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Serdal» Demtschla«», md d« K-l-nce» vierleijShri. ».« »L, »»»atl. 1-20M«. ausichl. PoslbeftellaelL. Kerner in Belgien, Dänemark, den Danaaftaatr», Italt«». Ärrmbuia. Rtrderlaad«. Nor» wegen, Oeüerreiq. Ungarn. Xnßland, Schweden und Schwet». 2« allen übrigen Staaten nur dtreU durch die Geschält», ftelt« de» Blatte» «HLltltch. La» L«i»,ig,r legedtatt erscheint »mal täglich, Senn» ». Feiert««» nur «er«mm. Udoonemenre.»nna-m«: Lehee^eH« 8, »ei nnseren Trägern, Filiale», SpedUenrr» »nd Annahmesrellen, sowie Postämtern und Briefträgern. «t»,,t»,rr«»f»»r«t» 1« Bi- cip.rigcrTagMM Handelszeitung. i"vd4 kF LW j D.L-Xalse «rimm. Sieinröe« 6 MNN Amtsblatt des Rates und -es Rolizeiamtes der Stadt Leipzig. 'äWL- Luzei-en-Preit »eil, s Mk. oon «»»wärt, !U> Pf. Reklamen 1-20 Mi. Inserat« »on Behörden tm amt liche» ÜU die PelttzeU» SU Ps. Sefchaftemqeil«» mit Platzoorschritte» im Breil« »rhSht. Badatt»achTarif. BeilagegebLdr «besamt, auflag, d ML 0 Tausend erkl. Poäaebllhr. Teildetlage höher. Fefteneilte Aasträge können nildi zurück- aerogen werd«! Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Larantt« übernommen. tzlnjetgen»Annahme: Johann,»,ass, U, bei sämtlichen Filiale» u. allen Annoncen. Erpeditionen de» In» »nd Ausland«». Dr»K «ich Beel», »»» Fische» L ktiirst«, Inhaber: Pani 1tü»ft»». «edatti»» »»» v,schält»li«k>«: 2ohannt»galse L -annt»Filiale Dr«»de». Eecsrratze 4, l (Telephon El». Nk. 277. Sonntag, üen s. Juni l9is. lO6. IshrgSNg. UV- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 1V Seiten, die vorliegend« Morgennummcr 28 Seiten, zusammen 38 Seiten. vss Müttiglte. * Am gestrigen Sonnabend erfolgte in Hamburg die Weihe der neuen, zwei Zeppe-- linschiffe fassenden L u f t s ch i s f h a l le. « Das sächsische MilitärverordnnngZblatt gibt Formationüanderun gen im sächsi schen Heere beknrrrt. (S. DtschS. R. S. 2.) » Salar ed Danleh ist von den per sischen Negierungstruppen in die Flucht geschlagen wurden. (S. Ausl. S. 3.) « Griechische? Militär hat den kreti schen Ab geordneten den Zutritt zur grie chischen Kammer verwehrt. (S. Ausl. S. 3.) . * Theateranzeigen siche Selk 23 und 24. MM gewagt oüer einmattiert? —a. Die moderne Sozialpolitik wird auf manchrlei Art begründet. Zuweilen hört man das Argument, der Lohnarbeiter habe keine Aussicht metlr, wirtschaftlich aufzustei- gen; deshalb müsse man innerhalb des lohn arbeitenden Standes möglichst befriedigende Ver hältnisse schaffen. Der sozialpolitische Gedanke soll nicht unter diesem Argument leiden; es selbst ist so falsch wie möglich, und wer den Arbeitern erzählt, sie könnten es zu nichts brin gen, versündigt sich am meisten an den Arbeitern selbst. Unser Zeitalter tut sich doch sonst etwas auf exakte Erfahrung zugute, die Behauptung von der Versperrung der Aufstiegsmöglichkeit steht aber mit den einfachsten Erfahrungen im Wider spruch, und zwar mit Erfahrungen, die jeder mann in seinem Kreise machen kann. Auf der Essener Tagung des Evangelisch-sozialen Kon gresses hat Professor v. Wiese die Bedeutung und die Leistung des Groftunternehmertuins für die Gesamtheit dargestellt; es lag wohl nicht in seiner Aufgabe, den Ursprung Hute führender deutscher Unternehmer aus kleinen Anfängen nachzuwei sen; mit Leichtigkeit lassen sich seine mannhaften Ausführungen nach dieser Richtung ergänzen. Das deutsche Unternehmertum wimmelt ge radezu von „selbstgemachtem" Leuten. Blickt man in die Schtverindustrie, so trifft man — um nur die uns gerade einfallenden Beispiele aufzuzählen — auf den alten Thyssen, der noch