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Sette 2. Nr. l77. Nvrna*Nusgavr. Leipzig« Tageblatt. gramm hat die albanische Gendarmerie 100 Mann griechischer Truppen bei Ko- r itza geschlagen. Fürst Wilhelm von Albanien hat den Oberbefehl über die Streitkräfte zur Unterwerfung der epirotischen Ausständischen dem holländischen General Deweer über tragen. Weiter meldet der Dralft aus Paris, 7. April: Der offiziöse „Petit Parisien" schreibt, die Internationale Kontrollkom- mission werde dem Fürsten von Albanien wahrscheinlich den Rat geben, den aufständi schen Epiroten einige Bürgschaften für ihre Selbstverwaltung und ihre Gerecht same zu verleihen, da dies das einzige Mittel sei, um den Bürgerkrieg zu verhindern. f>oliMette Ueberliettt Aentralinstitut für Erziehung un- Unterricht. Der Kaiser Hot in seiner Eigenschaft als König non Preussen eine Stiftung genehmigt, die den 'Namen „Iubiläuinsstiftung für Erziehung und Unterricht" trägt und ihren Sih in Berlin hat. Der Zweck der Stiftung ist die Gründung und der Betrieb einer zentralen Lammlungs-, Auskunsts- und Arbeitsstelle für Erziehungs und Unterrichtswesen Das Ziel soll erreicht werden durch Sammeln von Material für die wissenschaftliche Forschung und praktische Beratung auf dem Gebiete des deutsä-en und ausländischen Erziehungs- und Unterrichts wesens: durch Erteilung von Auskünften aus Grund des vorhandenen Materials: durch Forschungen au, oem Gebiet der Iugendkundc und Iugcndbildung und dauernde und wechselnde Ausstellungen sowie durch Sammlungen. Bibliotheken und Werkstätten zu il)coretischer und praktischer Arbeit über Fugend kunde. Iugcndbiltung und sonstige pädagogische An gelegenheiten aller Art. Die Stiftung richtet ferner Borträge, Führungen und Kurse ein für Fachleute wie auch für andere an der Erziehung und Bildung der Fugend teilnehmenden Kreise. Die Verwirk lichung eines wesentlichen Teiles dieses Programnis ist bereits dadurch gesichert, daß oorbclmltlich der zu» treffenden näheren Vereinbarung die preußische llnterrichtsvcrwaltung und die Stadt Berlin sich bereit erklärt haben, in den Rahmen des Instituts einzngliedern 1. die der Stiftung bereits als Eigen tum überwiesenen Bestände der ehemaligen Deut schen Unterrichtsausstellung aus der Weltausstellung in Brüssel, 2. das Schulmuseum der Stadt Berlin, :!. die Königlich Preußische Auskunftsstclle für Schul wesen, 1. die naturwissenschaftlichen Fortbildungs kurse für Oberlehrer, die demnächst zu einer Zentral- itellc für naturwissenschaftlichen Unterricht ansge- baut werden sollen, .'>. der wissenschaftliche Kursus für Seminarlchrer in Berlin. — Ferner wird sich voraussichtlich dem Unternehmen die „Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgcschichte" anschließen. Zur Unterbringung dieser Anstalten und der noch neu zu begründenden Teile des Zentral instituts hat sich die Stadt Berlin unter Voraussetzungen, deren Erfüllung so gut wie gesichert ist, bereit erklärt, den m onumentalcn Bau zur Verfügung zu stellen, den sie aus Anlaß des Regierungsjubiläums des Kaisers un mittelbar bei der Universität errichten wird. Als Organe der Stiftung sind vorgesehen ein Vorstand aus 7 und ein Verlvältungsausschuß aus 23 Mit gliedern: letzterer bildet sür die einzelnen Arbeits fächer Ausschüsse aus den Kreisen der Sachverstän digen sowie aus Vertretern von Korporationen, Ver einen und Verbänden, die aus dem Gebiet