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Anzeige« Prei» M S»t«ral« au» Urrvira ulld Un,g«k»> vi« llpalltgr P«rir»«tl, »Ptt bt«R«klame- ,«il« I Mk. von au»won» 30 PI- R«Nan,«n LL MI. Inlerat« von B«tzörb«n tm amt» ltch«» T«tl dt« P«titg«ll, 30 PI. G«Ichäst»an,e»,rn mit Plagoorlchnft«» ». tn d«r Abrnbauogabr >m Prril« rrhöht. Rabatt nach Taris. Brilagegebübr Erlamt» auslag« l> Mk. p Taulend rill. Poltgrdühr. Teildeilag« hührr. F«ft«rt«tlt« Austraa« können nicht «urück» gerogrn werden Hiir da, Lrlch«tn«n an bestimmt«» lag«» uno Plagen wird kein« Garantie übernommen. Lnjetgen - Annahme: 2oh,n»i,,«g« 8, d«t sämtlichen Filialen a. alten Annoncen» Expeditionen des In» und Auslandes. Demi ,n» v«rla, von Ascher z Nirft«, Inhaber: Paul KSrfteir. Si«»ak»ioa und SeschSItsItell«: Iohannisgasse 8. Hanpt-Filiale Dresden: Eeestrahe 4. 1 (Telephon 162t). llr. 246. vlrnsrss. üen 5 Srptember iSll. tos. Jahrgang. Unsere heutige Morgenausgabe umsaht 18 Leiten, die Abendausgabe 8 Seiten, zusammen 24 Sciten. DrlrMs Kriegsreüe. Der französische Marineminister Delcasso, der als Minister des Auswärtigen im Zähre 1905 beinahe einen deutsch-französisch-englischen Krieg verursacht hätte, wenn er nicht noch rechtzeitig kaltgestellt worden wäre, ist gegenwärtig wieder der geistige Leiter Les französischen Kabinetts. In Toulon sind ihm anläßlich der glücklich gelungenen Flottenparade von den anwesenden Deputierten freundliche Worte gesagt worden. Dieses Lob hat ihn kühn gemacht, und mit breiter Ruhmredigkeit hat er erklärt, die Schiffe seien für den Kriegsdienst bereit, die Munitionskammcrn seien gefüllt, die Aktion könne sofort beginnen. Diese provokatorischen Worte haben natürlich das srärkftc Aufsehen erregt, um so mehr, als gerade jetzt die Pariser Presse wieder Hoffnungen auf einen gedeihlichen Abschluß der Berliner Verhandlun gen geschöpft hatte. Eingeweihte politische Kreise in London, wo die Kriegsrede Delcassos natürlich eben falls gehörig cingeschlagen hat, sind allerdings von dem Tone der Ausführungen des Marineministers der Republik nicht allzusehr überrascht, weil sie seit mehr denn 14 Tagen fest davon überzeugt sind, daß zwi schen Frankreich und England schrift liche Abmachungen geheimer Art für den Kriegsfall mit Deutschland bestehen. Dieses Abkommen scheint auf der Basis des Ver tragsentwurfes aufgebaut zu sein, den Delcassä im April 1905 als Minister des Auswärtigen hinter Rouoiers Rücken mit England durch Mithilfe des bri tischen Botschafters in Paris Sir Francis Bertie ver einbart hatte. Als Delcassö damals dem Ministerrat diesen Entwurf zur Unterzeichnung vorlegte, war Rouvier so empört über das eigenmächtige und ge fährliche Vorgehen Delcassös, daß er sich sofort von ihm zu trennen beschloß. Der Vertragsentwurf wurde im Ministerrat abgelehnt, und weniger als zwei Mo nate später entledigte sich Rouvier seines unbequemen Mrtgrbeiters. Heute ist derselbe gefährliche Herr Delcassö Ma- rineminister und beherrscht das Ministerium Caillaux mehr, als es ihm je im Ministerium Rouvier nur möglich war, und deshalb verdient die Fanfare Del- casj'.d ernste Beachtung. Die Spanier und Zsni. Barcelona, 5. September. (Eig. Trahtm.) Die am spanisch-marokkanischen Handel beteiligten Kceise telegraphierten der Regierung, sie verlangten energisch die Besitzergreifung von Zfni dur,tz Spanien innerhalb einer festgesetzten Frist. Andernfalls würde die schlechteste Wirkung im Lande hervorgeruscn werden, da man die Nichtbesetzung auf die dagegen gerichteten Angriffe