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LSWMSN Kunst unct wissensetintt WWWWMW Zu Max Grubes öS. Geburtstag. Nebeneinander und — leiver allzuoft — durch- und gegeneinander wirken auf den Schauspielbühnen der Gegenwart Vertreter der stilisierenden und natu ralistischen Darstellungskunst. Nicht „modern" ist dieser, nicht „altmodisch" jener Stil: zu allen Zeiten hat es verschiedengeartet« künstlerische Naturen ge geben, die ihr idealistisches oder realistisches Wesen ihren Schöpfungen ausgeprägt haben. Indes — mit der Wandlung und Verfeinerung des Geschmackes hat man die Stillosigkeit, die das gleichzeitige Wir ten entgegengesetzt strebender Schauspieler darstellt, immer sick-erer erkannt und immer schärfer getadelt. Die Erziehungsarbeit am Publikum in dieser Rich tung geyört zu den hervorragendsten Leistungen der „Meininger": nicht allein das, was man gemeinhin als ihr besonderes Verdienst anspricht — Einrichtung auch der Schauspiele mit prunkvollen Dekorationen, Durchführung der historisch getreuen Kostümierung, Ausbildung der Massenszenen. Auf die Erfüllung jener Forderungen, die der geläuterte Geschmack an die Schauspielkunst (im weitesten Sinne) stellt, grün det sich die Bedeutung Max Grubes, des treudank baren Schülers der „Meininger", des „letzten Mei ningers". Max Grubes schauspielkünstlerische Entwicklung ist so verlaufen, wie sie die Bürgerlichkeit gern als besonders „romantisch" zu bezeichnen pflegt. Am 2o. März 1854 wurde er zu Dorpat geboren, sein Vater ein bekannter Zoologe, seine Mutter polnischer Herkunft, die des Sohnes Eesichtsbildung nicht ver leugnet. Bereits als Zehnjähriger hegt er den Wunsch, dereinst die massenhaft gelesenen klassischen Dramen verkörpern zu helfen. Der Besuch einer „Freischiitz"-Aufführung in Breslau entflammt ihn lichterloh für den Schauspielerberuf. Der Umgang mit dem schlesischen Dichter und Schauspieler K. von Holtet bestärkt ihn in seinen Absichten. Emil B ü r de, der Rival Emil Devrients in Dresden, bestätigt ihm künstleriscl)e entwicklungsfähige An lagen: eine Freundin verweist den Jüngling nach Meiningen, und gegen den Willen und ohne Wissen der Eltern reist er nach Thüringen. Er erlebte arge Enttäuschungen: aber er beharrte unbeirrbar in seinem Streben. Auch in den folgenden Jahren in verschiedenen nord westdeutschen Städten bleibt der große Erfolg aus: erst seit dem Jahre 1879 am Bremer Stadttheater stellt er sich ein: und hier tonnte Max Grube auch zuerst seine Meininger Regicerfahrüngen verwerten und erproben. Uober seine schauspielerischen Leistungen unterrichtet u. a. ein (im Lit. Echo, 1. Jg„ veröffentlichter) Brief Dei bels au Karl von Holtei (vom 13. November 1876), dessen Erinnerungen: „Vierzig Jahre" Max Grube später herausgegeben hat. Als Atting- bausen im „Teil", als Eremio in „Der Widerspenstigen Zähmung" habe er ihn mit Freude gesehen. Als Julius Cäsar habe er durch die Majestät der Gesamt erscheinung erschütternd gewirkt, während seine Auf sagung des Shylock, dem er tragischen Anstrich ge geben habe, nickst befriedige. Von Bremen ward Max Grube an das Leip ziger Stadttheater verpflichtet. Rudolf vonGoti sch all. der i« jenen Jahren die Theaterkritik des Leipziger Tageblattes ausübte, pries nach jeder neuen Rolle die hohen Fähigkeiten des jungen, noch nicht dreißigjährigen Künstlers. Gleichviel ob er in Unterhaltungsstücken, wie z. B. Gottschalls „Rose vom Kaukasus", technisch virtuos Charaktere spielte-, ob er in