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Sächsische Volkszeitung k JUN« >932 Nummer 1?> Ane Aede in entscheidender Stunde Im Preußischen Landtag hat der Zentrumsabgeord- netc Letterhaus am Donnerstag «ine Rede gehalten, die ausgezeichnet die gegenwiirtige innenpolitische Lage und Stimmung im Zentrum charatterisiert. Wir geben daher die wesentlichen Teile der Rede a» dieser Stell« ausführ lich wieder: Deutsch)« Seefahrt in Not. Ein Bild aus dein Hamburger Hasen, das die Not der deutschen- Schiffahrt widerspiegelt. Die lange Reihe der aus» geleglen Schisse im Vor dergrund bildet einen Schisfsfriedhof inmitten des Verkehrs. Von den 25 Kränen im Hintergründe sind nur 2 im Betrieb. Doch nie ivar die deut sche Seefahrt von der Wirtschaftskrise so schwer betrosfen wie in diesem Jahre Treu zu Brüning / Zreu zum Zentrum! Abg. Letterhaus vor dem preußischen Landtag Der Landesvorsland der Zenlrumsparlei wird sür den Fall der Auslösung des Reichstages zu einer Sit- zung am Sonntag, 12. Juni, uachm. 3 Uhr nach Dresden (Bahn hof Dresden-Neustadt, Damenzimmer) einqeladen. Zur Teil nahme an der Sitzung sind sämtliche Mitglieder des Gesamtvor- standes (8 4 der Satzung) berechtigt. Schon heute wird dies be kannt gemacht, schriftliche Einladungen folgen sofort nach Erlab des Auflösungsdekrets. Angesichts der ungeheuren Bedeutung des kommenden Wahlkampfes erwarte ich vollzählige Teilnahme aus dem ganzen Lande! Pfarrer Kirsch, 1. Landesvorsitzender. Der Mann, der seht aus der Reichsrcgierung gedrängt wurde, entstammt unseren Reihen. Sich zu Heinrich Brü ning in dieser Stund« zu bekennen, ist rin aufrichtiges Be dürfnis meiner Freund« hier in Preußen. (Beifall.) Mir haben von Preuben aus immer die Landespolitik untergeordnet unter die Interessen des Reichs, auch weil die aubenpolitischen Fragen heute entscheidend für das Schicksal unserer Station sind. Brünings Kanzlerschaft begann unter dem düsteren Schatten einer sich verkrampsenden Krise. Sein Weg. konsequent zu End« gegangen, hätte Deutschland aus der Umklammerung befreit und die ganze Welt einer erträglicheren Zukunft ent - gegen geführt (sehr wahr im Zentrum). Diese Politik forderte Opfer von allen Volksschichten, wie die Notverordnun gen zeigen, die den Namen des Kanzlers Brüning tragen. Es sei zugunsten derer, die den Sturz Brünings in diesem Augen blick herbeisührten, angenommen, das, sie nie die ausz en- politischen Konse.ptionen dieses Mannes gesehen und erkannt haben (sehr wahr! im Ztr.). Es wäre nämlich ungeheuerlich vom nationalen Gesichtspunkte aus gewesen, wenn man diese Konseptionen erkannt hätte und trotzdem zum Sturz getrieben hätte (sehr wahr! links und im Ztr.). Die Stunde für eine staatsbejahende Rechte war 1830 gekommen. Diese Stunde hat aber keine arbeitswill ige Rechte gesunden, obwohl das Zentrum frei war nach, jeder Seite und immer die Kräfte gesucht hat. wo sie sich zu ernster Zusammenarbeit boten Warum hatte sich aber damals die Rechte versagt? Erst heute sehen wir das etwas klarer, denn jetzt, wo im Reich eine Regierung gebildet wird, die ganz bestimmte sozialpolitische Forderungen hat, hören wir von der Ablehnung der Rechten nichts mehr (sehr wahr! im Zentrum). Niemand von uns rveisz. wie lange uns nun noch Gelegen heit geboten ist, frei vor der Nation zu reden. Ich möchte darum diese Stunde benutzen, ganz gleich, wie in. Preußen und Deutschland in den nächsten Jahren Koalitionen, oder Regie rungen oder Diktaturen aussehen werden, ich möchte im aus drücklichen Einverständnis mit meinen Parteifreunden erklären, dass es wiederum die vielgeichmähte Linke war, die die starke staatspolitische Einsicht in den Jahren 1980, 1931 und 1932 besaß. Mährend die Rechte sich versagte, wuchs das Verständnis aus der Linken. Es sei in diesem Landtag