in der französischen Presse zurücksühren würde, die hier einen tiefen Ein druck machten. Es wird eine Versammlung einbc- rufen werden, um die Regierung aufzufordern, die Rechte Spaniens zu wahren. Belgisch« Sorgen. o Brüssel, 5. September. (Eig. Drahtm.) Die Erregung im Lande hätte vielleicht nicht so groß werden können, wenn die Negierung für de Probe mobilmachungen sofort eine Erklärung abge geben hätte. Seit gestern aber weiß man offiziell, daß es sich, wie an dieser Stelle von allem Anfang an betont, um interne Festungsmanöver h n- Lelt, und man weiß des weiteren, daß der Kriegs minister zum Abhalten dieser Manöver durch diä Kritik gezwungen wurde, die zw.i liberale Se natoren bei der Beratung des Budgets des Kriegs ministeriums im Senat an der militari'chen O g ni- sation Belgiens und an seinem Verteidigungs'ystem geübt haben. Der beste Beweis dafür, wie wenig tragisch diese Manöver zu nehmen sind, ist der, daß sich König Albert gerade in dem Augenblick, da sie beschlossen wurden/nach dem Ausland begeben hat. Der König würde sich sicherlich nicht Gebirgstouren in Tirol hingeben, wenn die internationale Lage Belgien zu irgendwelchen Vorsichtsmaßregeln zwingen würde. Oer ölterrejchrllhe Thronfolger in Kiel. Aus Anlaß Les Besuches des österreichischen Thron- folgers in Kiel fand am Montag abend offizielle Tafel beim Kaiser statt. Vom deutschen wie vom österreichischen Kaiser sind verschiedene hohe Auszcich- nungen verliehen worden, wie aus folgendem Tele gramm zu ersehen ist: Kiel, 5. September. (Eig. Drahtm.) Gestern abend 8 Uhr fand Abendtafel beim Kaiser an Bord der „Hohenzollern" statt. Dabei saßen rechts vom Kaiser zunächst Erzherzog Franz Ferdi nand, Reichskanzler v. Äethm.rnn Hollweg, brasi lianischer Vizeadmiral Alexandrina de Alencar, links k. k. Admiral Graf Montecuccoli, Großadmiral von Tirpitz, k. k. Vizeadmiral Hauß. Gegenüber dem Kaiser saß Prinz Heinrich von Preußen; rechts von ihm der Großhrrzog von Oldenburg, Prinz Aval ert, Fürst zu Fürstenberg und Admiral v. Müller; links Prinz Georg von Bayern, Großadmiral v. Köster, Generaloberst v. Plessen, Admiral v. Schröder. Dec Kaiser überreichte persönlich dem Grafen von Montecuccoli den Schwarzen Adler orden. Er verlieh ferner dem Admiral Hauß den Roten Adlerorden 1. Klasse, dem Linienschif's- kapitän v. Keiler die allerhöchste Photographie, dem Oberstleutnant v. Brosch den Roten Adlerorden 2. Klasse, dem Militärattache Freiherrn o. Bienerth den Kronenolden 2. Klasse. Wien, ö. September. (Eig. Drahtm.s Die „Kor respondenz Wilhelm" meldet aus Kiel: Anläßlich d:r Teilnahme Les Erzherzogs Franz Ferdinand an den deutschen Flottenmanövern verlieh Kaiser FranzZoses folgende OrLensauszeichnungen: Das Großkreuz des St. Steph-anienordens dem Großadmi ral v. Tirpitz, das Großkreuz des Leopoldordens Ad miral v. Holtzendorff, das Großkrsuz des Franz-Ioscf- ordens Konteradmiral Scheer, das Kommandeurkreuz des Leovoldordens Kapitän z. S. Oskar Graf von Platen-Hallermund, den Orden der Eisernen Krone 2. Klasse dem deutschen MarincattachL in Wien, Ka pitän z. S. Graf v. Posadowsly-Wehner und Kapitän z. S. Behring, das Komturkrcuz Les Franz-Iosef- ordens Fregattenkapitän v. Kameke, den Korretten- kapitänen Roeder, Qusetfaslem, Puellen und dem Geh. Hofrat Maßmann, den Orden der Eisernen Krone 3. Klasse den Kapitanlcutnants v. Schwerdt- feger, Mann, Studt und Hauptmann V tzthum v. Eck- städt, die dritte Klasse des Frcnz-Zosefordens Mnine- ingenieur Bub uno Oberleutnant v. Pritttvitz und Gaffron, das