sich immer gegen das Eindringen der Fremden gewehrt. Obgleich Urundi seit 25 Jahren unter dem Schutze de» Reiches steht, ist es fast ganz unbekannt. Nur in Usumbura hat dieses eine Station mit einem Re sidenten errichtet. Die erste Kunde von dem ab geschlossenen Lande brachte im Jahre 1892 Oskar Baumann auf seinem Suchen nach den Nilquellcn im Norden des Landes, seitdem brachten militärische Streifzüge ausführlichere Mitteilungen über Urundi. Geh. Hofrat Professor NLeycr durchquerte nun in einer längeren Expedition Zentral-Urundi bis nach Tabora, wo damals die heutige Zentralbahn endete. Er fand ein Hochland mit einem merkwürdigen Volke. Tiefland, Faltungsgebirgs, Grasland wechselten ab; in den Tälern gediehen der Papyrus, und hoch empor gewachsene Bambusbllshe brachten in die Landschaft einen charakteristischen Zug, während der Urwald durch die Waldvernichtung nur in Resten auftrat. Ebenso vielartig wie die Mischung der Fauna des Landes, ist auch die Mischling der Bevölkerung, deren größerer Teil die ackerbauende Banturasse bildet. Schon im 15. Jahrhundert beginnen hami- tische Herrscher ihre Dynastie in Urundi zu errichten. Die Urundi sind ein sehr kinderreiches Volk, leben in Rundhütten und tragen meist ihre selbstgefertigten Nindenstoffgewänder. Handwerker gibt es bei ihnen fast gar nicht, jeder schafft sich seine Waffen selbst, verfertigt auch Topf- und Flechtarbeiten und Schmiedereten. Zur Arbeit sind die Bewohner wenig geneigt, das Fundament des ganzen Wirtschafts lebens dieses monarchischen Staates bilden die Vieh, zücht und der Ackerbau, dieser in wohlangelegten Feldern, wobei die Eingeborenen eine beachtenswerte Steigerung der Produktion zkraft ihres ltzebietes er halten. An diesen Vortrag schloß sich ein zweiter des Herrn Dr. R. Reinhard über ,chen gegen wärtigen Stand der antarktischen For schung. Die zweimalige Erreichung des Südpols kurz hintereinander, im Dezember 1911 durch Amundsen und im Januar 1912 durch Scott, führte Redner aus, bedeutet in der Geschichte der Südpolarforschung naturgemäß einen wichtigen Mark- stein, nicht aber einen Abschluß. Einmal sind zur Zeit dieser Ereignisse noch zwei andere Expeditionen an zwei entgegengesetzten Gebieten der Antarktis tätig gewesen, und sodann haben die Erfolge und Er fahrungen der letzten Expeditionen den Eifer nur stärker angefacht, die Geheimnisse des südpolaren Ge bietes zu entschleiern. Es ist eine ganze Anzahl neuer, zum Teil großangelegter Expeditionen in Vor bereitung. Schon im Sommer dieses Jahres werden einige die heimatlichen Gestade verlassen. In der Tat steht nicht nur die wissenschaftliche Einzelforschung der geographischen Elemente der Antarktis noch in den ersten Anfängen, sondern es sind dort auch noch Grundfragen der Geographie, nämlich solche räum licher Natur, zu lösen. Die Wissenschaft ist über die Verbreitung von Wasser und Land in der Antarktis noch nicht in der wünschenswerten Weise unterrichtet. Eins haben allerdings die Expeditionen des 19. und 20. Jahrhunderts erwiesen: die Existenz eines südpolaren Kontinents von beträcht licher Größe, der Antarktika. Eingebend beschäftigte sich dann der Vortragende mit dem Ver laufe der einzelnen Expeditionen bis auf den heutigen Tag. V. >1. Der Verein für wissenschaftliche Pädagogik hielt in den Tagen vom 13-15. April in Greiz selne Hauptversammlung ab und besprach unter Vor sitz von Pros. Dr. Wityelm Rein-Jena di« beiden ersten Gegenständ« der Verhandlungen gemeinsam mit dein Verein der Freund« Herbartstcher Pädagogik in Thüringen. Die Grundlage der Diskussion