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Anzeigen.Preis Mr Sn>«rat» au» U»ip,ia und Umg»b»»» »i» lloalttg« P«tit»«tl» 2S Pf, di« Reklame »eil« l Kk. oon ««»wärt» M Pt, Reklamen UV Mk. Inlerat« von Behörden im amt lich.» Teil di« Petttjetl« «) Pt G«fchäft»an,eigen mit Platzoorfchttft«« im Brett« erhöht. Rabatt r«ach Tarif. BerlagegedöhrSelamt- auslag« S Mk. o. Taulend erkl. Postgebühr, leilbeilage Huber. F«ft»tteiU« illutrräg« können nicht »uriick- aerogen werden. Für da» Erlcheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein» Garantie übernommen. Rnjri,en»Annahme: Johanni»,all« 8, der jämtlichen Filialen u. allen Ännoncen- Llpedittonen de» In» und Auslände». »nur »ad Verla, »o, Fischer ch Kürst«, Inhaber: Paul ttürfte». Redaktiaa »nd Selchält»ft«ll«: Iohannisgaste 8. -an»« - Filiale Dre»de»; Seestratze ch 1 (Telephon «621). Nr. 303 Mittwoch, 0en I. Nooembrr IS'I. l0S. Ishrgsng. Dir N^dsriage der MÄieuer vor Tripslis Die von allem Anfang an auffällige Bemerkung in den italienischen „SiegesLepeschrn", die Ver teidigungslinie der Italiener habe wegen des „Leichengcruches" nach rückwärts verlegt werden müssen, hat nunmehr durch die neuen türkischen Mel dungen ihre Aufklärung gefunden und unsere ur sprüngliche Auffassung bestätigt, dass das italienische Oberkommando mit jener merkwürdigen Begründung nur die Niederlage der Italiener maskieren wollte. Es steht fest, das; die Italiener dem gewaltigen Ansturm der Araber und Türken auf Tripolis er legen sind, dass die Angreifer nicht nur einige Forts von Tripolis zurückerobert, sondern auch reiche Kriegsbeute und zahlreiche Gefangene gemacht haben. Die italienischen Truppen haben sich nach Tripolis geflüchtet. Die Stadt selbst ist oon den Türken zwar noch nicht restlos erobert, aber die Einnahme st eht unmittelbar bevor. Auch heute wollen Gerüchte bereits wissen, dass die Einnahme eine voll zogene Tatsache sei. Wäre dies der Fall, dann müsste man sehr erstaunt sein, weshalb die vor Tripolis liegenden italienischen Kriegsschiffe zum Schuhe der Italiener den Ansturm der Türken nicht abgewchrt haben. Ein endgültiges Urteil lässt sich über die Lage vor Tripolis zur Stunde noch nicht abgeben, nur das eine steht fest, dass die Siegesdcpeschen der Italiener über die Schlacht vom 26. zum 27. Oktober falsch waren, dass vielmehr die Türken auf der ganzen Linie sehr bemerkenswerte Vorteile errungen haben, die eine Wiedereinnahme von Tripolis durchaus wahrscheinlich machen. Im einzelnen liegen folgende Depeschen vor: Konstantinopel, 1. November. Das Kriegs ministerium veröffentlicht folgendes Telegramm des Kommandanten von Tripolis: In der Nacht vom 26. Oktober unternahmen Truppen und Freiwillige einen allgemeinen Sturm gegen die ita lienischen Stellungen, wobei sie die Ver teidigungslinie der Italiener an einzelnen Punkten durchbrachen. Ein Teil der Angreifer drang durch die Palmenhaine hindurch bis zur Stadt. Unser rechter Flügel durch brach nach längeren heftigen An griffen alle Verteidigungslinien des Feindes, der zurückgeworfen wurde. Der Feind konnte den gegen die Befestigungen von Said Misri und Hani gerichteten Sturmangriffen nicht standhalten, räumte die Forts und floh. Truppen und Freiwillige besetzten die Positionen und nahmen die Verfolgung der Flüchtigen auf. Der Feind eröffnete aus seiner Stellung hinter der Ver teidigungslinie das Feuer