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Bezugs-Preis Ar Lrtpjta und Vorort« durch «mir«, Träger und Eoedtleur« Lmal tialtch in» vau» gebracht: dl» PI. »onatü. r.70 rrr. vieneliährl. B«i anIern'Filtalru ». >n» nahmeftrllen ada^hott: 7S Pj. uionatl- L»«k. otetteliätzrL Lurch dl« Poll: innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vietteljährl. S.SU »t., monati. I.AI «k. au.schl. Poltdektellaeld. Ferner in Belgien, Danemarl, den Donaulraaten. Italien, Luiemburg, Niederlande, Nor wegen. Oesterreich. Ungarn. Nuhiand, Schweden und Schwei». In allen übrigen Staaten nur direkt durch di» cheschäir». stell« de» Blatte» erhältlich. Da» i!etp»«ger Tageblatt «rlchetnt rmal täglich. Sonn» u. Feiettag» nur morgen». >llbonn«m«nt»»>llnnadine. I»ha»nt»g»sse 8, det unseren Trägern, gtlralen. Spediteuren »ad BnnahmefteUe.1, lowi« Postämtern und Bttefträgern. Mkn,«l»«rkaul»vr»i» lll Pt. Abend Ausgabe. WpMcrTagtblaü «el.-Znlchl. 14 892 sN.cht-ischlu») 14 893 14 894 Handelszeitung. Lankkonto: Allgemein« Deutsch« Lredlt» «nltalt Brühl 7L/77. Deutsche Bank, Filiale Leipzig Deo.»Nag« Erimin. Eteinweg A MLV Ämtsvkatt des Rates und des Nokizeiamtes -er Stadt Leipzig. WM' Anzeigen-Preis filr Inserat« au» L«lp,ta und Umgebung die lsoaltig« P«ttt»eil« A Ps-dl« Neklame- »etle lMk. o»nau»«ätt»lll)Ps. Neklamen 1.20 Mt. Inserat« von Behörden im amt lich«« Teil di« Pettt»«tl« S0 Pf. <b«schostsanjei,«n mit Plagvorschrtflrn im Preis« erhöht Nadatt nach Tarts. BetlagegebUhr lbesamt» auslag» o Mk. p. Tausend «rkl. Poitgedützr. Teildeilag« Höher. Feft«rt«tlte Äufträae können nt-t-t »urüik aezogen werden Für da» ilrschetnen an drftimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzetgen» Annahme: 2»daam»g»g« tz, bet sämtlichen Filialen n. allen Annoncen- Ljpedittonen de» In» and Au»lande». Lrus an» Verlag »«» Fischer öi Kürst«» Inhaber: Paut Nitriten. Nedattiou und lieschistostell«: Iohannlsgass« L Haupt-Filiale Dr«»dea: Eeeara«« 1. l lTelephon «621». Nr. 380. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 8 Leuen. * Bei einem Scharmützel an der b u l g a r i s ch- türkischen Grenze sind drei Tür len ge tötet worden. (S. Ausl.) * In Westvirginia ist es zu wilden A u f- ruhrsze ne »der Bergarbeiter getommen. (S. Aust.) Dss Enüe üer lvzislüemskrstl- lüien Arsukenkslienhemchsfl? In anderthalb Jahren, mit dem 1. Januar 191-1, soll die durch die Rcichsversicherungsordnung be stimmte Neuordnung der Krankenversicherung in Krast treten. Die Krankenkassen stehen damit vor der Notwendigkeit, die vom Gesetz vorgeschriebenen neuen „Dienstordnungen" aufzustellen. Der Zweck dieser vom Oberoersicherungsamt zu genehmigenden Dienstordnungen besteht in üer Regelung der Rechts und Dienstverhältnisse der Angestellten, des Nach weises ihrer sachlichen Befähigung, ihrer Zahl, der Art der Anstellung, der Kündigung oder Entlassung und der Festsetzung der Strafen. Die Sozialdemokratie, bisher die unumschränkte Gewalthaberin in einem grasten Teil der Ortskranken tassen, gerät dadurch in eine schwere Verlegenheit. Es wird erinnerlich sein, dast sie um die Angestellten frage in der Kommission wie im Plenum am er bittertsten kämpfte und um ihretwillen schliesslich gegen das ganze Gesetz stimmte, das der Arbeiterschaft sozialpolitische