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Bezugs-Prers fßr ««» Ooion« durch »ul«« Iraaei und Soudtleur« Lina! ti glich tu, hau» „edrachl « P«. monatU r.?Ü Ml. »»«nrliahrl. Bei »n>eru KUialeii ». An» mchineftrllrn adgkdoU 7S Vs. «onatT, ruS Vik. otrnrlsährl. »urch dl, V«»r InnertzolL Devnchland» and der deutschen Kolonien »„«eljädrl. 2.80 VN.. monatU l-2l> Mt. uu»>cht Polrbrftellgeld Kerner tn Belgien, Dänemark, den Donauktaatrn, Italien. Liiiemdura. Niederlande. Nor wegen Oesterreich. Ungarn Nustland, Schweden, Schwei» n Eoanien In allen übriger, Elaalen nur birev durch dt« löelchalrosteü, de» LU»««» erdcUtttch. Da» Lrtp,ig„ Lagedlao erlchetni rmat täglich Sonn. ». Keienag» nur morgen». Adonn»m«nl».Annavme 2»danni»gaN, 8, d« unirren Trägern. Siliaten. Svediieuren und Annahmestellen, >ow»e Bostamlern uuü Lnestrageru. Abend-Ausgabe. MpMcrTagcdlM s 14892 lNocht-nIchlu») ,, , f148S? INachtanlchUM «el.-Ä»sch>. Handelszeimng. rei.-^W.^.E Ämtsökatt des Nates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lmfeignr-Prei» fdr Inserat« au» Leip,la und Umgeb»« die lsnaitig« Petit,eU« SPs^die Nellame- «Ue i vkk. von au»»ärt» A> Ps. Neklamen 1-20 MI. Inserat« von BehSrde« im amt» lichen Dell dt« Vetttietl« » Pf Delchastsan,eig«n «tt Platzoorschrift*» im Preis« «ryöht. -labatt nach Taris. B«tlageg«bllhr G«lamt» auslag« S MI. o Tausend «rkl. Poftgeoühr. leild.-ilag« höher. Kestertellt, Ausiraa« können nicht »urück- gr,ogen »erden. Für da» Erscheinen « befttvimten Tagen und Platzen wird kein« Garantie ildrrnomnren. Anzeigen. Annahme: Iohnnniegnss, 8, hei sämtlichen Ailialen u. allen Annoncen» lktpeditionea d«. In» und Lu»lande». Druck »tld v«rla« »«» Fischer ch Xlirftru Inhaber: Ynnl Ailrstrm «rd.kti»» mr» G«schSft»itell«: 2ohannt»gajs« L -auut-Fillak« ree»deu: Sersträtz« 4, 1 tlelepho« 4S2O. Nr. 250. Lonnsdena, aen s. Skpiemder ISN. los. Jahrgang. IE- Unsere heutige Morgenausgabe umfaßt 14 Seiten, die Abendausgabe 8 Seiten, zusammen 2L Seiten. Die Fahrt üer „Schwaden" nach Berlin. Nach langer Pause, während deren man von Zeppelin wenig hörte, ist nun wieder eines seiner majestätischen Luftschiffe über die deutschen Lande dahingefahren. Stolz schwellt die Brust jedes Deut schen beim Anblick dieses imposanten Riesenluft schiffs, wenn es in absolut sicherer Fahrt über die Häuser eilt, wenn die Propeller rattern. Vergessen sind in solchen Momenten alle Depressionen und für das Hurrarufen der Jugend hat auch der abgeklärte reife Mann volles Perständnis. Die Brust hebt sich im Bewußtsein, daß der greise Held ein Deutscher, unser Landsmann, daß wir Deutschen im Besitz dieser grüßten Errungenschaft der Neuzeit sind. * * * Wie wir in unserer heutigen Morgenausgabe meldeten, hat das Passagierluftschiff „Schwaben" heute früh von Gotha aus die Fahrt nach Berlin angetreten. Wir erhielten darüber folgende Mel dung: Gotha, 9. September. Das Zeppelin-Luftschiff „Schwabe n" ist um 6 Uhr zur Fahrt nach Berlin aufgestiegen und hat 6.40 Uhr in schneller Fahrt Erfurt in der Richtung nach Weimar passiert. Weitere Meldungen besagten: Jena, 9. September. Das Luftschiff „Schwaben" passierte 7.10 Apolda und wurde 7.15 von Jena aus gesehen. Von dort aus wird es wahrscheinlich über Käsen, Naumburg, Weißenfels nach Leipzig fliegen. Weißenfels, 9. September. Das Luftschiff „Schwaben" passierte unsere Stadt 7 