Volltext Seite (XML)
haben, brauchen wir allerdings nicht mehr so viel zu reden. Di« Dafttclluny, die der Herr Abg. Hirsch-Essen über die Llcherbeitsmänner gab, daß sie nämlrch Unzufriedenheit zwischen Lrbet- rern und Beamien stiften, ist unwahr. Abg. Zmbusch (Ztr.): Lange bevor die Sozial- 'Demokraten hier vertreten waren, waren schon ander« Parteien, insbesondere das Zentrum, für die Inter essen der Bergarbeiter eingetreten. Abg Hirsch-Essen (NatlT): Meine früher« Behaup. tung, Das; das Institut der Sicherherts- männer eine knallrote Färbung angenom men habe, halte ich vollkommen aufrecht. Abg. Maurer (Natl.) kommt auf die Frage d«r Installationsarbeiten bei r lyrischen lleberland- zentralen zurück. Preußischer Handelsinrnister v. Tqdo«: Di« All gemeine Elekmzitäts E»eseNschaft plant die Errichtung einer großen elektrischen Zentrale bei Saarbrücken. Es kommt nun daraus an. sich der neuen Gesellschaft gegenüber dahin zu sichern, ^aß sie dir Kohlen der Staatsgruben bezieht. In diesem Sinne ist ein Ver trag mit der Gesellschaft abgeschlossen worden, nach dem sich der Fiskus und die Gemeinden an der Ge- sellschast beteiligen wollen. Nach kurzen Ausführungen des Abg. Henkel von Donnersmarck (Ztr.) wird der Berg- etat bewilligt. Bei dem Etat der Handels- und Ge werbe o e r w a l t u n g weist Abg. Schröder (Natl.) sie abfällige Kritik zurück, die der Abg. Hammer bei der zweiten Lesung des Etats an der Mittel- standsrede auf dem Kasseler Parteitag geübt hat. Abg. Achrpp (Frcis.j wünsch; eine Einschränkung des Dor- schleujenrechts zugunsten der kleinen Schiffer. Abg. Zeyda (Pole) beklagt sich über Schikanierung der polnischen Genossenschaften. Handclsminisier v. Sndow: Den kleinen Schiffern soll die Ausübung des Vorschleusenrechtcs erleichtert werden. Die polnischen Genossenschaften werden nicht schikaniert. Wir sind aber genötigt, ihnen Be schränkungen auszuerlegen, wenn sie nicht wirtschaft liche. sondern national-polnnchen Tendenzen ver folgen. Nach kurzen Ausführungen der Abga. Le inert (Soz), Busch (Ztr.) und Erunenverg (Ztr.) wurde der Handels- und Gcwerbeetat be willigt. Bei dem Etat des Ministeriums des Innern tritt der Abg. Bellin (Ztr.) für eine möglichst fcharf« Handhabung der Kellner kontrolle ein. Abg. Cassel (Freis.) widerspricht der Behauptung der Konservativen, daß die Freisinnigen mit den Sozialdemokraten ein Bündnis auf Leben und Tod geschlossen haben. Abg. Lohmann (Natl.) wendet sich gegen die Be hauptung des Ministers in der zweiten Lesung, daß der in Oletzko-Lyk von den Lehrern verbreitete V o l k s f r c u nd" kein Parteiblatt sei. Abg. Seqda (Pole): Unter Mitwirkung der Poli zei ist gegenüber einem Mitglied des Vereins Straz in Posen das Briefgeheimnis verletzt worden Preußischer Minister des Innern ». Dallwitz: Daß Kreisblätter austlärende Artikel mit zahlen- mägigcn Angaben bringen, ist durchaus wünschens wert. Die Grundtendenz des „Dolksfreunds" ist. ab gesehen von einigen Entgleisungen, durchaus natio nal und gegen die Sozialdemokratie gerichtet. Bei Ausweisungen aus Ostpreußen werden Härten ver mieden. In der von dem Herrn Vorredner vorge brachten Angelegenheit der Verletzung des Brief geheimnisses ist ein Disziplinarverfahren «ingeleltet worden. Abg Hirsch (Soz.): Der Angriff des Herrn Abg. Gr o n o w s k i in der zweiten Lesung gegen sie Sozialdemokratie war ein Sammelsurium von Unwahrheiten. (Präsident v. Kröchcr