vom Munde des Zentrumsredners gesagt, das, wir, ganz gleich, wie die Entwicklung sein möge in unserem Vaterland und welche Aufgaben das Zentrum je zu erfüllen haben wird, diese im besten Sinne des Wortes nationale Haltung der Linken jeder zeit anerkennen (Beifall im Ztr. und links) Man spricht jetzt «on der Regeirung der „nationalen Konzentration". War es nicht «ine solche nationale Konzentration im besten Sinne des Wortes, wenn Millionen von Arbeitern dem Generalfeldmarschall v. Hindenburg zum Präsidenten wählten, während sich Kreise der Rechten absonderten. Immer aber find in Deutschland solche verheißungsvollen Ansätze, zu einer Nation zusammenzuwachsen, zerfchlagen worden, wie jetzt wieder. Brüning und Stegerwald sind Opser einer Wühlarbeit geheimer Konventikel und exklusiver Klubs geworden (sehr wahr!). Es sind dies dieselben Kliquen, die in der Vorkriegszeit schon die frisch-fröhliche Hetz aus Kanzler und Minister durchgestthrt haben, die irgendwo im Osten oder in Klubs in Berlin ausmachten. das, der oder jener Minister fallen mußte. Und wiederum sind es G r o s, i n d u st r i c l l e und Großlandwirtschast. die bei diejer Arbeit zufam- mcnwirken. Deutlich erkennbar ist, daß die Hintermänner dicfer Krise einen Mann gesucht haben, dessen Kanzlerschaft dem Zen trum wegen seiner politischen Herkunst angenehm sein sollte. Diese klugen Taktiker haben sich aber verrechnet (sehr gutk im Zentrum). Im Zentrum kfibt es so etwas wie Treue und Anhäng lichkeit (Beifall im Ztr.). Diese Treu« zum Kanzler Brü ning, die in den schwersten Zeiten sich befestigte, wird auch durch die rassiniertesten Machenschaften nicht zerschlagen werden (Händeklatschen im Zentrum). nähme, das, die Nationalsozialisten zu dieser positiven Arbeit bereit sind (anhaltende Unterbrechung bei den Nationalsozia listen). Sie (zu den Nationalsozialisten) müssen sich damit absinden, daß wir Ihnen hier sagen können, was wir denken. Was Herr Freisler am Tage der Zusammenstöße im Landtag sagte, war nicht mehr und Kicht weniger als der Versuch, in ein schwebendes Verfahren einzugreisen. (Sehr richtig! links und im Zentrum: — Lärm und Ruse bei den National sozialisten: Unerhört!). Der Satz des Herrn Kube, daß 99 Pro- zent der Staatsanwälte in den Anklagezustand versetzt werden müßten, hat nicht in allen naiionalsozialistischen Zeitungen ge- standen und auch nicht in Hugenbergs „Lokalanzeiger" Wir haben bisher keine Gelegenheit gehabt, diesen Satz mit ge bührender Schärfe zurückzuweisen. Wir holen das jetzt nach und wenden uns gegen die maßlose Uebertreibung und grobe Ver allgemeinerung. Wir glauben, daß di» Beamtenschaft, auch innerhalb der Justiz, in ihrer überwiegenden Mehrheit, treu zu ihrem Eide steht. SoNte aber der Sah des Herrn Kube vielleicht der Einschüchterung dienen wollen, so protestieren wir gegen solche Methoden. Deutlich muß man auch einmal aus sprechen daß es zutrisst, daß wir seit einigen Jahren uns in einer Epoche des politisch u Mordes befinden (anhaltende Unterbrechungen, Zurufe bei den National sozialisten). Es gibt nichts Unchristlicheres (Rufe bei den Nationalsozialisten: als das Zentrum), als die Drohung mit künftigen Justizmorden, die sich in Schriften und Reden der Radikalen vorsinden, und die dauernde religiöse Verhetzung die ungemein stark betrieben wird. Als der Redner bei dieser" Ge legenheit ein anonymes Schreiben vorlieft, worin in stark be leidigenden Worten begrüßt wird, daß Brüning endlich gestürzt sei, kommen von den Nationalsozialisten anhaltend erregte Zurufe: „Das haben Sie wohl selber geschrieben". Der Redner schließt mit dem Appell, daß alle diejenigen einander näher rücken möchten, die willens seien, die Gewissens freiheit auch in diesem kommenden Preußendeutschland zu wah ren. (Händeklatschen im Zentrum und