ernsteren Schauspielen, wie z. B. in Wildcnbruchs „Mennonit", Menschen voll gärender Leidenschaft und düsterer Entschlossen heit schuf oder ob er in den bedeutendsten klastischen Weltdichtungen die Hauptrollen innehatte — immer errang er Ruhm. „Grell" — diesem Wort begegnet man häufig in Eottschalls Kritiken über Grubes Spiel; aber kaum in tadelndem Sinne gebraucht, sondern um die heiße Lebensfülle der Grubeschen Kunst zu kennzeichnen. Auch als Regisseur hat er sich in seiner Leipziger Zeit (1882—1884) betätigt. Von nun an begann der stete künstlerische Ausstieg. In Dresden als Darsteller großer Charaktere, in Meiningen, wo hin er noch mehrmals zurückkehrte, in Berlin, wo er fast zwei Jahrzehnte wirkte, gleich bedeutend als Schauspieler und als Regisseur, hat er Erfolg ans Er folg errungen. Immer stärker hat sich seine schau spielerische Begabung für Charakterrollen bizarren und grotesken Einschlags entwickelt. Sein Caliban, sein Dorfrichter, sein Altoum sind vorbildliche Lösun gen schauspielerischer Aufgaben; nicht Virtuosenhast, sondern im Sinne seines Grundsatzes, nach dem der darstellende Künstler mit kongenial schaffender Phan tasie di« einzelne Gestalt der Dichtung in Fleisch und Blut umsetzen müsse, ohne die Ganzheit und Einheit lichkeit des Kunstwerks zu zerreißen. In diesem Sinne hat er auch seine Regie geführt, sichtbar, doch selbständig den „Meiningern" nachfolgend: bewußt bis in die letzten Kleinigkeiten und feinsten Einzel heiten, ohne die Großzügigkeit im Zusammenspiel und die Ungebrochenheit der Stimmung zu vernach lässigen. Man hat ihm vorgeworfen, daß er allzu einseitig die klassischen Werke Shakespeares, Lessings, Goethes, Schillers, Grillparzers und Hebbels auf Kosten seiner zeitgenössischen Dramatik gepflegt habe. Allein, abgesehen davon, daß ihn naturgemäß seine Stellung als Oberregisseur am Königlichen Schau spielhaus zur Zurückhaltung dem Neuen gegenüber zwang — von höfischer Liebedienerei darf man bei ihm, den schließlich auch sein« Vorliebe für Hebbel vom Schauspielhaus in Berlin wegführte, nicht reden —, ihm lag die stilisierende Art der Darstellung näher als krasser Realismus, und aus diesem Grunde waren die klassischen Dramen die gegebenen Gegen stände. Dieselbe Einseitigkeit — in entgegengesetzter Richtung — hat Otto Brahm betätigt, ohne daß man dagegen Tadel ausgesprochen hat. Und dies mit starkem Recht! Auch schriftstellerisch ist Max Grube hervor getreten. An Bühnenwerken entstanden in den acht ziger Jahren: „Christian Günther", „Strandgut" und „Hans im Glück". Nachhaltige Erfolge waren diesen Schöpfungen ebensowenig beschert wie denen, die Grube in Gemeinschaft mit anderen Schriftstellern schrieb, z. B. das Schauspiel „Der Kardinal" mit Rudolf Lothar. In dem Gedichtbuch „Im Banne der Bühne" (Dresden 1902) hat Grube seine Erlebnisse als Schauspieler zu formen gesucht. Köstlich satirische und bitter sarkastische Randglossen zu den mannigfachen Erscheinungen auf und vor den Brettern, die die Welt bedeuten, finden sich hier. Ernste Gedichte, so ver nehmbar sie vom Sturm einer ringenden Seele zeugen, gelingen ihm weniger eindrucksvoll. Ab gesehen von zahlreichen Beiträgen in Zeitschriften und Tagesblättern, in denen der erfahren« Fachmann zu Fragen des Theaterwesens Stellung genommen, über allerlei aus der theatergeschichtlichen Vergangen heit geplaudert und lebenden und verblichenen Freun den und Genosten seiner Kunst ein Denkmal gesetzt hat, seien noch zwei Schriften