ruft den Redner zur Ordnung.) Aba. Meyer-Tilsit iKons.s: Der ostpreußischc .,V o l k s f r e u n d" hat ! diglich nationale Tendenz. Die Konservativen sind ein« Dolks- oartei (Lachen links) und .verden immer der ent schiedenste Gegner der Sozialdemokratie sein. (Bravo! rechts.) Die Darstellung des Bauernbundes, daß 1870/71 die Offizier« hi n t er der Front g e st a n d c n und die Bauernsöhne den Sieg erfochten hätten, muß man aufs tiefste bedauern. «Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Schiffer (Natl.): Di« bürgerlichen Parteien sollten im Kampfe untereinander olle unnötigen Schärfen vermeiden. Wir haben in Preußen eine solch« Füll« von Polizciverordnungen und Straf bestimmungen. daß niemand sich mehr in dem P a ra- graphenpewirr zurechtfindet. Im letzten Iahr- ehnt wurden 71 Polizeiverordnungen als gesetzwidrig aufgehoben, aus Grund deren ein halbe» Jahrhundert lang unzählige Personen zu Unrecht verurteilt worden iind l Beifall bei den Nationalliberalen.) Minister des Innern ». Dallwitz: Wir haben un geordnet, daß veraltet« Polizeiverordnungen auf gehoben und neue vor ihrem Erlaß von der vorgesetzten Behörde geprüft werden sollen. Im Moabiter Proze ß ist festgestellt worden, daß die Polizei beamten ihres Amtes mit Besonnenheit und Zurück haltung gewaltet haben. Der Fall Herrmann erweckt wohl allgemeine Teilnahme, beweist aber auch, welch« schwere rteranrwortung diejenigen auf sich laden, die durch Wort und Schrift das Volk zu der- artiaen Tumulten aufreizen. (Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Nissen (Däne) hält die Behauptungen über u »gesetzmäßige Auflösung der Gemcindckasse rn Scholl bürg durch den Landrac aufrecht. Abg Schifferer (Natl): Die von Herrn Nisten gegen den Landrat von Tondern erhobenen Vorwurf« und unbegründet. Der Elat wird darauf bewilligt, ebenso d«r Etat der Zentrakgenossenschaftskasse ohne Debatte. Bei dem Verwaltung der direkten Steuern lührr Abg. Liebknecht (Soz.) aus: Die Verträge der Ar beiter zu den Gewerkschaften sind nicht so hoch, wie der Finanzminister das bei der zweiten Lesung darstcllte. Finanzminrster Lentz«: Mein« Ausführungen in der zweiten Leimig über dies« Angelegenheit waren durchius zutreffend. Nach kurzen Ausführungen des Abg Lukas «Natk.l wird der Etat bewilligt, ebenso ein« Reib« kleinerer Etats ohne Debatte. Nächste Sitzung Montag 16 Uhr. Tsgesümmik. Sine schwere vranükstaltropge wird kwie schon kurz berichtet) au» Lille gemeldet: Dort war vor einigen Monaten die Kirche Et. Sau» veur abgebrannt. Der Besitzer eines nahegelegenen Hauses. Lcleu, ließ sein Hau» zur Abhaltung des Gottesdienstes Herrichten. Später wurde in demselben Gebäude ein Kinematoqraphentheater ein gerichtet. In diesem brach vorletzte Nacht um 2 Uhr. nachdem die Vorstellungen längst beendet waren, plötzlich Feuer aus. Der Eigentümer des Hanses und dessen Familie, die den ersten Stock de* Gebäudes bewohnten, mutzten sich, da der Brand in ganz kurzer Zeit große Dimensionen annahm, über die Dächer retten Man glaubte schon, daß der Brand bewältigt sei, als plötzlich der Schreckensruf ertönte: „Die ganze Familie Marlen» verbrannt!" Ein Feuerwehrleutnant, der auf einer Letter stand, be merkte durch da» Fenster des zweiten Stockwerk», au» dem eine Feuergarbe hoch aufloderte, ein« halbnackte Leiche, die am Boden lag. Er drang mit zwei Leuten in da» Zimmer und fand im Bette zwei Kinder, einen