Fortschritte von grösster Bedeutung brachte. Wie es di« sozialdemokratischen Kassen- vorständ« mit der Anstellung von Beamten unter dem alten Gesetz hielten, zeigte u. a. der in der Kom mission vom Grafen Westarp vorgebrachte berüchtigte „Mustervertrag" von 1906 bzw. 1908, den die „Ge nossen" so lange ableugneten, bis ihnen amtlich nach gewiesen wurde, dast er in Hunderten von Fällen in Anwendung gebracht worden war. Der „Vor wärts" hat heute noch in einem Artikel, auf den wir sogleich zurückkommen, die Stirn, zu behaupten, jener „Mustervertrag" (den das Oberverwaltungs gericht als gegen die guten Sitten verstossend be zeichnete) sei gegen den Rat von Sozialdemokraten angewandt worden! Da nun die Angestelltenfrage duxch die Festsetzung des Termins für das Inkraft treten des 2. Buches der RVO. sozusagen wieder akut geworden ist, seien aus der Rede des national liberalen Reichstaqsabgeordneten Dr. Heinze vom 12. Mai 1911 diejenigen Ausführungen wieder gegeben, die zeigen, zu welchen horrenden Konse quenzen der sozialdemokratische Mustervertrag unter Umständen führte: Dss Wichtigste. * Kriegsminister Generaloberst Freiherr vonHaujen ist mit der Vertretung des Königs bei der Beerdigung des verstorbenen Staats ministers Dr. von Otto beauftragt worden. - Bei einem Ueberlandflug, den l-eute früh in München der Flieger Josef Fischer mit einem Fluggast auf einem Doppeldecker unter nommen Halle, stürzie der Apparat aus 2Ü0 Meter Höhe ab. Beide Flieger waren auf der Stelle tot. (S. Lusischiffahrt.) Starke Nerzen. -Roman von Fr. Lehne. lNachdruck verboten.) „Woher nun das Geld nehmen? Vielleicht denkt Lübbecke, du willst ihn fordern, um womöglich diese Schuld nicht zu bezahlen!" „Das soll er nicht denken! Ich werde zum Onkel Landrat hinüberreiten und mit ihm über die Sache sprechen! Sorge dafür, dast Ellen nichts erfährt!" „Und immer wieder durch Vaters Schuld!" Er fuhr liebkosend über ihr Heister Gesicht und streichelte die erhitzten Wangen. „Weine doch nicht, Ruth, das wird alles geregelt. Mit Freuden streckt mir Onkel Landrat die Summe vor, damit der Schuldschein bei Lübbecke sofort eingelöst wird. Ihm kommt es wirklich nicht darauf an, und Althof kann diese Belastung noch vertragen, da wir ja so sparsam leben! Jetzt sag' mir aber vor allen Dingen, inwie weit Lübbecke dir zu nahe getreten ist!" „Ich habe mich schon selbst gewehrt. Ich wollt« dir nur vorhin nicht alles sagen. Nun aber ist es ja gleich." Sie erzählte ihm, was sich zugetragen. „Das sollte seine schöne, stolze Frau wissen — hast du sie schon gesehen? Sie ist jetzt wieder da!" „Nach ihrer Reise nicht! Doch lasten wir das! Dieses Benehmen gegen dich ist einfach eine Gemein heit von ihm! Das soll er büsten! Und vorher will ich ihm di« Schuld bezahlen. Er soll nicht sagen, dast er grostmütig gegen uns gewesen sei." Ruth durfte nicht wissen, wie niederschmetternd diese letzt« Enthüllung für ihn war, wie sie ihn bei- nahe mutlos machte. Da hatte er nun angestrengt vom Morgen bis zum Abend gearbeitet, hatte sich nicht das Geringste gegönnt, und nun wurde er wie- der um so viel zurückgebracht? Es war wirklich zum Verzweifeln, di« Sorgen wollten ihn nicht verlosten — di« kranke Frau, und dazu die inneren Kämpfe, die ihm Herz und Seele unruhig machten! Die Ge danken, mit denen er zum Landrat hinüberritt, waren nicht erfreulich. Zwanzigste, Kapitel. Mit Verwunderung sah Isabelle zu ziemlich früher Morgenstunde die Equipage des Landrat, vor dem Schlohhofe halten. Der Wagen fuhr aber nicht Somrsdenü, üen 27. JuU 1912. „Wenn ein Kastenbeamter sich betrinkt und die Kastenbeiträge verliert, kann er nach dem ersten Ver trage vom Jahre 1906 nicht entlassen werden. 