Uhr 47 Min. in der Richtung auf Leipzig. Markranstädt, 9. September. Das Luftschiff „Schwaben" wurde hier 8 Uhr 10 Min. gesichtet. Die „Schwaden" über Leipzig. Wieder einmal haben wir in Leipzig das Glück gehabt, eines der Zeppelin-Luftschiffe über unsere Stadt dahinschweben zu sehen, wenn auch bisher keines derselben hier eine Landung ausgcführt hat. Das viertemal hat jetzt ein Lustschiff vom starren System Leipzig passiert, und wie vor 2Va Jahren an jenem Pfingsttage, gingen auch heute wieder die Wellen der Begeisterung hoch. Ganz Leipzig war wieder auf den Beinen, auf allen Plätzen, auf den Häusern, dem Rathausturm, dem Völkerschlachtdenk mal, überall standen die Leute in Massen und schauten hinauf. Aber es kam und kam nicht, und lange mutzte man warten, bis man das stolze Luftschiff zu Ecsicht bekam. Wir hatten durch fortlaufende Meldungen von der Fahrt des Luftschiffes das Publikum auf dem laufenden erhalten, so daß ziemlich genau vorher gesagt werden konnte, wann es hier eintreffen winde. An verschiedenen Plätzen der Stadt hatten wir außer dem unsere Vertreter postiert, die uns folgende Be richte gaben: Bom Bölkerschlachtdenkmal aus. Als ich herauskam, war es gerade 7 Uhr. Don der verspäteten Abfahrt des Luftschiffes in Gotha hatte ich noch keine Ahnung und glaubte Las Luftschis, nun jede Minute erwarten zu können. Es kam aber nicht, dafür hörte ich auf einmal Musik. Es war die Rcgimentskapelle des 107. Infanterie-Regiment, das ins Manöver zog. Also eine Abwechslung, die nicht ganz unwillkommen war. Mit der Zeit entwickelte sich mehr Leden. Es kamen ununterbrochen Leute, dann verschiedene Lehrer mit ihren Schülern, denen man den Anblick des Luftschiffes vergönnen wollte. Alles sah gespannt in die Lust, aber diese war so dunstig, daß man kaum den Rathausturm sehen konnte, um wieviel weniger also das Luftschiff. Um 8 Uhr erhielt ich auf Anfrage bei der Redaktion die Auskunft, daß die „Schwaben" Weißenfels um 7 Uhr 47 Min. passiert habe, es konnte also kaum noch lang: dauern. Endlich, kurz vor i/?9 Uhr, hatte einer der Schüler das Luftschiff zuerst entdeckt. Da ist es, rief er laut, und wirklich stand es plötzlich schon fast mitten über der Stadt. Der über der Stadt liegende Dunst hatte es anscheinend so lange unseren Augen entzogen, bis es schließlich heraustrat und sichtbar wurde. Wieder war es der überwältigende Anblick, den uns das Luftschiff schon vor 2 Jahren geboten hatte, ein Eindruck, den man so schnell nicht vergißt. In stolzer, ruhiger Fahrt schwebte cs trotz des ziemlich heftigen Gegenwindes über der Stadt d-h:r, passierte die Thomas'kirche und den Augustusplatz. und machte dann eine Linkswendung nach dem Berliner Bah hff zu, um die Richtung nach Berlin einzuschlagen. N'ch eine kleine Weile konnten wir es beobachten, dann war Deutschlands Stolz unseren Blicken ent» schwunden. Im Süden Leipzigs. Also um ^48 Uhr kommt er. Auf den Dächern der Häuser sieht man hier und da einzelne Personen oder Gruppen stehen, die mit dem Fernglas den westlichen Horizont absuchen. Aber es heißt warten und Geduld haben. Die Aengstlichen, die noch keinen Zeppelin gesehen und ihn ja nicht versäumen wollen, beginnen zu fühlen, daß sie noch keinen Kaffee ge trunken, aber sie weichen nicht. Andere, Ruhigere nehmen die Taffe und die Brötchen mit aufs Dach. 8 Uhr ist's, und noch nichts zu sehen. Man