goldene Verdienstkreuz mit Krane dein Oberbootsmann Branicki und Oberbootsmann Cuczkow das goldene Verdienstkreuz mit Krone dem Maschinisten Bedarf, das silberne Verdienstkreuz mit Krone den Oberbootsmaaten Ettrich und En gels und den Obermaschinistenmaaten Scbapcr und Mechude. Der Erzherzog überreichte den Ausgezeichneten die Dekorationen persön lich am gestrigen Tag«. Oss Debüt ües partugieMüien Ministeriums fand am Montag statt. Der Ministerpräsident gab in der Kammer und im Senat eine ziemlich zuver sichtlich klingende Erklärung ab und versicherte darin, die Minister wollten keine Parteiregierung. In einer zweiten Erklärung deutete er an, Laß die royalistischen Portugiesen zur Befestigung der Repu blik Portugal noch zu bekämpfen seien. Die Führer des parlamentarischen Blocks sicherten der Regierung Unterstützung zu. Wir erhielten darüber folgende Drahtmeldungen: Lissabon, 5. September. sEig. Drahtmeld.) Der Ministerpräsident verlas in der Kammer eine Er klärung, in der es heißt: Die Negierung werde als Regierung der republikanischen Einheit niemals eine Parteiregierung sein. Sie werde antiklerikal bleiben, aber ohne Feind seligkeit gegen irgendeine Glaubensgemeinschaft. Sie werde die Arbeit der provisorischen Negierung prüfen, um allmählich das Programm der republikanischen Partei zur Ausführung zu bringen, ohne das un umgänglich notwendige Gleichgewicht des Budgets aus dem Auge zu verlieren. Sie werde die arbeiten den Klassen nicht enttäuschen, die stets die Hoffnung gehegt hätten, daß die Revolution ihnen eine Besse rung bringen werde, und die Verteidigung des Lan des sicherstellcn. Die Regierung werde die Verhält nisse der äußern Politik Portugals nicht ändern, die sich in Ucbereinstimmung mit der jenigen de--, Portugal verbündeten England befestige, ohne jedoch aufzuhören, wie es ihre Pflicht sei, der Anregung des Parlaments und der öffentlichen Mei nung Folge zu leisten und ohne die Grundprinzipien des republikanischen Programms zu vergessen. (Leb hafter Beifall.) — Nach der vom Ministerpräsidenten verlesenen Erklärung gaben die Führer des parlamentarischen Blocks die Erklärung ab, die Regierung unter st ritzen zu wollen. Zum Schluß ergriff der Ministerpräsident noch einmal das Wort und bemerkte, das Gebäude der Republik stehe noch nicht vollkommen gefestigt da. Die republikanische Idee sei in der öffentlichen Mei nung noch nicht gänzlich durchgcdrungen. An den Grenzen gebe es einen Feind, der zwar keinen Schrecken, aber doch Beunruhigung Hervorrufe. In den verschiedenen sozialen Klassen herrsche Erregung. Aus diesen Gründen dürfe kein Republikaner die Negierung bekämpfen. Lissabon, 5. September. (Eig. Drahtmeld.) Der Ministerpräsident wiederholte im Senat seine in der Kammer abgegebenen Erklärungen. politische Nachrichten. Zum Befinden des Papstes. Nom, 5. September. (Eig. Drahtmeldung.) Dl« Verschlimmerung im Befinden Les Papstes scheint e r n st e r e r N a t u r zu sein, als man anfangs angenommen hat. Der Panst Hal seine Spaziergänge im Park Les Vatikans wieoer aufgeben müssen und hütet seit gestern das Bett. Alle angesagten Audienzen fielen aus. da Las Sprechen dem Heiligen Vater große Schwierigkeiten verursacht. Die Acrzte fasten die Lage pessimistisch auf und fürchten eine Wieder holung der Krise. Die Flottcniibungen bei Cherbourg. Paris, 5. September. (Eig. Drahtmeld.) Wie aus Cherbourg gemeldet wird, hat im weiteren Verlauf der M a r i n e ii b u n ge n heute der Marinepräfekt eine vollständig« Mobilmachung angeord- net. Die