des Er- zichungs und Untcrrichtswesens und der sozialen Fürsorge sür die Fugend tätig sind. Die Arbeits ausschüsse sollen so zusammengesetzt werden, daß sie auch die Zentralstellen bilden können für die wissenschaftliche Fortbildung der Lehrer. Wenn für diesen Zweck die Gewinnung maßgebender Universi tätslehrer gelingt, so ist die Entwicklung dieser Stellen m Fortbildungsinslituicn von hochschul- artigem Charakter gesichert. Die Gesamtheit dieser Institute, in deren Mittelpunkt die Pädagogische Arbcits- und Forkchungsstelle stehen soll, wird die >o lange ersehnte Pädagogische Akademie bilden Das Institut wird die Interessen und Be dürfnisse aller Schularten gleichmäßig berücksich tigen und gewissermaßen die höhere Einheit bilden, in der die Erziehungs- und Bildungsbestrebungcu unserer Zeit gesammelt, gesichtet und vertieft werden, ^m Sinne dieses Programms soll in dem Gebäude des Instituts auch den fochwissenschaftlichen und anderen Vereinigungen innerhalb der Lehrer schaft Raum und Gelegenheit zu regelmäßigen Sitzungen, Vorträgen und Tagungen gewährt werden. Reichsgefetzliche Regelung öes Handels mit Gchußwa^n. Nachdem am 28. Februar im Rcichsamt des In nern eine Konferenz mit Sachverständigen aus den Kreisen ocr Wafsenindustrie und des Waffenhandels stattgesunden hatte, in der über die Frage des Wafsenerwcrbsscheines ein Einverständnis nicht er zielt wurde, hat setzt die „Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Wasfenindustric und des Waffenhan dels" eine Eingabe an das Reichsaint des Innern gerichtet, in der sic anstelle des in Aussicht genomme nen „Waffenerwerbsscheines" einen „Waffe n- traaeschcin" vorschlägt. Es wird gebeten, von der Einführung eines Wajfenerwerbsscheincs Abstand zu nehmen, da er den reellen Waffenhandel schwer schädigen, aber den Wassenerwerb durch unlautere Elemente nicht verhindern würde und da die Ein schaltung der Polizei zwischen Wafsenhändler und Kundschaft unbedingt zu vermeiden ist. Die von der Arbeitsgemeinschaft norgeschlagenc reichsgesetzliche Einführung des „Wafsentragescheincs" gibt dagegen der Reichsregierung ein Mittel zur Bekämpfung des Schieszunsugs in der Ocffentlichkeit in die Hand, das von de* Regierung selbst in der Besprechung vom 18. Februar als sehr weitgehend, unter Umständen sogar weitergehcnd als der Wassenerwerbsschein be zeichnet wurde. Von den Vertretern der Reichs regierung wurde in der Kon erenz erklärt, daß mit der Einführung des Wafsencrwerbsscbeines nicht drc Ausrottung der Beaür nissrage verbunden werden sollte. Es sollte vielmehr in bewußtem Gegensatz zu der bislang in einzelnen Verwaltungsbezirken im Rahmen von Polizeiverordnungen geübten Praxis nur die Frage der Zuverlässigkeit in Frage kommen, so daß der von der Regierung angestrebte Erwerbs schein tatsächlich nur einer Anmeldung des Kaufes gleichkomme. Demgegenüber wird in der Eingabe betont, daß, oa nicht ganz bestimmt umgrenzte Vor schriften, die die Bedürfnisfrage ausschlieszen, für die unteren Verwaltungsbehörden gegeben werden kön neu, zu befürchten ist. daß in der Praxis bei Ertei lung des Scheines auch die Bedürsnissragc wieder eingeschaltet werden wird, zumal diese für die bis herige Praxis im Geltungsgebiet bestehender Regie rungsverordnungen das Ausschlaggebende war. Bei der letzten Konferenz wurde im übrigen über die Einführung einer Anzeigepflicht für den Waffen handel gemäß tz Abs. 2 der