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Sette 2. Nr. 322. Nvenü-Nusssbr. Leipziger Tageblatt. Sonnsvenü. 27. Juni 1914. bereitungvmasznahmen für einen Krieg trifft, dann muß es sie auch bezahlen. Das Vaterland braucht ja auch Kanonen zur Kriegsoorbereitung und bezahlt sie, oder meinen Sie, das? Krupp dabei an Charitas denkt? (Stürmische Heiterkeit.) Der Redner be antragt die Leitsätze anzunehmen, ebenso einen etwas allgemeiner gefaxten Antrag. — Hoffmann (Mei ningen) begründet einen Meininger Antrag und be tont, bah die Tätigkeit für das Rote Kreuz unent- gcltlich fein solle, inan solle sich jedoch daraus nicht sestlegen. — Meper (München): Man kann die Sache nichts übers Knie brechen. Die freiwilligen Krankenpfleger und die Mitglieder der Sanitäts- tolonnen üben ihre anstrengende Tätigkeit auch un entgeltlich aus; da können wir doch schliesslich kein (Held verlangen! — Vormann (Leipzig«: Der Vortrag Lennhosf ist die l» e st e Genugtuung sür Len Kollegen Go tz gewesen. Als er vor vier Jahren mit seinem Antrag kam, war darüber auf dem Aerzte- tag allgemeines Kopsichütteln, und sein Antrag sand nicht einmal genügende Unterstützung, um beraten .zu werden. Heute sicht fast der ganze Acrztetag die Notwendigkeit der Regelung dieser wichtigen Frage ein. — Kayser (Berlin) ist der Ansicht^ das, die ganze Frage nicht wichtig genug sei. — Redner be antragt, den Vortrag >ur Kenntnis zu nehmen, aber über die Leitsätze zur Tagesordnung überzugehen. Darauf werden alle Anträge zu diesem Punkt ab gelehnt, und der Antrag des geschästsführenden Aus schusses mit einigen redaktionellen Aenderungcn an genommen. Deutscher Gewerkschaftskongreß. r?. L II. München, 25. Juni. Zu Beginn der heutigen Sitzung sprachen zu nächst mehrere Delegierte über das Thema „Arbeits- willigenichut; und Unternehmerterrorismus", über das gestern bereits Schlickc-Stuttgart berichtet hatte, -hieran schlag sich die vertagte Absti m m ung über das Regulativ für das Zu! ammenwrrken der G e w e r k! ch a f t e n Deutschlands. Es wurde in namentlicher Abstimmung angeno m inen , alle übrigen dazu vorliegenden Anträge abgelehnt. Daraus sprach Adam Neumann (Berlin) über die B e st r e b u n g e n d e s Ver b a ndes Deutscher Arbeitsnachweise im Sinne folgender Reso lution: „Die Bestrebungen des Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise, eine gesetzliche Regelung der Arbeits vermittlung im Sinne des öffentlichen Arbeitsnach- weismonopols durch Bureaukratisierung der Arbeits nachweise unter Beseitigung der paritätischen Verwal tung herbeizuführen sind geeignet, derArbeiterklassc den mühsam errungenenEinflusz aufdieArbeitsvermittlung illusorisch zu machen. Tie Gewerkschaften wollen grundsätzlich, das; der Arbeitsnachweis de» Interessen- kämpjen zwischen Unternehmern und Arbeitern ent zogen werde. Sie weisen den Anspruch der Unter, nehiner. allein den Arbeitsnachweis zu beherrschen, ihn ihren einseitigen Interessen dienstbar zu »rächen, entschieden zurück und erkennen die beste Löiung des Arbeitsnachweisstreites in einer gesetz- lichen Regelung, die alle paritätisch organi sierten gemeinnützigen Arbeitsnachweise anerkennt und zu gemeinsamem Wirken verpflichtet." lieber die A r b e i t s l o s e n f ü r s o r g e referierte August Winnig (Hamburg). Die von ihm vor geschlagene Resolution betont, daff der Kongreff als die Vertretung von 2'/.. Millionen beruflich organisierter Arbeiter und Arbeiterinnen die Arbeits losenfürsorge