vor einigen Jahrzehnten ein paar Arbeiter beschäftigte, und heute als Magnat im Zechen- und Hüttenwesen bastelst. Aehnlich ist der Aufstieg von Lanz-Mann heim. Ans einem ganz andern Gebiete, dem der hygienischen Erzeugnisse und Toiletteartikel, ist Lingner^Dresden groß geworden, im Zeitungs wesen Scherl-Berlin, im Warenhaus wesen Wert heim, dessen Laden am Rosent Haler tor den alten Berlinerinnen noch bekannt ist. Das und ihre zahlreichen Genossen sind nicht Männer, deren Vorwärtskonrmen auf einem einzelnen Glücksfall oder auf ererbtem Kapital beruht, sondern auf der sinngemäßen Anwendung der Mittel zum Erfolg. Man kann sogar umgekehrt sagen: man cherlei Mittel des Erwerbs sind gefunden und mancherlei Bahnen des Aufstiegs beschritten wor den, aber das Mittel hat noch deiner erdacht, wie mit voller Sicherheit Geld- oder Industrie reichtum durch Erbgang einer Familie durch drei Generationen erhalten werden kann. Oder wenn denn Industrie- und Bankunternehmungen, die sich an Namen wie Krupp, Siemens, Borsig oder Mendelssohn knüpfen, drei oder vier Genera tionen hindurch im Zusammenhang mit einer Familie bleiben sollten — wäre der Schaden wirklich so groß,? Die Kraft der Tradition wirkt innerhalb des sonstigen freien Spie» der Kräfte nicht ungünstig, und Taufende v»n Arbeitern und Angestellten danken es, daß es ein paar große wirtschaftliche Unternehmungen von alter Tradition gibt. Sie pflegen in den Fragen der Besoldung und Behandlung der Angestellten er ziehlich auf die ganze Industrie zu wirken. Welche Torheit, de« Manne mit Hand fertigkeit zu sagen, er könne es ja doch zu nicht- bringen! Der gelernte Handwerker wie der Kaufmann steht auch heute noch dem französischen Soldaten gleich, der den Marschallstab im Tor nister trug. Wer kLnstLertfch« Fähigkeiten hat, hat vollends heute freie Bahn. „Ich habe l eine Villa am Rhein und ein Landhaus am I Eomer See"", so sagt ja wohl die Primadonna Magda ein toenig protzig in Sudermanns „Hei mat"". Aber ist es buchstäblich wahr: man gehe an den Rhein, an den Starnberger See und in die Berge, da stehen die Burgen und Hutten, die ersungen, crgeigt, erspielt, ermimt, erdichtet, er matt und ermeißelt sind. Meist haben die heuti gen Besitzer mit nichts angefangen. Mag sein, daß sic sich erst „durchzuringen"" hatten, aber sic habcn's ertragen können. Innerhalb weniger Jahre ist ein völliger Wechsel in führenden Stel lungen des Kunst- und Theaterwesens in Berlin, München, Leipzig, Köln und anderswo erfolgt. Wer etwas Rechtes kann, wird „berufen". Stellt er sich noch so närrisch an: schtvapp, hat er seine „Gemeinde"". Nur für die „verkannten Genies"" ist eine schlechte Zeit; der Typ scheint aus denk Aussterbeetat. Rechtsanwälte, Ingenieure, Syndici, deren Eltern das Geld zum Studium ihres Sohnes zusammenkratzcn mußten, verdienen, ehe sic das Schwabenalter erreicht haben, ein Ministergehalt. Leute, die wirklich Minister oder Staatssekretär gewesen sind, sind noch kaum aus dem Dienst, so haben sie schon Aufsichtsratsstellen oder sie werden airf einen Oberbürgermeisterposten ge schleppt. Wer mit unmittelbaren wirtschaftlichen Fähigkeiten nicht geschmückt ist, dem bietet das freie Vereins-, Versammlungs- und Parlaments leben einen indirekten Weg; hat er wirtschaftlich oder Verwaltungsfähigkeiten, so werden seine Ehancen durch das parlamentarische Leben noch vermehrt. Ein ehemaliger Landrat und Regie- rungsrat im Reicht« ge wird Direktor der Spiri tuszentrale, ein ^stechtscrnwalt Direktor der sozial politischen Abteilung einer großen Schiffahrts gesellschaft, ein Gouverneur und