Reichsgewerbeordnunn sowie über das Verbot des Verkaufs von Waffen aus Jahrmärkten, bei Trödlern. Abzahlungsgeschäften', Althändlern und Messen zwischen den Regierungs vertretern und sachverständigen ein allseitiges Ein verständnis erzielt. Zum Prozeß Caillaux. Aus Paris meldet der Telegraph: Die Zeugenaussage des Präsidenten der Republik in der Angelegenheit der Frau Caillanx bildet in Advolatcn- und Richtcrkreiscn den Gegenstand eifriger und widerspruchsvoller Erörterungen. Die Freunde des früheren Finanzministers sind der Ansicht, daß die Aussage Poincarös sür die Gattin Caillaux' sehr günstig sei und hr weitgehende mildernde Umstände sichere: denn es werde immer deutlicher, daß diese Frau durch Angst vor der Veröffentlichung der in timen Briefe in eine die Willensfreiheit be schränkende Aufregung geraten sei. Caillaux habe seiner Gattin zweifellos von seinem Gespräch mit dem Präsidenten der Republik Mitteilung gemacht , und ihr auch seine Bemerkung wiederholt: „Wenn ' Ealmette das tut, dann töte ich ihn!" Frau Caillaux habe sich offenbar in ihrer Verzweiflung gesagt: „Ich werde ihn töten, bevor mein Mann es tut/ — Von den Gegnern Caillaux' dagegen wird erklärt, daß -ic Aussage Poincarös sür Frau Caillaux sehr belastend sei: denn der Vor bedacht, mit dem sic gehandelt habe, werde immer unleugbarer. Aber auch für Caillaux selbst sei diese von ihm provozierte Aussage Poincar-'s sehr bedenk lich. Es trete nun zutage, wie sehr er seine Frau in ihre exaltierte Stimmung hineingehetzt habe. — Selbstverständlich besckmftigt sich auch die gesamte Presse lebhaft mit der Aussage Poincari's. Der „Figaro" schreibt: Die Freunde Caillaux' haben gestern triumphierende Minen zur Schau getragen. Aber, wie schon so oft, wird der frühere Finanz minister auch diesmal das Opfer seiner eigenen Ver teidigung. Die Zeugenaussage des Präsidenten der Republik ist für Caillaux niederschmetternd. — Der dem früheren Finanzministcr nahestehende „Radical" sagt: Nach der Aussage Poincards kann niemand mehr daran zweifeln, daß die Empörung Caillaux' und seiner Frau durch Gründe intimer Natur her» vorgerufen worden war. S Es bestätigt sich, daß der Rücktritt des Ge- neralstaatsanwaltes Fabre im Ministerrat beschlossen worden ist. Der Justizmtnister hat dem Gcneralstaatsanrvalt bereits aufgefordert, seine Demission einzureichcn. Sollte Fabre sich weigern, diesem Befehle Folge zu leisten, so wird er ex ollicio gezwungen werden, zu demissionieren. Ver fiufstan- -er Kurden. Nach telegraphischen Meldungen aus Konstan tinopel sind beim armenischen Patri» archat Meldungen eingelaufen, wbnach ein Teil der aufständischen Kurden drei Stunden von Bitlis entfernt steht. Die Gefahr eines neuen Angriffs sei nicht ausgeschlossen. — Offi ziell wird gemeldet: Der Divisionskomman dant von Musch ist mit Infanterie, Artillerie und Mitrailtcusen in Bitlis eingctroffen. Der Kurden chef Mola Selim mit zwei Anhängern weilt noch im russischen Konsulatsgebäude, wohin sich noch 13 andere geflüchtet haben; zehn von ihnen versuchten zu flüchten, wurden aber fcstgenommcn. In den Kämpfen sind 22 Personen, darunter zwei Christen, verwundet oder getötet worden. Von der Zivil bevölkerung wurden zwei Muselmanen, darunter eine Frau, getötet. Die türkischen Truppen hatten sechs Tote und elf Verwundete; außerdem wurden zwei Gendarmen getötet und einer verwundet. Die Be hörden haben -12 an der Bewegung