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BezugS-Prei- Mr L«tp»«a and Voiortr durch unser» Iräae, und Eoedtlenr» Liual tii-llch in, vau»-edrachl «0 Gl. »»natU, L7U Vlk. oierieliahrl V«> nnsern Filialen ». Ai»- »ahmeliellen adgehoU 78 Gs. «onatl. rrsml. vurttltUrl. »arch »>« v,l» : innerhald Druilchlano» und der deatschen Nolonirn »„ireliadrl. r.« vik., monaU. 1.VI »ik. a„ichl ^olldellellaelü Fernek tn Bel-ien, Dänemarl. ben Dunauftaaten, Italien. Lniemdura, Xtederlaad«, Nor wegen Österreich. Ungar», N»-la»d, Schweden, Schwei» ». Spante». 2» allen übrigen Staaten nur dtrekt durch die Srichültiltell« d«, Vlotte, «rhültllch. Da, L«tp,lg«, Lagedlan «rlchernt kmal täglich. Sonn- ». Fetenag, n»> »orgrn». Ad onnement^Lnnaüme I,d«»»^«ll» «, bet »nieren Trägern. Frlralen Spedlrearen und Lnnadmestrllen, lowt« Poltämiern »ad Briefträgern. cht»,,l»,rta»t»»r«», -Ui. Morgen-Ausgabe. MpMcr Tageblatt Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rolizciamtes -er Ltadt Leipzig. Lnzekqcn-PreiS fllr Snsernt, an, »i»ip,ta »ad Umgeb»»« »i« tlpalttg» Delir,eil« S«f di« NeNam«- »etl« I NN.: von a»»»ärt» N Pf, Reklamen l-w Mk.. Interat« von Behörde» im amt liche» Teil »N D«tit,eile Sll «l. S«Ichäst^r»geige» mit Platzoorlchrifte» ». t» der Ad«nda»,gade im Preis« erhöht. Rabatt nach Tarif. veUagegedildr Gesamt- a»flaa« L NN. ». Ia»l«nd «rkl. Postgebühr. Tellbeilag« Häher. FefterteUt, Aufträa« können nicht surück- a«»»g«n »erde». Für da. Erscheinen an »«kiimmten lagen und Plätze, wirb kelim Garantie übernommen. Rasigen - Annahme. Iatzamti^ag« S, bei sämtliche» Filiale» ». allen An»»»««»» Erpeditione» de» Ja- and Kurland«» Drn« and Berta« »e» Urip,i««» r»«»- »latt«, G. Goltz. Inhaber: Gant Rürfte». Ridattto» m,» Geschüft^telle: Iohanni,gass« 8. A«»pt»Filiale Lee,»«»: Seeftratz« 4» l (lelephon 4621)^ Nr. 178. Die vorliegende Aufgabe umsaßt 20 LeiLen. Das Wichtigste. * Die für gestern angekündigte Eenervlaus- sperrung in den sächsisch-thüringischen Färbe reibetrieben ist durch erfolgreiche Einigungs verhandlungen vermieden worden. (S. Dischs. Reich.) * Der preußischeLandtag ist am Mittwoch geschlossen wodren. (S. Dtschs. R.) * Dem Kronprinzen Konstantin von Griechenland ist erneut der Posten des General inspekteurs der griechischenArmee über tragen worden. (S. Letzt« Dep.) * Der internationale Seeleute streik nimmt nach den letzten Meldungen ernste Formen an. lS. d. bes. Art.) * Ober-Ingenieur Hirth will am heutigen Donnerstagmorgen bei Tagesanbruch neuerdings von München aus zum Bewerbe um den Kathreiner-Preis starten. (S. Letzte Dep.) Bienerth unü Gautsch. Gleichzeitig mit Frankreich macht auch Oesterreich eine Ministerkrists durch. Für beide Krisen ist verhältnismäßiq rasch die er lösende Formel gefunden. Rasch im Verhältnis zu der Parteienverwirrung und im Vergleich mit früheren Erfahrungen. Aber während an der Seine ein Neuling des höchsten Amtes auf die Bildfläche tritt, schickt Freiherr von Gautsch sich an, zum dritten Male das Staatsruder zu lenken. Freiherr von Bienerth war nicht der Mann, die letzten Möglichkeiten zu versuchen. Nach allgemeinem Urteil stand weder der böh mische Ausgleich noch gar die Aussicht des Re krutengesetzes hoffnungslos, als er das Abge ordnetenhaus auslöste. Die Neuwahlen haben ja seine Erwartungen mehr als getäuscht. Trotz dem waren mehr Verschiebungen der bisherigen Mehrheitsparteien als eine eigentliche Schwä chung, die die Arbeitssähigkeit des Reichsrates wieder in Frage gestellt hätte, eingetreten. Der zurückeroberten Führerschaft des deutschnatio nalen Verbandes, insonderheit seiner deutsch- sreiheitlichen Gruppe, mutzte Rechnung getragen