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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". R»tatlaa«dn«r «>» S»rlaa»»a«^,r » «ialertt» v, Rieia. — siür di» «»daMoa -mnNaattU»! Arthur -äh«,I v« «,„«». S1V. , L»»««btu»,s. .TeMvSer 1911, «de»»s. «4. Jahr». Z«r Maratte-Aagelegeuhett. Tie Aufnahme der deutschen Gegenvorschläge in Paris soll nach dem „L.-A." in den leitenden französischen Krei sen nur in geringem Grade befriedigend sein, weit sie gewisse Garantien für Marokko vermissen lasse, und weil die Ansprüche am Kongo zu hoch erschienen. Demgemäß werde Frankreichs Antwort ausfallen. Tie Brücke zu weiteren Verhandlungen abzubrechen, daran denke in Paris niemand. Bisher sei in Paris allerdings nur die Tendenz der deutschen Antwort bekannt, ihr Wortlaut werde erst Anfang nächster Woche erwartet. ES heißt also weiterhin in Geduld abwarten. Tie „Kölnische Zeitung" meldet unterm 8. d. offiziös aus Berlin: Tie gestrige Unterredung zwischen dem Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter und dem Botschafter Cambon war lang und eingehend. Tie brieflich aufge stellten Gegenvorschläge Deutschlands sind in diesem Augenblick untertoegs nach Paris. Aus der Abfassung deutscher Gegenvorschläge kann selbstverständlich nicht der Schluß gezogen werden, daß die von Cambon überreichten Vorschläge Frankreichs von Deutschland als unannehm bar abgelehnt worden wären, sie werden im Gegenteil als Grundlage zum Weiterverhandeln angesehen, sonst würde Deutschland sie L limine zurückgewiesen und Gegenvor schläge überhaupt nicht aufgestellt haben! Bis zur Ant wort Frankreichs ivird naturgemäß einige Zeit vergehen. Zwischen der ersten Mitteilung der französischen Vorschläge und der Ueberreichung der deutschen Gegenvorschläge liegen vier Tage. Vielleicht darf angenommen werden, daß auch die Rückäußerung Frankreichs nicht länge auf sich warten lassen wird. Inzwischen nimmt daS offiziöse militärische Organ Frankreichs, die , Fr" - rokkofrage in einem Artikel Stellung, der an Anmaßung und Verdrehung der Wahrheit alle bisherigen Leistungen des Blattes in Schatten stellt. Es wird da folgendes auS- gcführt: „Deutschland ist isoliert. Man'kann zwar seine Macht nicht ableugnen; die Armee ist zahlreich, gut be waffnet, im allgemeinen auch gut geführt. Wir wollen auch Oesterreichs und Italiens Bündnistreue nicht in Zweifel ziehen; aber es unterliegt keinem Zweifel, daß in den gegenwärtigen Umständen Deutschland sich außer halb des vasus förderns gesetzt hat. Tie Isolierung des Kaiserreichs ist ebenso vollkommen in moralischer Be ziehung. Tie ganze Welt, erregt über seine Anmaßung und Habgier, ist von Deutschland abgerückt. Gegenüber diesem isolierten, von Feindseligkeiten und allgemeinem Mißtrauen umgebenen Deutschland steht Frankreich, be wunderungswürdig durch seine Geduld und Langmut, bei allen beliebt durch seine loyale Handlungsweise, gestützt auf ein Bündnis und eine ebenso feste Entente, mit einer Armee und einer Flotte, die mindestens gleich sind in bezug auf Zahl und alle anderen Eigenschaften. Tatsäch lich ist die französische und deutsche Armee numerisch gleichwertig. Wir können jedem deutschen Bataillon ein uusriges entgegenstellen trotz der größeren Bevölkerungs ziffer in Deutschland, weil unsere Reserven besser und vollzähliger sind. Und wenn man alle Personen, die der allgemeinen Wehrpflicht in beiden Ländern unterliegen, vergleicht, so findet man, daß Frankreich etwa 500 000 Mann mehr besitzt als Deutschland, nämlich rund fünf Millionen in Frankreich gegen 4i/- Millionen in Deutsch land. (-?) Zn unseren eigenen Streitkräften kommt dann auf das erste Signal eine englische Armee, großartig Auf dornenvollem Made. Roman von M. Weidenau. 