beteiligte Per sonen verhaftet. Die Kurden hatten 150 Tote und Verwundete. In der Stadt ist wieder Ruhe einge- rrrtcn. - Das Ministerium des Innern veröffentlicht ihm zugcgangene Telegramme kurdisckier No tabel» in den Bezirken Kighi und Hekkiari, in denen die Bewegung in Bitlis heftig getadelt wird, die in dem Augenblick entstanden sei, da die Regie rung sich mit den Fragen beschäftigte, von denen das- Schicksal des Reiches abhänge. In den Telegrammen wird die Regierung in ihren Repressivmaßnahmen ermutigt und die Bereitwilligkeit ausgedrückt, der Regierung beizustehen. Reich. * Der Gesamtnorstand des Landesverbandes sächsischer Redakteure und Berufsschriftsteller trat am Sonntag im Vittoriahaus zu Dresden zu einer Sitzung zusammen, in der die Bezirksvereine Dres den, Leipzig, Zwickau, Chemnitz, Plauen und Zittau vertreten waren. An Stelle des erkrankten ersten Vorsitzenden Jesko v. Puttkamer leitete Chefredakteur Dr. Grautoff-Leivzig die Sitzung. Hierbei wurde u. a. berichtet, daß die sächsische Staatsregierung zu- gesagt hat. sich bei der Tagung des Neichsverbandes der deutschen Presse im Juni in Leipzig vertreten zu lassen und daß die Tagung des sächsischen Landes verbandes rn Zittau auf den 17. Mai verlegt wor den ist Chefredakteur Iudeich-Zittau entwickelte das Programm der Zittauer Tagung und teilte mit, daß Oberbürgermeister Dr. Kulz über die Auslands preise sprechen wird, und daß die Verwaltung der Stadt den Nedakteurverband eingeladen hat Den letzten Teil der Sitzung leitete der 3. Vorsitzende Prof. Dr Lier Dresden. Hierbei wurden Anträge sür die Zittauer Hauptversammlung besprochen. Die Leituna der Handwerksausstellung Dresden 1915, hat den sächsischen Verband ringelnden, seine Tagung l!>15» in Dresden abzuhalten. * Eine beachtenswerte Richtigstellung verbreitet Wolffs „Sächs. Landesdienst": „In einem Leitartikel des „Dresdner Anzeigers" vom 5. April d. I. „Tier ärztliche Hochschule—Universität Dresden" ist u. a. oelagt, der Rektor der Tierärztlichen Hochschule, Geheimrat ENeuberger, habe in der Sitzung der Zweiten Kammer am Mittwoch erklärt, „der Tierärztlichen Hochschule sei cs an sich gleich, an welchem Orte sic ihr Domizil aufschlage, das Wesent liche sei, daß sie selbständig bleibe." Auf Grund des nunmehr gedruckt vorliegenden stenographischen Be richts (Landtags - Mitteilungen Zweite Kammer S 2:it)2 flg.j ist festzustcllen, daß Geheimrat Dr. Ellenbsrger kein Wort in die! cm Srnnc geäußert und sich vielmehr mit aller Entschiedenheit für die Verbindung der Tierärztlichen Hochschule mit der „Universitas Litcrarum" ausgesprochen hat. O * Prinz und Prinzessin Heinrich sind, von Chile kommend, gestern in Alberdi eingetroffen und Dienstag, 7. LlvrU l9l4. haben die Farm Germania besucht. Der deutsche Ge sandte hat sich nach Alberdi begeben, um sich den Fürstlichkeiten anzulchließen. Die prinzlichen Herr schaften werden am Mittwoch in Buenos Aires zurück erwartet. * Wechsel i« Kölner Polizeipräsidium. Die „Köl. nische Volkszeitung" meldet, daß dem Polizeipräsiden ten o. Weeg mann die erbetene Entlastung aus dem Staatsdienst unter Verleihung des Kronen ordens zweiter Klasse bewilligt sei. Als Nachfolger sott Herr v. Glasenapp aus Arolsen bereits in Köln eingetroffcn sein. — Dieser Wechsel ist wohl durch den sog. Kölner Backfischprozeß veranlaßt wor den, aus dem Herr v. Weegmann zwar persönlich makellos hervorging, in