bildeten eine Anzahl Arbeiten aus dem 48. Jahrbuch des Vereins. (Dresden 1914.) Zunächst wandte man sich Neins Aufsatz über die nationale Einheitsschule zu. Gefordert wird ein ge meinsamer sechsjähriger Unterbau als gemeinsame Grundlage in Uoberetnstimmung mit Comentus und dem Frankfurter Schulsystem. Hierauf vollzieht sich die Difserenzierung gemäß der sozialen Dreileiluirg unseres Volkes in die unteren, mittleren und höhrren Erztehungsschulen, denen sich dann sinn gemäß die Fuchichulcn anschließen. Die äußerst leb hafte Debatte stellte namentlich zwei Punkte in den Vordergrund, nämlich die für die allgemeine Volks- schule geforderte Zerlegung der Zöglinge hinsichtlich ihrer Begabung und ferner den fremdsprachlichen Unterricht namentlich in den höheren Erziehungs schulen. Gerade der sechsjährige Unterbau ist ge eignet, die Erkennung der Begabung und somit die künftige Berufswahl zu erleichtern. Und unter Hin weis auf di? Erfolge, di« man mit dem Frankfurter System erzielt hat, konnten die Bedenken zerstreut werden, die man hegte hinsichtlich des weiten Hinausschiebens des altsprachlichen Unterrichts. — Die Arbeit von Prof. Dr. I u st - Altenburg über die methodische Einheit gab sodann Gelegenheit, über dieses wichtige Kapitel der Lehrpraxis sich auszu sprechen. — Herbarts Grundlegung der Pädagogik und di« Forderungen der Gegenwart, die Arbeit von Oberlehrer Dr. K r e tzs ch m ar-Leipzig, war dritter Verhandlungs- gegeitstaird. Hier handelt es sich um einen Versuch, di« Pädogogik zu einer selbständigen Wissenschaft zu machen und ihr «in eigene» Tatsachenforschungo- gebiet zu sichern. Kretzschmar geht dabei aus von dem Herbartischen „Begriff der Bildsamkeit d<» Zöglings". Zweifelsohne würde eine Verselb ständigung der Pädagogik ihr Ansehen in wissen schaftlich?» Kreisen erhöhen, obwohl hierbei noch viel« andere Erwägungen mitspielen. Wenngleich Kretzschmars Darlegungen nur theoretisch eine ver änderte Stellungnahme bedeuten, die pädagogische Praxis hingegen nicht berühren, konnte man sich nach langen gründlichen Erwägungen nicht ent schließen, di« seit Herbarl geläufig« Fundierung der Pädagogik aus Psychologie und Ethik aufzugeben. Die Besprechung von Barth-Elementen ber Erziehung und d«s Unterrichts durch Prof. Dr. Fa l b r« cht - Wien gab Veranlassung, dem vortrefflichen Werk des Leipziger Gelehrten die verdiente Anerkennung zu zollen trotz einzelner Ausstellungen, di« M machen waren. An den Auf satz von Pros. E. H < y n - Hannover über den systematischen Unterricht auf der obersten Stufe höherer Schulen in seinem Verhältnis zum gesamten Religionsunterricht dieser Schulen schloß sich ein« recht lebhafte Aussprache an, die be sonderen Wert durch die trefflichen Ausführungen von Prof. Er. E. T h r ä n d o r f - Auerbach gewann. Die neuen preußischen Bestimmungen für den Re ligio, suntcrricht an Lyzeen wurden einer scharfen Kritik unterzogen und namentlich die Festsetzungen für das oberste Schuljahr für unpädagogisch erklärt. Der letzte Verhandlungs-gogenstand war die Abhand lung von Dr. Cajetan Zimmermann- München über Philosophie an höheren Schulen. Die Wichtigkeit der oielumstrittenen philosophischen Propädeutik wurde allgemein an- erkannt, ebensosehr wi« die Schwierigkeiten, di« bei einer zweckdienlichen, nach pädagogischen Gesichts punkten orientierten Ausführung erwachsen. Psychologie vor Logik, Berücksichtigung auch ethischer Fragen sind zwei Hauptforderungen. Frühjahrskonzert de» Leipziger Männerchors. Mit diesem Konzert erinnerte der Verein wie der an seine glanzvolle