genannt: „Die Mei ninger", Berlin 1905 (Bd. 9 des von Hagemann herausgegebenen „Theaters") und sein „Matkowski- buch". Max Grube, der Sechzigjährige, steht noch nicht am Ende seiner Laufbahn. Als Leiter des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg schasst er jetzt; neue Großtaten von umstürzender Eigenart wird man nicht von ihm erwarten. Aber man darf gewiß sein, daß er noch manche schauspielkünstlerische Gesamtleistung zustande bringen wird, die über den Ort seiner Wirk samkeit wett hinausstrahlenden Ruhm erntet. Möge ihm einst vergönnt sein, was er in seinem Gedichtbuch ersehnt: Doch bis zum letzten Atemzuge Will ich die Lust der Bühn« trinken Und dann wie von dem Roste nieder Ein todeswunder Reiter sinken . . . Hnck säxer. Neuer Leipziger Miinnergesangverein. „Wer vie les bringt, wird manchem etwas bringen", in diesem Sinne entwickelte sich das Frühjahrs konzert des genannten Vereins. Die ver schiedensten Charaktere waren vertreten, von Palestrina bis zu Hubay und Sarasate, auch ein Straußwalzer fehlte nicht. Max Ludwig, der musikalische Leiter des Vereins, ist immer bestrebt, Neues zu bringen. Bon den drei Ur aufführungen erschien als der wertvollste Chor „Der Freier" (Gust. Falke) von Fritz Lubrich d. I. Der Ernst des Gedichts tritt in den viel gebrauchten einzelnen Büßgängen eindringlich zutage. Harmonisch ist manches Interessante zu hören; die alte Musik gibt hier vielfach den Anstoß. Gerade dieser Chor wurde ausgezeich net gesungen, die Stimmung überall genau ge troffen. Auch Wickenhaußers „Wassersnot", wie viel an Wert den Chor Lubrichs nicht erreichend, wirkte im allgemeinen gut. Ebenso war Kanns stimmungsvolle „Hütte" eine wertvolle Leistung. In anderen Choren, so besonders in dem von * Die Generaldirektton der Königlichen Hostheater zu Dresden hat dem Regisseur uird Dramaturgen des Königlichen Schauspielhauses, Arthur Holz, die nachgesuchte Entlassung zum 1. Juli d. I. gewährt. Holz wird von diesem Zeitpunkt ab als Regisseur in den Verband des Hofburgtheaters in Wien eintreten. * Bildhauer Professor Wrba bleibt in Dresden. Wie uns ein eigener Drahtbericht aus Dresden meldet, wird der berühmte Bildhauer Professor Georg Wrba, der wegen einer ernst lichen Verstimmung gegen die leitenden Kreise der Staatsverwaltung Dresden verlassen wollte, der Re sidenz erhalten bleiben. Landtagspräsidcnt Dr. Vogel hat im Stadlverordnetenkollegium den Antrag gestellt, Professor Wrba den Auftrag auf Ausschmückung des Rathausplatzes zu geben und dafür ein Honorar von 400 000 .2 auszusetzen. * Die Direktion des Museums der bildenden Künste teilt uns mit, daß die B e) ch l a g nahm ung der farbigen Postkarten mit Nachbildung der Gemälde „Odysseus und dieSirene von Otto Greiner und „Adam und Eva" von Miller-Schönefeld von der Königl. Staats anwaltschaft in Berlin aufgehoben worden ist. Die Karten gelangen jetzt wieder zum Verkauf. * Eine Dermatologische Gesellschaft München hat sich vor kurzem konstituiert und am 9. d. M. ihre erste geschäftliche und wissenschaftliche Sitzung abge halten. Nach der „Munch. Med. Wochenschr." besteht der Vorstand aus v. Zumbusch als erstem, Herrn Dr. S t e i n h ä u ser als zweitem Vorsitzenden, Ober arzt Dr. R. Schmid als erstem und Dr. H. Herr mann als zweitem Schriftführer. In der ersten wissenschaftlichen Sitzung wurden von den Herren Heuck, v. Notthafft, Ploeger und v. Zumbusch De monstrationen abgehalten. Die offiziellen Sitzungs berichte werden im