sechsjährigen Knaben und ein vierjähriges Mädchen. Der Leutnant und seine Leute wickelten dir Kinder in Decken und trugen sie über Leitern in den Hofraum hinab. Dorr mußte man feststellen, daß die Kinder durch de» Rauch erstickt waren. Alle Rettungsversuche blieben erfolglos. Abermals stürzte der Leutnant in die Wohnung zurück und sand in einem zweiten Bette das Ehepaar Martens eben falls erstickt vor. Etwas später fand man auf einem Balkonvorsprung die Leich« des 18jährigen Fräuleins Martens, oas ebenfalls infolge Rauch einatmung erstickt war. Nach einer späteren Meldung ist auch der Eigen tümer des Hauses, Lcleu, durch den Rauch erstickt. Die Brandkatastrophe hat also nach den letzten Meldungen im ganzen sechs Opfer gefordert. Um ' ,4 Uhr wütete das Feuer, nach dem „Berl. L.-A". noch fort, und die Feuerwehr arbeitet unermüdlich an der Bekämpfung des Brandes. * Berlin. 24. März «Selbstmordversuch.) In einem Hotel in der Novalisstraße versuchte sich gestern ein Liebespaar der Techniker Ma? Beyer aus der Grünsiraßc und di« angebliche Agnes Nico laischat aus der Invalidenstraße, durch Aufdrehen der Gashähne zu vergiften. Sie wurden schwer er krankt nach der Charite gebracht. Potsdam, 24. März. (2m Potsdamer Damen heim) in der Marienstraße versuchte sich bas 66 Jahre alt« Stiftsfräulein Emmi Leiterin in der vergangenen Nacht mit giftigen Dämpfen das Leben zu nehmen. Die Dame und eine neben ihr wohnende Amtsgerichtsrätin, namens Gregororius, in deren Zimmer Gase einaedrungen waren, wurden bewußt los ins Krankenhaus gebracht, doch gibt ihr Be nutzen zu Bejorgntffen keinen Anlaß. Friedenau, 24. März. (Einbruch in die Orts krankenkasse). In der vergangenen Nacht wurde in dem Bureau der Ortskrankenkasse ein Geld schrankdiebstahl versucht. Die Diebe stiegen durch ein stark vergittertes Fenster ein und ruckten den schweren Geldschrank von der Wand ab: der Versuch, den widerstandsfähigen Behälter zu öffnen, blieb erfolglos, deshalb erbrachen sie die Schreibtische, wo ihnen insgesamt nur eine Mark und fünfzig Pfennig in die Hände sielen. Spandau, 24. März. (Selbstmord.) Bei Gatow wurde heute früh aus der Havel die Leiche eines Mannes gelandet, dessen Periönlichkeit als die des Oberrcvijors Bailly festgestellt wurde. B. hatte seit einiger Zeit unter einem Neroenübel zu leiden, und es ftt anzunehmen, daß er deshalb freiwillig den Tod im Wasser gesucht hat. Karlsruhe, 24. März, l Doppelmörderin.) Wegen der Morde an der Hebamme Pfluegner in Schwarzwald 1668 und der Rentiere Bochroeder in Ohrdruf im vorigen Jahre wurde jetzt in der Person einer Frau Hupf in Stutzhaus die Täterin verhaftet. Sie hat ein Geständnis abgelegt. München. 24. März. (Ein Münchener ., P o st i d y l 1".) Ein Geschäftsmann erhielt vier Wochen nach einer auf Postscheckkonto nach Karlsruhe erfolgten Einzahlung dir schriftliche Aufforderung, bei seinem Revierpostamt zu erscheinen. Dort wurde ihm m,»geteilt, daß jene Zählkarte verloren gegangen sei und er eine neue schreiben müsse, da das Geld sonst nicht abgehen könnte. München, 21. März. (Unterschlagung in einem „ F r e ß v e r e i n ".) In Fürth wollte der ..Freßoerein Immergrün" seine Kaste verjubeln. Allein der Kassierer, ein lediger Schneider, hatte das unter Mithilfe einiger Damen bereits selbst besorgt. Er erschien nicht ,zum Stiftungsfeste, sondern wurde flüchtig. In sehr gedrückter Stimmung machte sich der sonst vollzählig versammelte