bet den Sozialdemo kraten.) Wir fürchten, daß jetzt eine andere Plattform gewählt werden soll, und daß das deutsche Volk die Kosten dieser Politik zu zahlen haben wird (anhaltende Unterbrechungen bei den Nationalfozialisten und Zurufe). Die Nationalsozialisten haben mir eben zugernfen „Gewerkschastssekretär". Ich bin zwar das nicht, stelle aber sest, wie bei der sogenannten Natio nalsozialistischen Arbeiterpartei die Gewerkschaften verhöhnt werden. Weite Kreise der Bevölkerung äußern die Befürchtung, was jetzt nach der Ernennung der neuen Regie rung mit unserer Währung würde. Wir halten es sür dringend geboten, daß die neuen Männer schon morgen zum Deutschen Volke sprechen und ihr Programm darstellen. Sie können das Volk beruhigen, denn an der Spitze der Reichsbauk fitzt bis 1931 Dr. Luther. Im sei Dank sür feine bisherige Haltung und wir haben die Gewißheit, daß das Volk über die Währung ruhig sein Hann, auch wenn man den Reichspräsiden ten drängen sollte, bestimmte Experimente zu machen. Ein offener Versassungsbruch wäre nach unserer Meinung die Veftellung eines R e i chs k o m m i s s a r s für Preußen in einem Augenblick, wo kein Notstand in diesem Lande besteht Die Nationalisozialistrn sollten ihre zahlen mäßige Größe nicht überschätzen. Die sogenannten Marxisten haben schon einmal 49 Prozent aller Stimmen aus sich vereinigt, während die Nationalsozialisten bisher erst etwas Uber 39 Pro zent erzielten. Die surchtba Saat Hugenbergs ist zunächst Hit ler zugute gekommen. Wahrscheinlich werden aber die Bol schewisten die letzte Ernte einheimsen. Das Zentrum wird demgegenüber alle Bestrebungen auf Erhaltung der Ordnung unterstützen, und deshalb auch die Anträge aus Aende - rung der Geschäftsordnung ablehnen. Der Nationalsozialist Kube hat geschrieben: „Ministerpräsident wird in Preußen, wen Adolf Hitler bestellt." (Sehr wahr bei den Nationalsozialisten.) Hier irrt Herr Kube. Sie (zu den Nationalfozialisten) übersehen, daß nach der Vcrsassung, die Sie doch achten und respektieren wollen, und nach der Ge schäftsordnung der neue Ministerpräsident mit Mehrheit gewählt werden muß. Praktisch heißt das, daß in Preußen nur ein Mi nisterpräsident gewählt werden kann, dem das Zentrum zu stimmt. Wir warten in aller Ruhe (Ruse bei den Nntional- jozialisten: Wir auch!), was die Sieger des Wahlkampfes, die Nationalsozialisten, mit ihren 192 Abgeordneten praktisch hier im Preußischen Landtag anzusangen wissen. Was wir im übri gen hier erlebt haben, ermutigt uns keineswegs in der An- Sk. Bonifatius Zum 5. Juni. Sein ganzes Leben war nur Wanderschaft Wie des Propl-elen leuchtend Flammenrad, Hineilend aus den vorgeschrieb'nen Pfad, Trieb ihn des Geistes eingegoss'ne Kraft. Durch Meer und Wälder ging sein rasck>er Weg: Ein Läufer, dem das Ziei im Weilen hing; Ein Jäger, der mit starken Händen fing Das scheue Wild im dichtesten Geheg. Hinübergang war dieses Leben nur Aus warmer, menschlicher Gebundenheit In Gottes Kühle, klare Einsamkeit Auf schmaler, vorgebahnler Kreuzesspur. Hinüber führt' aus heimallick-em Raum In stille Zelle frühe ihn der Geist, Der bald hinaus aufs wilde Meer ihn weist, Vollendend groß des Knaben kühnen Traum. Er übersteigt die Berzze, steht im Land Der l-eitern Sonne, in dem ew'gen Rom Und wieder an des Nordens Nelrelstrom — I« wie des Geistes Will« ihn gesandt. Das Land ist urbar. Wild« Völker knien Vor Christi Kreuz. Kirck>en, Klöster stehn In stiller Festigkeit — nur er muß gehn: Noch einmal l>eißt der Geist ans Meer ihn zieh». Der Greis ist willig wie der Knabe war: Aus seiner Söhne fehr geliebtem Kreis Folgt er des Geistes sicherem Geheiß In der gekrönten Zeugen blut'g« Schar. Wir aber flehn wie der Propst: Verleih Von jenem Geist, der eilend dich geführt, Ein doppeltes, das kräftig uns berührt, Zu