71 Aber man sah den fürstlichen Herrn auch stundenlang allein In Gesellschaft Baron Friedlosfs. Oft wurde Friedloff auch nach Warschau ins Palais des Fürsten zum Diner oder auch zu kleinen Festlichkeiten, welche Gräfin Warwara so reizend zu arrangieren verstand, geladen, denen Georg übrigens, obwohl eine solche Einladung ein besonderer Gunstbeweis des Fürsten war, im Grund genom men lieber ferngebliebcn wäre. Der junge Mann war kein eingebildeter Geck, ein aus persönlichen Vorzüge eitler Mensch, aber er hätte blind sein müssen» um nicht zu bemerken, wie Gräfin Simonska vor allen anderen Herren, die im Palais des Fürsten aus und eingingen, ihn bevorzugte, ja, nicht selten so auffallend auszeichnete, daß er sich manche mehr oder minder zarte Anspielung von seiten der anderen Bewun derer und Verehrer der schönen Frau gefallen lassen mußte. Sein Benehmen Gräfin Warwara gegenüber blieb sich stets gleich: er sah in ihr eben die Tochter seines fürstlichen Ge bieters, von der ihn, den armen, dienenden Edelmann, eine unüberbrückbare Kluft trennte. Wenn das aber auch nicht ge wesen wäre und er Iduna nicht geliebt hätte, dieser Frau, er fühlte es deutlich, hätte er niemals Liebe geben können. Seit jenem Märzabeud hatte er sie nicht wieder allein ge sprochen und, daß es so war, lag wahrlich nicht an Gräfin Warwara, er selbst war es, der kein Alleinsein mit der schö nen Frau wollte und ihr, selbstverständlich ohne dabei Rit terlichkeit zu verletzen, mit Virtuosität auSzuweichen wußte. Heute abend stand Georg Friedloff, einen letzten prüfen den Blick in Pen Wandspiegel werfend, in vollster Balltoi lette vor der guten alten Frau Karki, um sich, wie er la chend meinte, „bewundern" und konstatieren zu kaffen, ob er zu der Festivität in» Palais Ismailow, zu der er geladen war, entsprechend „adjustiert" sei. „Just wie ein Bräutigam sehen Sie aus, Herr Inspek tor," sagte die Frau, mit wohlgefälligen Blicken seine tadellose Erscheinung musternd. „Nur bis Braut fehlt noch." Kun, nun, nur noch ein wenig Geduld, liebe Karki, wer bewaffnet und nach japanischem Muster organisiert, die ungerechnet der Reserven etwa vier Armeekorps darstellt. Ties sichert uns in unserer ersten Linie die absolute Ueberlegenheit, selbst wenn unsere afrikanischen Truppen nicht erscheinen. Aber sie werben erscheinen, denn die absolute Herrschaft des englisch-französischen Bündnisses über das Mittelmeer gibt uns hierfür die Gewißheit, llnd schließlich im Osten von Europa wartet die enorme Masse des verbündeten Rußlands nur auf daS Zeichen, sich in Bewegung zu setzen, wenn Deutschlands UnNug- heik unS zum Kriege zwingt. Tiefe russische Armee ist derartig, daß sie jede etwaige Hilfe eines deutschen Bundesgenossen die Spitze bieten würde. Ter Artikel wendet sich dann an Belgien: Bravo, Belgien! Vergeßt nicht, daß eure Existenz von dem Ausgainge des kommen den Kampfes abhängt, daß dieser sich vollziehen wird morgen oder in zehn Fahren, und daß das einzige Mittel, sich gut zu verteidigen, im gegebenen Moment der An griff ist. Was der Artikel dann weiter über die Ueber legenheit Frankreichs und seiner Verbündeten zur See sagt/ kann nach den obigen Proben unbeachtet bleiben. Zum Schlüsse wird an die Heeresleitung die dringende Mahnung gerichtet, für den Fall, daß die Verhandlungen sich noch in die Länge ziehen, die Reserven nicht zu entlassen, denn man solle nicht vergessen, daß Deutsch land stets in brutaler und überraschender Weise vorzu gehen pflegt." Ein leidenschaftlicher Hetzartikel- Das Heer der Marokkaner. Ueber die bewaffnete Macht, die dem Sultan von Marokko zur Verfügung steht, sind, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" von einem Kenner de» Lander ge schrieben wird, zum Teil gar kein», zum Teil falsche Vor- stellungen vorhanden. Da das marokkanische Heer durch die Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland über Marokko und durch die Frage der sogenannten „Schwarzen Armee" Frankreichs auch für uns ein große» Jnlereffe hat und auch in Zukunft habe« wird, so seien einige der wichtigsten Einzelheiten mitgeteilt. Trotz der Bemühungen Frankreich«, durch französische Instruktion-- offiziere eine regulär« Truppe zu schaffen, ist dies bisher noch säst gar nicht gelungen. Marokko» Heer besteht hauptsächlich