Verein über das bestellte Esten her, um wenigstens seinem Namen Ehre zu machen. Bamberg, 2t. März. (Ein merkwürdiger Kirchenraub) ist in Bischberg verübt worden. Dort ist in einer Lourdeskapelle der Opferkasten an der Kapellentür angebracht. Da sie den Kasten nicht erbrechen konnten, hoben die Diebe die ganze Tür aus und schleppten sie auf das Feld, um dort den Opferkasten zu berauben. Die Tür ließen sie dann auf dem Felde liegen. o Breslau, 24 März. (Brand einer Schule.) Nach einer russischen Meldung fanden beim Brande einer Schule in Nowotscherkask zwei Schüler den Tod in den Flammen. Drei Schüler erlitten schwere Brandwunden. Ratibor, 24. März. (Brückeneinsturz.) Auf der im Bau befindlichen Eisenbahnstrecke Egersfeld— Rybnik—Summin stürzte heute mittag eine zwischen Egersfeld und Rybnik liegende Dreibogen-Brücke ein. Vier Personen wurden getötet und fünf schwer verletzt. Pest, 24. März. (Ueberfall.) In der Nähe von Neutra haben Wilddiebe den Förster Kobita über- sallen, ihn an einen Baum gebunden, ihm die Finger gebrochen und ihn durch Messerstiche so schwer verletzt, daß sein Zustand hoffnungslos ist. Neapel, 24. März. (Selbstmord einer Lander- bilt.) Eine Verwandte des bekannten Milliardärs Vanderbilt hat ihrem Leben ein Ende gemacht. Miß Cecilie Vanderbilt, die an hochgradiger Neurasthenie litt, stürzte sich aus dem Fenster des Grand Hotels auf die Straße. Sie starb bald darauf an inneren Verletzungen. Paris, 24. März. (Ein fideles Gefängnis.) 2m Lanttgefängnis gab es gestern einen heftigen Alarm. Als sich die dort in Haft befindlichen Eisenbahner auf dem Hof ergingen, um den regle- mentsmatzigen täglichen Spaziergang zu machen, stimmten sie plötzlich laut die Internationale an und brüllten wie am Spieße steckend. Als der ebenfalls dort internierte Lacour, der seinerzeit das so genannte Attentat auf Briand imTuileriengarten ver übt hatte, den Lärm vernahm, sang er seinerseits die Poupignole. ein gegen die Juden gerichtetes Spott gedicht. Die Aufteber eilten herbei, oeriuchten jedoch vergebens, die Ruhe wiederherzustell«,, und liefen schließlich zum Telephon, um beim Ministerium des Innern anzufragen, was sie tun sollten. Di« Antwort lautete, man sollte die Eisenbahner und um der Gerechtigkeit und der Gleichheit willen auch Lacour in dre Abteilung für politische Häftlinge überführen, wie sie es seit Wochen verlangen. Als dies geschehen war, trat allmählich wieoer Ruhe ein. Pari», 24. Marz. (Der Pariser Mitt» fasrenzug) wurde trotz der Ideen- und Humor» losigkeit der Veranstaltung beifällig ausgenommen. Das Publikum ließ den Mangel di« vielen schonen Frauen und Mädchen aus der Fremd« keineswegs entgelten, sondern bejubelte di« geschmückten Eintags- kömginnen London, 24. März. (Zu der Ehetragödie von Pluckley Grange.) Ueder den Grund, wes halb Berndt von Pluckley Grange in Kent seine Frau und dann sich selbst getötet hat, ist die Polizei noch ganz im dunkeln. Die hinterlaßenen Papiere geben nicht die geringste Aufklärung darüber. Der „Besuch aus Deutschland" hat sich übrigen» in London gefunden und wird bei dem morgigen Toten- fchaugericht als Zeuge austreten. Er war am Tage vor seinem Erscheinen in Pluckley Grange von Ham burg nach Dover gekommen. Leipziger Lehrerverei». Im Leipziger Lehrerverein behandelte am vergangenen Donnerstag Herr Mar Wagner von der 24. Bezirksschule in Plagwitz das Thema „ Al l - gemeine Volksschule — Mannheimer System — Arbeitsschule." Die allgemeine Volksschule kennt nur eine Gattung von Volksschulen und leidet keine Trennung der schiller nach Kon fession und Vermögen der Eltern. Alle Kinder Haden sie mindestens vier Jahre lang zu besuchen. Die Mannheimer schulorganisation ist von dem Stadt schulrat Dr. Sickinger mit großer Energie durchge- führt worden. Sie besteht in folgendem: Neben einer achtstufigen Normalklasse läuft, aus den Schwachen und besonders Sitzenbleibern gebildet, eine sieben öder sechsstufige Förderklasse mit entsprechend zuge schnittenen Lehrzielen, Einzelplänen usw. Oester als einmal Zurückgebliebene werden in Abschlußklassen vereinigt. Ausserdem nimmt die Hilfsschule oie noch weniger Bildungsfähigen auf. Die künftigen Be sucher höherer Schulen werden im 3. und 1. Jahre in Vorbereitungsklaffen vereint, während die verblei benden Bcsserbefähigten der Normalklassen vom sechsten Schuljahre an Sprachklassen bilden. Ver anlaßt wurde die Einrichtung durch die hohe Sitzen bleiberziffer, die außer durch zu hochgespcinnte Ziele, zu volle Klassen, häufigen Schulwcchsel, Zuzug u. a. oesonders durch die verschiedene Begabung der in einer Klaffe sitzenden Schüler zu erklären ist. Die „Mannheimer System" genannte Breitenglieoerung ist pädagogische Arbeitsteilung, die den Respekt vor dem Individuum zum Grundsatz hat. Sie erfreut sich der den Eltern großer Beliebtheit und ist an ver schiedenen Orten nachgeahmt worden. Sie ist ge eignet, die von Angehörigen der höheren stände ge hegten Bedenken gegen die allgemeine Volksschule durch die in ihr liegende Bürgschaft einer indivi duellen Behandlung des Schülers zu beseitigen oder mindestens abzuschwächen und hilft so, den Gedanken der allgemeinen Volksschule vertiefen. Die Gegner des Systems bemängeln den Zuschnitt auf größere Orte. Sie glauben durch Beschneiden des Lehrstoffes, durch Herabsetzung der Klassenstärke durch Zusammen legung aller Fächer in die Hand des Klassenlehrers, durch bessere, besonders die Handarbeit berücksichti gende Methoden mehr zu erreichen. Sie meinen, daß das System die Elternrechte zu sehr beschneide und den schwächeren Schülern die guten Vorbilder nehme. Ein wesentlicher Einwand ist, daß das Ein teilungsprinzip zu intcllektualistisch sei. und man be fürchtet von seiner allgemeinen Durchführung eine neue Art der Kastenknldung. Doch lassen sich gegen diese Bedenken auch anderslautende Urteile und Er fahrungen anführen. Das „Mannheimer System" vertieft den Gedanken der allgemeinen Volksschule insofern, als es die Durchführung von deren Grund gedanken verbürgt: der Masse eine höhere Bildungs möglichkeit, aller auch den besonders Befähigten aller Schlchten ein besonderes Aufsteigen zu ermöglichen. Kann nun die von der Lehrerhaft erstrebte Ar beitsschule das Mannheimer System überflüssig machen? Die Arbeftsschule gliedert nicht nach der Leistungsfähigkeit, sondern richtet sich nach der Ent wickelung des Kindes. Sie will alle Fähigkeiten wecken, deiont also auch das Manuelle. Sie läßt das Kind die Lehrstoffe erleben, richt nur mit dem In tellekt aufnehmcn Dadurch 'offt sie, es verantwor- ken zu können, all? BefähiAungsgradc in einer Klaffe zu vereinen, weil sie jede Fähigkeit und Neigung auf ihre Rechnung kommen läßt. Stoffauswahl und Methode ergeben sich bei ihr ganz aus der Entwicke lung des Kindes. Sie will die Schule zu einem Ab- biloc des späteren Lebens