mit Schncllscucrgrschühe» und Mitraillcnsen und wurde hierbei oon der iu den Verschanzungen verborgenen Infanterie unterstützt. Trotzdem legten die ottomanischen Truppen grossen Mut an den Tag und brachten nur durch des Eewehr- feuer die Festungen zu Fall, aus denen sodann die otto manische Flagge gehisst wurde. Konstantinopel, 1. November. (Eigene Drahtmcldung.) Einer telegraphischen Mitteilung Nechat Beys zufolge behaupteten die Italiener die Forts Seid Misri und Hani bis in die Nacht zum 28. Oktober, woraus sie diese Forts räumten. Der Kriegsminisier richtete an dre Korpskomman- dantcn ein Zirkulartclegramm, worin er von der Eroberung zweier Forts in Tripolis, von grossen Verlusten der Italiener, der Erbeutung einer grossen Menge von Kriegsmaterial und von der Ge fangennahme zahlreicher Feinde sowie davon Mel dung macht, dass die Italiener in die Stadt fliehen, und dass die Kämpse fortdaucrn. Der Minister glaube, bald die Wiedcrcroberung von Tripolis melden zu können. Konstantinopel, 1. November. Ein hier eingetrsfsencs Telegramm ces „Tanin" vom 29. Ok tober lautet: Italiener ohne grossen Widerstand in die Stadt getrieben, zwei Befestigungen erobert, viel Munition, Proviant, Geschütze, Gewehre erobert. Araber bewundernswert, zeigten grösste Hingabe an den Kalifen. Grösste Hoffnung aus Zurückeroberung der Stadt. Tripolis eingenommen? Konstantinopel, 1. November. Mahmud Schemket soll gestern abend gegen 7 Uhr eine neue Depesche erhalten haben, wonach die Stadt Tri polis endgültig erobert ist. Die Italiener seien gefangen resp. eingeschlossen, ohne sich weiter wehren zu können. Italienische Meldungen wissen natürlich noch nichts von den schweren Schlägen, von denen die Italiener vor Tripolis heimgesucht worden sind. Man ist in gewissen ^kreisen sogar noch geneigt, die türkischen Siegesnachrichten als — „Börsenmanöver" abzutun: Tripolis, 1. November. (Agcnzia Stesani.) Der gestrige Tag ist ruhig verlaufen. Ter Wind wehte aus der Wüste Chelli sehr stark. Daher konnten die Flugzeuge, die zu einem Erkunduugsflug aufgcstiegen waren, nur fünf bis sechs Kilometer über die italienischen Reihen hinausgelangen. Inner halb dieses Umkreises wurde keine Ansammlung der Feinde bemerkt. — Ter Dampfer „Bosnia" mit den fremden Militär- und Marincattaä)6s au Bord ist von Tobruk, Terna und Benghasi hier eingetrosfen und hat Nachrichten mitgcbracht, daß in den genannten Orten alles den gewohnten Gang nehme. Tie Organisation des TicnsteS auf der Basis von Tripolis ging schnell und regelmäßig vor sich und kann nunmehr als vollendet gelten. Für die Truppen sind rchchlich Lebensmittel, für die Tiere reichlich Futtcrvorrätc vorhanden. Mit der Ausschisfung der Truppen wird fortgefahrcn. Paris, 1. November. (Eig. Drahtm.) Tie ita lienische Botschaft in Paris hat den „Teinps" antelcphoniert, um die Siegesnach richten der Türken energisch zu demen tieren. Während sich die italienischen Offiziösen damit begnügen, zu konstatieren, daß die Einnahme von Tripolis durch die Türken vollständig unzu treffend sei, weiß der italienische Botschafter in Paris bereits, daß es sich um ein „groß angelegtes B ö r s en m a n ö v e r" (!!) handelt. Ein Attentat auf General Caneva. I>. O. Rom, 1. November. (Eig. Drahtmeld.) Aus Tripolis wird gemeldet: Zwei eingeborene Polizisten haben den Versuch gemacht, den Gene ral Caneva zu ermorden. Das Vorhaben wurde rechtzeitig entdeckt und General Caneva auf diese Weise gerettet. Die zwei Polizisten wur den gefangen genommen und gestanden ihre Tat. Sie werden in den nächsten Tagen erschossen werden. Mit Rücksicht auf diesen Vorfall wurde die Ein geborenenpolizei suspendiert. Die inneren Unruhen in der Türkei. ?. 