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Ucip.ttgtr Tagcblaü s 14 682 lRacht.aschl»hj Trl.-^nschl.< 14 683 > 14 684 -rl.-Ä°,chi^»^ Handelszeitung Amtsblatt Ses Nates «nd des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Pres- für Inserate au» Leipzig und Umgebung di« ilpaltige Pentieil« 26Pt-dir Reklame teile l Ltt: »on au»wärt» ZU Pt, Reklamen UÄi Mk., Inlcrate von Behörden im amt lichen Teil di« Petit,etl« bl) Ps. <b«lchäst»anieig«n mit Plaüvorlchrtsten u. tn der Rd«ndau»gad« im Preise erhobt. Rabatt nach Taris, «etlagegedühr Gelamt- auslage b Mk. p Tauiend erkl. Poltgeduhr. leildeilage Höher. Festerteilt» Aujtraae können n,ct l ,urück- gezogen werden Für da» tkrscheinen an beftimmten lagen und Plagen wird keine Garantie übernommen. «n,eigen-Annahme. 3ob-nni»g-N« 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Etpeditionen de» In- und Auslande». Dru« und Verla, d»» Leipziger Ta,»- blatte« S. Polt- Inhaber: Paul ttürjte». Redaktion und <beschSIt»it«ll«: Iohanntsgalle 8. -aapr-Filiale Dreoden: Leeftras« 1, l (Telephon 1621). Nr. 172. krelisy, üe» 23. Juni lSll. tvs. Jahrgang. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 16 Leiten. Dss Mlhtiglte. * Die Hauptverhandlung gegen Pfarrer Jatho wegen Irrlehre findet heute in Berlin statt. (S. Dischs. R.) * Don russischen Grenzsoldaten ist wie der einmal auf einen deutschen Luftballon geschossen worden. (S. Dischs. R.) * Der Tag derenglischenKrönungsseier verlies in festlicher Weise. sS. des. Art.) * Die bulgarisch« Sobranje wurde am Don nerstag unter lärmenden Zwischenfällen eröffnet. (S. Letzte Dep.) Rötger unü Metzer. Der Hansabund steht vor einer inneren Krisis, deren Tragweite und Folgen sich zurzeit noch nicht ganz ermessen lassen. Der Borsitzende des Zentralverbandes Deutscher Industrieller, Landrat a. D. Rötger, der als konservativer Kandidat für den Reichstagswahlkreis Merse burg ausgestellt ist, hat seinen Austritt aus dem Präsidium des Hansa bund e s erklärt und diesen auffälligen Schritt durch folgendes Schreiben an den Präsidenten des Hansabundes, Geheimrat Riester, begründet: Sehr geehrter Herr Geheimrat! Meine in den an Sie gerichteten Schriftstücken vom 14. und 16. Juni enthaltenen deutlichen Hin weise daraus, dast ich nicht gewillt bin, die Verant- wortung für Ihre von Ihnen als „persönliche Bemerkungen" bezeichneten hochpolitischen Schlußdarlegungen auf dem ersten allgemeinen Hanja-Tage mit zu übernehmen, Haden zu meiner Ueberrafchung nicht verhindert, dast ein wesentlicher Teil Ihrer Ausführungen ohne vorherige Besprechung im Präsidium des Hansabundes in die Form eines Aufrufs zur Werbung neuer Mitglieder gekleidet worden ist. Da durch sind Ihre Ausführungen unzweideutig ihres „persönlichen Charatters" enttleidet und als Ansicht oes Hansa-Bundes und damit seines Präsidiums hinausgesandt worden, trotzdem ich in meinem zweiren Schreiben deutlich darauf hinwies, dast „über dieEin- pcmung Ihrer Darlegungen in die mtzungsgemästen Ziele des Hansa-Bundes die Ansichten auch inner halb des Hansa-Bundes voneinander abweichen dürsten." Ich gehe über die in diesem Vorgehen enthaltene Niäitachtung der Rechte des Präsidiums des Hansabundes hinweg; es kann jetzt nur noch darauf an kommen, leslzuitellen, dast der von Ihnen persönlich ohne Vorwitzen Ihrer Kollegen im Präsidium geforderte politische Kamps gegen Rechts als jatzungs- mästiges Ziel des Hansa-Bundes nun auch, wiederum ohne vorherige Beratung, zur Losung des Hansa- Bundes gemacht worden ist. Das widerspricht nach meiner pflichtmästigen Ueberzeugung, wie