Archiv für Dermatologie und Syphilis erscheinen. Die erste Sitzung fand in der Kgl. Dermatologischen Poliklinik statt. * Au» der Gelehrtenwelt. An Stelle des einem ehrenvollem Rufe nach Karlsruhe folgenden seit herigen Leiters der zoologischen Abteilung der Forst akademie zu Tharandt Prof. Escher ich ist Prof. Schwangart aus Neustadt a d. H. gewählt worden. männliche Lebewelt von Berlin gab eine Gala vorstellung ihrer Flirtkünste. Wie es wogte und surrte und blitzte von eleganten Menschen, von blen denden Nacken und Schultern, von Boutons und Busendiamanten! Selbst die von allen Snobs als gesellschaftliche Haupt- und Staatsaktionen ge schätzten Revue-Premieren des Metropoltheaters pflegen nicht ein solches Totalbild des mondänen Berlin m liefern. Hier war des schlaflosen, leichtlebigen Volkes wahrer Himmel, hier durften die Nachtvögel auf ihre Art Menschen sein. Mit dem Glockenschlag der Mitter nacht erschien Richard Srrauß — kein ge- ringener als Richard Strauß — am Dirigentenpult. Der Komponist der „Salome" befehligte das Suppesche Operettenorchester der „Schönen Galathea". Mit gefangen, mitgehangen! Schmunzelnd ließ er sichs gefallen, daß von der Bübne herab einer der aktuellen Couplets über meschuggene Noten witzelte, die man zum Strauß gebunden habe. Richard Strauß als Operetten feldherr gab sozusagen den Auftakt zu den Saturnalien der ernsten Bühnensterne. Romeo - Moissi entzückte die Damen als schlanlbeiniger Ganymed im Trikot, Lieb an war der Börsenjobber Midas, Jad- lowker, der Hofoperntöne Meister, lieh dem Gany med ungewohnten Glanz, und Fräulein Alfer mann bot den Sinnen im Pluralis holde Weide. Dieje verkehrte Welt wäre trotz allem Spaß ziemlich frostig geblieben, hätte man sie nicht mit vielerlei intimen Bühnen- und Kulissenwitzen erwärmt. Die Feuerchen wurden von dem durchaus eingeweihten Publikum lachend groß geblasen. Die derbkomische „Klabriaspartie, aus dem Jargontheater der Brüder Herrn- feld wohlbekannt, schloß sich an. Sie gab zu einer „In sich"-Parodie der Schauspieler keine Gelegenheit, ihre lustige Wirkung war jedoch den komischen Stars der verschiedenen Berliner Bühnen anvertraut. Die dritte Piece ist nicht zu verschweigen: die große Pause nämlich zwischen den zwei Stücken. Hatte doch bei der Veranstaltung des Berliner Bühnenklubs das Publikum eine der Hauptrollen übernommen! Jenes Publikum, das da kommt, um ebenso gesehen zu werden, als zu sehen. Ll. L. Trcrutmann gesetzten altdeutschen „Das Leiden des Herrn" fehlte vielfach die Geschlossenheit der einzelnen Stimmengruppen, auch traten hier und da einzelne Sänger mit ungewollten Einsätzen hervor. Solistisch wirkten mit Frau Ella Hilarius-Stepinski (Sopran) und Frl. Anuschka Reuß aus Budapest (Violine). Die bekannte Sängerin hatte mit einer Mozartarie und einigen leicht verständliü^n Liedern (dar unter der erwähnte Walzer) viel Erfolg, ob gleich im Vortrag (mitunter auch stimmlich) man ches zu wünschen blieb. Die junge Geigerin zeigte eine weit vorgeschrittene klare Technik, ruhigen, schönen Ton, besonders im Spiel auf der 6-Saite. Der ziemlich gleichmäßig, etwas schioerblütige dunkle Charakter des Spiels ließ ohne weiteres auf chre Abstammung schließen. Der Vortrag wird hoffentlich noch mehrseitiger werden. Die Klavierbegleitungen führte Max Ludwig musika lisch gut aus. Zoblvxel. Richard-Wetz-Abend. Seit Jahren schon hat man in diesem und jenem Liederabend einige Gesänge von Richard Wetz zu hören bekommen. Gestern