6. Konstantinopel, 1. November. (Eig. Draht meldung.) Man meldet oon der türkisch-bulgarischen Grenze, dass ein Kampf zwischen einer der maze donischen Banden und einer türkischen Grenzpatrouille stattgefunden habe. Die Nach richten aus Albanien lauten sehr e r nst, beson ders aus den Gegenden von Ipek und Djaksva, wo vollständige Anarchie herrscht. Die Lokalbehörden sind unfähig, die Ruhe aufrechtzuerhalten. Der Kriegsminister gibt bekannt, dass er 15 000 Soldaten aus Smyrna nach der griechisch-türkischen Grenze zur Verstärkung entsandt habe. Ein italienisch-österreichischer Zeitungskrieg. Berlin, 1. November. (Eig. Drahtmeld.) Die Wiener Redaktionen haben wegen der tenden ziösen Berichterstattung der italienischen Blätter über die Kricgsereigniss« in Tripolis beschlos sen, diese Meldungen nicht mehr zu veröffent lichen. Die hier anwesenden Korrespondenten der in Frage kommenden italienischen Blätter haben gegen diesen "Beschluss im Namen der Redaktionen Protest eingelegt. Die Friedensfreunde an der Arbeit. London, 1. November. (Eig. Drahtmeld.) Die englische Erup)>s der interparlamentari schen Union hielt gestern abend unter dem Vorsitz Lord Wcardales anlässlich des dringenden Appells der ottomanischen Gruppe der Union eine Sitzung ab. Die Versammlung beschloss, an den Pre mierminister Asquith eine Denkschrift zu richten, in der er ersucht wird, seine freundliche Ver- mittlungzur Beendigung des türkisch-italienischen Krieges anzubietcn. Die Kevvlutton in Lhins. Die Meuterei unter den kaiserlichen Truppen. k. 6. Washington, 1. November. (Eig. Draht meldung.) Das Staatsdepartement hat offizielle De- peschen aus Peking erhalten, denen zufolge sich fast die gesamte kaiserliche Armee im offe- nen Aufruhr befindet. Die Truppen und die Offiziere weigern sich, gegen die Rebellen ins Feld zu ziehen, bis die Regierung die von ihnen aufgestell ten Forderungen bewilligt hat. Puanschikai ist heute nachmittag nach dem Süden aufgebrochen, um persönlich das Oberkommando über die gegen die Rebellen kämpfenden Truppen zu übernehmen. Peking, 1. November. (Reuter-Meldung.) Die Forderungen der Lanchow-Soldaten, die in der Hauptsache mit den Wünschen der National versammlung übereinstimmen, sind oon den aufrühre rischen Offizieren an die Garnisonen vieler Provinzen telegraphiert worden. Die Garnisonen von Tsinanfu und Paotinfu haben sie angenommen und die Re gierung benachrichtigt, dass sie nicht gegen die Auf ständischen kämpfen werden. Die Regierung beabsich- tigt, in allen Punkten nachzugehen. Man glaubt, dass das Ministerium morgen zurücktritt. Das Blutbad oon Hankau. ?. O. Peking, 1. November. (Eig. Drahtmeld.) Aerztc des chinesischen „Roten Kreuzes", die nach Hankau kommandiert worden sind, erklären, dass das Blutbad von Hankau entsetzlich gewesen ist. Nach ihren Feststellungen sind allein in den letz ten Tagen mindestens 1000 Revolutionäre durch die feindlichen Kugeln getötet worden. Der Mut und die Todesverzweiflung der Rebellen soll be wunderungswürdig sein. Unzählige Male versuchten sie es, mit ihren