Landtruppen haben die Forts und Arsenale angegriffen und besetzt. Die Torpedoboote und Unter seeboote hielten auf offener See kriegsmäßige Hebun gen ab, dre morgen fortgesetzt werden sollen. Meuternde Soldaten im französischen Unruhegebiet. Paris, ö. September. (Eig. Drahtmeld.) Ver schiedene Zeitungen lassen sich aus Cambrai mel den, daß das 1. Infanterie-Regiment sich geweigert habe, gegen die Ruhestörer, die gegen die V e r t e u c r u n a der Lebensmittel prote stieren, vorzu gehen. Obwohl das Kriegsmini- sterium diese Nachricht dementiert, halten ernsthafte Blätter sie mit Nachdruck aufrecht. Nähere Einzel heiten fehlen zurzeit noch. Streikexzeß. Paris, 5. September. (Eig. Drahtmeldung.) In Nantes kam es zwischen streikenden Berg arbeitern und Gendar m e n zu einem bluti- g e n Z u s a m m e n st o ß; ein Gendarm wurde lebens gefährlich und neun andere schwer verletzt. Von den Streikenden erlitten zwanzig schwere Verletzungen. Fünf von ihnen wurden in hoffnungslosem Zustand ins Krankenhaus gebracht. Dis Agrarier und die bevorstehenden Ausgleichsver handlungen. Prag, 5. September. (Priv.-Tel.) Seit einiger Zeit finden im böhmischen Landeskultur- rate vertrauliche Besprechungen zwischen hervor ragenden Abgeordneten der deutschen und tschechischen Agrarpartei statt, die als Prä ludium für die nächstfolgenden Ausgleichsverhand lungen angesehen werden. Es handelt sich dabei wohl um einen f r c i e n M e i n u n g s a u s t a u s ch, der aber doch für die offiziellen Verhandlungen von Bedeutung sein wird. Zurückziehung der ungarischen Wehrvorlage. Pest, 5. September. (Eig. Drahtmeld.) Wie das Blatt „A Nap" meldet, wird Li« Regierung infolge der unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sich der Durchführung der Wehrvorlage entgegen stellen, Liese z u r ü ck z i e h e n und demnächst in Form eines Gesetzentwurfes in einem einzigen Paragraph« neuerdings dem Abgeordnetenhaus« verlegen. Ein ähnliches Verfahren wurde seinerzeit bei der Dienstvvaamatik der Beamten der ungarischen Staats bahn angervendet, gegen die von den Kroaten ob struiert wurde. Nul Ser Gvlüurage. 31s Roman von Marie Stahl. (lttachdruN verbaten.» Hicuc begrüßte Alexander Kläre, die er noch nicht gesehen hatte. Sie war noch sehr blaß, mit tiefen Schatten unter den Augen, und er bemerkte sofort eine große Veränderung. Ihre aufrechte, fonst so sichere Haltung hatte sich in ein gedrücktes, be klommenes Wesen verwandelt, gegen das sie bis weilen erfolglos ankämpfte. Jeder Versuch, es ab- zuschiitreln, gab ihr etwas Gezwungenes, und immer wieder gewann ein ihm ganz fremder Ausdruck die Oberhand, an dem er heimlich herumrätsclte. Er wollte sich überreden, daß er sich täusche, aber es sah fast aus wie Schuldbewußtsein und schlechtes Ge wissen. Sie konnte ihm nicht offen tn die Augen sehen wie sonst. Er hatte sich freundlich erkundigt, wie es ihr qinge, und ihr geraten, sich noch zu schonen; doch das Taktgefühl gebot ihm, alles Weitere zu übersehen. Er schnitt Haideklang kurz das Mort ab, der sich in seiner breiten, selbstgefälligen Weise, die im Speise zimmer stets ölig und gesalbt wurde, über den Un verstand der Jugend urü) die nicht genügend re spektierte Weisheit des Alters ergehen wollte. Und mährend des ganzen Mittagessens erhielt er das Ge spräch auf unpersönlichem Niveau. Es war ein schöner Sonntag, der alles gutmachte, was der letzte verdorben hatte: es grünte und blühte in der Natur wie in einem Treibhause nach dem starken Regen. Neue Blüten und Blumen waren