ich wiederholt zu erkennen ge geben habe, dem Geiste der Satzungen und der Richt linien oes Hansa-Bundes unü meiner Stellung als Vorsitzender des Zentralverbandes deutscher In dustrieller, eines unrtschaittichen Verbandes, in dem alle bürgerlichen politischen Parteien, so wohl links- wie rechtsstehende, vertreten sind. lieber die zwischen Ihnen und Ihrer Gefolgschaft einerseits und mir und meinen Freunden anderer seits in die,em ausschlaggebenden Puntte bestehenden Meinungsverichiedenheiten eine Verständigung, etwa durch Aussprache im Direktorium des Hansa- Bundes, zu versuchen, erachte ich sür zwecklos. Rach langer, reiflicher Ueberlegung finde ich für eine solche Verständigung keinen Weg. Unter diesen Umständen sehe ich mich genötigt, auf die Mitarbeit am Hanja-Vund zu ver zichten. Ich lege demgemäst und in Uebereinstim- mung mit der Anschauung des heute versammelten Direktoriums des Zentralverbandes mein Mandat als Mitglied des Direktoriums und Präsidiums im Hansa-Bund nieder. Ich tue dies im Bewußtsein, alles daran gesetzt zu haben, um an einer den Satzungen und Richt linien des Hansa-Bundes entsprechenden Führung desselben auf der mittleren Linie mitzuarberten. In vorzüglicher Hochachtung . Ihr ergebenster Rötger. In einem zweiten Schreiben erklärt Rötger sodann auch seinen Austritt aus dem Hansa bund selbst. Dast diefer zweite Schritt dem ersten folgen mußte, ist nach dem Inhalt des abgedruckten Schreibens selbstverständlich. Am gestrigen Tage ist vom Präsidenten des Hansa bundes, Geheimrat Riester, folgende Antwort an Rötger ergangen und durch Riester ver öffentlicht worden: Sehr geehrter Herr Landrat! In Ihrem Geehrten vom 21. d. M. gehen Sie davon aus. daß in den letzten Tagen ein Werbe- aufruf des Hansa-Bundes erschienen sei, welcher ohne Zustimmung des Präsidiums einen wesentlichen Teil meiner persönlichen Ausführungen aus dem Hansatag in unzulässiger Weise wiederholt habe. Demgegenüber stelle ich zunächst fest, daß mir seitens des verstärkten Präsidiums aus drücklich die Genehmigung zu derartigen Werbe- und Wahlfondsaufrufen generell erteilt worden ist. I Sachlich aber fordert jener Aufruf gemäß der Richt linien des Hansa-Bundes lediglich den Kampf gegen die „Ueberagrarier", aljo speziell gegen den Bund der Landwirte, einen Kamps, den auch Sie stets als das Ziel des Hansa-Bundes bezeichnet baden und der bisher auch Ihrerseits mit Entschieden heit vertreten wurde. Hiernach kann Ihr Austritt nur den Sinn haben, daß Sie jetzt aus Gründen politischer Taktik wünschen, daß der Hansa-Bund nicht mehr den satzungsmäßigen wirtschaftspolitischen Kampf gegen die Uebergriffe des Bundes der Landwirte führe, sondern einen satzungswidrigen Kampf gegen alle, welche links stehen, aufnehme. Ein solches Verfahren widerspricht nach meiner Ueberzeugung in hohem Grade den dringenden Lebensinteresson des geiamten deutschen Eewerbestandes. Der Hansa-Bund wird, gestützt auf die begeisterte Zustimmung weiter Kreise des deutschen Gewerbe standes, sein Programm unbeirrt fortsetzen und durchführen. Seine Aktionstraft und Geschlossenheit wird durch diesen Schritt nicht gemindert. Nachdem Sie gestern Ihr Schreiben vom 21. Juni der Oeffent- lichkeit übergeben haben, bin ich genötigt, mit diesem meinem Schreiben in gleicher Weise zu verfahren. In vorzüglichster Hochachtung Ihr sehr ergebener Rießer. Dieser Briefaustausch zwischen Rötger und Riester ist der formelle Abschluß einer längeren Korrespondenz, die bereits am 14. Juni, aljo unmittelbar nach dem glänzend verlaufenen Hansatage, begonnen hat. Das