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Nolizen „Brünings legale Diktatur- Unter dieser Ueberschrist bringt die „Reichspost", das süh nende Organ der Christlich-sozialen Partei in Oesterreich, einen deachtensiverten Artikel von Dr. Hans Pseisser Emmendingen (Baden), dem wir die folgenden wesentlichen Sätze entnehmen: „Ohne Brüning und dessen legale Diktatur — durch ivei- testgchende Selbstausschaltung des Parlamentes und jeder par- teipolitisä-en Abhängigkeit'— wäre Deutschland innerlich zu- sannnengebrochen, dem Chaos ausgeliesert worden. Aus den Trümmern des Reiches märe eine nichtlegale Diktatur errichtet worden, aber nicht die Hitlers oder Hugenbergs, sondern die des Bolschewismus. Die freiwillige Abgabe der Macht des Parla ments an die Regierung Brüning, ja eigentlich an die Person Brüning, hat uns vor dem Schlimmsten gerettet. Der Name Brü ning ist heute in immer weiteren Kreisen Programm und Hoff nung für die Zukunst. „Brüning wird es schassen: wenn e r es nicht schasst, ist alles verloren!", so hört man in allen Schichten des Volkes reden. Die steigende Wut der Rechtsopposition, der Hitler, Hugenberg, Seldte und DUsterberg, wächst aus ihrer Be- sürchtung, datz Brüning es schasst, während die „nationale Oppo sition" doch glaubhaft machen will, nur eine Rcchtsdiktatur könne Deutschland retten.... In dem Augenblick, da der schwerste Alpdruck, vom deut schen Volke genommen ist, werden gewisse Parteien Morgenluft wittern und versuchen, sich herrschend wieder in die Regierung einzuschalten. — Dem muk begegnet werden. Brüning dars die Zügel nicht elnrr aus der Hand geben, als bis verfassungsmähig eine klare Scheidung und Rangordnung der Gewalten gesichert Ist. Sonst besteht die grotze Gefahr, datz wir wieder in den alten Schlendrian zurückfallen und am Ende alle Opfer umsonst ge wesen wären. Es gilt die mannigfaltigen Volkskräste in ihrer reichen Gliederung zu unmittelbarer Mitwirkung an den ihnen gebührenden Stellen einzusetzen. Die nach der Weimarer Ver fassung souveräne Macht des Reichstages ist auf das Matz zu be schneiden, das in allen vernünftigen Demokratien Norm ist." Die leichtfertig« Kreditpolitik der Wirtschaft. In einem offenen Brief, den der frühere deutschnationale Reichstagsabgeordnete Dr. Reichert, fetzt Mitglied des Reichs- Wirtschaftsrates, an den Reichskanzler Dr. Brüning vor seiner Abreise nach Paris richtete, wird auf die Auslandver schuldung als deutsches Verhängnis hingewiesen. Das ist nichts neues, das haben wir schon seit Jahr und Tag ausgesprochen, und wir haben immer und immer wieder auf die verhängnisvollen Folgen hingewiesen, die entstehen mützten, ivenn einmal «ine Vertrauenskrise ausbricht und dann das Aus land mit einemmal seine Auslandsgelder zuriickzieht. Der offene Brief Reicherts an Dr. Brüning ist aber deshalb von grotzem Interesse, weil er, offenbar ganz ungewollt, die ge radezu abnorme Auslandsverschuldung der Wirtschaft selber feststellt. Reichert selber errechnet nämlich, datz die Auslandsverschuldung allein der deutschen Wirtschaft pro Jahr über eindreiviertel Milliarden ausmacht. Sie ist da mit nach den eigenen Feststellungen eines Kenners um nicht we niger als zweihundert Millionen Mark höher, als der Jahres betrag für die Reparationslasten ausmacht. Das l>at Dr. Reichert sicherlich nicht vor aller Oeffentlich- keit seststellen wollen, aber es ist gut, sa notwendig, datz es ein mal von einer autoritativen Seite festgcstellt wird. Dle Frledensmesse In Notr« Dame des vletolre». Die K. V. (Nr. 341) schreibt: Wer einmal in Paris in Notre Dame des Victoires der allmonatlickien Friedensmesse