als eine Pflicht der Oeffentlichkeit betrachtet. Zum Schlüsse wird gesagt: „Der Kongreff fordert die Organisationen auf, die Arbeitslosenver sicherung in den Mittelpunkt ihrer Agitation zu stellen, sie zum Probierstein des sozialen Reformwillens zu machen und ihren ganzen Einfluh im öffentlichen Leben für sie einzusetzen." Die beiden Resolutionen wurden angenommen. Das Programm -er Reife poincarss. U-'ber das Programm der Reise Poincar<-s nach den »ordcuropäischen Staaten im nächsten Monat verlautet in Paris folgendes: Poincar«?, der vom Ministerpräsidenten Vi ola n i begleitet sein wird, wird am 15. Juli Cher bourg verlassen und am 20. Juli in Kronstadt eintrefsen. Der Präsident der französischen Republik befindet sich rvährend der Fahrt an Bord des Panzer kreuzers „France", der seinerseits von dem Panzer- lreuzer „Jean Bart" und mehreren Torpedojägern begleitet wird Das Geschwader siebt unter dem Oberbefehl des Chefs des Marinegeneralstades Vizeadmiral L eBri s. Die lxiden neuen russischen Ueber-Dreadnoughts unter dem Oberbefehl des Chefs des russischen Marincgcnera'.stabes, Admiral Rnssin, werden dem französischen Geschwader entgeaenfahrcn. Sofort nach der Ankunft in Kronstadt begibt sich Poincarö nach Pcterhcf, wo er Gast des Zaren sein wird. An demselben Abend findet ein Gala diner mit offiziellen Toasten statt. Am folgenden Tage findet Empfang der französischen Kolonie und Braut» verschiedener sranMscher Häuser in Peters burg statt. Für den Abend ist ein Galadiner in der französischen Botschaft vorgesehen. Die beiden näch sten Tage werden ausschließlich mit militärischen Paraden und Revuen ausgefüllt werden. Am Vor abend der Abreise gibt der Präsident der franzö sischen Republik dem Zaren ein Galadiner an Bord des Kreuzers „France". Am 25. Juli wird Poincarö dem König von Schweden im Schlosse Tucllgarn einen Pri- vatbesuch abstatten. Der Tag wird ausschließlich in Tuellgarn zugebracht werden. Der 26. Juli ist für die Fahrt durch die Ostsee erwählt und am 27. wird Poincarö dem König von Dänemark in Kopenhagen den offiziellen Besuch erwidern, den Christian X. vor einiger Zeit in Paris machte. Schließlich wird der Präsident der Republik am 20. Juli dem König von Norwegen in Chrlst: ania einen Privatbesuch abstatten und hierbei die Internationale Ausstellung in Lhristiauia besichtigen. Am 51. Juli w'rd Poincarö dann von seiner Reise zurückkehren. Heer un- Zlotte. * Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen als Reglmentschef. Rach der zwischen Preußen und Sachsen-Meiningen bestehenden Militärkonvention wird der neue Herzog Bernhard, preußischer General oberst (mit dem Range als Gencralfeldmarschall), selbsttätig und ohne weiteres'Nachfolger seines Vaters in den Chefstellen des 2. Thüringischen Jnf.-Regts. Nr. 52 in Meiningen, sowie Mitchef des 6. Thüringi schen Jnf.-Regts. Nr. 05, dessen II. Bataillon in Hildburghausen seinen Standort hat und ä sic ^nito dessen Herzog Bernhard schon stand. Herzog Bern hard bleibt ferner Chef der 10. Grenadiere in Schweidnitz. Die Herzogin Charlotte hat die Chefstelle der Elser Grenadiere inne, des von ihrem verewigten Vater als Oberst befehligten alten Bres lauer Regiments. Deutsches Reich. - Zur Frage des «olonialgerichtshofs wird von einem Berliner Blatte die Nachricht verbreitet, daß es in der Absicht der Reichsregierung liege, an den Gerichtshof nur preußische Justizbeamte als Richter anzustellen. Demgegenüber erfahren wir an zu ständiger