'Wenn er sich als Trunkenbold erweist, wenn zu befürchten ist, dast er weiterhin die Kastenbeiträge verlieren werde, kann er nicht entlasten werücn. Das kann sich immer nach einigen Jahren wiederholen, und es ist nicht möglich, den Mann loszuwerden. Man kann ihn nur losweröcn. wenn er sich strafrechtlich gegen das Vermögen der Kaste vergangen hat. oder wenn trotz wiederholter Verwarnungen innerhalb gewisser Zeitraum« die Pflichtverletzungen sich wiederholt Haden. Weiter, der zweite Vertrag (von 1908) führt zu folgenden Konsequenzen. Irgendein Kasten beamter betrügt die Kaisenmitglieder in umfang reicher Weise: er bekommt deshalb ein Jahr Ge fängnis und sitzt das Jahr ab. Was für Folgen er geben sich daraus? Der Kastenbeamtc kann zunächst, weil er die Kassenmitglieder betrogen hat, nicht ent lassen werden. Nach Punkt 1 des Vertrages kann er nur entlassen werden, wenn er das Vermögen der Kasse selbst schädigt. Er kann auch nicht entlasten werden, weil er ein Jahr Strafe verbüstt: denn nach Punkt 1 des Vertrages heisst es: „Zeitweilige Ver hinderung. Untersuchungshaft, Dcrbüstung einer Straf« gecvährt kein Kündigungsrecht." Aber wenn der Herr zeitweise dienstunfähig ist. so must ihm während des vollen Jahres sein volles Gehalt bezahlt werden — 8-1 des Vertrages —. Sie kommen also zu der Konsequenz, dast der Mann die Kastenmit glieder betrügt, dast er ein Jahr Gefängnis bekommt, dast er das Jahr absitzt, dast er während dss Jahres sein volles Gehalt bezieht und dast er nachher wieder in seine Funktion eingesetzt wird." Für die Sozialdemokratie sinh die gesetzlichen Vorschriften über die neue Dienstordnung hauptsächlich darum so schmerzlich, weil der anzu stellende Kastenbeamte den Nachweis seiner sachlichen Befähigung erbringen und weil auch die Zahl der Beamten zn den Bedürfnisten der Kaste in einem vernünftigen Verhältnis stehen must. Gerade in den sozialdemokratisch geleiteten Kasten wurden unter dem alten Gesetz diese doch eigentlich selbstverständ lichen Gesichtspunkte zum schweren Schaden der ver sicherten Arbeiter völlig mißachtet. Die Sozial demokratie sah die vielen T^s>.udc L».n beamtenstellen als eine hochwillkommene Gelegenheit zur Unterbringung und dauernden Versorgung ihrer Varteiangehörigcn. ..felddienstunfähig" gewordener Agitatoren und ähnlicher Existenzen an. Sie ver langte keine Sachkenntnis oder sachliche Vor bereitung: ihr war die Bewährung im sozialdemo kratischen Parteidienste Hauptsache und erste Be dingung: so zwar, dast sie erwiesenermassen sogar ordentlich vorgebildete Bewerber zurückwies, die nur Sozialdemokraten waren, in der „Bewegung" aber nicht hervorgetreten waren. In vielen Dutzenden von Fällen hat sich gezeigt, wie die ordnungsmästige Funktion der Ortskrankenkassen unter diesen Zu ständen versagte und wie die Zahl der B"amten immer stärker erhöht wurde, weil