ausaebrochen, und eine wundervolle Frische schmückte die Maienwclt, als stände sie am jungen Schöpfungs morgen. Alerander -rächte den größten Teil des Tages auf dem Balkon neben dem Liegestuhl der Mutter zu, bis auf den Spaziergang über die Felder, den er mit kiaideklang unternahm. Er sah Klär« nur bei den Mahlzeiten und einen kurzen Augenblick unter vier Augen, als er sich von ihr verabschiedete. Sie trafen sich in dem kühlen, breiten Korridor des oberen Stock werkes. auf den viele Türen mündeten, und an besten weißen Wänden verdunkelte Oelbikder in schwarzen Holzrabmen h.ngen. Es dämmerte schon zwischen diesen Mauern, als sie zufällig von den entgegen- gesetzten Enden dec langen Danges aafe'»ander zv- kamen. Sie konnten sich nicht mehr auswcichen, abec er sab, daß Kläre erschrak, und Laß ihr Fuß unwill kürlich stockte. Dann ging sie ihm ruhig entgegen. „Da wir uns hier begegnen, will ich Ihnen gleich Adieu sagen; ich fahre in fünf Minuten", rief er ihr zu, worauf sie eine konventionell höfliche und freund liche Miene annahm. Und nun standen sie sich gegenüber, und wie er ihre Hand nahm, traf ihn ein so scheuer, hilfloser, schuldiger Blick, Laß er in plötzlich aufwallender Be unruhigung die kalte Hand in der seinen behielt. „Was ist Ihnen, was ist geschehen? Ich sehe es Ihnen an. Klär«, lassen Sie mich nicht mit dieser Sorge gehen; Sie wißen, ich bin Ihr Freund. Haben Sie doch Vertrauen zu mir; es ist mehr als die Krank heit, irgend etwas bedrückt Sie. Steht es nicht in meiner Macht, Ihnen zu helfen?" Einen kleinen Bruchteil einer Sekunde schwankt« sie. Der warme Herzenston der geliebten Stimm« und die zwingende Gewalt seines Auges wollten das Eis brechen. Ach, ihm alles, alles sägen zu dürfen, ihn um Hilfe bitten und Schutz finden bei ihm! Ihr Auge sprach so deutlich diesen Gedanken aus, daß er unbewußt ihre Hand fester faßte und sie ganz sanft an sich zog. „Kläre, kann ich nicht helfen?" Und so, Auge in Auge, wollte ihnen der heimlich süße Rausch zu Kopfe steigen. Sie war ganz nahe seinem Herzen, und «r fühlte fast das wilde Schlagen des ihren. Aber sie bebte zurück, und ihre Züge versteinerten sich plötzlich. Das Bild des anvern war zwischen sie getreten in seinem ganzen verletzenden Hochmut. „Danke", sagte sie tonlos. „Ich bin gewohnt, meine Lasten allein zu tragen, ich werde es auch jetzt können. Bitte, beunruhigen Sie sich nicht, ich werd« Ihrer Frau Mutter keine llngelegenheiten machen." „Ich hoffe, Sie muten sich nicht zu viel zu; ich dacht« weniger dabei an meine Mutter als an Ihr eigenes Wohlergehen. Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, daß Sie hier in diesem friedlichen Hause und in der gesunden, stärkenden Luft alles mit der Zeit überwinden, was störend in Ihr Leben ge treten war. Dor allen Dingen müssen Sie sich jetzt körperlich erholen, ich hoffe, Sie das nächstemal woyl und munter wiederzujehen." „O gewiß, adieu", scrgte sie steif und eiskalt mit einer förmlichen Neigung des Kopfes. Zur selben Stunde nahm man im Gciersmarkschen Palais den Mokka nach dem Diner. Noch hielten sich die Herren plaudernd im Damen salon auf, und einzelne Gruppen zerstreuten sich bis in den Wintergarten. Sanna lag in einem Bambusstuhl unter den Farn und blühenden Gewächsen. Sie hatte eben einen sie langweilenden Herrn fortgegrault und nippte ver stimmt an ihrem goldenen Täßchen, als sich Les- verg zu ihr setzte. „Wo ist denn Ihr getreuer Sklave und Ritter ohne Furcht und Tadel heute?" fragte er in dem ver traulichen Ton des Eingeweihten. „In Satzenfelde", war die ungnädige und brüske Antwort. „In Satzenfelde? 