nun saß der Komponist selbst am Flügel, und Fräulein Else Siegel und Herr Nicolaus Naumow sangen insgesamt 20 seiner Lieder. Mithin war reichlich Gelegenheit geboten, sich von Wetz ein Bild als Liederkomponist zu machen. Der interessant ver laufene Abend bot, das sei gleich vorausgesagt, eine recht erfreuliche künstlerische Ausbeute. Aus all den Gesängen sprach der gediegene, ernst zu nehmende Musiker, der sein bedeutendes Können nie m den Dienst wertloser Dichtungen stellt, damit Robert Schumanns Mahnung beherzigend, nicht nach mittel mäßigen Gedichten zu greifen. Mit Sicherheit weiß Wetz die poetische Idee sich zu eigen zu machen, diese musikalisch zu verarbeiten und, in Tönen verstärkt, zu wirksamem Ausdruck zu bringen. Dabei wird er in seinen Gesängen ernst-pathetischen Gefühlen in gleicher Weise gerecht wie Texten voll sröhttch-heite- ren Stimmungen rein lyrischen Charakters. Daß er sich nicht als übermoderner Musiker aufspielte, ward nirgends nachteilig enrpfunden. Die manch persön liche Züge an sich tragende, ebenso geschmackvoll wie natürlich empfundene Melodik wie nicht minder die je nach Erfordernis mehr oder weniger reich aus gestaltete charakteristische Klavierbegleitung im Sinne Schumanns und Brahms' mit ihrer gewählten Harmonik und manch interessanter Wendung dienen einzig und allein dem Zwecke, die Gefühlswerte der Dichtungen in ihrer Ausdruckskraft zu verstärken und dem Herzen der Zuhörer näherzubringen. Es ge lang dies gestern um so nachhaltiger und eindring licher, da sich auch die Ausführcnden als Künstler ihres Faches erwiesen. Infolge ihres gesangstech nischen Könnens und einer fein ausgearberteten, von starkem Empfinden beseelten Vortragsweise wurden die einzelnen Lieder zu ausgezeichneter, sehr wirkungsvoller Darstellung gebracht. Bestach Fräu lein Siegel in erster Linie durch den Wohllaut ihrer feingebildeten, Hellen Sopranstimme, so Herr Naumow vor allem durch die geistvolle, tief ver innerlichte Wiedergabe der Gesänge, die er mit star kem Einfühlungsvermögen vermittelte. Wurden von der Leipziger Konzertsängerin vorwiegend die Liebes-, Tan^und Wiegenlieder bestritten („Auf einer grünen Wiese" kam ihr nicht zu), so von dem Frankfurter Künstler besonders die an ernsten und starken Gefühlen reichen Gesänge mit teilweise dra matischem Einschlag. Neben den beiden Gesangs künstlern ward Herr Wetz wiederholt durch reichen Beifall ausgezeichnet. Auch als Begleiter gebührt ihm hohe Anerkennung. Spielte er doch alles mit großer Anpassung, feinem Klangsinn und innigem Empfinden. 6urt Hermann. * Nach Mitternacht. Unser Berliner Schauspiel referent schreibt: War das ein toller Spuk im Metropoltheater, in der Nachtvorstellung des Berliner Schauspielklubs! Noch viel toller als in dem Kramladen jener „Puppenfee" die zur Geisterstunde mit ihrem ganzen kribbelnden, krabbelnden, hüpfenden, hopsenden, trommelnden und trompetenden Reich erwacht! Noch toller . . . . Denn diesmal spielte ein tausendköpfiges Publikum mit, das smarteste von Berlin. Und die schöne Galathea am der Bühne tauchte viel hundertfach unter dm Zuschauern auf, in ihren gar nicht neidischen Gewändern fast ebenso „zur Statue entgeistert", wie die Hofopernsängerin Alfer mann, diese liebreizendste Verkörperung der Antike. Noch zahlreicher als die Ealatheen waren die Pygmalions diesseits der Rampe. Die ver gute Name. 44) Roman von Georg Engel. illoxivrcxdt 1Sl'3 b)' Yretdlsin L ll- ll. m. v. ll. l.«ipri,„.