immer erst zwei oder drei der sozialdemokratischen Schutzbefohlenen das Mast von Arbeit leisten konnten, das anderwärts ein einziger, sachgemäß ausgebildeter Bureau beamter vollbringt. Die den bisherigen Kastenverwaltungen gesetzte Gnadenfrist läuft, wie gesagt, am 1. Januar 191-1 ab. Obgleich es also noch anderthalb Jahre bis zum Ein treten der Neuordnung sind, trifft die Sozialdemo kratie doch schon jetzt Vorkehrungen, um die neuen „Dienstordnungen" so zu gestalten, dast der Schaden für die Partei ein möglichst geringer werde. Der „Vorwärts" fordert alle Kastenverwaltungen auf, sich mit dem sozialdemolrarischen Verband der Burcauangestrllten ins Benehmen zu setzen, um sich über eine Muslerdienstordnunq zu einigen, deren Aufgabe es natürlich wäre, den schärferen Anforde rungen der RVO. dem Buchstaben nach zu genügen, im übrigen aber die Bestimmungen so zu fasten, dast der sozialdemokratische Einflust dennoch erhalten bleibt. Zwar must ja jede einzelne Kaste die von ihr entworfene „Dienstordnung" der Genehmigung des Obervcrwaltunosamtcs unterbreiten, so dast einiger maßen dafür gesorgt ist, dast der Wille des Gesetz gebers nicht durchkreuzt wird. Trotzdem halten wir größte Aufmerksamkeit und Vorsicht für geboten, weil die Sozialdemokratie es noch immer verstanden hat. die sozialpolitischen Einrichtungen, die der Wohlfahrt aller Arbeiter dienen sollen, trotz aller Hindernisse ihren parteipolitischen Zwecken dienstbar zu machen. Die Lage in üer Türkei. Die Aussichten auf eine normale Lösung der tür kischen Schwierigkeiten sind geringer denn je. Dem Ministerium in seiner jetzigen Verfassung fehlt we niger die Erfahrung als die Homogenität. Man ist uneinig über die brcnnc:rde Frage der Auflösung der Kammer. Einige Minister erblicken in der Auflösung einen Staatsstreich, den sie vermeiden wollen. Ebenso herrscht keine gleichartig« Auffassung über die Be handlung der al baue fischen Angelegenheit. Verschärft werden die Vorgänge durch neuerliche Distonanzen im Offizierskorps: auch hier besteht eine Spanung. Ihrs Komitees schiessen wie Pilz« aus dem Boden und wirken verwirrend. Kaum dast beschlossen wurde, das Offizierskorps der poli>ttsch«n Einmischung fernzu- balten, erscheinen neue Manifeste, die das Gegenteil beweisen. Der Agitation des Offizierskorps, dem zu erst oer Generalissimus, dann da, Kabinett zum Opfer fielen, verblieb ohne Rückwirkung nach vorn, höchstens, dast die Krone jedweden Einfluß eingebiisst hat. §i« ist zum Spielball der Leidenschatten hecqb- gesunkn, voller Ohnmacht muh sie den Ereignissen ihren Lauf lassen. Als notwendige Konsequenzen dieser Laar werden sich bald neue Ereignisse ergeben. Ein Wechsel auf dem Throne wird, wie sich di« „Frkf. Zeitg." aus Konstantinopel melden läßt, ernstlich in, * ^rsüh'r. »n Musse t».e Aufmerksamkeit zu. Ultimatum der türkischen Offiziere der Dardanellen flotte an dir Negierung. . Aus Konstantinopel wird gemeldet:. Die Offiziere der vor den Dardanellen liegenden Kriegsflotte haben an die Pforte telegraphisch die Aufforderung gerichtet, im Interesse der Landesver teidigung und im Interesse der Abwehr eines neuer lichen Angriffes des Feindes einen Seeoffizier zum Marinemini st er zu ernennen, wenn der- selbe auch nicht zufällig der Sohn eines