Admiral Vor steher des Sicherheitswesens bei der gleichen Ge sellschaft usw. Fast immer sehen wir eine nach haltige, sinngemäße Anspannung belohnt. Wer es materiell „zu nichts"" bringt, wird, wenn er gegen sich selbst ehrlich ist, gestehen müssen, daß ihm der eigentliche Erlverbssinu abgeht, was ja auch keine Schande ist. Man kann sich eine vollkommenere Wirt schaftsordnung denken, namentlich eine solche, in der die Scheinleistung vom Erfolg ausge schlossen wird, aber dem theoretischen Sozialis mus gegenüber darf man doch sagen: so ganz töricht ist die heutige Einrichtung nicht, wo nach wir einem anderen erst etwas leisten müssen, damit er uns sein Geld gibt. Es mag sein, daß die Gegnerschaft gegen die moderne Sozialpoli tik zuweilen aus Herzens härtigkeit und Eigen- ftrcht quillt; diese Gegnerschaft ist natürlich ver werflich; aber berechtigt ist das Mißtrauen gegen einige, wie uns dünkt, nickst notwendige Begleit erscheinungen der Sozialpolitik, gegen Renten hysterie und Nervcnerschlaffung. Scheintz es doch manchmal fast, als wäre es das Ideal der heuti gen Deutschen, jedes Menschenkind von Geburt an in Watte zu hüllen, damit cs nur ja nie einen Puff erhält; ihm einen Versicherungsschein in die Wiege zu legen, damit es nur ja nie in Not und in den Zwang zur Arbeit gerät. Auf diesem Wege kommen wir nicht zum sicheren Leben, sondern zum frühen Tode. Leben heißt Schaffen. Wer die Lust am Schaffen ans dem Wirtschaftsgetriebc ausschaltet, bringt, zum un mittelbarsten Schaden der Arbeiter, die ganze Volkswirtschaft ins Stocken. Schaffen heißt aber nichts anderes als Bahnen gehen, die bisher keiner gegangen nnd die kein Schutzreglcment und kein Versicherungsgesetz vorschrciben kann. Die Politik üer „freien Ssnü". Nach der Politik der „glänzenden Isolie rung" die.Politik der „Freien Hand". „Eng land sucht keine Bündnisse, «, gewährt sie", sagte der jetzige Lord Salisbury, damals ein wegen seiner TaktloMeiten gefürchteter Unterstaatsseftetär des UWWMMMatzU. Was -st die Politik der „Freien Hand"? In der letzten Debatte rm Oberhaus über die auswärtige Politik stellt« der Sprecher der Regierung jedes „Bündnis" in Abrede, gab aber das Vorhandensein mm „freundschaftlichen Verstii^ngungen intimen Cha rakters"" zu — den Ausdruck mutz man sich merken —, deren Tragweite er der Einsicht seiner Zuhörer über ließ. Die „Westminster Gazette" (st so gut, uns dar- über aufzullären, was diese Politik der »Freien Hand'" sagt. Di« „Westminster Gazette" ist nicht eigentlich eine inspirierte, halb-offizielle Zeitung, in dem Sinn«, den man in Deutschland hineinlegen würde. Aber der Redakteur derselben, der ausschließ lich Vie Leitartikel schreibt, ist zurzeit der einfluß reichste Journalist auf der liberalen Seite, vielleicht überhaupt in der Londoner Presse, «st sich seiner Ver antwortung bewußt, und ist sozusagen der offizielle Expostter und Kommentator der auswärtigen Politik des Kabinetts, durch und durch ein „Grey-Mann". Er hat kürzlich in der „Westminster Gazette" «in« Artikelserie über die Grundlagen der britischen (aus wärtigen) Politik geschrieben, di« jetzt auch ,n Bro schürenform veröffentlicht, viel gelesen und sehr be achtet werden. Viel Neues ist aus der Broschüre nicht zu lernen, aber als eine Auslegung der Grey sch en Politik ist sie durchaus autoritativ und offiziell, soweit man in England überhaupt von einer offiziellen Journalistik reden kann. Im allge meinen ist das englische auswärtige Amt viel zu zu geknöpft und vorsichtig, als daß es irgend etwas ver öffentlichte und inspirierte — abgesehen von Blau büchern —, für das man es später einmal verantwort lich machen könnte. Presseangelegenheiten werden hier besser gehandhabt als in der Wilhelmstraßc. Also die Politik der „Freien Hand". Die Ab wesenheit von Bündnissen impliziert nicht, daß England nicht, in gewissen Umständen, seinen „Freunden" zu Hilfe kommt, wenn vitale englisch Interessen cs erheischen. Aber wir (England) haben keine bestimmten Abmachungen, in jedem Falle mit einer europäischen Mächtegruppe gegen eine andere zu gehen. Hätten wir solche bestimmte militärische Abmachungen, so müßten wir neben unserer gewalti gen Flotte auch ein« Armee unterhalten, die es mit den Millionerheeren des Kontinents aufnehmcn kann. Demnach wäre es Torheit zu glauben, daß unsere (Englands) Flotte und unsere Armee (Expe ditionskorps), wie sie ist, nicht von ganz bedeutendem Gewicht in einem zukünftigen Kampfe wäre. Der Leitartikler führt dann aus den Crispi-Denkwürdig- keiten ein Memorandum über eine Unterhaltung zwischen Bismarck und dem damaligen britischen Botschafter in Berlin, Sir Edward Malet, an. Bis marck beschwert sich, „daß England sich von den Affären Europas fernhält, seine Pflicht in Europa nicht tut, nichts tut, um den Frieden und das euro päische Gleichgewicht zu erhalten", eben an der Poli tik der glänzenden Isolierung festhält. Der Ver fasser meint, das lese sich seltsam zur Zeit, in der England gerade von Deutschland vorgeworfen werde, daß es sich in Affären eingemischt habe, di« es nicht angingen. Es sei deshalb auch heute noch für Eng land das Beste, ein« „Politik der Freien Hand" zu treiben. — Smoeit die „Westminster Gazette" und die eng lische Ansicht. Die Kritik dieser Politik ist leicht: diese Politik impliziert, daß man der Freund aller oder beider ist — in diesem Falle Deutschlands und Frankreichs —; was man indessen ganz gewiß nicht war, sondern man maß mit ungleichem Maß, nüe Graf Metternich sehr richtig Sir Edward Grey vor warf. Was in Deutschland verletzte, war doch wohl nicht, daß England an Frankreichs Seite trat — denn das wußte man vorher, sondern daß England die Kompensationen, zu denen Deutschland berechtigt war — England hatte bereits seine und recht reichliche in der Tasche — auf ein Mindestmaß beschränken wollte, weil es eben auf jeden deutschen Machtzuwachs eifer süchtig ist und ihn nach Kräften zu verhindern sucht. Die Gekshr von M;. Daß die Pariser Offiziösen die Schreckensnachricht von einer Erstürmung von Fez durch die Berber und Niedermetzelung der französischen Be satzung im ersten Augenblick als „verfrüht" zu be zeichnen wagten, war schon ein schlimmes Zeichen. Inzwischen ist der Draht auffallend wortkarg ge worden; die stereotypen getöteten ein bis zwei Fran zosen haben dem offenen Bekenntnisse sehr schwerer beiderseitiger Verluste Platz gemacht, und die Rückkehr einer glücklosen Ausfallskolonne wird in Wendungen mitgeteilt, die auf fast totale Ver nichtung der Unglücksschar schließen lassen. Und der Ton der offiziösen Verlautbarungen ist der tra gischen Stimmung angepaßt, die über der ministe riellen Formulierung der vom Oberkommando ein gegangenen Depesche lastet und erst verständlich durch eine Rekonstruktion der wahrscheinlichen Auslas sungen wird. Schlägt doch das „Journal des Däbats" bereits das Leitmotiv: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" an, das den Berlinern einst die Hiobspost aus Jena in die Ohren rief! Das genannte Organ versucht nämlich mit diesem Motive die unbequemen Ratgeber abzuwehren, die die Regierung zur ungesäumten Entsendung nam hafter Verstärkungen antreiben möchten. Es er innert