in einer Leibgarde de» Sultan», die die rin. zige europäisch geschulte Truppe darstellt. Die Leibgarde hat eine Stärke von 400 Mann und ist als zuverlässig anzusehen. ES ist nicht leicht, da« Amt eine» Lelbgardisten zu erhalten. Um die Zuverlässigkeit der Truppe zu be wahren, ist dieses Amt fast anrschließlich durch Erbschaft vom Vater auf den Sohu gekommen. ES gibt Leib- gardisten, die ihre Ahnen bis auf da« 17. Jahrhundert nachrechnen können, bis zu jener Zeit, da der Sultan Mulay Islam sich genötigt sah, die Leibgarde ungefähr um das Jahr 1698 zu errichten. Mulay JSlam war als großer Despot und grausamer Herrscher bekannt, und die Besten des Landes wurden ausgesucht, um den Schutz des Herrschers zu bilden. Diese Prätorianer-Truppe war auch unter den Nachfolgern Mulay JSlam» ausersehen, deck Schutz des Herrschers und des Lande» zu bilden. Die Lelbgardisten sind darum auch die einzige Truppe, die sich rühmen kann, einen Sold ständig zu erlangen. Der Sohn eines Leibgardisten wird schon mit dem 6. Lebensjahre in den Palast gebracht, wo er die Reitkunst lernen muß. Mit dem 12. Jahre ist seine Ausbildung vollendet und er tut schon militärische Dienste. Seine Einstellnna erfolgt weiß, ob sich die nicht auch bald einfindet. Und nun bitte, mei nen Pelz, es schneit noch immer tüchtig." Aber statt ihm den Pelz zu reichen, blieb die Alte mit gefalteten Händen vor dem jungen Edelmann stehen und in ihren Augen schimmerte es feucht. „Herr Baron," so nannte sie ihn, wenn sie Ernstes mit ihm sprach, und das wußte er, daher blickte er sie auch jetzt, fra gend an, „ich bin ein armes, altes Weib, das nur mehr das Gnadenbrot ißt im Haus, und Sie werden es vielleicht eine Keckheit nennen von mir, wenn ich mich da einmischen will. Aber, sehen Sie, Herr Baron, wir alle, die auf dem Gut sind, haben Sie lieb gewonnen und am meisten ich, Sie sind so gut und menschenfreundlich, und so möchte ich halt bitten, tun Sie es nicht, es würde nur Ihr Unglück sein." Mit wachsendem Staunen hatte er ihr zugehört und starrte sie nun verständnislos an. „Ja, ums Himmels willen, was soll ich denn eigentlich nicht tun ? Was würde denn mein Unglück sein?" Sie kant nahe an ihn heran und flüsterte ihn: kaum ver ständlich zu: „Die Frau Gräfin sollen Sie nicht heiraten, das würde wirklich Ihr Unglück sein. Drum, Herr Baron tun Sie es nicht." Er war so verblüfft über ihre Worte, daß er faktisch im ersten Moment sprachlos dastand, dann aber lachte er hell auf. „Herrgott im Himmel droben, mir fällt eS ja auch gar nicht ein. Wie kommen Sie denn nur auf diese tolle Idee?" „Sie ist gar nicht so toll, wie Sie zu glauben scheinen, Herr Baron. Wir alle haben Augen und Ohren und sind, wenn auch nur einfache Landleute, nicht auf den Kopf gefallen und wen» Sie es auch nicht wollen, sie will es desto mehr." „Reden Sie keinen Unsinn, Frau Berta!" rief er jetzt fast barsch. „Niemand von uns beiden denkt an eine Heirat." „Herr Baron, sie ist jung, schön und unmenschlich reich, aber sie kann auch unmenschlich sein in ihrem Tun. Alle sind noch von ihr geblendet worden, die sie blenden wollte., und jetzt sind Sie dran, Herr Baron, und daß Sie stolz sind mit ihr, das reizt sie just am meisten. Aber sie wird Sie auch noch heruinkrtegcn und ich warne Sie noch einmal, sie hat was Teuflisches in sich, sie kommt mir vor wie ein Vampyr. Ihr Mann, der arme Herr Graf, hat auch dran glauben müssen. Na ja, er war ihr halt dann auf einmal im Wege." aber erst mit dem 16. Leb»n«jahre. Außer dieser Leib garde verfügt Marokko noch über 1000 Mann Infanterie, di« von Werbern angeworben und zum Teil durch Gewalt in di« Kasernen gebracht werden. Die 1000 Monn haben von den französisch^ Jnstruktionsosstzieren in den letzten Jahren wenigsten» eine geringe Ausbildung erhalten, so daß sie noch al» Soldaten anzusprechen sind. Ganz irreguläre Truppen sind aber die 2000 Mann «eiter und 18000 Mann Miliz, die da» gesamt» Heer Marokko» dar stellen. Im Kriegsfall« stehen dem Sultan noch ungefähr 