Stelle, das; die Nachricht unzutreffend ist, daß vielmehr an der im Reichstag wiederholt mit geteilten Absicht festgehalten wird, Richter aus verschiedenen Bundes st aaten, namentlich auch süddeutsche und — ohne Rücksicht darauf, wo der Kolonialgerichtshof seinen Sitz erhalten wird — auch hanseatische Richter anzustellen. Reichogejetzliche Arbeitslosenversicherung? Bestem Vernehmen zufolge hat die bayrische Staatsregierung nach Ablehnung des staatlichen Zuschusses zur Arbeitslosenversicherung in Bayern durch die Reichsratskammer ihre schon früher statt gefundenen Besprechungen mit der Reichsregierung über eine rerchsgejetzliche Einführung der Arbeitslosenversicherung wieder ausgenommen. Die bayrische Negierung wird nach Abschluß der Vor besprechungen mit Unterstützung zwei weiterer süd- deutscher Regierungen im Bundesrat den Antrag auf eine Reichs-Arbeitslosenversicherung stellen. * Die Gäste der Hapag während der Kieler Woche. Anläßlich der Kieler Woche unternahm die Dampf jacht „Viktoria Luise" der Hamburg-Amerika-Linie mit geladenen Gästen am Freitag eine Fahrt von Cuxhaven nach Kiel, wo sie zu Beginn der dortigen Wettkämpfe eintreffen und diese begleiten wird. Traditionsgemäß pflegt auch der Kaiser wäh rend der Kieler Woche einmal an Bord des dortigen Hapagschiffes den Tee zu nehmen. Unter den Gästen der Hapag befinden sich auf der „Viktoria Luise" u. a. Staatsminister Dr. Beselcr, Gesandter Graf von Brock dors, Graf Henckel von Donnersmarck, Exzellenz Fischer, Polizeipräsident von Jagow, der Londoner Botschafter Fürst von Lichnowsti, Ministerialdirektor Lusenskl), Regierungspräsident von Meister, Fürst Münster-Dernburg, Botschaftsrat von Mumm. Staats minister von Schortemer, Legationsrat Graf von Wedel und der sächsische Oberzeremonienmeister Graf von Wieling-Königsbrück. Von politisch bekannten Persönlichkeiten sind ferner anwesend Büsser in a n n , Vizepräsident Paasche, Abgeordneter Gras Praschma und Dr. Stresemann, von Aus ländern u. a. Graf von Thun, Generalkonsul Morgan. Ferner befinden sich dis Gräfinnen Hannah und Goedela von Bismarck an Bord. " Eine Denunziation gegen den bayrischen Kron prinzen. Kronprinz Rupprecht von Bayern nimmt zur katholischen Kirche und auch zum Zentrum einen M Liebe Ser brei Kirchlein. 8) Roman von E. Stieler-Marshall. c^op.rrixül U'W »v Oreil» ein k t)o., ei. in I>. II. Uoipri^.) „Sie ist wie eine schöne, stolze Prinzessin," antwortete Frauchen. „Du weißt ja, ich war ihr sehr böse, ohne sie zu rennen, weil sie den lang weiligen reichen Merkel geheiratet hat, doch sicher ans lauter Berechnung, und weil sic nno dadurch nin unseren lieben verlassenen Park ge bracht hat, nin unser schönes Geheimnis. Aber weißt du, Wern, jetzt, wo ich sic gesehen habe, kann ich ihr nicht mehr so sehr böse sein. Wie sic uns grüßte! Das war so freundlich." „Schneidig war das, vornehin, fürstlich. So edel sieht sie ans. lind nun dazu der lang weilige alte Peter, der außerdem seine Ahnen bei den Kindern Israels zu suchen hat - —" Durch einen Ruf von der Straße wurde er unterbrochen. Die gemütliche dicke Mutter Wendt, die wie immer ihren Bcobachtnngsposten ui der Ladentür innegehabt hatte, war auf die Mitte der Straße getreten, neugierig zu er fahren, wem dort oben der Gruß der stolzen Reiterin gegolten hatte. „Guten Tag die jungen Herrschaften," rief sic herauf. „Was wir jetzt sür eine feine Nachbarschaft haben, nick;? Und Sie haben schon Bekannt schaft gemacht, wie ich