erste Kenn zeichen für die im Präsidium eingetretene Unstimmigkeit war zweifellos die inter pretierende Erklärung der Schlußrede Riesters auf dem Hansatage. Die Absage an die Sozialdemokratie war den Wünschen gewisser Kreise nicht scharf genug ausgefallen, und des halb wurde nachträglich diesen Wünschen noch Rechnung getragen. Aber was da veröffent licht worden ist, scheint den Vertretern des Zentralverbands immer noch nicht genügt zu haben; sie stellten vermutlich neue Forde rungen, deren Erfüllung Rießer nicht zusagen konnte, und so kam es zum Bruch. Dieser wurde beschleunigt durch den Text eines Werbe aufrufs, der zwar ganz den Richtlinien des Hansabundes entspricht, der aber den im Zen tralverband organisierten Kreisen der rheinisch westfälischen Schwerindustrie zu scharf erschien. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir folgende Stelle dieses Werbeaufrufs als direkten Anlaß zum Zwist betrachten: „Niemand vergesse, trotz aller Einlullungsversuche, daß in Jahrzehnten bis zu den letzten Tagen kaum je ein Gesetz gemacht wurde, in dem nicht Vor teile oder Ausnahmen zugunsten solcher Kreise be dungen wurden, die dem Staate finanziell möglichst wenig leisten wollen, aber möglichst viel von ihm zu fordern bestrebt sind. Der Tag der Abrechnung für diese ego istische Politik wird und mutz im Interesse end lichen und dauernden Friedens kommen, so lange er auch hinausgeschoben werden mag. Der Hansabund erwartet, daß an diesem Tage jeder seine Pflicht tue, jeder von denen, an die heute der ernste Ruf ergeht: Bürger heraus!" Wer sich der Eründungsversammlung des Hansabundes erinnert, wer sich die scharfe Kampfansage, die damals an den Bund der Landwirte gerichtet wurde, vergegenwärtigt, wird in diesen Sätzen keine Abweichung von den Richtlinien des Hansabundes erblicken. Der Hansabund ist nach seiner ganzen Entstehungs geschichte nur denkbar, ja nur existenzfähig und existenzberechtigt als Gegner der im Bund der Landwirte zuWorte kommenden „Hyperagrarier". Daß diese vor zwei Jahren bereits eingenommene Haltung gerade jetzt wieder stark betont und unterstrichen wird, kann nicht verwunderlich er scheinen. Etwas anderes ist es, welche Folgen der Bruch zeitigen wird. Ein endgültiges Urteil darüber zu fällen, erscheint uns augenblicklich verfrüht. Man weiß noch nicht, wieviel Mitglieder des Zentralverbands Deutscher In dustrieller dem Beispiele ihres Vorsitzenden folgen werden; es ist noch ungewiß, ob z. B. Männer wie der alte Kirdorf dem Hansa- bunde ebenfalls den Rücken kehren werden. Von der Zahl und der Bedeutung weiterer Austrittserklärungen würde es außerordentlich abhängen, ob man überhaupt von einer Schwächung des Hansabundes reden kann. Daß das Scheiden Rötgers aus diesem Verband schwerer zu bewerten ist als der im Dezember v. I. erfolgte Austritt des Freiherrn v. Pechmann, unterliegt keinem Zweifel. Auf der andern Seite steht allerdings ebenso fest, dast die innere Geschlossenheit und damit die Stoßkraft des Hansa bundes nur gewinnen kann, wenn laugewordene Freunde des Hansabundgedankens offen ihre Gesinnungsänderung zu erkennen geben und die daraus folgenden Konsequenzen unverzüg lich ziehen. Allen Lähmungserscheinungen im Werben und Wirken wird durch diese reinliche Scheidung der Geister vorgcbeugt, und von diesem Standpunkte aus ist der Schritt Rötgers nur anzuerkennen. 2m übrigen wird aber einige Zeit vergehen, bis das Schlusturteil über diese Krisis im Hanjabunde gesprochen werden kann. Der Srönungstsg in Lonüon. London, 22. Juni. Ungefähr eine Million Fremde sind zu den Krönungsfeierlichletten in London eingetrofsen. Der Wagenverkehr war in -er Eily von gestern abend an nahezu unmöglich. 