beiwohnte, die dort am Marienaltar im rechten Querschisf zelebriert wird, kann niemals den Eindruck vergessen, den diese Messe in der Marienwallfahrtskirche der Stadt Paris auf ihn machte, der stets französtsck)e und deutsck>e Katholiken gemeinsam beiwohnen, um von der Friedenskönigin die Gnade des Friedens für beide Völker zu erflehen. Am letzten Sonntag kniete dort in dem jubelnden Barock dieses Marienhciligtums, das eine Oase stillen Friedens im Lärm der Weltstadt ist. der deutsche Reichskanzler und neben ihm der französische Pensionsminister Champcticr de Ribes, der ebenso wie Brüning durch das Grauen der Schlachten gegangen war. Beide folgten sie dem heiligen Opfer, das Patex Dassonville darbracht«, der nach dem Evangelium vom Frieden sprach, an dessen Verwirklichung alle Jünger eines Gottes arbei ten mützten, der am Kreuze starb, um der Welt den Frieden zu bringen. Die Predigt klang aus in einer Aufforderung zum Ge bet. datz durch Gottes Hilfe der Frieden sich verwirkliche. Diese Aufforderung mutz hinausdringen aus den Mauern der Pariser Kirche, hin über die Fluren Deutschlands und Frankreichs. Denn die beiden Staatsmänner, die dort am Sonntag nebeneinander knieten, sind auch blotz Mensck-en, denen gegenüber oft die Verhältnisse stärker sind als ihr Wille. Den ken wir deshalb als Katholiken auch in diesen Tagen an die ,-Keuchler oder anormale Aestheten" In der Kölnischen Volkszeitung finden wir ein« Zuschrift aus Schleswig-Holstein, die Beachtung verdient: „Erivachsene, die zum Katholizismus übertreten, sind Heuchler oder anormale Aestheten." Dieser Satz findet sich in Nr. 5 der Schleswig-Holsteinischen Hochschulblätter vom 1. Juli 1931. Sie werde,, herausgcgeben vom Vorstand der „Freien Kieler Studentenschaft", die Mitglied der Deutschen Studenten- schast (D. St.) ist. Fast die ganze Nummer ist eine national- lozialistische Angelegenheit. Und do man weitab im hohen Nor den (Kiel) schreibt, wird man besonders assen. So auch Herr Georg Roller in einem Aufsatz „Deutschland und der Papst". Das Geschreibsel geht aus vom einem Vortrag des Bio logen H. Muckcrmann. wo dieser erklärte, er werde sich als katholischer Priester auch bezüglich der Sterilisation an die Ehe- Enzyklika halten. Das war der Stein des Anstotzcs. Und nun geht's los. „Der internationale Hiapst ist der direkte Feind des nationalen Deutschland, und jeder Katholik macht sich mir der Anerkennung des Papstes an diesem Verrat schuldig . . . Jedem denkenden Deutschen mutz sich die Frage ausürüngen: Wie kann denn heute «in Deutscher noch Katholik sein? Diese Frage ist eine rein psychologische Frage. Nachdem der katholische Priester mit Wallfahrt, Gesundberen und Therese von Konners reuth das Mitglied seiner Gemeinde verdummt hat, besitzt er die Unverschämtheit, di« Frau eines deutschen Mannes in der Ohrenbeichte zu fragen, in welcher Stellung sie den Beischlaf ausgesührt hab« . . . Kennt der deutsche Student überhaupt de» Antimodernisteneid von 1910? Weitz der Kieler Student, datz es in der norddeutschen und protestantischen Universitäts stadt Kiel zivei katholische Klöster gibt? Weitz er, datz 1923 katholische Mönche in München aus einem Kloster aus die Ml. geschossen haben? . . . Der Katholik wird nicht geboren, sondern leider erzogen . . . Erivachsene, die zum Katholizismus über treten, sind Heuchler oder anormale Aestheten . . . Die alte Generation wird noch katholisch sterben . . . Aber die neue Jugend wird diese leere Bindung nicht mehr kennen. Sozial demokratie, Jugendbewegung und Nationalsozialismus — wir sehen das als historische Entwicklung irgendwie in einer