läuft ans Telephon und ruft die Zeitungsredaktionen an: „Wo bleibt Zeppelin?" — „7 Uhr 40 Minuten ist er in Weißenfels gewesen." — Also kommt er bald. Man bedenkt bei diesem Antelephonieren nicht, daß die armen Redakteure in solchen Augenblicken weiß Gott mehr und Besseres zu tun haben, als jedem Wiß begierigen Auskunft zu geben. Sie sollen die Mel dungen von jeder Station aufnehmen und sofort durch Anschläge und Extrablätter bekanntgeben. Und wenn da die Leitungen durch Wißbegierige besetzt werden, kann man nervös werden. Da! 8 Uhr 23 Minuten taucht zwischen Lindenau und Erohzschocher ein weißes Etwas, ein Streifen auf. Er ist's! Und während man sich gegenseitig von Dach zu Dach die Nachricht zuruft, während hundert Arme die Richtung angeben, nähert sich in schneller, stolzer Fahrt die „Schwaben". Von der Straße herauf hört man Hochs und Hurras der Ju gend, die erst um 9 Uhr oder später zur Schule gehen muß. Alle Fenster fliegen auf, aus den Läden drängen Käufer und Verkäufer, das stolze Luftschiff zu sehen, den dritten Zeppelin, der Leipzig überfliegt. Nasch nähert sich, die Richtung Süd—Nord haltend, die „Schwaben". Dom Kreuz aus gesehen, wendete sie nördlich der Rennbahn nach Osten zu, dann nach Südosten und machte eine elegante Schleife direkt auf die innere Stadt zu. Deutlich, mit unbewaffne tem Auge, sah man die Propeller sich drehen. Ohne Mühe konnte man die in roten Buchstaben rechts von der Spitze angebrachte Aufschrift „Schwaben" lesen. Es war ein stolzer, erhebender Moment, wie bas Luftschiff vorübcrfuhr, wie es spielend leicht dem Steuer gehorchte und seinen schlanken weißen Leib drehte. Ueber Lindenau. Eben noch unterhielt ich mich mit mehreren Per sonen, daß Las Passagierluftschiff „Schwaben" doch I/28, spätestens um 8 Uhr über Leipzig kommen sollte und nun, da es bereits ^9 Uhr war, doch wohl eine andere Nichtung einaeschlägen haben würde, als wir plötzlich das Hochrufen von Kindern und in dem selben Moment auch schon das Sausen von Propellern vernahmen. Wir schauten in die Luft, und direkt über uns erschien in flotter, fast rasender Fahrt der weiße, schlanke Leib Les Paffagierluftschiffes „Schwaben". Pon Passagieren war allerdings nichts zu sehen, denn so plötzlich wie das Luftschiff gekom men, war es auch wieder verschwunden. Nur etwa 4 Minuten hat es zu seiner Fahrt nach der inneren Stadt gebraucht, denn noch einmal konnten wir das schmucke Schiff von der Karl-Heine-Straße, von wo aus man weit in die innere Stadt sehen kann, beob achten. Dann verschwand es für heute unseren Blicken, um die Richtung nach Eutritzsch, Bitterfeld und dem Endziel Berlin einzuschlagen. Im Innern der Stadt. Wer heute morgen sehr zeitig sich als besonderen Ausguckplatz Las Dach eines fünfstöckigen Hauses er wählte, dem bot sich ein eigenartiges Bild. Soweit sein Auge reichte, sah er die Giebel und Breitseiten der Dächer Licht mit neugierigen Menschen besetzt, die gespannt nach Süden schauten, woher sie den neuesten Segler der Lüfte erwarteten — ein Beweis dafür, daß, wenn auch der greise Graf nicht selbst am Steuer sitzt, die Sympathien für das Zeppelinsche Unterneh men noch gestiegen sind. Die Begeisterung für das hehr« Werk hält alle Leute in Bann, und um das stolze Luftschiff zu schauen, einen Augenblick des Ge- nießens, läßt man gerne zwei Stunden die Arbeit liegen. Seit 1,48 