sah? Sicher unser liebes Jräuleinchcn und die schöne Dame." „Pöh!" machte Frauchen leise, und verzog das Mäulchen. „Alte Frau Neugier. — — — Ha, ja wohl, Frau Wendt, sehr richtig, ja wohl. Und was macht Pappchen Wendt heute, und ha ben Sie gute Nachrichten vom Marthakind?" „Gut alleweile, ich danke schön, man muß zufrieden sein," rief die Frau, ihre blaue, saubere Schürze um die drallen, roten Arme wickelnd, „von der Martha gibts eine Neuigkeit, Sie werden staunen." „Hoffentlich was Gutes?" „Sie werden ja staunen!" wiederholte Mut ter Wendt und ging in ihren Laden zurück. „Dort kommt wahrhaftig schon der Alte!" rief Weiner plötzlich — „mit wem geht er denn? Sv ein dürres Kleidergestell, das mit die Hände redet — — bei Gott, cs ist Bankier Merkel." Frauchen seufzte. „Dann wird er schlechte Laune mit nach Hanse bringen, denn den kann er nicht leiden." Aber da wurden sic angenehm enttäuscht. Kirchlein lachte über das ganze Gesicht, als er heranslam. „Kinder, so eine gelungene Geschichte!" jagte er lustig, während er, die Hände auf dem Rücken, mit dröhnenden Schritten das Zimmer durch maß. „Fetzt habe ich doch einen Mäzen ansgc- gabeli, einen veritablen Mäzen. Aber dumm ist er nicht, der Kerl, es könnte wahrhaftig eine Sache werden —" „Erzähl doch, Batchen! Aber komm, wir essen dabci —" „Ach Bater, laß dich nur nicht mit dem Mer kel ein," sagte Werner unzufrieden — „Du hast ihn doch nie leiden können." „Nee, Junge, nee, da hast du recht. Leiden kann ich ihu auch jetzt noch nicht so sehr, obgleich cr cs vielleicht besser verdient," erwiderte dr Professor, und löffelte behaglich die Suppe. „Taucht er da vorhin an unserem Tische auf, und die anderen, die hatten ja schon längst mit Spannung auf ihn gewartet, die fragten ihn nach seiner Hochzeitsreise, neckten ihn wegen der Flitterwochen, quetschten ihn ans wie eine Zi trone, daß cr alles hergab, was er nur in sich hat an Protzerei, und das ist nicht wenig. Mir war's ckell)ast und ich wollte mich dünn machen. Steht der Kerl doch mit mir auf: Herr Pro fessor, wir haben wohl einen Weg, wenn Sie erlauben — — und heftet sich an meine Soh len —" „Und was wollte cr nun von dir?" fragte Frauchen. Kirchlein sah seine Kinder mit laßen den Blicken an. „Ja, das möchtet Ihr wollt gerne wissen! Nee, Ihr Grünschnäbel, das ist vorläufig ein tiefes Geheimnis. Wenn das Werk sich der Boll etwas kühleren Standpunkt ein als andere Mit glieder des Hauses Wittelsbach. Daraus erklärt sich wohl auch die folgende Denunziation eines klerikalen Blattes in Bamberg, das kürzlich folgende Brief kastennotiz enthielt: „N. N. Ob S. K. H. Kr. R. den G. am 7. Juni besucht hat, ist öffentlich hier nicht be kannt. Er kann ja eine Privatkapell« besucht haben." Damit ist Kronprinz Rupprecht von Bayern gemeint, der in jener Zeit Bamberg zu militärischen Inspektionen besucht hatte. Das „Bayer. Wochenbl." bemerkt zu dieser Denunziation: „Die Prinzen werden also von der Zvntrumsprcsse genau kontrolliert, ob sie auch regelmäßig in dle Kirche geben und, wenn das nicht der Fall ist, in der Oeffentlichkeit denunzier t." * Die Berliner Lustbarkrits- und Biersteuer. Das Oberverwaltungsgericht in Berlin erkürte die Ber liner Lustbarteits- und Biersteuer für gültig und verwies einige Einzelfraaen aus wegen der Be steuerung angestrengten Prozeßen zweck» neuer Ver handlungen an den Bezirksausschuß zurück. * Die letzte Instanz. Wie uns gemeldet wird, ist von mehreren süddeutschen Organisationen die Streitfrage „Sozialdemokratie und Kaiserhoch" der Entscheidung des bevorstehenden sozialdemokratischen Parteitags unterbreitet worden. * Wieder ein Spion verhaftet. Nach Meldung eines Essener Blattes ist der bei der Firma Krupp beschäftigte Vorzeichner Andreas Wiederholt verhaftet worden. Er soll Zeichnungen an eine fremde Macht, wie es heißt an Frankreich, ge liefert haben. Ausland. Frankreich * Die Straßensenkungen in Paris. In der Kammer fragte Binder, Deputierter von Paris, den Minister der öffentlichen Arbeiten, welche Maßnahmen er zu ergreifen gedenke, um einer Wiederholung der Katastrophe, wie das Un wetter am 15. Juni sie hervorgerufen hatte, vorzu beugen. Redner stellte fest, daß die Bruchstellen der Abflußröhren ausschließlich über der im Bau befind lichen Untergrundbahn liegen. Die Entschul digung, daß höhere Gewalt vorliege, könne hier nicht gelten. Berry, ebenfalls Deputierter von Paris, erklärte, daß hier mehr als Verantwortlichkeit, näm lich ein strafbares Verschulden, vorlicge. Der Minister der öffentlichen Arbeiten Renoult bat die Kammer, mit der weiteren Besprechung dieser Angelegenheit zu warten, bis die Untersuchungs kommission ihre Arbeiten beendet habe. Sodann führte der Minister aus, welche Sicherheitsmaßnah men er für die Zukunft getroffen habe. Der Depu tierte Denys Cochin verlangte die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Darauf beschloß die Kammer, die Besprechung der Inter pellation betr. die Wettcrkatastrophe vom 15. Juni zu vertagen. — Infolge des Berichtes des General inspekteurs des Bcrgbauwesens Wichershcimer hat der Oberstaatsanwalt den Richter Boucard beauftragt, eine Untersuchung cinzuleiten, um die Ursachen der jüngst vorgekommenen Erdsenkungen festzustellen und die etwaigen Schuldigen aus findig zu machen. * Bei der Wciterberatung des Marinebudgets im Senat erklärte Destour nclles de Con stant, daß er einen Teil der für Schiff bauten geforderten Millionen lieber für die Verteidigung der Ost grenze angewandt sehe. Marineminister Gauthier erklärte, die Flotte werde programmäßig ausgcbaut. Die Bau zeit der großen Schiffe habe sich auf drei Jahre vermindert; das sei ein großer Erfolg und gegen über der fieberhaften Bautätigkeit auf fremden Werften notwendig. Zwei Ersatzbauten für Groß- kampjchiffe sollten 1915 begonnen werden. Dann fehle zur Erfüllung des Bauprogramms von 1912 nur noch der Neubau, der schon 1916 anstatt 1917 auf Stapel gelegt werden würde. Marineminister Gauthier fuhr fort: Wir werden die Entwickelung der Klasse der Unterseeboote und Flug zeuge fördern, aber es ist unerläßlich, den Bau von Panzerschiffen fortzusetzen. Zu gegebener Zeit werde ich dem Parlament Vorschlägen, dem Programm von 1912 die durchaus notwendigen Ergänzungen zu geben. Es wird nötig sein, unsere Häfen und Reeden zu verbessern. 1920 hat Frankreich die im Programm vorgesehenen 94 Unterseeboote, doch wird man ihre Zahl vielleicht noch vermehren müßen. Was da» Marineflugwcsen betrifft, so werden die erforder- lichen Anstrengungen gemacht, um die verlorene Zett wieder einzuholen. Richt» wird verabsäumt, um das aufgestellte Programm auszuführen und die Ausbildung des Personals zu sichern. Ueber die Ver teidigung der Küsten steht ein Abkommen zwischen dem Kriegs- und Marinemintster unmittelbar bevor. Der Minister bat schließlich das Parlament, ihm Vertrauen entgegenzubringen. (Beifall.) * Die Eenehmiaung zur Strafverfolgung gegen Caillanx versagt. Die Kommission der