Linie — haben ihre Arbeit getan und iverden sie weiter tun. Die neue Jugend wird alle Organisationen wie katholische Kirche. Jesuiten oder Freimaurertum mit einem neuen Matzstab messen: dem Matzstab der Leistung für die Nation Herr Muckcr mann hat eindeutig zugegeben, datz die katholische Kirche der deutschen Volksgesundheit im Wege steht. Also kann das Ergeb nis nur sein: Das Ende der internationalen Kirche . . . Die SPD. als Koalitionspartei des Zentrums ist ungefährlich ge worden. Eine neue Weltanschauung kommt her von der NSDAP." Nachdem nun der Verfasser die Erlasse der Bischöfe und zwei Monatsschriften von Pater Ingbert Naab O. M. C., die sich gegen die NSD?lP. wenden, „besprochen" hat, schildert er den Sclbstmdrd eines 10 jährigen Nationalsozialisten, den dieser aus dem seelischen Konflikt zwischen Kirche und lttSDAP. verübt Macht des Gebetes. Und seien wir aufrichtig: Glauben wir wirk lich, datz Frieden werden könnt«, ehrlicher, dauernder Frieden, solange uns eine Friedensmesse ein Ereignis ist, van dem in den Zeitungen berichtet werden mutz, und nicht eine Selbstverständ lichkeit zu allen Zeiten und an allen Orten? Noch ist es ein kleiner Kreis, der sich in Notr« Dame des Victoires allmonatlich zum gemeinsamen Metzopfer versammelt. Er wird wachsen in Frankreich und In Deutschland. Weitere Entlastung auf dem Arbeitsmarkt Dresden, 24. Juli. Seit dem Höhepunkt der Arbeitslosigkeit am 15. Februar bis 16. Juli 1931 ist die Zahl der Arbeitsuchenden in Sachsen insgesamt um 80 495 oder 14,8 v. H. gesunken. Erfreulicherweise mar auch in der Berichtszeit vom 1. bis 15. Juli 1931 noch eine Abwärtsbewegung der Arbeit suchende „Kurve von 599 087 auf 507 208 festzustellen, die durch eine stärkere Entlastung des weiblichen Arbeitsmarktes bewirkt wurde. Ursachen dieser Ent lastung sind vor allem beachtliche Einstellungen von weiblickM Arbeitskräften in der Strumpf- und Stosshandschuhindustrie so wie in der Zigarettcnindustrie der Arbeitsamtsbezirke Dresden und Freital. Auf dem männlichen Arbeitsmarkt ist dagegen der Tiefstand der Arlnsttslosigkeit bereits überschritten, da einerseits die Aufnahmefähigkeit der Antzenberufe, insbesondere der Landwirtschaft und Industrie der Steine und Erden, sehr nach lieh und andererseits insolges des Quartalsschlusses ein stärkerer Zugang an arbeitsuchenden kaufmännischen und technischen An gestellten zu verzeichnen war. Der Arbcitsmarkt der Metallindustrie ist durch weitere Entlassungen aus dem Automobil- und Fahrzeugbau gekenn- habe: am Anzuge das Hakenkreuz, in der einen Hand den Re, volver, in der anderen den Rosenkranz. Selbstverständlich „schleicht der katholische Priester um die deutsche Jugend", selbstverständlich ist die katholische Kirche „innerlich morsch". Sie hält sich nur noch durch ihre Organisation. „Es gibt nur zwei gute Organisationen in der Welt: Die Standard Oil Com- pany und die katholische Kirche". Mit sichtlichem Wohlbehagen weist dann der Schreiber auf den Konslikt des Vatikans mit Litauen und mit Mussolini hin. Und dann marschieren die beide» kommenden „Grützen" aus: Alsred Rosenberg und Ernst von Reventlow. „Tas ist die neue Jugend, die über die poli tische Partei hinweg eine international« Organisation ihres religiösen Bekenntnisses vernichten wird." Interessant dann noch der synnchonsche Schlutz in seiner begeisternden Offenheit. „Es ist vollkommen belanglos, wenn Adolf Hitler von dem Rosenberg-Buch abrücki. Es ist belang los, wenn Herr Stark schreibt: „Ein Nationalsozialist . . dars an den Lehren. Einrichtungen oder Persönlichkeiten der katho, lischcn Kirche keine abfällige Kritik üben". „Es ist belanglos, wenn Herr Frantzen dissidentisck)« Lehrer in Braunschweig ihres Amtes enthebt . . . Wir stehe,, heute in einer neuen Zeit sür Wirtschaft, Staat, Kultur und Glauben, und diese neue Zeit ist der Nationalsozialismus . . . Und er lder historisch Den kende) weih, datz die Idee Uber jedes Hindernis, das von ihrer NSDAP.