Wiener Reise mit ihren außerordentlichen Erfolgen. Und man kann diese Erfolge im allgemeinen und im Hinblick auf Wien m-besondere verstehen, ist doch eine derartig« Lbordiszivlin, wie wer sie von unseren großen deutschen Vereinen, von unserem „Leip ziger Männerchor" besonders gewohnt sind, aus österreichischem Boden nicht allzu häufig zu fin den. Der Hauptschwerpunkt diese- Konzertes ruhte in dem klanglich ganz hervorragenden Pianosingen, wozu die meisten gesungenen Chöre Anlaß boten. Besonders sind hier die von Franz Schubert zu nennen. Von lebenden Komponisten war Matthieu Neumann mit dein tiesernsten Chor „Golgatha" vertreten, der sich mit seinem stim mungsvollen Ansangsteil und manch anderer gut gelungener Einzelheit als beachtenswert erwies. Daß die stärksten Gedichtsstellen noch schärfer erfaßt werden können, ist zweifellos. Bon dem Wiener Viktor Reldorfer hörte man einen gut modernen, das Gedicht vollständig charak terisierenden Chor „Ungeweinte Tränen", ent schieden eine der besten Chorleistungen des Kom ponisten. Nur schade, daß der etwas sentimentale Dur-Schluß vollständig aus dem Stile des Gan zen herausfällt. Wohlgemuth selbst steuerte sein „Segne, Gott, das Haus Wettin" mit viel Er folg. Di« übrigen Chöre (als besonders nennenswert noch Nicodes „DaS ist das Meer") sind in ihrer Ausführung hier schon allgemein bekannt. Als Solistin beteiligte sich Frl. Ilse Helling, die ja mit ihrer stimmlichen Schön heit und Leichtigkeit auch immer gut anspricht. Fm allgemeinen weiß sie immer Lieder zu wäh len, die ihr auch im Vortrag liegen. Liszts „Wie der möcht' ich dir begegnen" möchte noch mit mehr Innigkeit des Empfindens gesungen werden. Gleichfalls wiederholt hörte man das Leip ziger Vokalquartett (FrlS. Marg. Fritzsche und Hel. Braune, die Herren P. Siegen bach und A. Gelbe). Auch dieses leistete An sprechendes. Vielleicht könnte zur größten Voll endung noch mehr Geschlossenheit im Rhythmus, gegenseitige Ausgleichung in der Stimmkraft und, besonders in Sachen wie Wohlgemuths „Tan- daradei", leichtere Ton- und Textbehandlung er zielt werden. Die notwendigen Begleitungen am Klavier führte Herr Max Fest gut musikalisch aus. Der Erfolg des Abends war für alle Teile, insbesondere auch für den Dirigenten, Herrn Kgl. Musikdirektor Gustav Wohlgemuth, ausgezeichnet. ^rtur 8abl«8v1. * Musikalischer Gesellschaft »abend imFeaueuNub Leipzig 1SO6. Es waren erlesene Gaben, die von den ausführenden Künstlerinnen der zahl reichen Hörerschaft gestern abend in den Klub räumen in der Felixstraße geboten wurden. Mozart beherrschte den Abend. Fräulein Lar- lotta Tortes erspielte sich als treffliche Flöten- virtuosin reichsten Beifall und Dank. Sie lei tete die Darbietungen ein mit zwei Sätzen aus dem C-Dur-Konzert von Mozart. Besonders der anspruchsvolle zweite Satz mit seinen Läufer reihen, in den feinsten Schattierungen wieder gegeben, kam zu voller Wirkung. Den locken den Klängen des Mozart-Burmester-Menuetts und dem Walzer II von Weber ließ die Künst lerin, von Frl. Hartung in musterhafter Weise am Flügel begleitet, Köhlers „Papillon" » folgen, ein Vrrtuosenstücklein, das Gelegenheit I bot zur Entsaltung einer hervorragenden Tech nik. Auf gleicher künstlerischer Höhe standen die Liedergaben, die Frau Ella Hilarius- Stepinsty spendete. Der weiche Sopran der Sängerin kam in der Arie aus Mozarts Königin der Nacht — O zitt're nicht — zu bester Gel tung und erregte in der „Nachtigall", der mit Sehnsucht und Neckerei eigenartig gepaarten rus sischen Weise von Alabieff, durch seinen großen Umfang