Kammer beschloß, der Kammer zu empfehlen, dis Genehmi gung zur Strafverfolgung gegen Caillaux wegen Wählerbestechung zu versagen. * Eine neue Spionageangelegenheit. Aus Nancy wird gemeldet: Gegen den Schweizer Uhrmacher Al lern anc und den deutschen Goldschmied Harder wurde eine strafrechtliche Untersuchung wegen Entwendung, unerlaubten Besitzes und Zerstörung von Kriegsmuni- tion eingcleitet. In der Wohnung A'lemancS wurden nämlich mehrere L e b e l-P a t r v n e n gefunden, die c§ seiner Behauptung nach von einem Soldaten, namens Beauchct, erhalten habe. Zwei von diesen Patronen habe er Harder ge schenkt, der erklärte, daß cr sie, da cr nichts mit ihnen anzufangen wußte, in den Moselkanal ge worfen habe. Gegen den Soldaten Beanchet, der sich gegenwärtig im Feldlager von Melllh befindet, soll ein Haftbefehl erlassen worden sein. — Gestern abend wurde ein bei Harder an gestellter Uhrmacher, der Oesterreichcr Sequenz, verhaftet unter dem Verdacht, daß er den Sol daten Benoit mit Geld unterstützt habe, um ihm die Desertion zu erleichtern. Der Schweizer Allemane, der der Vorschubleistung bei der De sertion beschuldigt wird, erklärte dem Unter suchungsrichter, daß cr vor zwei Jahren die Bekanntschaft Benoits gemacht habe, der aus Wien stamme, wo seine Familie gegenwärtig noch ansässig sei. Jüngst habe ihn Benoit aus gesucht und ihn gebeten, ihm über die Grenze zu verhelfen, da er als Deserteur verfolgt werde. Er und mehrere Freunde hätten Benoit Zivil- Neider verschafft, ihm auch etwas Geld ge geben, aber seit der Zeit nichts mehr von ihm gehört. — Den Blättern zufolge hätten Alle- manc und Harder bei ihrem Verhör gegen den mitverhafteten Deutschen Acht die Beschuldigung erhoben, daß er deutschen Beamten franzö sische militärische Schriftstücke, ins besondere die Photographie eines Maschinen gewehres verkauft habe. Italien. * Obstruktion der Sozialisten. Aus Rom wird gedrahtet: Die Sitzung der Kammer am Freitag dauerte von 10 Uhr vormittags bis 1,45 Uhr nach mittags und von 3 Uhr nachmittags bis 10 Uhr abends. Die Sozialisten setzten ihre Obstruk tion gegen die Steuermaßnahmen fort. Es ist kein Zwischenfall zu melden. Das Organ der Reform sozialisten, die sich an der Obstruktion nicht beteiligen, tadelt die Obstruktion lebhaft. * Der Gesundheitszustand de» Herzogs von Aosta, eines Vetters des Königs, hat. wie aus Rom ge meldet wird, eine plötzliche Verschlimme rung erfahren, so daß Grund zur Beunruhigung vorliegt. Der Herzog leidet an einem Typhus- anfall, den er sich durch den Genuß verdorbener Austern zugezogen hat. Der Kranke hat an dauernd hohes Fieber und redet irre. Zwei der berühmtesten italienischen Aerzte weilen an seinem Lager. Die auf Reisen befindliche Gattin des Herzogs, Prinzessin Helene, ist sofort von der schweren Erkrankung ihres Gemahls in Kenntnis gesetzt worden und hat sofort die Rückreise von New Pork, wo sie sich zur Zeit aufhielt, nach Italien an getreten, um die Pflege des Erkrankten persönlich zu leiten. Spanien. * Der Streik der spanischen Ackerbauarbeiter nimmt mit jedem Tag an Umfang zu. Die Streiken den griffen einige einsam gelegene Pachthöfe an und verhinderten die Arbeiter mit Gewalt an den Erntearbeiten. Zahlreiche Dörfer baten um dringende Entsendung von Truppen zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Es stehen weitere ernste Unruhen bevor, wenn der Konflikt nicht bald durch eine fried liche Lösung sein Ende findet. endung naht, und das kann Jahre