-Organisation kommt, triumphieren wird." Diesem grohen Pamphlet hat die Schriftleitung eine Vor- bemerkung vorausgeschickt, die aber so dünn und fadensck)«inig ist, datz wir davon auch die ersten Sätze mitteile» wolle». „Die nachstehende Arbeit sicht de» katholischen Mensckie» nur von nutzen Innerlich kann sie ihm dadurch nicht gerecht werden. Aber in dem Angenblick, wo der Katholizismus nach autzen in die Erscheinung tritt (Kirckgmstaat, politische Erlässe. Zentrum), zwingt ex zu diesem Matzstab." Tas ist so unlogisch und unsinnig, datz man nur annehmcn kann, datz dieser Aulsatz der Schrift leitung recht genehm >var. Sich mit dem Aufsatz auseinander zusetzen, ist völlig abwegig und zwecklos, da er zu dumm und zu gemein ist. Staune» mag ma». datz man so etwas 1931 in einer Hochschnlzeitung lesen kann. Aber das zeigt den Geist, wenn man „unter sich" ist. wie man es scheinbar in Kiel ist, wo nalimialistische Elemente an der Universität die Herrschaft haben. Wir sind sür diese Osscnheit danlckmr, wenn sie auch eine unglaubliche Beleidigung des katholischen Valkstciles ist, besonders auch der Kieler Korporationen u,,d katholische» Stu denten. Aber letztere werden einfach durch rigorose Majorisierung medergcknüppelt. Und dies alles bei einer Studentenschaft die immer so starke Worte sür die politische und konfessionelle Neu tralität gefunden. Wenn auch der Aussatz von der Schrift leitung zur Aussvrache gestellt wird, eine solche Gemeinheit dars niemals als Grundlage sür die „Diskussion" dienen Wir wissen, welche antikatholisch« und antichristliche Gesinnung in den Kreisen der Nationalsozialisten herscht, und wir werden uns danach einstellen. " zeichnet, wobei hauptsächlich die Bezirke Chemnitz, Zwickau, Flöha und Annaberg betroffen wurden. Im Baugewerbe ist eine etwas stärkere Abnahme an arbeitsnci-enden Bausach arbeitern als in der ziveiten Iunihälste zu verzeichnen, näm! ch von 44 024 auf 43 554, während die Zahl der arbeitsuchenden Bauhilfsarbeiter mit 23179 seit Ende Juni nur um rund 300 zurttckging. Die Zahl der Hauptunterstützungsempfnnger in der Ar- beltslosenversick)erung hat in Auswirkung der Notverordnung einen recht erlniblichen Rückgang von 149 388 am 30. Jun ans 128 505 am 15. Juli 1931, also um 20 823 oder 13,9 v H. gegenülrer einem Rückgang von 4,7 v. H. in der vorhergehend-» Berichtszeit erfahren. Bei den weiblichen Personen ist die Ab nahme mit 18.8 v H. stärker als b?i den männlichen Person n l12,4 v. H.). Die Zahl der Hauplunterstützungscmpfänger in der Krisenunlcrstützung verminderte sich in der Berichtszeit von 120 899 auf 125100, also um 1790 oder 1,3 o. H. * Nordwolle-Jnterpcllation j,„ Preussischen Landtag. Di« sozialdemokratische Fraktion hat im Preussischen Landtag fol gende Grotze Anfrage eingebracht: Der Bremer Nordwolle- Konzern, der unter Leitung der Familie Lahusen steht, ist mii einer Schuldenlast von 250 Millionen Mark zusammen- gebrochen. Die Gründe dieses in der Wirtschaftsgeschichte bei spiellosen Wirtschastskrachs sind zweifellos zum Teil krimineller Natur. Nach Zcitungsmeldungen sollen die verantwortlichen Mitglieder der Familie Lahusen betrügerisch« Handlungen auch auf preutzischen Gebiet begangen haben. Ist das Staatsministerium bereit, soweit preutzische Zuständigkeit