berechtigtes Staunen, zumal die Töne auch in den schwierigsten Koloraturen glockenrein perlten nnd in den höchsten Lagen nicht au Weichheit verloren. Zum Schlüsse boten Frl. Tortes und Frau Hilarius-Stepinskn Adams Bravour-Variationen, mit Frl. Walden« bürg er, die auch die anderen Lieder begleitete, al- sichere Partnerin am Flügel. DaS selten gehörte Stück, für die Sängerin eine Glanz leistung, wurde, wie auch die anderen Darbie tungen, durch reichsten Beifall ausgezeichnet. rr- »p- * Schauspielhaus. Am Freitag, den 8. Mai, wev» den im ^chauipielhaule die l-ln^lis, <->»»»» oa unter Leitung des Direktors Nou band gastieren, und zwar wird l'bo l. onäon 8b»lrv- - p > It s < o n o lll l> >1II ZI mit eigenen Dekorationen und Ausstattungen in englischer Sprache autsühren nachintttags 4 Uhr „)land erd" und abends 8 Uhr ., l l> >! )l >: r I > zv> V u 8 oI zv I n tl 8 o r'. Für die Ausführungen/ die unter dem Protektorate des deut schen Neupt ilologen - Verbandes slatlfinden, gelten nachmittags halbe und abends gewöhnliche Preise.— Das nützliche Spiel: „Als ich noch im Flügel- kleide" ubt jo starke Zugkraft aus, daß es oor- aussichtiich den ^pielplan des Schauspielhauses bis zum 1. Juli betzerrsctzen wird. Am 1 Zull beginnt Anton Franck »ein übliches Sommer-Gastspiel, das jedoch in diesen» Zahle wegen der am l. August be ginnenden Renovation des Schauipielhauses nur einen Monat dauern wird. Die Dutzenviarten, die von jetzt ab im ^champielhauie ausgegeben werden, Haden Gültigkeit dis zu diesem Tage. * «Schneider Wibbel" im Deutschen Künstler ¬ theater. Unser Berliner Theaterreferent telegraphiert uns: Die Komödie „Schneider Wibbel" von Hans Müller-Schlösser, die im Deutschen Kiinstlerttzeater aufgeführt wurde, hat einen drolligen Einfall zum Kern. Der Schneider, der ins Kittchen soll, ichickt auf den Rat seines bissigen Weibchens seinen Gesellen mit den Ausweis papieren ins Loch und verbirgt sich daheim. Un glücklicherweise stirbt der Platzhalter im Arrest, und dem Schneider Wibbel bleibt nichts anderes übrig, als für tot zu gelten. Er geht aus seinem Versteck heraus, sieht sein eigenes Leichenbegättgnis und ver kleidet sich dann, kompromittiert durch nächtliche Be suche seine Frau und macht als angeblicher Schwager mit seiner eigenen Witwe Hochzeit. Aus diesem Rahmen ging eine ziemlich dünne Posse auf, durchaus kein Tharakterlustspiel. Einige lustige Szenen und das Spiel von Zakob Tiedecke und Söhneland er zielten einigen Beifall, so daß der Versager sich zeigen konnte. ll- L. * Wilhelm Wolters „Wenn Frauen schweigen". Im Dresdner Albert-Theater wurde zu.n ersten Male Wilhelm Wolters Lustspiel „W«n n Frauen schweigen" aufgeführt. Es finden sich manche Ansätze zu einer tieferen Eharakterkomik in der Schilderung dieser Ehe, wo der Mann herrscht» di« Frau aber regiert, doch oft gewinnt wieder der landläufige, oberflächliche Witz das Uebevgewicht. Dem Ganzen fehlt die dramatische Bewegung, und einige schleppende Längen halten unnötigerweise die dürftige, phantasiearme Handlung auf. Die Darstellung war im allgemeinen gut bis auf die Rolle der Frau. Dieser fehlt jene feine, diskrete Ueberlegenheit über den Gatten, wodurch die Wirkung des Werkes sehr beeinträchtigt wurde. Das Publikum klatschte wie gewöhnlich Beifall. vr. k. -Vcllor. * Neue Mitglieder des Berliner Lessing-Theater». Dem Lessing-Theater werden vom Beginn der nächsten Spielzeit an die Herren Max Adalbert vom Kleinen Theater, Bruno Deca rl i vom Leipziger Stadttheater und Jacob Ti edtke vom Deutschen Künstler-Theater als Mitolieder angehören. * Die Leitung des Münchner Künstlertheater» übernehmen gemeinschaftlich Professor Georg Fuchs in München und die Direktion des Düssel dorfer Schauspielhauses. * Hermann Prell, der bekannte Historienmaler, hat. wie gemeldet wird, an der Akademie der bildenden Künste in Dresden sein Amt aus Altersrücksichten niedergelegt. Er vollendet in den nächsten Tagen sein 60. Lebensjahr. Mgerlelllnant MeOrung. 