dem aber seine untergeordne ten Beamten zum Teil recht schlecht abschnitten. * Die Vertagung der Reichstagssession im Sommer wird auch in der ,,Deutschen Tagcsztg." befürwortet. Die „Nordd. ANg. Zlg." hatte am sonnabend mit besonderem Nachdruck hcroorheben zu müssen ge glaubt, daß für die Entscheidung der maßgebenden Stetten in der Frage, ob der Reichstag vertagt oder geschlossen werden solle, nur sachliche Gesichts punkte entscheidend sein könnten. Das Organ des Bundes der Landwirte wahrt mit einer sehr be merkenswerten Entichicdenheit die Stellung des Reichstags als des gleichberechtigten Faktors dcr Gesetzgebung und schreibt: „Wenn aber nur derartige sachliche Gesichts punkte bestimmend jein sollen, so muß man unseres Erachtens zu dem Entschlüsse kommen, den Reichstag rn diesem Jahre nicht zu schließen, sondern zu vertage n. Im Jahre 1912 und im Jahre 1913 hat man sich .ur Vertagung entschlossen, obwohl die Zahl der Vorlagen, die in den Aus- - schüstcn des Reichstages steckten, damals weit ge ringer war als in diesem Jahre. Wenn da mals sachliche Gesichtspunkte dazu führten, den Reichstag zu vertagen, so müssen sie folgerichtiger weise in diesem Jahre noch viel mehr dazu führen." Ausland. Oesterreich-Ungarn. * Saloniki und die freie Zone. Ans Paris. 7. April, wird gemeldet: Das Echo de Paris" will misten, daß die österreichisch-ungarische Regierung dem Athener Kabinett ein ausführ liches Programm ihrer Forderungen betreffend den Hafen von Saloniki übersandt habe, worin sie u. a. die Schaffung einer ziemlich ausgedehnten freien Zone, die Freiheit für den direkten und indirekten Transitverkehr und Einflußnahme auf die Ausgestaltung des Hafens verlange. Indien. * Notstandsunterstützungen in Indien. Aus Kalkutta, 7. April, wird gemeldet: In den ver einigten Provinzen von Agra und Oudh erhalten 168 000 Personen Notstandsunter stützung. Es herrscht allgemein Mangel an Fut termitteln und teilweise auch an Wasser. Japan. * Zur japanischen Kabinettskrisis. Aus Lon don, 7. April, berichtet der Draht: Wie die Blätter aus Tokio melden, hat der Vizeadmiral Kato bas ihm angebotcne Mari ne - portefcuille abgelehnt, nachdem der neue Ministerpräsident Kijoura cs abgelehnt hatte, die Kosten für die Durchführung des Marineprogramms auf eigene Verantwortung zu bewilligen. Südafrika. * Aus dem Abgeordnetenhause. Aus Kapstadt, 7. April, wird gemeldet: Die Regierung hat im Ab geordneten Hause eine Bill eingebracht als Er satz für den kürzlich zurückgezogenen Entwurf zur Er - Haltung des Landfriedens. Die Bill dehnt das isiesetz über aufrührerische Versammlungen aus und sicht einen besonderen Gerichtshof vor für gewisse Vergehen und Ausweisung von Personen, die wegen solcher Vergehen verurteilt worden sind. Union. * Die Freilassung der fünftausend mexikanischen Bundessoldaten adgelehnt. Aus Fort Worth (Texas), 7. April, wird gemeldet: Das bundesstaatliche Be zirksgericht hat endgültig ab gelehnt, die fünf tausend mexikanischen Bundessolda- ver gute Name. 19s Roman von Georg Engel. lttl.i ttv Orikttt'oin H (.'u.. (l. IN I!. „Wenn alles nur Zwang wäre, oder Dank barkeit, höchstens Mitleid?" murmelte er, förm lich gepeinigt von diesem (Pedanten, und fuhr fick, unwillig über die heiße Stirn. Irin Ausruf seiner Begleiterin unterbrach ihn. Das Mädchen ergriff hastig feine Hand nnd fragte heiser, als vb ihr die Worte schwer über die Zunge gingen: „Wohnen Sie