gegeben ist, mit allen verfügbaren Kräslen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft diesem ungeheuren Wrtsckmsts- verbrechen nachzuaeben? Abenteuerlicher Schwebenflug Von Hellmut Draws-Tychsen. Um es gleich vorweg zu nehmen, meine erste grotze Reise tm Flugzeug war eine Fahrt mit Hindernissen. Schon die Vor« bcreitungen hatten einen üblen Beigeschmack und etliche ein tretende Katastrophen, wie Abblasen der gastlichen Einladung der Deutschen Lufthansa infolge sommerlicher Hochsreauenz, Prozeh gegen einen honorardicksälligen Verleger, unvorherge sehene Ausgaben sür plötzliche Besuch« und darbende Freunde, nicht zuletzt das natürlich ungehörige Auftreten meiner alten Bronchienverschleimung drohten beinahe den herrlichen und lange gesponnenen Plan zu zerstören. Da aber kam der grotze Tag. Die schwedischen Freunde und Behörden boten mir ihre landesberühmte Gastlichkeit, der Verleger wurde rechtskräftig zur Honorarzahluna verurteilt, die Dame mit dem pechschwar- zen Haar, die ich liebe, schrieb mir einen sorgenvcrlcheuchenden Brief und endlich in restloser Zufriedenheit widerrief die Deut sche Lufthansa ihre bereits angekündigte Absage. Untgr diesen guten Auspizien startete ich von Stettin nach Stockholm, in Schweden Studien zu treiben und mich zu erholen. Es war ein Dornier-Wasserflugzeug von Wal-Tnp, das mich, einen Landsmann und auch zwei Schweden aufnahm, und hletz der „Sägefisch". Also unser Sügerfisch ratterte mit den Motoren und leine Schaufeln glitten schäumend Uber das Wasser. Das ging so eine gute Weil« immer schneller und hastiger. Hoch ausgischteten die Wogen gegen die silbernen Me- tallfliigel. Wir sahen eingekauert in den Rohrsesseln, erstaunt und befangen zugleich, und stopstcn uns kleine feste Watte bäusche in die Ohren, weil das Nattern und Dröhnen der Mo- tore schier unerträglich wurde. Niemand sprach ein Wort; wir hätten einander kaum verstanden Plötzlich strudelten die Wellen besonders rrregt gegen die kreisrunden Fenster. Ein zackiger Ruck... Ein heftiger Stotz. . Wie im Märchen der fliegende Teppich hob sich das Flugzeug leicht schwankend in die Lüfte. Wir aber spürten ein hohles Gähnen in der Magen gegend. Unsere Augen fanden sich zuerst in die Wirklichkeit zu rück Eie sahen über sich den Himmel und unter sich das Meer. Alles schien unwirtlich Einige Ost^eebäder glitten an uns vorüber. Menschen, Hauser und Bäume schienen winzig wie Pnppenspielzeng. Der Strand und die Wege lagen dünn wie Draht. Das Meer trug einige Segelschoner; di« Masten glichen Streichhölzern und die Takelage Zwirnsäden Unser Sägefisch zauberte alles nipp figürlich. Der Schaum des Meeres offeriert« sich wie Schlag sahne; aber die Höhe, aus der wir schauten, war wenig avpetii- anregend. Mein Landsmann, ein Rheinländer, schluchzte in sich. Die beiden Schweden zogen sich dauernd die Handschuhe aus und aus. Ich selber versuchte einzistchlafen Den heiteren Him mel umflorten allmählich Nebel'chleier, die immer dichter und dunstiger sich woben. Die dänische Insel Bornholm, die ganz fern wie ein Ouallcngebilde auftauchte. Netz sich kaum noch er kennen, so sagten die Nebel einander Wir in der engen Ka bine spähten halb ängstlich halb neugierig in das unheimliche Gebräu von Licht, Wasser und Dunst Das Licht schien geguetscht, bald kobaltfarben, bald achaten Das Wasser gärte wie er hitzter Snrup. Der Nebel rekelte sich grau wie eine Riesen fledermaus. Unser Dornierwasiervogel jagte wie ein Falke pfeilgerade vorwärts und ohne jedes Schlenkern nnd Schwingen. Wir Passagiere anglotzten einander willig und ergeben. Man hatte um alle Werte des Seins