> So waren sie bis an das alte gotische Haus gekommen, in dem der Kapitän übernachten wollte. Hier ergriff Holstein die Hand des Offi ziers und schüttelte sie herzlich. „Ich danke Ihnen für Ihre Freundschaft," sagte er ruhig, „und rm übrigen wollen wir nicht weinerlich werden über eine Angelegenheit, die völlig gleichgültig ist." Und indem er den jungen Mann fest anblickte, setzte er hinzu: „Denn das, Prinz, können Sie der lieben Mit welt später einnral erzählen — Holstein, der Nab ob, der Millionär, hatte nichts, gar nichts zu verlieren." Er sprang die beiden Steinstufen in die Höhe, aber der Prmz hielt ihn noch einmal an der Hand zurück. „Dann find Sie noch weit unglücklicher, als ich dachte," sprach er trübe, „denn selbst der Ein samste hat eine Mission, an die er glaubt, wenn auch nur zu oft eine trügerische." Der Kapitän hatte bereits den Schlüssel in dem altertümlichen Schlosse umgedreht, jetzt wandte er sich noch einmal und starrte spöttisch über den vom Hellen Mondlicht übergossenen Markt. „Auch das habe ich heute einsehen gelernt," sagte er mit seiner tiefen Stimme, halblaut, als ob er für sich spräche. „Wenn es eine Mission ist, in einer Schar tiefverachteter Affen das Bürger recht zu erzwingen, so habe ich eine, wenn nicht " Er nickte kurz und schlug die schwer knarrende Tür krachend hinter sich ins Schloß. 16. Träge schlich die Nacht vorüber. Ter Kapitän hatte sich angeklcidet auf eine Chaiselongue geworfen, und n>ar erst gegen Mor gen entschlummert. So fand ihn der Doktor, der durch seine Haushälterin von der seltenen Anwesenheit sei nes Freundes unterrichtet war. Vorsichtig zog er die (Gardinen auseinander und ließ die Helle des Tages hereinströmcn; aber kaum huschte der erste Sonnenstrahl über das Antlitz des Schlä fers, als dieser aufsprang und sich verwundert reckte. „Ach, du bist es, Ally," begrüßte er den Freund vertraulich, „rufe meinen Schlingel von Diener und laß mir etwas Waschwasser bringen. — Und dann, mein Sohn, hast du heute abend ein Stündchen für mich frei?" Ter Doktor nickte nur und blickte den an deren prüfend an: „Holstein," sagte er endlich, „ich kenne dich zu gut, um mich zu täuschen. Dir ist gestern in der Gesellschaft etwas Be sonderes begegnet, das dich aufregt, nicht wahr?" Als der Kapitän sich so an das Geschehene erinnert fühlte, zog er die Brauen, und jener höhnische Zug glitt über sein Gesicht, der ihn hart und bitter erscheinen ließ, dann aber zuckte er die Achseln und fuhr dem jungen Arzte zärtlich über das schlichte Haar. „Du hast recht, Alfred," entgegnete er herzlich, „gerade das will ich abends mit dir besprechen. Und nun gib Ruhe, mein Junge; ich habe heute noch viele Ge schäfte abzuwickcln." Damit drückte er dein scheidenden Freunde die Hand und schritt rasch in sein Arbeits- kabinett. Eine Viertelstunde später klopfte er bereits an das Privatkontor des Herrn Pilz und legte dem Gewaltigen nach den üblichen vornehmen Begrüßungen fünf Hundertmarkscheine auf den Tisch. „Für meinen Vater!" „Ah — so -" Herrn Pilz wurde es wunderbar leicht ums .Herz, aber er zwang sich zu einer wirklich grau- diosen Zurückhaltung und meinte nur so neben bei: „Mr Ihren Herrn Vater? — Ach, richtig, hätte beinahe vergessen —" „Natürlich, bei einem Geschäft wie dem Ihrigen," versetzte der Kapitän fluchtig. Pilz nickte souverän und ma ' eine vornehme Verbeugung. ,, mir glauben," sagte er, si hat seine Sorgen. — Der dl ganz guter Mensch, aber —" chte seinem Gast ,Sie können es ich