dauern — dann sollt ihr es vielleicht erfahren." „Aber das ist niederträchtig — du —" schmollte Frauchen — „da muß man immer fort darüber Nachdenken, das über uns schwe bende Geheimnis wird einem die ganze Ruhe rauben." „Nicht lange, und die Spatzen pfeifen cs doch von den Dächern —" sagte Werner altklug — „in unserem Nest kann sich doch kein Geheim nis halten. Vater, laß doch den alten Merkel, du brauchst keinen Mäzen, du bist aus dir selbst schon berühmt genug." „Bengel, was nützt mir der Ruhm, wenn er nicht vergoldet ist?" rief der Professor, „hier könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schla gen. Hier gilt cs noch andere Werte. Mal ordentlich verdienen, einen Schlager tun, daß man endlich mal hcranskommt aus dem ewigen, ekelhaften Dalles. Paßt auf, übers Jahr sind wir reiche Leute." „Amen," sagte Frauchen, und saltete fromm die Hände. Das kam so drollig und unendlich vielsagend heraus, daß sie alle laut lachen muß ten, und der Ernst für diesen Mittag entfloh. 4. Der arme Werner mußte nun wieder mor gens sich selbst und seine Püchcrmappe in das Gymnasium tragen, während das glückliche Krau chen den Professor nach wie vor auf seinen Mor- gcnwandcrnngen begleiten durfte. Die aber wurden immer köstlicher, denn täglich taten neue Wunder die Augen auf, die Bäume schmückten sich immer mehr, Blumen erblühten auf dem Boden des Waldes — immer neue Vogclstimmen jauchzten aus den Aesten, bunte Schmetterlinge gaukelten umher. Käfer brummten, Bienen und Mückchen summten. „Siehst du, Kind, nun reift das Leben immer mehr," sprach Kirchlein — „tue nur Augen und Ohren auf und du wirst manches bemerken. Die stehen jetzt alle in deinem glück lichen erwartungsvollen Alter, die Pflänzchen, jedes Gräschen und Blümchen. Alle wollen jetzt blühen, das heißt, alle warten sie auf Liebe, sehnsüchtig schauen sie nach ihren Liebesboten aus, den Schmetterlingen, Hummeln und Bien chen, oder dem leichten Maienwind, die ihnen Küsse vom Liebsten bringen. Es ist überall das gleiche: Lieben und geliebt zu werden ist das höchste Glück auf Erden. Wann wirst du mit solchem Spiel beginnen, Kind? Nur niemals etwas hinter meinem Rücken, darum sei ge beten. Ich erfahre ja doch gleich alles, dafür sorgt schon der Stammtisch." „Da hast du recht, die alten Klatschbasen," sagte Frauchen gemütlich und ohne alle Auf regung, „die sind schlimmer als die ärgsten Kaffeetanten." Kirchlein fühlte plötzlich etwas in sich auf steigen, wie eine heiße Angst. Herr Gott, das koimtc er sich gar nicht vorstcllcn, daß sein Mädel etwa cinein fremden Manne am Halse hängen nnd sich küssen lassen könnte, daß sic Briefchen schreiben und erhalten würde — — die Zeit solcher Gefahren rückte heran, siedend heiß drängte es ihm zum Herzen, er blieb stehen, faßte sein Kind an beiden Schultern, sah ihm inS Gesucht „Frauchen," sagte er in seinen tiefsten Tö nen, „Mädel, du hast keine Mutter. Aber denk immer an deinen Vater, sag' ihm alles, waL dir begegnet, gib keinem fremden Manne auch nur die Hand, ohne daß ich darum weiß. Und wenn cS dich zu einem zwingt, und ivenn du ihn lieb hast über die Maßen, viel mehr als den alten, langweiligen Vater, bleib doch immer mein Kind, mein gutes, kleines, frommes, reines Kind, das mir vertraut!" Beschwörend klang die Rede und dem ge rührten, wunderlich erregten Manne waren die Angen feucht. Frauchen, schon gegen die Tränen kämpfend, versuchte noch lächend die Lage zu retten. (Fortsetzung in der Sonntags-Ausgabe.)