werden: das war alles. Herr von Bienerth hat keine Lust gehabt, umzulernen. Eine auf Schrauben gestellte offiziöse Erklärung scheint den Sinn zu haben, datz seine persönlichen Gefühle ihn hindern, seine Sache von der besiegten christlich-sozialen zu trennen. Hatte er das geringste von einem Aemter- Kleber, so stand ihm der Versuch einer Regie rung ohne Weiskirchner und Elombinski noch völlig frei. Er selber hat den Bann seiner bis herigen Beziehungen stärker empfunden. Wir Reichsdeutschen können uns in solche konstitu tionelle Uebergewissenhaftigkeit schwer hinein versetzen. Sein künftiges Wiederkommen hat Bienerth durch sein ausdrückliches Bekenntnis zu einer einseitigen Partei-Richtung jedenfalls bedeutend erschwert; so hoch auch die Deutsch freiheitlichen dem bisherigen Ministerpräsidenten sein treues Festhalten an dem Prinzipe an rechnen, datz man niemals Unterstützungen der Nichtdeutschen durch nationale Zugeständnisse erkaufen dürfe. Freiherr von Gautsch dagegen gehört der Reserve-Formation der gewesenen Staatsmänner an, die sich ständig im Bedürfnisfalle zur Ver fügung halten. Zum ersten Male wurde der ehemalige Unterrichtsminister in Zisleithaniens schwerster Stunde an die Spitze der Geschäfte berufen; in jener Stunde, die den Volksstamm des Kaiserhauses, die stärkste und durch Jahr hunderte führende Nation des Reiches, die Deutschen, in einer zum Stratzenaufruhr gesteiger ten Feindschaft gegen die Regierung erblickte; die Deutschen als Volk, nicht eine Partei der Deutschen, wie 1848. Herr v. Gautsch sollte das Fieber heilen, das Badenis Kurpfuschereien entzündet hatten. Wie gefährlich der Zustand geworden war, zeigte, daß auf die Nachricht von seiner Ernennung an Stelle der sich augen blicklich beruhigenden Deutschen, die sich nun getäuscht wähnenden Tschechen losschlugen und die Verkündigung des Standrechtes herauf beschworen. Sein kräftiges Zugreifen ver schaffte ihm den Ruf des „starken Mannes", und einen solchen behält man immer gern zur Disposition für künftige Möglichkeiten. Auf parlamentarischem Gebiete find ihm Oonnersmg, üen LS. Juni lSN. demgegenüber keine Lorbeeren erblüht. Ging sein erstes Kabinett sehr schnell im Strudel des Kampfes um den ungarischen Ausgleich wieder zugrunde, indem es einem Ministerium Graf Thun, einem wenig verdienten Neu-Aufgusse des Systems Badeni, Platz machte, so fällt seine zweite Amtstätigkeit in oen Streit um die Wahlreform hinein. Aber auch in diesem blieben ihm greifbare Erfolge, blieb ihm die Vollendung seines Werkes versagt. Freilich, wer sein Urteil nicht sklavisch vom Ausgange abhängig macht, mutz anerkennen, datz v. Gautsch es war, der die Grundlinien des Reform gesetzes gezogen hat. 2hm ist zu verdanken, datz von entscheidender Stelle des Grund satz des allgemeinen gleichen Wahlrechtes aner kannt wurde, und wenn er auch die unsagbar schwierige Abgrenzung der Wahlkreise nach nationalen Rücksichten im einzelnen nicht bis zur leidlichen Befriedigung aller streitenden Teile durchzuführen vermochte, so ist doch auch die Findung jener allgemeinen Formel sein un bestreitbares persönliches Verdienst. Sein Schick sal scheint ihn auf den weniger dankbaren als wichtigen Posten eines Vorläufers zu poli tischen Taten hinzustellen. Wird es auch dieses Mal so kommen? Wird es auch dem zum dritten Male Minister Ge wordenen nicht gelingen, seinen Namen mit dem Abschluffe einer bedeutsamen Aufgabe, eines bemerkenswerten Fortschrittes zu verknüpfen? Man kann es nicht voraussehen. Den bis herigen Kabinetten des Herrn von Gautsch haftete der Charakter des Provisoriums von vornherein an. Es waren Beamtenkabinette, verfassungsmässig