in der Stadt nicht in dem Hanse, in welchem auch — Ihr Freund seine Zimmer hat?" Scheu, saft stotternd hatte sie das letzte her- Vvrgebracht, nnd im gleichen Augenblick lies; der Doktor ihre Hand fahren. Das also ivars? Das allein? Aber sie hatte es ihm doch schon vorher entdeckt, daß sie eine andere Liebe im Herzen trage; weshalb entrüstete er sich jetzt über die vermeintlich Untreue? Konnte es ihm nicht gleichgültig sein, ob der (Glücklichere zufällig sein Freund war oder ein anderer'? Rein, und tausendmal nein! Dazu durste er als ehrenhafter Mann nicht mehr schweigen, hier galt es nur noch, die letzte entscheidende Frage zu stellen —. Allein, er sollte die erwünschte Antwort nich, erhalten, denn über die Landstraße tönten schwere, eilende Tritte, und nach kurzer Zeit unterschied der Spähende die undeutlichen Um risse eines Mannes, der durch Wind nnd Regen unanshaltsam vorwärts stürmte. Schon befand sich der Vorübereilendc an der Seite der jungen Leute, da umklammerte Herta plötzlich den Arni des Doktors, und im gleichen Augenblick rief tiw' scharfe Slimme: „Hallo! — Der Doktor Leiter mit Vraut'?" (Line heiße Scham stieg dem Arzte auf, als er die zynische Frage vernahm, aber auch Herta ließ zitternd seinen Arm fahren, und ehe sie der Fremde noch völlig erreicht hatte, rtß s«h das Mädchen los und war mit wenigen Wen dungen in der Dunkelheit verschwunden. Ein leises „Ente Nacht" hatte es noch vor sich hiugeslüstert. „Laß sic lausen," lachte der hinzutretende Kavitän höhnisch und schlug dem Freunde auf die Schulter. „Was willst du auch von ihr? Die Weiber haben samt und sonders die Lieve verlernt, 's ist eine erbärmliche Werkellagsliebe, die ihnen geläufig ist, eine Liebe auf Zinsen. — Komm, Allh, wir wollen Sekt trinken nnd zotige Lieder dazu singen. Weiter gibt es nichts mehr Vernünftiges ans der Wei! " „Ich wüßte doch noch etwas Besseres," ver setzte der Doktor, indem er den verwilderten Mann mit den tiefliegenden, glänzenden Augen grvllend betrachtete — „was suchst du nm diese Stunde auf der Ebanssee?" „Vernunft, mein Sohn," sagte der Kapitän und hielt sich mit beiden Händen den Kopf. „Ich habe die meine darüber verloren, weil es eine anständig Fran zuviel ans der Welt gibt! Gott erhalte sie. Es ist die Fran meines VaterS!" Dem Freunde begann es zu grauen, als er die wirren Reden vernahm, er vermochte nicht, den Unglücklichen in dieser Lage im Stich zu lassen. „Wir wollen nach Hause," sagte er be gütigend und schob seinen Arm unter den des Verzweifelnden, „komm, dieses Unwetter schafft dir Fieber!" Sein Zuspruch wirkte, denn der Kapitän nickte gleichgültig mit dem Kopf und schritt lang sam neben dem Doktor her. „Ja, trollen wir unS wieder in meine Bucht," lachte er schrill und pfiff durch die Zähne. „Und ich setze mich auf den Stuhl, aus dem sie gesessen hat, und dann zechen wir und stoßen auf Mariens Wohl an, nnd auch aus die Pflicht und auf die Ehre, und wie die tollen Handschellen alle heißen. Juchheisa, Bruder — sei lustig!" Mit aller Kraft drängte dcr junge Arzt den fiebernden Mann weiter, und als cs ihm gelungen war, ungefährdet das Fischerdorf zu erreichen, atmete er erleichtert auf. Allein noch einmal machte Holstein halt und zeigte auf die Tür des Kirchleins, welches ans der Finsternis gespenstisch vor ihnen anftancbte: „Warum hat der Herrgott droben den Grasen Burghans zu einem so jämmerlichen Schützen erschaffen?" rief er drohend nnd schlug fick, anfslöhnend vor die Brust. „Und warum har er mich werden lassen und Mariens rote Lippen und mei-.