machen, wo auch Begabte und Unbegabte, verschieden gerichtete aufeinander angewiesen sind. Zu fragen ist aber, ob das bei werdenden Men schen in dem Maße ein erziehender Faktor sein wird, ab sich alle Lehrstoffe nach solcher Werse behandeln lasten, ob nicht auch hier der glatte Verlauf der geistigen Prozesse die Hauptfach« bleiben muss An derseits könnte aber nach dem Mannheimer System, wenn es sich wesentlich« Maßnahmen der Arbeits schule zu eigen macht, in der gleichen Richtung weit mirgegangcn werden. Sa ist in den drei Begriffen nicht ein Gegensatz zu sehen, sondern vielmehr durch Verquickung eine wesentliche Förderung jeder der drei Ideen zu erblicken. Die Debatte, die sowohl Freunde wie Gegner des Mannheimer Systems, insbesondere die Vertreter der Arbeitsschulidec, auf den Plan rief, zeigte manche Brücken. Doch gab sie zu bedenken: Wer ist in der Lage, die Leistungsfähigkeit so absolut sicher zu beur teilen. daß schon lm frühen Alter eine Trennung nach Begabung richtig wirkt. Wird nicht das Heraus heben der besonders Befähigten große Gefahren brin gen, überbürden oder deprimieren? Die Arbeits schule will auch nicht bloße Werkstättenarbeit oder bastelnder Unterricht sein, sondern ihr ist das Manuelle neben anderen Erlebenssormcn nur ein Mittel zum Zweck, zur allseitigen Höherentwickelung des Kindes. Es wurden aber auch die Ausführungen des Referenten unterstrichen. Ein Thema wie das vorliegende, das Bcratunqsgegenstand der zu Michaelis in Leipzig tagenden Zächs. Lchrerversamm lung sein wird, kann mit einer Besprechung nicht er ledigt sein, und so wird sich noch wiederholt Gelegen heit bieten, die interessanten Vunkte ft, eingehender Weife zu prüfen als die in Frage kommenden Grund lagen der künftigen Schulreform. Serlchtslsal. Königliche« Landgericht. L Leipzig, 24. März. Eine« Selbstmordversuch mit Lysol unternahm am 2. Januar die 25jährige Kartonnagenzuschneiders- frau Anna Hedwig K^ die sich am folgenden Tage wegen Diebstahls und fingierter Erpresterbriefe vor Gericht verantworten sollte. Der Selbstmordversuch ist aber rechtzeitig vereitelt worden, und nun hatte sich heut« die dritte Strafkammer des Landgerichts mit der Anklagesach« zu beschäftigen. Der K. wurde zur Last gelegt, daß sie im Juli v. I. ihren Schwieger eltern, bet denen sie mit ihrem Manne und ihren vier kleinen Kindern wohnte, Kleidungsstücke im Werte von 260 die sie für 80.41 verkaufte, und ein Sparkassenbuch über 800 .§, auf das sie sich SO -/L borgte, gestohlen hat. Ferner wird die K. beschuldigt, an sich selbst und an ihren Mann Anfang Auaust je einen Brief geschrieben und mit dem Namen Max Hahn unterzeichnet zu haben, in welchen Briefen dieser angebliche Hahn je 40 41 verlangte: in dem Briefe an den Ehemann drohte der Schreiber auch, daß, wenn K. ihm das Geld nicht schicke, seine Frau in kurzer Zeit eine Leiche sei. Wie der Staatsanwalt mitteilte, wird Frau R auch noch vor da» Schwurgericht unter Aullag« der schweren Ur kundenfälschung gestellt werden, weil sie ein« Steuer, qutttung, auf die sie für ihre Schwiegereltern Steuern bezahlen sollte, gefälscht hat. Da» Geld soll sie dem erwähnten Hahn zugesteckt haben. Die Angeklagte machte einen hochgradig nervösen Eindrucks sie ist auch Ende vorigen Jahre» mehrere Wochen lang in einer Nervenheilanstalt untergebracht gewesen, au» der sie entwichen sein soll; sie selbst behauptet aller» ding», sie sei ordnungsgemäß