in Oesterreich gestattete, aber nicht, nach deutsch-preußischem Muster, als Regel ! gedachte Formationen. Das neue trägt diesen Zug in noch verstärktem Matze. Die beiden einzigen Vertreter parlamentarischer Gruppen, die das meist auch unparlamentarisch zusammengesetzte Ministerium von Bienerth bis zuletzt behalten hatte, sind aus geschifft, noch ehe der Chef von Bord ging. Namenlose Sektionschefs sollen die nächsten Monate an den Wirkungsstätten der Herren Weiskirchner und Glombinski walten. Aber auch Bienerth hat sein Veamtenkabinett wieder holt Parlamentariers und wieder entparlamen- tarisiert. Ein festes Prinzip wird man auch jetzt nicht befolgen wollen, am wenigsten der neue Vorsitzende, der so gar nichts vom Prinzip menschen an sich hat. Sein nächstes Ziel ist ja auch ein rein for melles: Bildung einer Regierungsmehr heit, einer festen, wie des Scheidenden Ab schiedswort betont. Und zwar wird an sie dieses Mal der grotze Anspruch gestellt, datz sie wenigstens zwei volle Drittel des neuen Hauses umfassen mutz: so verlangt es die Ver- faffungsvorschrift für das Zustandekommen der Rekrutenvorlage. Wenn allerdings die aus der Regierung ausgeschaltete christlich-soziale Partei sich jetzt grollend zur Seite stellt, wie ihre ersten Kundgebungen vermuten lassen, dann ist die Möglichkeit einer qualifizierten Mehrheit sehr erschwert. Handelte es sich nicht gerade um eine Wehrfrage, so konnte an einen Ersatz der Deutsch-Klerikalen durch die Sozialdemokratie gedacht werden, die sich dem neuen Minister präsidenten freundlicher gegenüberstellt als dem alten. Dieser löste den Neichsrat auf, um sie zu „töten", während jener ihr durch das all gemeine Wahlrecht den Boden zu parlamen tarischer Bedeutung geebnet hat. Vor allem mutz natürlich mit den Tschechen ein Abschluß des böhmischen Ausgleiches erreicht werden. Von der Arbeitsfähigkeit des böhmischen Landtages hängt nach wie vor die des Reichs rates in hohem Matze ab. Aber diese Aufgabe hat eine verzweifelte Ähnlichkeit mit der Quadratur des Zirkels. Verläßt Gautsch den Grundsatz Bienerths, nationale Zugeständnisse um politischer Bedürfnisse willen auszuschlietzen, so verliert er die gute Gesinnung der Deutschen, die dem sehr gemäßigt konservativen Manne bislang die sicherste Grundlage seiner parla mentarischen Arithmetik ist. Lin übler Schlich. * I Berlin, 28. Juni (Prio.-Tel.). Drei Sitzungen und keine ordnungsmäßige Be ratung, sondern nur ein gewaltsamer Schluß! Nach dreimaligem vergeblichen Anlauf zu sachlichen Ver handlungen und nach Ausnutzung einiger parlamen tarisch taktischer Mittelchen, hat die Königliche Ver tagungsorder den Lebensfaden des preußischen Land tags abgeschnitten. Schon gestern wurde die Be schlußfassung über die Wahlrechtsfrage durch tak tische Listen gestört. Damals durch die Konser vativen, sie stimmten erst für eine möglichst radikale Formulierung der fortschrittlichen Anträge, um diele selbst dann abzulehnen. Zweifellos besteht rm Ab geordnetenhaus eine Mehrheit für das geheime und direkte Wahlrecht, aber eben durch solche Mitt l sollte verhindert werden, daß der Wille des Par laments zum Ausdruck kam. Das Vorgehen widerspricht so sehr dem Sinn und Zweck des Parlaments, es macht die Verhandlungen so sehr zur Farce, da» selbst gegen eine nur zur Revanche geübte Anwen dung dieses Mittels die schwersten Bedenken be stehen. Sachlich war heute die Gemeindeordnung für die Nheinprovinz von Bedeutung. Das Zentrum wünscht nicht das Zustandekommen dieses Gesetzes, und die Konservativen leisten ihm dabei Hilfe. Bei der Beratung dieses Gesetzes hatte das Zentrum vor einigen Tagen das Mittel angewandt, bei der