rajclzem Lauf dir nach uns Lenker sei! Ae. Löhr. Ueberall HochfchMbersMung Aus dem jetzt erschienenen 2. Hest der vom Wcltstudentcn- werk kzerausgegebcnen „Annalen", das den brennenden Fragen der Hochschuliibersiillung und der Vernssnot der geistigen Arbeiter gewidmet ist, ergibt sich, daß die Zunahme des Hoch schulstudiums, die vielfach zur Uebersüllung der Hochschulen führte, für all« Länder hohen Kulturstandes charakteristisch ist. So stieg die Zahl der Studierenden in Frankreich von 1990 bis 1910 von 19 009 auf 49 009. bis 1930 ans 69 900. Aber auch in Amerika, wo in dem Jahrzehnt nach dem Krieg das Interesse an höherer Schulbildung ganz besonders znnahm, über steigt die Zahl der Juristen, Ingenieure. Architekten und Lehrer den bestehenden Bedarf, wenn auch Juristen und Inge nieure vielfach im Geschäftsleben Anstellung finden. Im Aerzteberuf besteht noch keine lleberfüllung, da die verhältnis mäßig geringe Zahl medizinischer Fakultäten eine strenge Be schränkung der Hörerzahl durchführt. Ein Teil der aus ösfent- kichen Mitteln unterhaltenen hohen Schulen Amerikas ist ge setzmäßig gezwungen, jeden Bewerber anzunehmcn, der eine behördlich anerkannte Mittelschule absolviert hat, während verschiedene Universitäten und Colleges in neuerer Zeit dazu übergingen, nur besonders qualifizierte Bewerber zuzulassen. Nur in England ist es durch sehr hohe Studicnqebühren, denen allerdings eine große Freigebigkeit in der Gewährung von Stipendien an die Bedürftigsten gegenübersteht, bis jetzt ge lungen, seine Universitäten vor lleberfüllung zu bewahren. Gemälde werden verlkehen. — Einen eigenarligen Wcg. zur Kunsterziehung des Publikums beizulragcn und zugleich zum Ankauf von Kunstwerken nnzuregen, hat die Oregon Society of Artists mit Hilfe der Oessentlichen Bibliothek von Bortland eingeschlagen. Diele stellt die Werk« der Künstler t» ihren Räumen aus und verössentlicht zugleich Kataloge mit photographischen Wiedergaben. Ans Grund davon kann jeder Inhaber einer Leihkarte sür die Bibliothek ohne weiteres Ent- gelt ein von ihm gewähltes Bild für einen Monat in zein« Wobnuiui evtletüs» Die Regisseure der Salzburger Festspiele 1932 Für die geplante Neuinszenierung von Hosmannsthals „Jedermann" wurde, wie bereits gemeldet, die persön lich« Mitarbeit Max Reinhardts gesichert. — In die Opernregie teilen sich Carl Ebert, der Intendant der Berliner Städtischen Oper, Dr Franz Ludwig Hürth, der Obcrregisseur der Berliner Staatsoper, Karl Heinz Martin, Direktor des Berliner Deutschem Theaters, und Dr. Lothar Waller stein, der Obcrrcgijsenr der Wiener Staatsopcr. Mit Clemens Kraus als Dirigenten und Lotte Lehmann, Gertrud Nünger, Visrira llrsuleac, Iosei von Manowarda und Franz Völ ker in den Hauptparticn bereitet Dr Wal Irrste in die Neninszennierung von Richard Strauß' „Die Fran ohne Schatten" vor. Außerdem stammen von Dr. Wallerslein Neuinszenierungen von Beethovens „Fidelio" (Dirigent Dr. Richard Strauß), Mozarts „(los! knn tritto" nnd „Figaros Hochzeit" sowie Strauß' „Rosenkava lier" (Dirigent Clemens Kraus). Carl Ebert übernahm die Neuinszenierung von Mozarts „Entführung au» dem Serail" unter Generalmusikdirektor Fritz Busch, während Franz Ludwig Hörth unter Leitung Bruno Walters Webers „Oberon" neu herausbringt. Karl Heinz Martin zeichnet sür die Inszenierung von Glucks „Orpheus «ud Eurydike", die wie im Vorjahr am Diriqentenpult Bruno Walter und in den beiden Titel partien Maria Müller und Sigrid Onegin vorsicht. Für die Choreographie in diesem Werk wie in Weber» ^Oberon" wurde die Berliner Tanzregisseurin Margarete Wallmann mit ihrer Tanzgruppe beruscn. Die Festspiel« werden Samstag, den 30 Juli, von Clemens Kraus mit „Rosenkavalier" eröffnet und Mittwoch), den 3l. August, oo« Richard Strauß mit „Fidelio" beendet.