verabschiedend, „man r dort drinnen ist ein " Der Disponent wies auf die Stirn, „über Korinthen und Pflau men geht es bei ihm nicht hinaus. Disposition, höherer Ueberblick und Politik fehlen ihm gänz lich. — Uebrigens gratuliere ich Ihnen, Herr Baron, zur Landtagskandidatur. So viel ich tun kann, werde ich für Sie tun. Ich bin Wahl mann und verfüge über eine Anzahl Stimmen." Herr Pilz setzte sich in diesem Bewußtsein stolz auf seinen Kontorsessel und blickte sich be dächtig mn. Holstein nickte freundlich. Dieser kleine, vom Größenwahn befallene Mann war ihm immer eine heitere Abwechselung gewesen. „Stürzen Sie sich nur nicht zu sehr ins Zeng," sagte er mit seltsamem Ton. „Vielleicht mache ich Ihnen einen Strich durch die Rechnung und — falle." Dann grüßte er noch einmal und schritt aus der Tür. Herr Pilz aber, der nach der Rettung der fünfhundert Mart von seiner eigenen Größe wie nie zuvor berauscht war, ging ihm nach und legte ihm mit gönnerhafter Vertraulichkeit die Hand auf die Schulter: „Seien Sic ganz unbesorgt, Herr Baron," sprach er mit Würde. „Sie haben meine Stimme und fallen nicht — Adieu." Nun stand der Kapitän an der Treppe, die in die Wohnung seines Vaters heraufsührte, und unwillkürlich gedachte er jenes Morgens, da er zuerst in dieses trostlose Heim getreten war und die blasse, seltsam schöne Frau mit rücksichtsloser Härte bedrängt hatte, rinnend lehnte er an dem Geländer der Treppe und blickte hinauf. „Wirklich, nun habe ich bereits monatelang der lieben Welt das Schauspiel bereitet, in den possierlichsten Sprüngen um den Morast her- unrzuhüpfen, und der Schluß ist, do- ich die Unschuld dieser Sumpfrose mit Pulver und Blei durchsetzen muß — — tolle Logik." Hastig wollte er sich abwenden, da wurde, wie damals, ein leises Rauschen von Frauen gewändern hörbar, und der Kapitän sah mit Beklemmung seine junge Stiefmutter, in einen langen, enganschließenden Regenmantel gehüllt, heruntereilen. Die Schnelligkeit ihrer Bewegung und vielleicht plötzliche Unruhe hatten eine leise Röte auf ihren Wangen verbreitet, und auch die dunklen Augen waren nicht zu Boden gerichtet, sondern hefteten sich wie in grenzenloser Ueber- raschung auf den zaudernden jungen Mann. Dicht vor ihm hielt sie inne und fragte mit einer leichten Neigung: „Sie wünschen zu uns?" War es die beginnende Vertraulichkeit, welche Holstein wie ein peinigender Mißklana ins Ohr fuhr? Kalt beantwortete er ihren Gruß und meinte schneidend: „Nein, nicht zu Ihnen." Die sunge Frau schrak förmlich zusammen, als sie die frosttge Antwort vernahm, aber nur einen Augenblick dauerte diese Schwäche, dann raffte sie sich auf und eilte wie betäubt an ihm vorüber. Der Kapitän blickte ihr finster nach; er stieß einen lauten Hohnruf au-, aber es klang fast wie ein Seufzer. Rasch enteilte auch er dem .Haufe. Noch war er nicht wett gegangen, als eine offene Equipage an ihm voruberflog. Das laute Gerassel schreckte ihn auf. Er hob das Haupt, und das Blut schoß ihm heiß in die Sttrn. An der Seite ihres Vaters lehnte sich Syl via in die weichen Kissen zurück, und obwohl die Blässe ihrer Wangen verriet, daß sie den geliebten Mann längst erkannt hatte, wollten sich doch die Augen nicht unter den gesenkten Wimpern zu einem heimlichen Gruße beleben. Scheu, fast unbewegt, starrte sie auf eine Blume, die sich an ihrem Busen auf und nieder senkte. 2kur ihr Vater wandte fein iveißes Haupt und blickte den Kapitän durchbohrend am (Fortsetzung t» der ALendtUMMBo.)