Ab stimmung über einen eignen Antrag aus dem Sitzungssaale zu gehen, und so die Beschlußunfähig keit des Hauses heroeizuführen: also Obstruktion in offenster Form. Heute stand man wieder vor dem Antrag, der an Stelle der Ernennung der Land bürgermeister die Wählbarkeit will, und ^>as Zen trum wiederholte fern Verfahren: Es verließ den Saal und machte das Haus so beschlußunfähig. Die Sitzung konnte nicht fortaeführt werden, und der Präsident beraumte für 5 Minuten tpäter eine neue Sitzung an, setzte aber die Lanogemeindeord- nung nicht mehr auf die Tagesordnung. Dies ließ sich die Minderheit nicht gefallen und drückte ihren Widerspruch nach Eröffnung der Sitzung in einer Geschäftsordnungsdebatte aus. Natürlich be teiligte üch die Sozialdemokratie durch den Abg. Hosinann an dem Widerspruch, aber die Führung kam nicht dieser Partei zu. Sie war von dem rechts stehenden National liberalen von Campe über nommen und auch derFührer derF reikoniervativen Freiherr von Zedlitz empfahl, die Bedenken der Minderheit zu achten, die sich formell darauf stützen, daß nach der Geschäftsordnung die Tages ordnung gedruckt vorliegen muß. Präsident von Kroch er und die Deutsch - Konservativen ließen sich nicht raten, sondern drängten zur Abstimmung darüber, ob die Sitzung ein berufen worden sei. Die Linke war der Ansicht daß eine Frage, die in der Geschäftsordnung geregelt ist, nicht einfach durch Mehrheitsabstimmung anders entschieden werden könne, und hielt das gegnerische Verfahren für illoyal. Daher betrachtete sie es als erlaubt, in diesem Punkte das von der Gegenseite eingeführte Mittel auszuüben: Sie beantragte namentliche Abstimmung über die von dem Präsi denten gestellte Frage und verließ dann ihrerseits den Saal. Damit ward auch für diese Abstimmung Beschlußunfähigkeit herbeigesührt. Die nach etwas größerer Pause beginnende dritte Sitzung sah wiederum eine erregte Geschäfts- ordnungsdebatte. Ein nationalliberaler Abgeord neter stellte fest, daß von der Tagesordnung nun mehr auch die Eingemeindung von Vohwinkel in Elberfeld von der Tagesordnung verschwunden sei. Während dieser Redner sich mit dem Ausdruck des Bedauerns begnügte^ fuhr der Freisinn jetzt schweres Geschütz auf und zweifelte die Recht mäßigkeit auch dieser Sitzung an. Die weitere Erörterung wurde durch Abg. von Pappenheim lKons.) abgeschnitten, der die Vertagung beantragte. Im Handumdrehen war demgemäß durch die Rechte und das Zentrum beschlossen. Eine kurze Wendung des konservativen Redners, worin er der bürger lichen Linken den Vorwurf machte, sie stände unter der geistigen Leitung des Herrn Hoffmann, verhin derte aber ein ruhiges Auseinandergehen, abgesehen davon, daß nunmehr Tag und Stunde der nächsten Sitzung zu bestimmen war, wofür ein fortschrittlicher Antrag Freitag, 11 Uhr, verschlug. Von freikonser vativer Seite wurde entschieden Verwahrung da gegen eingelegt, daß ein Teil der Linken unter Führung des Abgeordneten Hoffmann stehe. Der Kampf tobte noch weiter, als dem Präsidenten von Kröcher ein Schreiben des Ministerpräsiden ten überreicht wurde, das für nachmittags 5 Uhr eine allerhöchste Botschaft ankündigte. Al>o Schluß des Landtags durch Königliche Order! Wieder war es ein rechtsstehender Nationalliberaler, Lohmann, der sich nun über das Ver fahren des Präsidenten beschwerte und der lebhaften Mißstimmung darüber Ausdruck gab, daß die Minderheit nicht rechtzeitig über die grundlegenden Geschäftsdispositionen unterrichtet werde, sondern auf Anfrage beim Präsidenten gar keine oder falsche Auskunft erhalte. Wieder suchte der freikonservative Führer von Zedlitz die schroffen Gegensätze zu mildern, indem er