Bajonetten die feindlichen Stellun gen unter dem entsetzlichen Feuer der gegnerischen Maschinengewehrs zu stürmen. Obwohl oft bei so einem Sturme von einer ganzen Kompanie nur zwei bis drei Mann zurückkehrtcn, zeigen die Au fr LH- Sain. Hochgebirgsroman von Adolf Ott. (Nachdruck verboten.) Für neu eintretende Leser: Der Bauer Kilian Greiner Hai seinen Bruder HanS um das Erbe betrogen. HanS mutz auf des Bruders Hose Knecht- dienste tun. Als ihm Kilian auch noch die Braut, die Anna- Marie vom Lenzhof, wcgschnappt, sagt ihm der gutmütige Bruder den Dienst auf. Beim Auswandern aus der alten Heimat in die ungewisse Fremde spendet ihm Afra, deS Krug wirts Tochter, Trost und Liebe. Nach Jahren kehrt Hans als Förster in die Heimat zurück und findet Anna-Mari« im Elend, Afra einsam aber glücklich mit ihrem Kinde. Der Bruder Kilian ist ein Trunkenbold geworden und mißhandelt Weib und Kind. HanS hält Anna-Marie davon ab, sich mit eigner Hand den Tod zu geben. Hans atmete erleichtert auf; nun erschien die Hilfe, die für den Augenblick so nötig war. Der mit einer Fuhre Gras beladene Wagen kam heran und unschwer bestimmte der Forstgehilfe den Knecht, die Frau auf den Wagen zu nehmen und bis zum Tanneckhof zu bringen. Anna-Marie war so willenlos geworden, dass sie es ohne Einrede sich gefallen liess, von den beiden Männern aufgehoben und auf die duftende Wagen ladung gelegt zu werden. Ob sie dann aus Er- mattung einschlief oder wieder in «ine lang an- dauernde Ohnmacht gefallen war, blieb zweifelhaft. Die ganze Sorge des jungen Mannes war, sie mög lichst rasch nach Hause zu bringen. Manchmal fühlte er nach ihren Händen, die eisige Kälte zeigten, manch mal legte er seine Rechte sanft auf ihre Stirne, die in Fieberhitze zu brennen begann. Ungefähr eine Viertelstunde vom Hofe, dort, wo sich der schmale Fahrweg von der grossen Strasse nach diesem abzweigte, begegnete der traurigen Führe der alte Knecht Sepp, der sich aus Anhänglichkeit noch immer nicht hatte entschliessen können, den Dienst auf dem Tanneck zu verlassen, so schlecht als es der Bauer ihm auch oft machte. Die Sorge um seine Herrin hatte ihn hergetrieben, denn alle Wallfahrer waren ja schon längst wieder daheim, nur sie nicht. Er hatte dem Kilian vorgeschlagen, einspannen zu lassen, um ihr, die sich jedenfalls aus irgendeinem Grunde verspätet hatte, entgegenzufahren. Der hatte ihn roh abgewtesen und fluchend gesagt, das Weib sei ihm nicht wert, dass er nachts dafür die Ross' aus dem Stall ziehe. Das späte Heimkommen und die Wirt schaft verludern lassen, wegen der dummen Beterei, wird er ihr noch besonders eintränken. Nachdem er noch schimpfend zwischen die Knechte und Mägde gefahren war, hatte sich der Bauer in ge wohnter Weise nach dem Wirtshaus begeben. Las alles erzählte der geschwätzige Alte dem Forstgehilfen, nachdem ihm dieser seine hastigen, be sorgten Fragen kurz beantwortet hatte. Auf dem Gesicht des Hans zeigte sich eine finstere Entschlossenheit. Obwohl er selbst willens gewesen war, den Tanneckhof zu meiden und der Bruder ihm diesen zu betreten verboten hatte, liess er sich nicht abhalten, die Schwägerin dorthin zu geleiten. Er hätte es auch getan, wenn Kilian anwesend gewesen wäre. Als der Wagen hielt, erwachte Anna-Marie aus ihrer Betäubung oder Schlummer und richtete sich ver wirrt und erstaunt auf. Die Mägde und einige Knechte waren neugierig