Eroszwesirs sein sollte. Werde dem Wunsche der Offiziere der Flotte nicht entsprochen, so werde die Flotte die Dardanellen verlassen und nach Kon stantinopel zurückkehren. Die Frage der Kammerauflösung. Konstantinopel, 27. Juli. Der Grosswesir ersuchte die Behörden, der Pforte Abschriften über die In struktionen einzusenden, die die frühere Regierung hinsichtlich der Wahlen erlassen hat. Man glaubt, das; es sich um vorbreitcnde Maßnahmen zur Fest stellung dec Gültigkeit der Deputiertenwahlen hano-e'.r. Die jungtürkijche Partei hat an die Regie rung eine Adresse gerichtet, in der ersucht wird, die ein, sondern Graf Rcchberg und sein Begleiter. Graf Lerbach, stiegen schon vor dem Tor ab. Was brachten sie? Sicher nichts Erfreuliches, denn beide sahen sehr ernst und gemessen aus. Sie eilte die Treppen hinunter und kam gerade recht, die Herren in der Diele zu begrünen. Beide küssten ihr die Hand. „Gnädige Frau, es ist uns ein Vergnügen!" „Ist Ihr Herr Gemahl zu Hause?" „Ja, er ist daheim." Sie führte die Herren in den Empfangsraum. „Ich werde meinen Mann von Ihrem Besuch benachrichtigen: es wird ihm sicher eine angenehme Ueberraschung jein!" In ihr war fiebernde Unruhe und Ungeduld. Die Herren kamen nicht ohne Grund. Ihrem scharf beob achtenden Blick entging nicht das Zucken in dem vornehmen Gesicht des Landrats und das verlegene Lächeln des andern. „Eine geschäftliche Angelegenheit führt uns zu Herrn Lübbecke." Sie hörte die leise Abwehr des Grafen Rechberg und wurde blass. „Ah, ich verstehe — das heisst so viel wie: Damen sind dabei überflüssig", entgegnete sie liebenswürdig und suchte dabei in den Gesichtern der Herren zu lesen. Der Landrat neigte zustimmend den Kopf, während Graf Lerbach sagte: „O, meine Gnädigste, Damen soll man Geschäftssachen ersparen! Sie sind die Blumen in unserm Dasein!" „Bitte. Herr Graf, soviel Liebenswürdigkeit er drückt mich beinahe!" entgegnete sie mit leiser Ironie. „Also, di« Herren entschuldigen mich. Vielleicht habe ich nachher noch einmal das Vergnügen — mein Mann wird sofort kommen." Sie verneigte sich leicht, und entzückt sah ihr Graf Lerbach nach, wie sie mit ruhiger Vornehmheit den Raum durchschritt. „Sie ist einzig. Und wie sie aussieht, in dieser weihen Morgentoilette!" .Ha. es ist schade um di« Frau," schnitt ihm der Landrat das Wort ab. Er fand es nicht passend, jetzt auf die Schönheit der Frau zu achten. Graf Lerbach war eben unverbesserlich. „James, der Landrat und Graf Lerbach sind da, um dich in einer geschäftlichen Angelegenheit zu sprechen! Sie waren sehr zurückhaltend. Was gibt es denn?" Isabelle stand neben ihrem Mann«, der in sich zu sammengesunken vor dem Schreibtisch sah und nervös mit dem Brieföffner spielte. Schwerfällig erhob er sich: ein leises Beben ging durch seine Gestalt. Jetzt war das Schicksal da, dessen Nahen er mit Grauen in einer langen, schlaflosen NacU erwartet hatte. Er zuckte die Achseln auf Jsabelles Frage. „Weiss ich's?" Doch fein blasses Aussehen, seine scheu und furchtsam blickenden Augen straften ihn Lügen. „Gedulde dich bis nachher, Isabelle. Ich kann die Herren nicht warten lassen!" Langsam, mit zögernden Schritten, ging er hinaus, und leise folgte st«. Sie musste wissen, was vorging. Sie lauschte, anfangs vernahm sie nur ein