erklärte, daß auch mit seiner Partei über den Schluß der Session nicht verhandelt worden sei. Der von dem gleichen Redner ausgesprochene übliche Dank an den Präsidenten für die Geschäftsführung fand aber diesmal nur Zustimmung ans der rechten Seite, und Herr von Kröcher unterließ es, die sonst übliche Ant wort darauf zu erteilen. Bei ungeminderter Schärfe der Gegensätze schloß die Sitzung. Der feierlichen Schlußsitzung beider Häuser wohnten von den Nationalliberalen und Fortschritt lern nur ganz wenige bei. Den Vorsitz übernahm der Präsident des Herrenhauses Freiherr von Man teuffel, der wegen feines leidenden Zustandes, auf beiden Seiten gestützt, in den Saal geleitet wurde. Inzwischen waren die gesamten preußischen Minister mit Ministerpräsident von Bethmann Holl weg an der Spitze aufmarschiert. An der Schließungsorder des Kaisers interessiert das Datum; es war von Eckernförde, den 28. Juni. So hat das Ende der Session den Gegensatz der bürger lichen Parteien neu aufflammen sehen. Gerade solche Mitglieder der Nationalliberalen, deren ge mäßigte politische Gesinnung und deren abwägende Denkweise bekannt ist, haben den Eindruck gewonnen, daß die Mehrheit ihre Macht in unloyaler Weise ausnutzt und auch auf freikonserva» tiver Seite hat man Bedenken gegen deren Vorgehen gehabt. Die gemeinfame Arbeit der Session hat eine Annäherung nicht herbeigesührt; am Schluffe standen sich vielmehr die parlamentarischen Vertreter der Parteien schroffer als je vorher gegenüber. los. Jahrgang. Skizzen von üer Kieler Dache. Eigenbericht des Leipziger Tageblattes. IV. I'r. D. Kiel, 25. Juni, vivace. Gestern war Margareteittag, und in ganz Kiel waren junge Mäochen und Frauen auf den Füßen, um alles, was da lebt, mit Margareten zu dekorieren. .u zu entgehen, war unmöglich, auf dem Wege nach dem Begleitdampfer zur Sonderklassen- Negatta waren die Wohlrätigkeitsweiblein sogar so dicht ausgeschwärmt, daß sie einander Konkurrenz machten. Selbst an Bord des Dampfers war mau vor ihnen nicht sicher. Da war es heute doch gemütlicher. Das war ein ander Ding als am Freitag. Ein prächtiger, frischer Südwestwind. dazu blauer Himmel mit nur ver einzelten Wolken, und lachender Sonnenschein. Da kam denn auch die echte Regattastimmuug wieder durch, und die Dampfer, die den Verkehr zwischen den einzelnen Plätzen an der Kieler Vinnenförde ver mitteln. waren so vollgepfropft mit lebender Fracht, daß man meinte, sie müßten aus den Nähten platzen. Die Dampfergesellschaften müssen unheimliche Ge schäfte gemacht haben. Die Anfahrt der Iächt en zum Start bot ein unvergleichlich schönes Bild: auf der Außen förde, unmittelbar vor Laboe, sah man die vier großen Jachten der .V-Klasse, „Meteor", „Hamburg", „Germania" und „Waterwitch", neben ihr die nur als Regattabummlerin fungierend« „Iduna", un weit davon den „Nordstern", „Komet" und „Orion", alle drei einstmals den Namen „Meteor" führend und im Besitze des Kaisers. „Familientag im Hause „Meteor"", meinte ein Witzbold. Etwas weiter zu rück tummelten sich noch die kleineren Klaffen; Be- gleitdampser waren in großer Zahl vertreten, auch mehrere Dampfjachten erschienen, und ernst und ruhig zog, nach dem Nordostseekanal steuernd, ein großer Dampfer mit Holzladung an Deck seine Bahn. Der Strand von Laboe war bis nach Stein hinaus dicht mit fröhlich plaudernden Menschen bedeckt: eine Marinekapelle ließ vor einem der Hotels am Strande ihre schmetternden Weisen ertönen, und alt und jung vergnügte sich damit, ohne Strümpfe und Schuhe im lauen Scewaffer zu waten. Das Ganze war ein so frisches, lebhaftes Bild, daß nur Pinsel und Palette es einigermaßen getreu wiedergeben