herbeigeeilt: im matten Schein der Laternen liess der Forstgehilfe die Kranke vom Wagen heben, gab der Grossmagd, einer ver nünftigen älteren Person, die ihre Herrin sehr gern hatte, den Auftrag, diese zu Bett zu bringen und ihr kühlende Umschläge auf den Kopf zu machen. Dann wendete er sich an den Sepp und gab diesem den Be fehl, sofort die besten Pferde einzuspannen und den Arzt zu holen. Der Alte verzog seinen faltigen, zahn losen Mund zu einem zufriedenen Lächeln. „Der Bauer", sagte er, „hat mir eh' verbot'», die Rost' aus dem Stall z' tun. Weil ich aber ein Knecht bin, so tu' ich, was mir anbefohl'n wird. Und desroeg'n werd ich jetzt den Doktor hol'n. Was dazwisch'n is, dös wird der Hans mit dem Bruder abmach'n: sell kümmert mich nix." Der Forstgehilfe hatte angeordnet, was für den Augenblick möglich war. Zn alles weitere konnte er nicht mehr eingreifen. So machte er sich denn in tiefen, sorgenvollen Ge danken auf den Heimweg. Mitternacht war vorüber, da wankte der Kilian auf seinen Hof zu. Als er die hellerleuchteten Fenster der unteren Stube und der Kammer seiner Frau be merkte, fiel ihm erst wieder ein, dass diese noch von der Wallfahrt nickt zurückqekommen war, als er ins Wirtshaus ging. Dem „Weibsbild" wollte er zeigen, wann sie daheim und im Bett sein muss. Schimpfend stolperte er durch die grosse Stube, in der eine Lampe brannte, und wollte sich in die Kammer be geben, in der er seine Frau finden wird. Aber er prallte zurück, denn di« Tür öffnet« sich, und nun sah er sich dem ihm wohlbekannten Arzt gegenüber, d«r in dem Rufe stand, zwar sehr geschickt, aber auch sehr derb fein zu können. Die letztere Eigenschaft kam auch gleich zum Vorschein, denn Kilian hörte sich als besoffener Mensch angeredet, der machen soll, seinen Rausch auszuscklafen, und nicht in der Kammer seiner schwerkranken Frau zu skandalieren habe. Das war die richtige Art, mit diesem Menschen umzugehen. Betreten zog er seinen Hut und lallte etwas Unver ständliches vor sich hin. Der Doktor achtete aber nicht darauf, sondern packt« den Bauer energisch bei der Schulter und schob ihn kräftig zur Tür hinaus. Der Kilian stand auf dem dunklen Flur und starrte einige Zeit auf die Tür, durch die er eben so lebhaft spediert worden war. Dann schüttelte er den Kopf und brummte wütend vor sich hin: „Dös lass ich mir net g'fall'n, dös brauch' ich net z' leiden, dass ich aus meiner eignen Stub'n rausg'schmissen werd. Ich bin der Tanneckbauer, ich!" Es musste ihm jedoch dämmern, dass ihm Lies für den Augenblick doch nichts helfen wird, denn er begab sich kopfschüttelnd, fluchend und stolpernd in seine im oberen Stockwerk gelegene Kammer, warf sich angekleidet auf das Bett und schlief bis tief in den nächsten Tag hinein. Als er erwachte, brauchte er lange, um sich an die Ereignisse der vergangnen Nacht so im allgemeinen zu erinnern. Er wollte zu seinem Weibe, aber auf der Tllrschwelle erschien diesmal die Erossmagd und sagte ihm, der Doktor habe verboten, die Frau zu stören, sie fei schwer krank. Nun macht« er sich an den alten Sepp, aus dem er auch durch verschiedene Fragen das herausholte, was dieser selbst wusste. Die Antworten des Knechts waren mit ver schiedenen scharfen Seitenhieben auf ihn, den Bauer, verbrämt. Er liess sie aber hingehen und sagte nichts dagegen, denn es waren zwei dabei im Spiele, die er fürchtete, mehr als er Wort haben