17 300 Schutzleute zogen heute morgen auf Posten und werden 48 Stunden lang fast ununterbrochen Dienst tun; 60 000 Soldaten sind auf geboten worden, um Spalier zu bilden. Das ist die Signatur des englischen Krönungstages. In der Nacht zuin Donnerstag stellten sich schon um V2I2 Uhr die ersten Zuschauer dem Anbau der Westminsterabtei gegenüber auf, wo die Krönungsprozesfion oorbeiführt. Bis um i/rl Uhr nachts war die Stadt festlich illumi nier!, und die Menschenmassen harrten geduldig aus. Als der Morgen graute, begann es leicht zu regnen. Erst nachdem sich der Krünungszug bereits in Be wegung gesetzt hatte, brach die Sonne durch die Regen wolken. Gegen 0'/, Uhr verließ derglänzende Zug der fremdenFürsten und Vertreter den Buckingham- Palast und begab sich nach der Westmlnster-Abtei. Die Spitze des Zuges bildeten das Trompeterkorps und die Musik der Leibgarden in ihren roten, reich mit Gold gestickten Uniformen und schwarzen Samt kappen. Der Zug bestand aus 14StaalswagenmitVor- reitern und Postillionen in scharlachnen Livreen. Die Eskorte wurde durch Royal Horse Guards in dunkel blauen Unisvrmen und silbernen Kürassen gebildet. Die Wagen fuhren ziemlich schnell durch die Straßen. Zuerst kam eine Reihe von Landauern, jeder von zwei braunen Pferden gezogen, deren reiche Be- fchirrung in Scharlach und Gold gehalten war. Dann folgte eine Anzahl von vierspännigen Equipagen. Die Zuschauer bestrebten sich, die fürstlichen Insassen zu erkennen, aber dies war meist unmöglich, außer wenn es sich um besonders hervorragende Per sönlichti iten handelte, wie die Prinzen von China und Aegypten oder die Vertreter von Aetiopien. Mehrere Prinzen trugen über ihren Uniformen die Mäntel ihrer britischen Orden; der deutsche Kronprinz, Prinz Heinrich von Preußen und der Groß- Herzog von Hessen hatten die Roben der Ritter des Hosenbandordens angelegt. Besonders wurde be merkt, daß dem deutschen Kronprinzenpaar sowie dem Prinzen Heinrich von Preußen eine sehr herzliche Begrüßung durch die Bevölkerung zuteil wurde, die eine deut liche persönliche Note trug. Um 10 Uhr verließ der Zug des Prinzen von Wales, der von Royal H'-rse Guards eskortiert wurde, den Palast. Der Prinz wurde von der Menge lebhaft begrüßt. Um 10'/, Uhr kündigte die Artillerie im Hyde- Park durch 21 Kanonenschüsse an, daß der Zug des Königspaares sich in Bewegung setze. An der Spitze des Zuges marschierten in mittelalterlichen Kostümen die könig lichen Schiffsknechte, hinter ihnen ritten die Adju tanten des Königs. Es folgten die Generale, darunter die Feldmarschälle Sir John Hamilton und Sir John French, alle in großer Uniform, in roten Waffenröckcn mit federgeschmückten Hüten und orden geschmückt. Die Hurrarufe begannen, als an der Spitze der königlichen Eskorte die Offiziere der indischen Kavallerie vorbeiritten, und sie wuchsen immer stärker an, sobald die große Staatskarosse der Mazestäten mit ihren Vorreitern und Postillionen in Sicht kam. Der Wagen, der ganz aus Gold und Glas besteht, wurde von acht isabellenfarbenen Pferden gezogen. Es folgte die Standarte, daraus Lord Kitchener, begleitet von dem Herzog und Prinz Arthurvon Connaught, Prinz Ludwig von Battenberg, dem Herzog von Teck, Prinz Christian von Schleswig-Holstein und eine glänzende Kavalkade von Adjutanten und Leibgarden. Die.Hrönttny in der TLestminstei-Abtei. Der Zug betrat um 12 Uhr die Westminster- Abtei Den Geistlichen folgten die großen Würdenträger des