25s Roman von Paul Burg. (Nachdruck veröotrn.) Gemma fand sie in Tränen auf ihrem Zim mer und hatte Mühe, sich bas bekümmerte Herz der stillen, greisen Mutter zu erschließen. „Kind, Kind, du siehst die Rollen deiner Eltern jetzt vertauscht. Dein Vater ist ein an derer geworden, er hat keine Sorgen mehr nnd hat sich von den beiden leichtfertigen Aeltesten einfach losgcsagt. Ob das nun gerade das Rechte war? Du weißt, ich habe ihnen nie die Stange gehalten, aber jetzt tnn sie mir herz lich leid, und ich ängstige mich um sie, um euch." „Um uns, Mutter? Meinst du Ekman und mich?" „Ja, Gemma; deine Brüder drohen mit allem möglichen; der eine will sich totschießen, der andere spielt in seinem Briefe mit dem Ge danken der Fahnenflucht, als hieße er nicht Ehrenberg und stehe irgendwo im Wochenlvhn nne ein Arbeiter. Ach, und wenn das alles wäre! Aber jetzt fängt es auch schon mit Ferdinand an. Was eigentlich ist, weiß ich nicht, aber er schreibt ver zweifelt, als vb etwas passieren müsse. . . Ich glaube, seine Frau " „Mutter, warum trägst du das sv allein für dich? Konntest du nicht den Weg zu uns finden?" nahm Gemma fte herzlich bei der Hand. „Ihr seid noch die einzigen Glücklichen. Wie hätte ich euren jungen Ehefrieden stören mögen!" Gemma nickte still und senkte den Kopf, daß die Mutter ihr den Kummer nicht ansähe. Stumm preßte sie die Lippen auseinander, der alten Frau in ihrem Leid nicht noch das Herz damit zu beschweren, daß auch sic, das jüngste Kind, ihre Ehesorgen habe. Und während sic auf den greisen Scheitel der Mutter berabsah, schien ihr mit einem Male ihr bißchen Schmerz und Duwen um Bärensprungs Fliegersehnsucht gar ein geringer Schatten, nicht ein Wort wert gegenüber den lastenden Mutter sorgen um drer stolze Söhne, die trregingen. Und sie gelobte sich, alles Erinnern an die letzten Wochen, an die bangen Sorgen und Zweifel um ein Phantom zu verwinden und zu vergessen. Die Angst mn Bruder Ferdinand teilte sich auch ihr mit. Seit langem hatte er ihr nicht mehr geschrieben. Ueber ihrem eigenen Glücke hatte sie ihn ganz vergessen. Wann sah sie ihn denn überhaupt zum letztenmal? Zur Hochzeit nach Schweden hatte er nicht kommen können. Die Reise war teuer und weit; bei ihm ging cs schmal im Haus- halt zu. Sie empfand ein inniges Verlangen, Ferdi nand zu sehen, und teilte sich ihrem Gatten mit. Der Oberleutnant war sofort bereit. Die Augen der Mutter leuchteten hoffnungsvoll, als sie ihnen mir dem Baron zum Abschied das Geleit nach dem Bahnhofe gab. Sie fuhren ain Exerzierplatz entlang. Von ferne blinkten die Flugschuppen. Baron Ehren berg zeigte hinüber. „Das nimmt nun auch überhand. Letzte Woche haben wir im Park einen Kerl beim Wil dern gefaßt. ES war ein Angestellter aus der Flugfabrik. Daß doch alles so verrohen muß!" Gemma, wieder ganz in der Erinnerung an den Unfall Ekmans lebend und leidend, sah ans und suchte die Augen ihres Gatten. Bärenjprung, der seine Blicke über den Platz schweifen ließ, sagte mit einem Ton, dem man das ruhige Abwägen anmerkte: „DaS ist vorläufig nicht zu ändern, Vater. Später stellt sich wohl alles aus das richtige Maß ein." „Sei froh, daß du damit