wollte: sein Bruder und nicht zum wenigsten der Doktor. Wie es der Anna-Marie bei der schweren Gehirn entzündung, di« sie wochenlang ans Bett fesselte, er ging, erfuhr der Hans durch den alten Sepp. Sonst machte er fleissig seinen Dienst, beging das etwas vernachlässigte Revier nach allen Richtungen und sah dort zum Rechten. In die Wirtshäuser kam der Forstgehilfe nur sehr selten, und dann zu einer Zeit, wo er wusste, dass dort nicht viel Leute zu treffen waren. Er konnte nicht umgehen, hier und da an dem Häuschen der Afra vorüberzukommen. Der kleine Hans zeigte darüber jedesmal «ine grosse Freude, die sich dadurch erhöhte, dass der grosse Hans, w«nn dieser oorgehabt hatte, den Weg zu gehen, nicht versäumt«, einen Apfel, ein Bildchen, eine kleine Tüte mit Süssigkeiten aus der Krämerei in einer Ioppentasch« mitzubringen. Auck mit der Afra unterhielt er sich dann, länger oder kürzer, aber nur über den Zaun hinüber. In das Häuschen einzutreten, davon hielt ihn etwas zurück, über das er sich selbst keine genaue Rechenschaft aab. Was sie redeten, war nur Alltägliches, wie es Brauch ist bei Leuten, die sich ferner stehen und keine gemeinschaftlichen Interesten haben. Aber sie unter hielten sich, und für Hans war es stets eine Ge legenheit, die seinen durch allerlei Sorgen nieder gehaltenen Humor wieder etwas aufheiterte und er frischte. Auf seinen vielfachen Waldgängen war eines Tages der Hans auch auf jenen steilabfallenden Berg- vorsprung gekommen, der durch eine kurze, fast ebene Strecke mit dem eigentlichen Gebirgsmafsiv in Ver bindung stand. Unterhalb des Abhanges lag der Tanneckhof. Der etwas müde gewordene Forstgehilfe halt« sich auf «inen Felsblock gesetzt und sah, von mancherlei meist trüben Gedanken bewegt, über das Tal hin. Zu seines Vaters Zeiten war der Hang unter ihm von mächtigen alten Fichten bestanden gewesen. Jetzt bot er ein trauriges Bild der Ausnützung und Ver wüstung, denn nicht nur waren alle Bäume nieder geschlagen worden, sondern man hatte auch die Wurzelstöcke zur Holzgewinnung ausgegraben, und für di« Wiederordnung und Neuaufforstung nichts getan. Der alte Tanneckbauer hatte sich wohl ab und zu einen überständigen Waldriesen geholt, war aber da bei immer mit grosser Vorsicht verfahren und hatte sofort ergiebig aufgeforstet, ausserdem die alten Wurzelstöcke stehen lasten. Er pflegte zu sagen: „Wenn's da oben «in Loch gibt, schmeisst's uns einmal eine Lawin' aufs Dach." Und mau gab ihm recht. Daran dachte jetzt der Hans und wunderte sich, wie d«r Kilian diese praktische Ansicht so ganz äusser acht hat lasten können. Der Wald am Hang war so- zusagen «in Schutzwald, und es stand wohl im Be reiche der Möglichkeit, dass eine besonders mächtig«, hoch von oben kommende Lawrn« das nicht besonder» starke oberhalb Les Schutzwaldes stehende Gehölz niederwerfen und bis in Laa eigentlich« Tal rollen könnte. Der junge Tanneckbauer war eben wieder einmal in Geldnot gewesen und hatte den Holzabtrieb um ein spottgeld an «inen tzolzhändler verkauft, der di« Sacke radikal besorgt hatte und selbst den jungen Nackwucks niederschlug. Dass es überhaupt in solch«« Weise geschehen konnte, war freilich etwas, das dem Vorgänger Les Hans zur Last fi«l: jedenfalls bekam das Forstamt keine Kenntnis davon. Aber es war geschehen und der Mann war tot, also nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)