Uhr stand sogar auf den hohen Fabrikgebäuden der inneren Stadt Mann für Mann: überall eine erwartungsvolle Stimmung, und man hörte hin und wieder, als die Zeiger der Uhr den Beginn der neunten Stunde angezeigt hatten, der Besorgnis Ausdruck geben: Es wird ihm doch nichts passiert sein! Uober der Stadt lagerte eine leichte Nebelschicht, die eine klare Fernsicht unmöglich machte. Man war deshalb plötzlich überrascht, als der Luft kreuzer auf einmal hinter dem Rathausturm auf- tauchte. In ruhiger, nicht allzu schneller Fahrt flog er bis zum Markt, dreht« dann plötzlich wieder nach Südosten, flog über die Universität hinweg und be schrieb dann in etwa 90 Meter Höhe über dem Zei- tungsuerlagsgobäude der Firma Kürzten (Leipziger Tageblatt und Allgemeine Zeitung) eine kurze Kurve nach Nordosten zu. Es war ein prächtiger und er hebender Anblick, das sich im Glanze der Sonne spie gelnde Luftschiff, an dem man mit bloßem Auge die Propellerumdrehungen wahrnehmen konnte, in schö nem Fluge dahingleiten zu sehen. Unbeschreiblicher Jubel der Tausende von Menschen brach aus und die Fahrgäste des Ballons, die an den Kabinenfenstern sichtbar waren, dankten durch Tücherschwenken für die jubelnden Zurufe. Besonders stürmisch ging cs auf dem Augustusplatz zu, der dicht mit Menschen besetzt war und denen das plötzliche Auftauchen der „Schwa ben" ebenso überrascht gekommen war, wie den auf den Dächern Harrenden. Oeftlich von den Bahnhöfen machte die „Schwa ben" eine Wendung nach Nordwesten, und hierbei konnte man deutlich beobachten, daß in den oberen Luftschichten eine stärkere Brise herrschte, wie unten, gegen die sogar der Ballon hart anzukämpftn hatte. Ueber den Bahnhöfen machte das Luftschifft mehrere Schwenkungen und nahm sodann, nur noch kürzer« Zeit sichtbar, den 2fteg an der Bahnstrecke entlang nach Bitterfeld. Wie wir erfahren, war die Abfahrt in Gocha 6 Uhr 15 Min. erfolgt. An Bord befanden sich sechs Passagiere, darunter Admiral v. Hollmann. Ueber Len weiteren Verlauf der Fahrt bringen wir die Meldungen auf der vierten Seite des Haupt blattes. Marokko. Die im heutigen Morgenblatt veröffentlichten Meldungen aus Paris lassen keinen Zweifel darüber, Laß wir in den Marokkoverhandlungen mit einer neuen Pause zu rechnen haben, die allerdings voraussichtlich von kürzerer Dauer als die erste sein wird. In Paris hat diese Tatsache wiederum eine Steigerung der Erregung erzeugt. Die Geheim haltung der deutschen Gegenvorschläge und die Zurück haltung der Minister unterliegt natürlich den man«igfachsten Deutungen. Wenn man auch nicht direkt an einen Konflikt zu glauben geneigt ist, so hält man in politischen Kreisen die Lage doch wieder für gespannt. Bezeichnend für den Ton, den die französische Presse wieder anschlägt, ist eine Aus lassung der „Libertä", die davon spricht, daß Frankreich sich keine Verschleppung mehr gefallen lassen dürfe. O Der französische Botschafter Louis beim Zaren. Petersburg. 