entlassen worden. Von ihrem Manne lebt dre K. jetzt getrennt, sie verdient sich ihren Unterhalt al» Aufwartefrau. Auf Grund der Ergebnisfe der Beweisaufnahme und de» Gut achtens des ärztlichen Sachverständigen wurde die Angeklagte K. unter Zubilligung mildernder Um stände zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. vielbeftraste Einbrecher sind der Schlosser Wilhelm August Erbs und der Lackierer Richard Au>ert Arthur Knüsing von hier, die sich heute wieder wegen eines schweren Einbruchsdtebstahls zu ver antworten hatten. In der Nacht zum 20. Januar sind die beiden Angeklagten gemeinschaftlich in den Laden einer Konfektwnsfirmy in der Wurzner Straße eingedrungen und haben Kleidungsstücke im Wert« von 200 ./z gestohlen. Sie wurden gleich darauf festgenommen. und da hatte Erbs noch drei Ueder- zieher übereinander auf dem Leibe. Seiner Logis wirtin hat er auch einen Geldbetrag von 2 wea- genommen. Erbs wurde von der zweiten Straf kammer zu zwei Jahren drei Monaten Zucht haus und dreijährigem Ehrenrechtsoerluste. Knösing zu drei Jahren Zuchthaus und fünfjährigem Ehrenrechtsverluste verurteilt, je sechs Wochen wurden auf die Untersuchungshaft angerechnet. Bombenattentate anoebroht. Der 18 jährige Ar- beitsburiche Wilhelm Albert Wilke in Lindenau hat im Februar an einen Fabrikanten Mü. und eine Frau M. je einen, mit den Zeichnungen von Dolchen und Revolvern, sowie mit gekreuzten Schwertern versehenen Erprefferbrief geschrieben, in denen er sofortige Zahlung von 500 verlangte. Er werde rn 10 Minuten in einem Automobil vorgefahren kommen und das Geld abholen. Sollte ihm die ver langte Summe nicht ausgezahlt werden, dann habe er zwei Bomben bei sich, mit denen er das ganze Haus in die Luft sprengen werde. Die Polizei wurde sofort von den Briefen in Kenntnis gesetzt, man folgte dem Zeugen, der die Briefe gebracht hatte, und nahm den Erpresser auf dem Marktplatze fest. Von der III. Strafkammer des Landgerichts wurde Wilke jetzt zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahre verurteilt. Das ftt das Ende der „Brüder der schwarzen Hand", wie Wilke seine Briefe unterzeichnet hatte Königliche» Schöffengericht. L Leipzig, 23. März. Der Nationalverein „Gasteria." Wegdn wieder holter Vergehen gegen das Stellenvermittlergesctz hatte sich der frühere Stellenvermittler Heinrich Rohde von hier wieder vor dem Schöffengerichte zu verantworten. Von seiten des Rates, als der maß gebenden Behörde, ist dem Angeklagten die Konzes sion zur Stellenvermittelung schon vor einigen Jahren entzogen worden. Rohde hat sich denn auf eine andere Weise zu helfen gejucht. Mit drei Mitgliedern gründete er im Jahre 1909 den „Nationalvcrein Easteria der Kellner, Kochmamsellen, Büfettdamen und verwandter Berufe", es wurde eine Vorsitzende und eine Kassiererin gewählt, und Rohde selbst lic,z sich von dieser konstituierenden Versammlung zu>n Geschäftsführer ernennen. In den Statuten wurde festgelegt, daß ein bestimmtes Eintrittsgeld und regelmäßige monatliche Beiträge zu entrichten seien. Die Vcrnnttelungsgebühren wurden um 15 Prozent gegen die vom Rate festgesetzte Taxe ermäßig!. Jeden Stellungsuchenden suchte Rohde dann zu ver anlassen, seinem Vereine beizutreten: er griff dabei auch zu recht drastischen Mitteln und behielt Hut und Stock zurück, wenn der Betreffende nicht gleich ein trat. Als der Rat von dem Betriebe des Vereins erfuhr, untersagte er Rohde die