können. Selbst die Photographie versagt, und die Feder vollends kann die Reize des farbenfrohen Anblicks auch dann nicht annähernd schildern, wenn auch aufrichtiges Interesse und Freude von Wassersport sie beschwingen möchte. Krachend hallt um s4l2 Uhr der Dorbereitungs schuß vom Nichterdampfer über das Wasser. Die großen Jachten kreuzen mit fliegenden Schoten an der Startlinie, hell glänzen die weißen Segel im Sonnenschein. Bum! Der Abgangsschuß. Im Nu sind Schoten dicht angeholt, unter dem Druck der frischen Brise blähen sich di« Segel und stehen im nächsten Augenblick stramm, dann geht es in flotter Fahrt auf die Außenförde hinaus, auf Bulk-Feur- schiff zu. Vom Startdampfer weht die gelbe Flagge, nach dem Passieren des Feuerschiffes soll also zu nächst der östlich davon verankerte Markdampfer an gesteuert werden, dann geht es in einem Winkel von ch) Grad nordivestlich in die Förde hinaus nach dem zweiten Markdampfer, und dann sind die letzten vier zehn Seemeilen bis zum Ziel bei Laboe von den Jachten kreuzend znrückzuleqen. Die Aufgabe ist diesmal glücklicher gestellt als am Freitag: heute gilt es zeigen, was man kann; denn reichlich 25 Kilo meter unmittelbar gegen den frischen Südwest anzu kremen. das will etwas heißen. Einstweilen haben die Jachten es bequem, bis Bulk-Feuerschiff können sie platt vor dem Winde laufen, und bringen denn auch bald alle Leinwand auf, die sie haben, so daß sie wie in einer weißen Wolke gehüllt aussehcn und sich von der durch die verschiedenen Lichteffekte in allen Farben, von dunkelblau bis hellgelb erstrahlenden Wasserfläche unvergleichlich schön abheb«n. Bald nach dem Start nimmt „Meteor" die Führung, dicht bei ihm liegt „Germania", dann „Hamburg", und etwa in gleicher Höhe „Waterwitch". Die Reihenfolge bleibt zunächst auch die gleiche; keiner kann dem Konkurrenten et was abqewinnen. Ein interessantes Duell zwischen Hamburg und Bremen entspinnt sich in der nächsten Klaffe, wo „Paula" und „Sophie Elisabeth" miteinander Bug an Bug liegen und schleunigst Spinnaker ausbringen, um die günstige Brise voll auszunützen. Die Bremerin führt, „Paula" hat anscheinend Havarie am Spinnaker, denn man sieht wiederholt, wie er unklar wird und flab- bert; das Boot wird aber sehr geschickt geführt, denn trotz dieses Mißgelchicks gewinnt „Paula" d«r „Sophie Elisabeth" die Luvseite ab und schiebt sich hart an ihrer Konkurrentin vorbei, so daß es aus sieht, als werde Hamburg siegen. Die Voraussage erfüllt sich nicht, wie hier gleich bemerkt sei, auf der Kreuztour holt das Bremer Bost das verlorene Terrain wieder ein, schlägt die Hamburger Rivalin glänzend und gewinnt damit den vom Großherzog von Oldenburg gestifteten Preis. Auch in der großen Schunerklasse hat sich im Laufe der Regatta die Reihenfolge geändert, „Meteor" liegt aber immer noch vorn und ge winnt beim Kreuzen andauernd weiteren Vorsprung. Hinter ihm kommt „Germania", etwas zurück „Waterwitch" und dicht hinter dieser di« „Hamburg". Jetzt kommt der letzte Schlag! Noch einmal geht „Meteor", auf dem man den Kaiser selbst am Ruder stehen sieht, kurz vor dem Ziel über Stag, dreht elegant durch den Wind und passiert um 2 Uhr 57 Minuten mit 10 Minuten Vorsprung vor der „Germania" die Ziellinie, von drei brausenden Hurras von den Begleitdampfern begrüßt, und die selbe Ovation wiederholt sich, als der Kaiser in seiner Freude über den errungenen Sieg das Ruder noch mals überlegt und den „Meteor" dicht an den an deren Begleitdampfern passieren läßt. Dann segelt die Jacht ein und g«h7 bei Möltenort zu Anker: der Kaiser geht auf den „Sleipner" über und beobachtet von ihm aus am Ziel das Hereinkommen der andern