2lh so!" „Was ah so! Sie sagen das in einem Ton, als stecke mindestens ein Mord dahinter!" Lesberg sah Sanna scharf an. „Jedenfalls ist es Ihnen nicht recht." „Sagen Sie, was tut man, um einen Mann von Familiensentimentalität zu heilen?" fragte Sanna ungeduldig. Die Geiersmarks haben so gar nichts davon, aber die Flamberos sind aanz mit Onkel- und Tantenpoesie geladen. Schrecklich!" „Sollte cs wirklich nur Onkel- und Tantenpoesie sein, was Satzenfelde so anziehend macht?" „Wieso? Ich weiß, was Sie denken. Sie waren neulich mit Alexander und zwei Damen im Theater- Cafö, uno eine davon war Fräulein Hübner aus Satzenfelde, diese berühmte Hausdame. Glauben Sie etwa. Alexander sei ihretwegen in Satzenfelde?" Sanna hatte sich gespannt vorgebeugt, um in Les bergs Gesickit zu forschen. Sie war blaß geworden und ihr Auge funkelte. „Das will ich nicht so unbedingt behaupten. Es ist alles möglich IeLenfalls ist sie eine ausnehmend interessante Person und wie eine geborene Herzogin. Es ist eine einfältige Maskerade Les Schicksals, sie zum Asc-envuttcl zu machen. Sie gehört in Las Köniosschloß." „Nun, als Aschenputtel tritt sie wahrhaftig nicht auf, sie weiß aanz qut, sich zum Mittelvnnkt in Satzen felde zu machen!" rief Sanna höhnisch. „Diese heimliche Königin hat eine Geschichte; soll ich sie Ihnen erzählen? Ich habe zwar gar kein Intereste daran, aber ich sehe Ihnzn an, Sanna, Laß sie für Sie von hervorragendem Interesse sein dürfte." „Vielleicht, vielleicht auch nicht. IeLenfalls will ich sie hören." „Sie ist früher Kassiererin im Elitekaufhaus ge wesen. ich selbst habe sie dort gesehen, und sie hatte ein Verhältnis mit einem Ausländer, mit dem sie zwecks Heirat nach England ging. Da sie aber als Fränlcin Hübner zurückkam, scheint aus der Heirat nichts geworden zu sein. Später tauchte sie dann wieder als Direktrice einer Abteilung im Kaufhaus auf, mo man sie außerordentlich geschätzt haben muß. Es wird dort von einigen der Angestellten behauptet, sie habe ein Kind gehabt, das gestorben sei. Ganz Genaues konnte ich darüber nicht erfahren. Nach der englischen Reise ist es höchst wahrscheinlich." „Und solch eine Person behandeln sie in Sätzen^ felde wie ihresgleichen!" rief Sanna, die Hände zu- sammensctzlagcnd. „Wissen Sie, daß Alexander mir die Ehre antat, mich ihr vorzustellen? Ah. das ist wirklich ausgezeichnet' Mein Instinkt lehnte sich gleich gegen sie aus, und ich habe recht gehabt." „Unsinn. Instinkt! Eifersüchtig waren Sie auf die schöne Person, und das ist ja begreiflich." „Lesberq, helfen Sie mir! Sie muß fort, ich dulde sie nicht länger! Solch einer Person kann man alles zutraucn! Sie hat sicher auch mit Alexander anqebandelt, und alle Männer sind schwach. Ich traue keinem." „Seien Sie vorsichtig, Sanna; sie scheint sehr fest in Satzenfelde zn stehen. Flamberg will, daß man eine Art Vestalin in ihr verehrt, die nichts tut, als das heilige Opferfcuer am Hausaltar hüten. So leicktt wird er sich nicht davon überzeugen lassen wollen, daß sie «ine Maadalcna ist. Er will wenigstens nicht, daß andere es wissen." „Den Kampf nehme ich auf! Sie oder ich! So viel Macht traue ich mir doch noch zu!" rief Sanna erhitzt. Aber es bleibt unter uns. Meine Eltern dürfen nicbts davon erfahren, wenigstens vorläufig nicht. Meine Mutter ist sowieso sehr gegen diese Partie eingenommen und wäre froh, Positives gegen Alexander vorbringen zu können." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)