9. September. (Eig. Drahtmeld.) Die Audienz, die gestern der Zar dem fran zösischen Botschafter Louis erteilte, der in den nächsten Tagen Petersburg verläßt, gab zu allerlei un kontrollierbaren Gerüchten Anlaß. Während es einerseits hieß, der Botschafter hab« Len Zaren über den Gang der Marokkoverhandlung«» aufgeklärt, wurde halbamtlich die Nachricht aus gegeben, daß der Besuch lediglich formeller Natur gewesen sei. Deutsch-spanische Verhandlungen. Tanger, 9. September. (Eig. Drahtmeld.) Großes Aufsehen in der hiesigen europäischen Kolonie erregt di« Reise, die ein Mitglied der deutschen Gesandtschaft in geheimer Mission nach Madrid ausgcführt hat. Nach mehrtägigem Aufenthalt in Madrid begab sich der deutsche Diplo mat nach Melilla, wo er gleichfalls längere Be sprechungen mit den spanischen Behörden hatte. Ueber die Mission selbst werden die widersprechendsten Nachrichten verbreitet. Neue Kämpfe zwischen Spaniern und Marokkanern Madrid, 9. September. (Eig. Drahtmeld.) An, gesichts der andauernden Feindseligkeit 39) Buk üer Golümage. Roman von Marie Stahl. INachvruck verboten.» Kläre bemühte sich, Franziska gegenüber eine Haltung zu zeigen, di« ihr jedes weiter« Wort ab- jchnitt. „Gut, ich danke. Wollen Sie bitte meine Koffer voni Boden holen lassen und den Wagen zum nächsten Zuge bestellen", sagte sie, indem sie ihr die Schlüssel einhändigt«. Di« Zofe hätte sich jetzt Mr zu gern mit ein«r Beileidsbezeigung breit gemacht uns für ihr Leben gern eine vertraulich« Mitteilung gehört, aber jedes Wort versagte unter Klärens Blick. Dafür steckte man unten in der Küche fast be stürzt die Köpfe zusammen, denn ein solcher Sturz aus sicherer Höhe in tiefst« Ungnade hatte immer das Erschütternde einer Katastrophe. Und das schlimmste war, man wußte nichts Genaues. Was war denn nur eigentlich passiert? Da konnte man sich nun die Köpfe zerbrechen. „Na ja", sagte Frau Kuhlmann, „hab ick's nich immer jesagt, wenn se so viel Wesens mit ihr her machten, se werdens schon noch merken, daß die auch nur mit Wasser kocht? Was hat se denn abends spät noch im Garten zu suchen, wenn jedes recht schaffne Arauensmensch schon längst in seine Kammer sein soll! Da steckt doch 'ne Liebschaft hinter. Die Leute haben ja 'nen fremden Herrn aus 'n Park kommen sehen." Jemelchen schüttelte wehmütig den Kopf. „Mich tut's lced", sagte er mit aufrichtigem Bedauern. „So eene kriegen wir nich wieder. Det war 'ne janz Proppre. Und mich is se lieber wie unfern Herrn seine Zukünftige. Was soll se denn nich mal an 'nen scheenen Sommerabend sich 'nen bißken die Beene in den Jarten vertreten, det is doch nu keene Sünde nich. Und wenn die jungen Menschen keene Liebschaften nich haben sollen, wo sollen denn die Verheirateten und die Kinner nachher Herkommen. Det is ooch noch lange keene Sünde nich." „Aber, Wilhelm, man muß doch Rücksichten nehmen, wenn man in Stellung ist", bemerkte Franziska be lehrend. „Ich möchte nur wissen, was der junge Herr gestern so lange mit ihr zu reden hatte. Er ließ sie ja rufen. Da steckt so allerlei dahinter. Ich habe doch beobachtet, wie er mit mir mar — so sehr pressiert — als wäre sie ganz was Besonderes. Aber seine Braut, die hat 'ne ganz andere Miene gemacht, die hat nicht viel von ihr ryisseir wollen." all dem blendenden Schein, der sie umgibt, muß es nicht eines Tages mit der Kraft einer zurückgedräng ten Naturgewalt auf sie stürzen und sie zerschmettern? — Und plötzlich ging ihr das Eoethesche Wort durch den Sinn: Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten, rufet die Arme der Götter herbei! Ja, gerade jetzt, wo sie so tief gedemütigt vor ihm gestanden, wo er ihr gesagt, daß ein Makel an ihrem Namen hafte, der sie unwert mache zur Haus» genossin seiner Mutter und Braut, letzt mußte sie