demgegenüber daran, daß bereits vor Wochen «ine Erhöhung des marokkanischen Esicktivbestandes auf 47 000 Mann vorqescben sei, und diese jetzt aller dings ohne Ueberstürzung erfolgen werde. Eine wesentliche weitere Erhöhung wird aber mit dem kostbaren Eingeständnisse abqelehnt, daß mit einer solchen die „nationale Verteidigung ge schwächt werden könne". Dazu möchten wir denn doch ein Wörtchen be merken. Der Sinn des Ausdrucks ist ja sonnenklar: bei einer Abzweigung weiterer Truppenkörper von der Heimatsarmee befürchtet man deutsche Angriffe auf die Vogesengrenze. Aber liegt denn der geringste Anlaß zu einem solchen Verdachte vor? Zurzeit liegt nicht ein einziger Konflikts st off zwischen Deutschland und Frankreich vor, wie es doch 1911 der Fall war. Deutschland hat durch den No vembervertrag auf den letzten Nest seines eigenen Jnteressenschutzes im scherifischen Reich verzichtet und tritt gegenwärtig, durch Entsendung seiner Kommissare für die Grenzregulierung in Mittel afrika, loyal an die Ausführung der Abmachungen heran. Daß uns aber etwa Absichten eines heim tückischen Ucberfalles zuqeschoben werden: als wenn wir bloß darauf lauerten, daß Frankreich irgendwo in der Welt anderweitig beschäftigt wäre, um uns ein paar neue Elsaß Lothringen zu holen, ist einmal einfach lächerlich angesichts einer vierzigjährigen deutschen Friedenspolitik, dann aber eine beleiht, gende Unterstellung, die wir uns energisch verbitten dürfen. Wir werden aber durch jene Auslastung neugierig gemacht, ob wirklich der französischen Weisheit letzter Schluß eine Beschränkung des marokkanischen Erpe- ditionsheeres auf 47 000 Mann ist. Sachverständige haben bekanntlich von vornherein eine Rechnung von 10 0000 ausgemacht, wenn von einer ernsthaften „sx-nLrr.itis-n" die Rede sein solle, deren schmückendes Beiwort ,.i>.-reiiigiie" Herr Lyautcy soeben feierlich aus dem Dictionnaire gestrichen hat; er hat ja das ganze Protektoratsgefasel wie Spinneweben mit seiner Erklärung zerrissen, daß er sich jetzt wie in Feindesland juble und nur noch der eigenen Kraft vertrauen dürfe. Da wird denn doch der Numerus clausus der 47 000 durchbrochen werden müssen. Oder gelüstet Herr» Kriegsminister Millerand, der bekanntlich sogar den Reihen der Sozialdemokraten entnommen ist, so sehr nach Auseinandersetzungen mit den wabrhastig nicht kinderreichen französischen Vätern und Müttern, sollte durch die alberne Deutschensurcht. sei sie echt oder gespielt, eine Katastrophe über den heiligen Lenz der 47 000 herabbeschworen werden, auf den man das Risiko des afrikanischen Abenteuers be schränken will, wie vielleicht ein Geschäftsmann mal einen Rechnunqsüberschuß in begrenzter Höhe in Monte Carlo daran setzt, sein Glück zu versuchen? Und geht die Sache schief, will Frankreich dann verzichten, wie Italien nach der Niederlage von Adua auf Tigre verzichtet hat? Wir hoben natur lich nicht hineinzurcdcn. wenn man dortzulande schließlich zu der verspäteten Erkenntnis kommen sollte, daß man sich ein bißchen viel zuqemutct hat mit gleichzeitigem Betriebe einer überseeischen Er oberungspolitik und europäischen Revanche absichten. Aber ein Wort hincinzusnrechen haben wir doch. Frankreich hat mit seiner ftinausdränguna der nichtfranzösischen politischen Interessen vom Sultanate des afrikanischen Nordwcstens. besonders der Deutschen, eine Verpflichtung über, nommen, für den Schutz der wirtschaftlichen Interessenten genügende Sorge zu tragen. Man möchte es beinahe einen Treppenwitz der Welt geschichte nennen, daß unsere im Vorfahre so heftig anqezwcifelte Berechtigung, durch