-n Valer und die Wettiner?" Banges Schweigen ringsum, nur der Regen rauschte auf deu tleiueu Kirchhof nieder nnd troff über Gräber nnd Leichcnsteine. 10. Der Winter wollte ins Land ziehen Er hatte lange geschlafen, nun stand er ans und schüttelte den Mantel für die weite Wan derung aus. — Da wirbelte ein Fluckcnschauer umher, nm Bäume und Sträucher legte sich feiner, weißer, kristallener Reif, und auf der Föhrcncr Landstraße glitzerten die ersten Eis lachen. Längst hatte die tobende See den Strand überschwemmt, gierig leckte sic an den anfstcigcn- den Dünen, und in einer brausenden Sturm nacht brach sic in die niederen Täler herab, überall geheimnisvolle, starre Wasserflächen hin terlassend: und kaum mar der erste Schnecfturm über das Land gefahren, da erstarb im Dorfe alles Leben. Die Fischer tcocl;en in ihre Hütten nnd be- gannen ihr großes, winterliches Flickwcrk — Netze, Strümpfe, Hosen, selbst die löcherig ge wordene Religion, alles wurde geflickt. — Die Männer rauchten und priemten dazu, die Weiber sangen traurige Lieder. Und nun kam der Winter selbst Ein freund licher, alter Gricsbart. Ueberall, wo er vorbeiging, wars er Blumen gegen die Fensterscheiben, die blieben l-asten, nnd die kleinen Kinder rockzen daran. Seit jener Nacht, da der Doktor den fiebern den Freund nur mit Mthe in feine Behausung schaffen konnte, hatte Holstein seine Zimmer noch nicht verlassen. Selbst seine Getreuen — Bars und Eulers — klopften vergeblich an die Tür des kleinen Herrenzimmers, und von dem Die ner des Kapitäns erfuhr man nur, daß dcr junge Gebieter den ganzen Tag an seinem Schreibtisch sitze nnd viele Briefe schreibe. Schon drohte in den Werkstätten wüste Un ordnung anszubrechcn, als unvermutet aus dem Hcrrenhanse wieder ein Lebenszeichen heraus drang : Fünfhundert Arbeiter werden entlassen und dreißig Ingenieure! „Die armen Lent," sagte dcr alte Euler, „wo sollen sie letzt inn'en Winter Arbeit kriegen?" „Der arme Kapitän," meinte Bars, „soll er ste vielleicht mit den beiden Schiffen bezahlen ?" In stumpfer Verbitterung zogen die Brot losen ab. Die meisten Essen wurden auf dcr Werft auSgelüsch't, nnd das große Etablissement stand Plötzlich verlassen und öde. Bald sollte man auch erfahren, an wen der Kapitän in der Zwischenzeit so häufig geschrieben hatte. Ans dcr Stadt kam eines Abends Holsteins weißhaariger Geschäftsführer und brachte einen Brief, der mit holländischen Mar ken versehen war. Der alte Mann war auch der erste, der ohne weiteres in das kleine Kabinett cintreten durfte. Wie erschrak der kalte Geschäftsmann jedoch, als er seinen jungen Ehcf miedersah. Von einer niedrigen ArbeitSlampe, die ans dem Schreib tisch stand, matt beleuchtet, lag Holstein lang au-gestreckt auf der Chaiselongue und blieS aus seiner Zigarette kurze Rauchwolken in die Luft. Wo war die braune, schimmernde Gesichts farbe geblieben, die seinem Antlitz den herri schen Ausdruck verliehen hatte? Die blühende Haut war gelb und faltig geworden, um die Augen zogen sich tiefe, schwarze Ränder, nnd an den Schläfen konnte man stark ergraute Haare bemerken. Das sonst so kühne, entschlossene Ge sicht sah müde und abgespannt aus und erinnerte tn erschreckender Weise an den Bater Holstesii-, den alten Helmut. lForSetzung in der MovgenaunMrbe.)