ihm zum Trotz leben und das widrige Schicksal be siegen. Gerade ihm zum Trotz! Ha, wenn es ihr gelänge, diese hochmütige Nebenbuhlerin zu beugen! Es funkelte etwas auf in ihrem Auge wie Haß gegen Lebensfeindliches, Vernichtendes. Las sich in einem unbeugsamen Wollen und in einer großen Energie konzentrierte. Nein, zur Dulderin war sie nicht geschaffen, die sich, ohne Widerstand zu leisten, in den Staub treten läßt! Sie mußte leben und kämpfen, sie würde nicht sterben können, nicht Ruhe im Grabe finden, wenn die Stunde nicht kam, die ihr Genugtuung brachte für die er littene Schmach. Die Stunde, in der er ihr Ab bitte leistete für den Marterweg, den sie heute ging, als sie sein Haus wie eine Geächtete verließ, weil seine Braut es so wünschte. Und wo er ihr zugestand, daß nicht sie, sondern er gegen die echte, höchste Menschenehre gesündigt hatte! Ihr Blick fiel auf ein kleines, dickes, ungeschicktes Sträußchen von Goldlack und Reseda, das ihr Je melchen im letzten Augenblick verschämt in die Hand gedrückt. Und in seinem bekannten weinerlichen Ton rall hatte er gesagt: „Et is nich ville. aber et riecht doch jut!" Sie hatte gesehen, daß er sich heimlich die Augen wischte, als der Wagen davonrollte. Der gute, alte Kerl! Mit der Erinnerung an ihn kam der ganze Zauber zurück, den das alte, graue Haus mit seinen kühlen, kirchenstillen Zimmern voll Urväterbehaglichkeit auf sie ausgeübt. Sie wußte, wohin auch ihr Lebensweg sic führen würde, immer und überall würde das Heimweh mit ihr gehen nach diesem Haus, das sie geliebt wie ein eigenes Heim. Und mochte die alte Dame, seine Herrin, sie heute verständnislos ihrem Jammer überlassen und sich in Zorn von ihr gewandt haben, sie würde nie das Ge fühl verlieren, als müsse sie in ihr eine Mutter ver ehren und nachsichtig sein gegen die traditionellen Schwächen ihrer Kaste. Und wenn sie selbst, die Tochter einer neuen Zeit, auf einem ganz anderen Boden fußt« als diese typische Gestalt einer scheiden den Epoche, sie fühlte doch eine Seelenverwandtschaft mit ihr und den Vorfahrinnen, die mit feinen, stolzen Gesichtern aus den Familienbilbern blickten, die Ver wandtschaft mit dem, was Zeit und Wechsel über dauert, weil es das Echt«, das von der Natur Ge wollte im Weibe ist. Ob Sanna von Eeiersmark sich dieser Verwandtschaft rühmen durfte? Ob ihr Ver lobter eine Ahnung hat, wie fremd, ja, wie wider- setzlich sie innerlich dem Geiste seines Hauses gegen übersteht? All diese Gedanken zogen Kläre durch den Sinn, während sie in der offenen Halbchaise die Kirschbaum allee hinunterfuhr, die zur Bahn führte. Rechts und links wogende Kornfelder und blühende Wiesen, der Sommer in werdender Reife. Dann kam die kurze Bahnfahrt, und sie war wieder in der Stadt mit ihrem Dunst und Qualm, mit Lärm und hastendem Verkehr. Sie hatte ihren Plan bereits gemacht. Sie fuhr nach der westlichen Vorstadt, wo sie in der Ahorn straße Nr. 4 bei einer Zimmervermieterin ein freund liches. sauberes Vorderzimmer fand. Nachdem sie sich dort so gut als möglich eingerichtet hatte, schrieb sie zwei Briefe. Der erste war nur ein Billett und an Eeiersmark gerichtet. „Darf ich Exzellenz um eine Unterredung bitten? Ich habe heute Satzenfelde verlassen und beabsichtige, ins Ausland zu gehen. Erzellenz waren stets so gütig gegen mich, daß ich glaube, nicht zu unbescheiden zu sein, wenn ich