Entsendung von Kriegsschiffen für den Schutz unserer Landsleute um Sus einzutreten, nunmehr durch die gemeldete Umzingelung Tarudants eine Bestätigung erfahren zu haben scheint. Daran ist natürlich kein Gedanke, daß die Erfüllung der eingegangenen inter nationalen Verbindlichkeiten bloß non Frankreichs eigenem Willen abhinqe, daß es Hand-kn dürste, wie ein unsozialer Koblenmagnat. der die Gruben der Konkurrenz abkauft, um ihren Betrieb stillzulegen. Läßt es ans Kleinmut oder um seiner fircn Ne vanche-Jdee willen seine großzügig angelegten Kolonialentwürfe versanden, so erledigen sich seine erlangten Vorzugsreckite und seine politischen An wartschaften von selbst wieder. Auch England hat ja im Vorjahre auf die Möglichkeiten eines Wiederauflebens seiner Ansprüche hingewiesen, wenn man in Paris seinen Wünschen nicht zu willen sei! * Dir Lage der Spanier in Marokko. Der Korrespondent des „Eclair" berichtet aus Tetuan: Eine spanische Kolonne, bestehend aus 3000 Mairn Infanterie und 4000 Mann Kavallerie mit 12 Geschützen haben sich bis auf 12 Kilometer der Stadt genähert und ein Lager an dem Flusse Shir, über den sie eine Brücke geschlagen haben, ein genommen. Die Brücke befindet sich etwa 20 Kilo meter von Tetuan entfernt. Die Eingeborenen sind von großem Hasse gegen die Spanier beseelt, und cs wird diese viel Blut und Geld kosten, bevor sie die Gegend kolonisieren können. Eine weitere Depesche aus T a n g c r 'besagt, daß Oberst Sylvestre am 28. Mai mit einer Abteilung Infanterie und Kavallerie Arzila besetzt habe. Oberst Sylvestre hatte alsdann eine längere Kon ferenz mit Raisuli. Der Mannesmann-Fall vollständig erledigt? Wie die französischen Zeitungen aus Casa blanca berichten, fand am Freitag eine Unter redung zwischen dem französischen und d«m deutschen Konsul über den Zwischenfall von Casablanca statt. Ergebnis dieser Unterredung ist, daß der Fall der Gebrüder Mannesmann nunmehr als voll ständig erledigt betrachtet werden kann. Das Reichsgericht über üie ltaatsrccht- iiche Stellung üer Lumbertsnüer. Neber die staatsrechtlich Stellung der Cumber lander hat, wie der Korrespondenz „Heer und Po litik" geschrieben ivird, das Rcichgcricht vor einiger Zeit ein Urteil gefällt, das gerade jetzt aus Anlast des Besuchs des Prinzen Ernst August von Eumber land beim Kaiser und der daran geknüpften Er örterungen über künftige Möglichkeiten von großem Interesse ist. In der ersten Entschidung eines Prozesses hatte das Bericht den «Grundsatz anfgestelll, dast der Her zog von Cumberland im staatsrechtlichen Sinne Landeshrr des Herzogtums BraunsclMeig und darum brau nschwcigischerStaatsan gehörig er sei und das Recht der Exterritorialität besitze. Ten Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung httc das Gericht nicht gegeben. Das Reichsgericht ent schied, dast der Satz unhaltbar sei. Bereits die neue Landschaftsordnung von 1832 erklärt zum Landesherrn nur denjenigen, der tm Besitz der Staatsgewalt ist, auch wenn er noch minderjährig nnd infolgedessen zur Ausübung dieser Gewalt un fähig ist. Auch das Gesetz von 1879, das die v ? läufige Regelung der Regierunasverhältnisse *bei einer Thronerledigung betrifft, folgt dem gleichen Grundsatz. Es stellt der abstrakten Berufung des erbberechtigten Thronfolgers zum Thron die Inne- habnng der Reqicrungsgcwalt gegenüber. Die Folh der von welfischcr Seite erhobenen Bekämpfung, der ans Grund dieses Gesetzes gewählte Regent übe die Regentschaft nur für den berechtigten Thron- folger aus, war da- Gesetz, da- im Jahre 1902 den betreffenden Paragraphen des Gesetzes von 1879 er-