Hofes mit den Standarten Englands, Schottlands. Irlands, des Vereinigten Königreichs und denen des Größeren Britan niens, die von früheren Vizetönigen und Eeneralgouverneuren getragen wurden. Nun er schien die Königin, die große, 18 Fuß lange Schleppe von sechs jungen Mädchen, den schönsten des englischen Adels, getragen, dann der König, dem Edclleute mit den Regalien voran schritten. König Georg selbst im Krönungsornat trug die Halskette des Hosenbandordens und das samtene Staatsbarett. Sein langer purpurner, mit Hermelin besetzter Krönungsmantel wurde von acht Pagen getragen. Zu den Seiten des Königs gingen zwei Bischöfe und die königliche Leibwache. Die jugendlichen Stimmen der Schüler von West minster begrüßten das Königspaar mit den tradi tionellen Rufen: „Vivat Regina, Vivat Rex!" Ehe der König und die Königin die Thronsessel einnohmen,. knieten sie zum Gebet nieder. Dann folgte der erste Akt der Krönung, die feierliche „An erkennung" des Königs. Der Erzbischof von Canterbury, begleitet von dem Lordkanzler, dem Lord-Gnßkämmerer, dem Lord High Constable Herzog von Fife, dem Earl Marschall und dem Wappenkönig des Hosenbandordens, stellte denKönigdemvex- sammelten Volke vor mit den Worten: „Hier zeige ich euch den König Georg, den un zweifelhaften König dieses Königreiches. Seid ihr also, die ihr hierhergekommen seid, um die Huldi- gung und eure Pflicht zu leisten, bereit, es zu tun?" Eine Trompetenfanfare und Zurufe: „Gott schütze König Eeor g!" vollzog die Anerkennung. Dann begann der religiöse Teil der Zere monie. Nach der Predigt trat der Erzbischof vor den König und fragte ihn, ob er den Krönungseid leisten wolle. Der König erhob sich, kniete am Hochaltar nieder und leistete mit entblößtem Haupt den Eid auf die Bibel. Dann trat er vor den Krönungsstuhl König Eduards, über den die Lords Rosebery, Cadogan, Crewe und Minto einen Baldachin hielten, und der Erzbischof vollzog die Salbung, der sich die Investitur mit den Insignien d«r königlichen Macht anschloß. Mit den Symbolen seiner Macht be- kleider, bestieg der König nun den Thron zur Krönung. Der Erzbischof sprach ein kurzes Gebet, die Krone wurde in Prozession vom Altar gebracht, und der Erzbischof setzte sie dem König aufs Haupt. In demselben Augenblick setzten alle Peers und die Waffenkönige sich ihre Kronen auf, und die Versamm lung brach in den lauten Ruf aus: „Golt schütze den König!" Trompeter schmetterten, die Kanonen des Towers und die Batterien in den Parks lösten Freudenschüsse, und alle Glocken der Stadt begannen zu läuten. Auf die Krönung folgte die Huldigung. Der König, auf dem Haupt die Krone mit dem berühmten „C u l l i n a n", saß auf dem Thron, umgeben von den Eroßwllrdenträgern des Reiches. Als erster leistete der P r i n z v 0 n W a le s die Huldigung. Er nahm seine Krone ab, kniete vor seinem Vater nieder — die übrigen Prinzen des königlichen Hauses knieten gleichfalls — und leistete den Treueid. Darauf be rührte er die Krone des Königs und küßte ihn auf die Wange. Es folgten die übrigen Peers nach ihrem Range. Nunmehr schritt der Erzbischof von Canterbury zu der Krönung der Königin, die hierzu unter einem Baldachin, der von den Her zoginnen von Montrose, Sutherland, Portland und Hamilton getragen wurde, zu den Stufen des Altars trat. Der Erzbischof salbte die Königin mit dem heiligen Oel, übergab ihr den Ning und setzte ihr die Krone aufs Haupt, worauf sich auch die Pceresses mit ihren Kronen bedeckten. Nach der Spendung des Heiligen Abend mahls stimmte der Chor ein Te Deum an, und die Majestäten zogen sich