um eine Audienz und um einen Rat bitte. Ort und Stunde überlasse ich Ihrer gütigen Bestimmung. Hochachtungsvoll ergebenst Kläre Hübner." Der zweite Brief war an Hulde von Gallwig. Er wurde sehr lang. Mit Umgehung aller Einzelheiten erzählte sie von dem betrübenden Ende ihrer Be ziehungen zur Familie Flamberg. Sie erwähnte, daß sie beabsichtige, weit fort ins Ausland zu gehen. Sie sagte Hulde, wie dankbar sie ihr für ihre Liebe fei. die sie nie vergessen würde, aber sie bat die Freundin, nicht zu ihr zu kommen. „Es ist da etwas, was jeden Verkehr mit Dir verbietet — erspare mir eine Er örterung. Was Du wissen mußt, wirst Du zur Ge nüg« von jener Seite erfahren. Es hängt von Dir ab, wieweit Du mir auch ferner Deine Liebe und Dein Vertrauen bewahren willst." So schloß der sehr traurige Abschiürsbrief. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.^ „Nee, des is 'ne janz Stätsche, wenn er da nich 'ne scharfe Kandare anlegt in seine Eh«, dann setzt se ihn uf 'n Sand", prophezeite Jemelchen düster. „Was Sie nur immer wollen, ich finde sie nun süß", ereiferte sich Franziska, „wie so 'ne Prinzessin! Die hat mir nun gerade gefallen. Ach, so himmlisch elegant und so furchtbar vornehm. Die ganz Vor nehmen, das sind immer die besten Herrschaften." „Die wird ihre Nase nich in die Küche stecken und uns kujonieren, das is 'ne große Dame!" bestätigte Frau jzuhlemann. „Na. warten Se man erst ab, ob det Kujonieren denn nich erscht anjeht!" sagte Jemelchen, bedenklich den Kopf schüttelnd. Kläre sah sich nicht um, als sie vom Hof fuhr. Ein Abschiedsblick auf das alte Herrenhaus hätte sie um jede Fassung gebracht. Sie hatte die Hände fest in einander gekrampft, und ihr Auge war starr und trocken. Die Welt lag im Sonnenglanz vor ihr, aber sie schien ihr eine brennende Wüste. Ganz heimatlos, ganz verlassen zog sie ihre Straße, der Traum von Heimatfrieden war ein Wahn gewesen und jetzt ein Spott auf ihre Tage. Was hatte es ihr geholfen, daß sie ihre ganze tüchtige Kraft, ihre Seele hin gegeben an die Aufgabe, die sie übernommen? Und Laß sie auch ihr Herz zum Opfer gebracht auf dem Altar dieses Hauses? Der Fluch ihres Unglücks würd« ihr immer und überall folgen und sie aus- chließen von den ehrbaren, heimatberechtigten Men- kyen. Wer gibt sich je die Mühe, wer hat den hoch herzigen Sinn, die feine Grenzlinie zu sehen und zu inden zwischen Unglück und Schuld? Unglück ist eine Pestilenz, die von Glücklichen gemieden und geflohen wird. Wer wird duldsam sein, wenn nicht diese Frau, die eine aufrichtige und überzeugungstreue Christin sein will? Und ist nicht Christus der Heiland der Armen und Elenden, der Sünder und Entgleisten? Wer wird je schützend seine Hände über sie breiten, wenn nicht der Mann, der sie liebt, dessen Seele ihr gehört und nicht jener anderen, die nicht mit ihr an einem Tisch sitzen will? Gewiß, vor der Welt hat er recht. Er wäre ein Narr, sie vorzuziehen. Aber gibt es nicht jenseits von aller Weltklugheit, von allen künstlich gemachten großen Preisen, nach denen die Menschen jagen, ein echtes, nicht gemachtes, sondern immer aus sich selbst werdendes, wachsendes, einzig wahrhaftes Glück, eine einzig echte, wahre Menschenehre, die niemand un gestraft verraten und verleugnen darf. Deren Wur zeln hinunterreichen in den Urgrund aller Dinge? Und wenn die Leute das wahre Sein oeraessen über