Weiterführung der Geschäfte, da deutlich zu ersehen war. daß Rohde weiter nichts beabsichtigte, als die fehlende Konzession auf seine Manier zu ersetzen, um so mehr, als die Kassiererin gehalten war, sämtliche Gelder an ihn abzusühren. Rohde ist dieser Aufforderung ,ur Niederlegung seiner Stelle als Vereinsgeschäfts führer nicht nachgekommen und deshalb bestraft worden. Er hat dann den Verein von neuem ge gründet, und nun wurde in den Statuten auch bestimmt, daß Rohde als Geschäftsführer je nach den Beständen der Kaffe bis zu 100 ./L monatliche Gratifikationen bekommen und daß das Bureau des Vereins nach seinem Tode an seine Angehörigen übergehen sollte. Rohde hat mit seinem Nationalvereinc auch einmal ein Ver gnügen, verbunden mit einer Fahnenweihe, ab gehallen: die vereinnahmten Gelder sind ebenfalls in seine Tasche geflossen. Durch die Beweisaufnahme hielt das Schöffengericht es für erwiesen, daß die ganze Vereinsgründung nur eine Verschleierung der Stellenvermittelung darstelle, Rhode sei lediglich interessiert gewesen, sich eine Einnahmequelle zu verschaffen. Das Urteil lautete gegen Rhode auf eine Geldstrafe von 215 Aus VSüern urrü Kurorten. : Bad Harzdnrg, SedirgSlustknrort »ad Solbad. Unter diesem Titel ist soeben vom Herzog!. Badekommifiariat bei diesjährige Führer herauSgegebcn worden, der sich wie oll jährlich wieder durch hervorragend hübsche Ausstattung vor seinesgleichen auSzeichnet. Besonders künstlerisch wirken di« in Supfersttch-Art gehaltenen zahlreichen Bilder; sie geben im Verein mit dem umsasscnden Text einen anschaulichen Be. griff von dem liebliche« Badeort, der in glücklichem Gemisch mit der herbe« Schönheit de» Harzes alle Wahrzeichen de» vornehmen Kurortes und zeitgcmähen LolbabeS in sich ver eint. Nachahmenswert ist di« streng durch daS ganze Büchlein »urchgesührte AuSmerzung der Fremdwörter. Sine wertvolle ikrgänzung deS hübschen Führer» bildet da» amtliche Soh nungSverzeichni»: e» gibt AuSknnft über sämtlich« Preis« s«r Bor-, Haupt- und Nachsaison, so daß jeder sich schon daheim «in Bild machen kann, wie hoch di« poste« eine» Kur aufenthalts in Harzburg find. Beide Bücher werde« zu lammen mit einem Stadtplan an unsere Lfter aus Wunsch nom Herzogliche« BadekommUfariat in Bad Harzburg sowie in Leipzig vom BerkehrSverei«, HanbelShok, und H. Mitter. Nenrnarkt 9, kostenfrei verabfolgt. Vergnügungen. : Kriftallpalaft-T Heater. (rine jede einzelne Nummer de» gegenwärtige» Lpielplane» in eine Attraktion allerersten Nongel. — g» Weinrestaurant findet allabendlich bi» > Uhr »acht» vornehme Unterhaltungsmusik statt. — Da» Kristall- palast-Tof« ist di« ganze Nacht geöfsnet. : Drei Lilie». Auch gestern abend konnten die hier gastierende« Dresdner Biktoria-Sänger wieder vor aullver. kaufte« Haus« auftretc» und mit eine« vollen Erfolg« rech ne«. gast bet feder Nummer waren Zugaben «Stig, die auch freudig und derettwilügst gegeben wurden. Heut« findet di« Abfchte-Svorstelliing statt, welch« g». Uhr beginnt. Wiederum ist ei« durchau» neue» Programm vorgesehen — di« Gesrll- fchaft kann sich die» leiste«, denn ihr Repertoire ist schier un erschöpflich. — Für die Sonzertdesucher fei ausdrücklich be. merki. da« die Ltrafienbahn nach Lchlufi noch völlig intakt ist, sowohl die Not« wie di« Blaue befördert noch nach ollen Himmeltrichiiingen. Sn da- Konzert schliesst sich heute abend noch ein bi- Z Uhr wShrender i»efellfch«ift»ball an.