un deutliches Summendurcheinander; dann schlug di« scharfe Kommandostimme des Landrats deutlich an ihr Ohr. Er überbrachte die Forderung des Barons von Wallbrunn. Das Herz drohte ihr still zu stehen. Mein Gott, warum? Was war da vorgefällen? Da stammelte James, er sei eigentlich im Prinzip Gegner jedes Zweikampfes, trotzdem nehme er die Forderung an. Ein verächtliches Lächeln bog ihre Mundwinkel herab; sie stampfte unwillkürlich mit dem Fusse auf. „Feigling du!" dachte sie. „Und dos ist nun mein Mann!" James fuhr fort: „Der Konflikt ist dadurch ent standen, dass ich Herrn Baron von Wallbrunn ein« berechtigte Forderung unterbreitet habe! Mich wundert sehr, dass er dies« Angelegenheit nicht regelt, sondern statt dessen zu einem Zweikampf heraus fordert." Mit einem unbeschreiblichen Blick musterte der Landrat den blass und zitterns vor ihm Stehenden, der sich zu einer nur einigermassen leidlichen Haltung zwang; die Furcht stand ihm deutlich in den Augen geschrieben. „Ursache diefer Forderung ist erstens die schwer« Beleidigung, die Sie dem Herrn Baron mit dem Wort „Lumpenbaron" zugefügt haben." Jiabelle stöhnte auf — darum also! James hatte ihm dieses brutal« Wort aus irgendeinem Grund entgegengeschleudert. Wie Nein musst« Klaus sie einschätzen, dass sie ihrem Manne das Wort gesagt! Qualen erlitt sie in diesen Minuten; ihre Nägel 106. Zshrgsng. Kammer nicht aufzulösen, sondern zu vertagen, nachdem über das Budget abgestimml sei. Die alUanefilchen Wirren. Aus Cetinj« wird gemeldet: Die Telegraphenleitungen zwischen Skutari und Priftan sind von oen aufständischen Albanesen durch schnitten worden. Die Aufständischen haben sich in dem Dorfe Purin, einige Minuten von oer Stadt Skutari, festgesetzt. Die aufständischen albanesischen Stämme von Guzi uns Krasnitza unter der Führung Riza Bcis sind in Djakova eingetroffen und haben neben der Sultansfahne die gelbe Nationalfahne auf dem dortigen Gebäude gehisst. * Gine Unierrcüung mit Sulleln kjüzjm»Bet. Der nach Albanien entsandte Berichterstatter des „B. L.-A." sendet seinem Blatte einen Bericht über eine Unterredung, die er mit dem Mali von Salo niki gehabt hat. Wir entnehmen dem Artikel folgendes: Hussein Kiaziin-Bei, der gegenwärtige Wall von Saloniki, ist ein Jungtürke von reinster Couleur, aber dabei von einer für einen Orientalen über raschenden Offenheit. Er har schon mehrfach gegen das gegenwärtige Regime in Albanien Stellung ge nommen, und so auch in der Zeitung „Peru Assr" in Saloniki pseudonym einen Artikel veröffentlicht, in dem er gegen die Verwaltung des Wilaiets Kossowo die heftigsten Angriffe erhob. Der Wali von Uesküb klagte, und der verantwortliche Redal teur der Zeitung wurde vors Geeicht geladen, aber freigesprocyen, das beste Urteil dafür, dass Hussein Kiazim-Bei mit seinen Behauptungen recht gehabt hatte. Auch mir gegenüber führt« er ein« Sprache, die mich im Mund« eines Mitgliedes des Komitees einigermassen überraschte „Ich will ganz offen mit Ihnen Brechen", sagte er, „denn das bei uns so be liebte System des Vertuschens hat gar keinen Wert. Und ich will Ihnen auch gleich die Wurzel, das Grunoubcl aufüeckcn, an dem unser Reich momentan krankt. Man hat die Konstitution einem Lande ge geben. das gar nicht reif für einen solchen Fortschritt