40000 Mann irregulärer Reiter zur Verfügung. Da» sind «etter, die bereit» beim Militär waren und die jederzeit bereit sein müssen, den Dienst wieder aufzunrhmen, wenn der Sultan «» fordert. Die Bezeichnung Soldaten ver dienen sie natürlich nicht, da ihnen sowohl jede Disziplin al» auch jede tatsächliche Ausbildung im soldatischen Sinne mangelt. Tagesgeschichte. Gegen die übertriebenen FrtedensschwSrmereien wendet sich im „Tag" Proseffor Ziegler-Straßburg, indem er schreibt: „Wenn in Marokko für un» wirtschaftliche Interessen auf dem Spiele stehen — wa» doch wohl nicht bestritten werden kann — so geht dies ebenso die Arbeiter an wie die Fabrikanten; denn mit den Absatzgebieten hängt da« Gedeihen der Industrie zusammen, wa» dann auch auf die Löhne der Arbeiter zurückwirkt. DaS Prole tariat hätte also guten Grund, eine wirtschaftliche Expan- stonkpolittk zu wünschen und jedenfalls einer solchen nicht entgegenzutreten. Auch für den politischen Gesichtspunkt, daß Frankreich durch die Okkupierung de» ganzen nordafrtka- nischen Küstenländer eine gewaltige Machterweiterung erfährt, sollte das Proletariat nicht unempfänglich sein. Denn jede Stärkung der französischen Macht nötigt un» zu größeren Rüstungen und vermehrt also den sogenannten unproduktiven Aufwand des Staates. Aber es ist ein« geschichtliche Erfahrung, daß die extreme Demokratie stet» eine kurzsichtige Politik treibt und alle weiteren und höheren Gesichtspunkte außer acht läßt, „i'anom et eiresnsos" «lie ineiLt »cnanen llerucn ks« unci ttrenkenvikcn«, »uck «em» mit Llut unct Liter debeltet, virck ßrünctlick «tavon delreit, ckesinliriert unct rasck gereinigt äurck ^Vssekei» mit kvrsil. V»Ulc»»»»«» «»-»lallet, I NLttttLl. L c°.. Vl)88Ll.vOKL. llenkeis 6!eiciki-Z0c!3. Mit gerunzelter Stirn stand Friedloff da, er hatte die Alte unterbrechen wollen, „Dienstbotenklatsch" war ihm verhaßt, aber, hatte er nicht selbst die schöne Frau bei sich einen „Vam pyr" genannt? Und auch sonst hatte die Frau recht; er wußte längst, welche Gefühle dies leidenschaftliche Weib beseelten und daß es nur an ihm lag, einer der reichsten Grundbe sitzer dieses Landstriches zu werden. Aber nein, nein und tau sendmal nein, auch ohne die Warnung dieser armen Alten da. Er bot dieser die Hand. „Sie meinen es gut und ich danke Ihnen. Aber meine Braut ist in Wien und wartet auf mich, daß ich komme, sie als mein Weib hierhcrzuholen. So, und nun rasch Pelz, Mütze und Handschuhe, die Pferde werden schon ungeduldig sein und da kommt auch schon der Moritz." Eine Minute später sauste der Schlitten, unter lustigem Schellengeklingel, über den hartgefrorenen Schnee der einsam daliegenden Dorfstraße dahin. ' Georg saß mit düsterer Miene tief in den Sitz zurückge lehnt und sann über alles nach, was die alte Frau gesagt hatte. Eine peinliche Empfindung schlich sich in sein Herz und der lebhafte Wunsch, die Gräfin möchte niemals den Fuß hier hergesetzt haben, kehrte wieder. Schließlich aber schüttelte er die quälenden Gedanken energisch ab und redete sich ein, daß eS sich doch nur um eine Laune der schönen Frau handle. Dann dachte er an das Geheimnis, das er entdeckt: ob sie sich wohl auch heute noch an den geheimen, politischen Um trieben beteiligte? Fast wollte er eS verneinen, denn er hielt auch ihren Patriotismus nicht für echt, sondern nur für .den Ausfluß einer momentanen Laune. So sehr beschäftigten ihn seine nach allen Richtungen auS- einanderflatterndcn Gedanken, daß er ganz erstaunt ausschaute, als der Schlitten vor dem Palais Ismailows hielt. AlS er dann die mit wahrhaft fürstlichem LuxuS auSae- statteten EmpfangSräume betrat, mar der erste seinen Weg kreuzende Gast ein gewisser Graf Federosf, ein schon älterer Lebemann und Freund Ismailows, ein russifizierter Pole, der seinen Wohnsitz bald in Warschau, bald in Petersburg, bald in Paris nahm, je nach Laune, und der sich, wie allgemein be kannt, stark an Gräfin Warwara herandrängte, ohne jedoch von dieser irgendwie bevorzugt zu werden. 180,20