fertig bist!" Der Oberleutnant achtete nicht auf diese Einbeziehung ferner Person in das Gesprächs thema und fuhr aus fernen Gedanken heraus fort: ,/Wenn man den Alugbetrieb, wie er dem Heere dienstbar gemacht ist oder werden sollte, nicht mehr als eine Sache der Oeffentlrchkeit betrachtete und nicht mehr zum Schaustück für Geld, nicht mehr zur Sensation herabwürdigte, so wäre viel gewonnen. Das muß Dienst sein, rnterncr Dienst und ganz als Dienst betrachtet werden. Keine oause oälökr« zur Befriedigung hungriger Reporter und vager Existenzen." Der alte Ehrenberg sagte darauf noch etwas, und der Oberleutnant gab Antwort. Sie spra chen noch eine kurze Zeit davon. Gemma hörte nichts als das Wort Dienst . . . es muß ganz als Dienst betrachtet werden! Das gellte ihr im Ohre, verlor allen Reiz und alle Weiche der lieben Stimme Ekmans, schrillte wie ein Signal, donnerte wie ein Motor und rief an ihrem Ohr: Man muß es ganz als Dienst betrachten. Sie starrte ihren Mann an, dec lächelnd mit dem Vater sprach, und merkte mit Erstaunen, daß er immer weiter und weiter ihren Blicken entrückt ward, weltenfern. Nun saß er schon dahinten, weit hinten »n einer Wolke, und seine Stimme tönte zu ihr Yin: Dienst, Dienst! Er hatte ein hartes, herbes Abentcurergesicht mit großen, scharfen Zähnen, die aus dem N.ftrnde hervorstachen mit ihren grausam weißen Blin- ken wie bei einem Tiger. Seine Nase bog sich noch kühner vor, und auf seiner Stirn stand ein eiserner, unbeugsamer Wille. So >var er ganz Flieger, ihr ein Fremder. Und entflog ihr. Und sie selber saß doch mit ihm im Wagen, fuhr jetzt an der Schanze hin, wo er sie damals aus dem Flugzeug gehoben hatte, wo ec sie so heiß gzjüßt hatte. Sie sah sich wieder zwischen Himmel und Erde und lächelte, ein bitteres wehes Lächeln, sank ächzend zurück. „Gemma, um Gotteswillcn. „Kutscher, halt!" Die Baroniu beugte sich über rhrc ohn- mächtige Tochter. „Aber Kind, liebes zkind! — — Das sind beängstigende Zustände. Ich hatte sie auch zu solchen Zeiten, nicht wahr, Botho?" Bärensprung war erschüttert von dem An blick seiner ohnmächtigen Frau. Er wollte auf jeden Fall von der Reise absehen, umkchren. Da schlug sie die Augen wieder auf und sah ihn schmerzvoll an. „Ekman, bist du noch bei mir? " Das Wort schnitt ihm in die Seele. Er ahnte ihren Schmerz. Wenn sie doch erst fort wären aus dieser Gegend, wo überall unter dem Himmel die Flie ger waren und bei der reizbaren Frau Erinne rungen, Aengste erweckten! — Gemma bestand auf der Reise. In Berlin machten sie Station. Der Ober leutnant unterhandelte mit seinem Bankier, seine Frau kaufte ein. Abends gingen sie in ein gutes Theater. „Zphigcnic" wurde gegeben. Gemma hatte den Wunsch ausgesprochen, es zu sehen. Sie verbrachte den Abend wie in einem wundersamen Traume, von den herrlichen Dichterworten umschmeichelt, hingerissen von den Schauspielern. Ihr ganzes Sehnen und ver haltenes Härmen löste sich in Tränen. Der Oberleutnant blieb diesem innersten Erleben gleichfalls nicht fremd und fern. Er war niit einem weichen, wunderlichen Empfinden inS Theater getreten und fühlte sich mächtig hingczoaen zu dem erschütterten Erleben der griechischen Königsgcschwister. Bärensprung hatte sich über den Kummer der Baroniu seine eigenen Gedanken gemacht. Das galt doch dem Ferdi nand nicht allein! Irgend etwas Schlimmes be reitete sich vor, das man verhüten mußte. Schon um Gemmas willen. Wie hinfällig war sic ge worden, die ihm damals so stolz entgegcngetrcten war am Grabe des großen Spötters Bären sprung! (Fortsetzung in der Abendausgabe.)