war. Das Türkische Reich besteht aus so vielen heterogenen Völkerschaften, die man nun auf einmal alle unter den einen Hut der Konstitution bringen wollte. Die Folgen davon zeigen sich am deutlichsten bei den Arabern und den Albanern. Diese letzreren besonders hatten im Reiche immer eine Ausnahme stellung inne. Sie waren im gewissen Sinne vom Kriegsdienst befreit, der Sultan Abdul Hamid zahlte ihren Veis jährlich eine gross« Summe, damit sie sich ruhig verhielten — und nun kamen die Jungtürken und wollten die Albaner genau so behandeln wie die anderen Untertanen des Ottomanischen Reiches. Als sie die Macht aus den Händen des Despoten übernahmen, hatten sie nur ihren Idealismus und nicht viel staatsmännische Erfahrung. Sie wollten das Reformwerk auf einmal vollbringen, und sie dokterten an dem Kranken, dessen Behandlung sie übernommen, so lange herum, bis er ganz wild wurde. Der erfahrene Arzt lässt dem Patienten Zeit; bemerkt er eine Entzündung an der einen oder anderen Stelle, so stellt er die Behandlung ganz ein und wartet erst ab, bis die Entzündung sich ge legt hat. Die Jungtürkcn machten es gerade um gekehrt. Durch ihre fortwährenden Bchandlunqs- versuche. die so wenig der politischen Logik und vor allem dem Charakter der Albaner entsprachen, haben gruben sich in die Handfläcl>en: gespannt lauschte sie weiter auf das, was der Landrat sagte. „Zweitens Ihr beleidigendes Verhalten gegen Baronesse Wallbrunn, das Herr Baron von Wall brunn in seiner ganzen Schwere erst nach Ihrer Ent fernung von seiner Schwester erfahren hat." „Eine Duellforderung ist allerdings ein sehr be quemes Mittel, lästigen Zahlungen aus dem Wege zu gehen!" höhnte James mit bebenden Lippen. „Der Rcchrsbeistand des Herrn Barons hat bis jetzt noch nichts von sich hören lassen." Der Landrat musterte ihn von oben bis unten so verächtlich, dass James das Blut in die fahlen Lippen trat. Graf Lerbach räusperte sich, um zu sprechen; aber der Landrat kam ihm zuvor, da er allzu temperamentvolle Aeusserungen seines Begleiters fürchtete. „Herr Rechtsanwalt Dr. Arnold kann unmöglich zu dieser frühen Stunde schon hier sein. Ihnen scheint an der Regelung der Geldangelegenheit aber sehr viel zu liegen, Herr Löbbecke, da habe ich Ihnen denn im Auftrag« des Herrn Barons von Wallorunn diese Anweisung auf die Deutsche Bank zu über bringen. gegen Aushändigung des Schuldscheines des verstorbenen Barons, mit Berechnung der Zinsen natürlich." Er entnahm dabei seiner Brieftasche das erwähnte Papier und zeigte cs James. „Sie kommt von Ihnen, Herr Graf?" konnte James sich nicht enthalten zu fragen. „Ich sagte Ihnen, dass ich im Auftrage des Herrn Barons von Wallbrunn handle!" bemerkte der Land rat scharf. „Ich darf wohl um den Schein bitten, damit wir die genaue Summ« ausfüllen!" „Sofort! Ich bitte, mich einen Augenblick zu entschuldigen!" James ging mit zitternden Knien hinaus. Draussen lehnt« «r die Stirn an die Türpfosten: kalter Schweitz perlte auf seinem Gesicht, ein Gefühl des Schwindels hatte ihn erfasst. Er musste einige Minuten für sich haben, um sich zu sammeln. „Gemeiner Kerl!" sagte Lerbach „Pfui Deibel noch mal!" Und dann erschrocken: „Holla, da ist ja die Gnädig« schon wieder!" (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)