vergessen. Man ivaer ganz völker friedlich und versöhnungsreif geworden. Die Bande jeglicher Konvcnienz verblassten Wir wurden uns selber ein Mythos. Dieses einzigartige Gefühl werde ich nie vergessen Dann aber kam der Sturm. Auch Bruder Regen lieh keineswegs aus sich warten. Nebel, Regen und Sturm gespensterten den apokalyv- tischen Reitern gleich zwsichen Himmel und Erde in schreck lichem Wüten. Nun ersoff das Licht vollends im Grou der Molken und im Gran der Wellen. Das Flugzeug begann zu Hüpfen; doch unker Magen wollte dielen Scherz missverstehen. Ein Herr verlieh das Lokal and sachte die separaten Räume aus; ein anderer griff nach der Tüte mit der Aufschrift „für Lustkranke" Mein Nachbar nnd ich bisse» die Lippen. In- zwilchen wurde es Heller und ruhiger Links erschien die Schärcnküste des schwedilckcn Festlandes und rechts der schmale Strand der hageren Insel Oeland. Gleichmässig plapperte der Regen mit den Fenstern. Ein kleiner Dampfer tanzt« aus der See Ein Viermaster mit eingezogenen Segeln rollte durch die Wogen. Plötzlich auf- leuckrtete da» Sianal „anlcknallen" an der Wand unlerer Ka bine. Wir taten es hastig. Im GIcitfluge ntedergtng unser Mctallvogel auf die See, sein eigentliches Element. Die Schau feln des Flugzeuges bohrten sich fräsend und hobelnd in das Master. Wir aber hatten beinahe die Fassung verloren und aufatmeten tief, als wir die schwedische Erde der kleinen, schmucken Stadt Kalmar betraten Hier einnahmen wir den ersten schwedischen Lunch; er mundete gut. Ich atz vorsichtiger weise nur wenig. In einer Stunde starteten wir nach Stock holm. Das Wetter war sehr ungünstig und der Pilot hatte Sorgenfaltcn in seinem rauhen, gebräunten Antlitze, Wir wag ten den Flug dennoch. Aus der Höhe von Norrköping stauten sich undurchdringliche Wolkenwände und dicke Nek-ljchwaden. die uns zu eiliger Umlehr zwangen. Stundenlang umherirrlen wir in den Schären. schräge Schleifen und schiele Kreise fliegend. Mit einbrcchender Nacht ankamen wir wieder in Kalmar. Unsere Gesichter waren verdutzt, da sie Stockholm nicht sahen. Mir schlenderten noch ein wenig durch die Stadt, nach schwedischen Schönen mit den gepriesenen lichtblonden Haaren und hellblauen Augen anszuspähcn. Wir fanden derer einige aus einem Tanzfeste. Aus den dunklen Stratzen Kalmars ragte sein altes Cchlotz, wuchtig, viereckig, betiirmt. Wir vier Passagiere mutzten im Stadtholcl in einem Zimmer übernachten, weil alles überfüllt war. Dock» unser Zimmer war beinahe ein Saal Wir schliefen wie Murmeltiere bis fünf Uhr morgen». Der Pilot war nicht rechtzeitig geweckt worden, und so kam es, datz unser Sägefisch erst gegen sieben Ubr sich in Fahrt setzte. Die Verzilgerung hatte noch einen anderen Grund. Kurz vor dem Start fiel ich nämlich in die See pitschepatschenass, im feuchten Moose fauligen Hol'cs ausgcglitten, und wäre bei nahe ersoffen. Man telefonierte mein Malheur und den daraus entstehenden Zeitverlust nach Stockholm. Zu allem Leide fand ich meine Kofferschlüssel nicht und war in malesizer Nage Mit meinen nassen Hosen habe ich auf die Zollbarrikade gedrosckzeir, datz die Beamten den Dienst verlietzcn und kalb Kalmar mich bemitleidete. So kamen wir wieder in die Lüste. Nock, einmal abdrängten törichte Nebel uns von dem Wege zum Ziele. Unser Sägefisch niederging ans ossener See und lies, sich keineswegs ein'chüchtern. Es regnete in Schnüren und schaukelte mächtig Dabei verlor der Rheinländer sein eben ge nossenes Fr-'-hstück. Wir öffneten ein Bullauge und liehen die kri'che Meerbrise in die niedrige Kabine strömen Der wimmel verlor allmiiblich lein aebäsiiaes Grau. Wir.nähme*