in die Kapelle hinter dem Altar zurück. Ihre Rückkehr in die Kirche gab das Zeichen zu erneuten brausenden Rufen: „Gott schütze den König", und unablässig sich steigernde Freudenrufe begleiteten das Königspar, bis es die Kirche verlassen hatte. Die Rückkehr nach dem Buckingham-Palast. Durch Whitehall, Trafalgar Square, Pall Mall, St. James Street und Piccadilly kehrte der königliche Zug nach dem Buckingham-Palast zurück, auf der ganzen Feststraße von der versammelten Menge aufs lebhafteste begrüßt. Die Spitze des Krönunaszuges mit den Majestäten, dahinter in kurzen Abständen dem Prinzen von Wales, den anderen englischen und auch den ausländischen Fürstlichkenen erreichte kurz vor drei Ubr wieder den Buckingham-Palast. Wenige Minuten später, nachdem die Majestäten aus gestiegen waren, erschienen sie noch im Krönungsornat auf dem Balkon des Schloßes, von der Menge mit brausendem Jubel begrüßt. Auf der Reede von Spithead hatten alle britischen und fremden Schiffe geflaggt. Alle Schiffe, einschließlich der im Hafen liegenden, und die Landbatterien gaben den Königssalut ab. — An die Sportbelustigungen der Mannschaften aller Schiffe, die nachmittags stattfanden, schloß sich abends ein von der Admiralität gegebenes Bankett in der Marinekaserne an. an dem 1500 Mann der fremden Schiffe und 500 britische Seeleute teilnabmen. Georg V. als deutscher Regimentschef. Der Kaiser bestimmte durch Kabinettsorder, daß das Rheinische Kürassierregiment „Graf Gcßler" lNr. 8) den Namenszug seines Chefs, des Königs GeorgV. von Großbritannien und Irland auf den Epaulettes, Achselstücken und Sckmlterklavpen zu tragen hat. Der Kaiser teilte dies in einem be sonderen Handschreiben dem König von Groß britannien mit. Dieses Handschreiben wurde gestern am Krönungstage dem König durch den deutschen Kronprinzen überreicht. Der Namenszug be steht aus einem verschlungenen ..O Id" und der Zahl „V" und trägt die englische Königskrone. Während die Offiziere das Abzeichen in vergoldetem Metall von maffiv erhabener Arbeit tragen, ist es für die Schulterklappen aus gelbem Tuch ausgcführt. Die Proportionslwshl in Frankreich. Die Debatte über die Wahlreform ist nun mehr in der französischen Deputiertenkammer in ihre entscheidende Periode eingetreten. Nach den vielfachen Manöoern der „Arrondissementiers", der Anhänger der bisherigen Wahlkreiseinteilung, hat die „R. P.", „Reprösentation proportionnelle" (proportio- nelle Listenwahl) die Zustimmung der Regierung gefunden. Man ermattete am Mittwoch in der Kammer mit großem Interesse di« offizielle Erklärung, die Justizminister Perrier verlesen sollte, nachdem bislang Monis eine Stellungnahme vermieden hatte. In der Erklärung, die von den Pro- portionalisten mit stürmischem Beifall, von den „Arrondissementiers" mit Protest ausgenommen wurde, heißt es: „Auf eine erste Frage muß die Antwort gegeben werden: soll der Stgtusguo aufrechrerhalten werden, wenn auch nur provisorisch — das ist nicht die An- sich der Regierung. Wir verkennen nicht die großen Dienst-, die die bisherige Wahl nach Wahlkreisen der republikanischen Sach; geleistet hat, aber die Regie rung kann auch nicht verkennen, daß heute für die Kammer und das Land die Situation anders geworden ist. Ein Stimmverfahren muß von allen Parteien als gerecht angesehen werden; seit drei Jahren ist aber das bisherige Gegenstand der leb haftesten Kritik. Die Existenz starker und deutlich ab gegrenzter Parteien, die mit gleicher Kraft für die einzelnen Teile ihres Programms eintreten, ist die Vorbedingung für die Fortschritte unseres Wahl-