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bette 2. Nr. 139. Morsen»Nusgave. Leipziger Lagevtatt. MMwoltz. 18. Msrr 1914. Der Rücktritt -es Zinanzministers EaiUaux. Zu den Einzelheiten der verbreä-erischen Tat der Fran Caillailx, über die wir in der gestrigen Abendausgabe ausführlich berichteten, ist nicht viel Neues hinzugekommen. Dagegen ivird der Rücktritt des Herrn Caillanx bestätigt. Es ivird gemeldet: Paris, t7. Mär; Alte Versuche, Taillaur zum Bleiben zu bewegen, sind vergeblich gewesen. Das Ministerium mußte sich selbst sagen, daß die Volks stimmung seinen Abgang verlangt. Sein Rücktritts gesuch wurde angenommen. Infolgedessen ist ein« Aenderung in der Besetzung der Posten eingetroten. Er wird ersetzt durch den Minister des Innern Renoult. Das Portefeuille des Innern über- nimmt der Handelsminister Malvy, das Handels ministerium der bisherige Unterstaatssekretär Peret. Bor Beginn der Ministerratssitzung, um >0 Uhr vormittags, hatte der Ministerpräsident Doumerguc eine einstündigc Unterredung mit dem Präsidenten Poincarä im Elyjöe. Ein Teil der Pariser Presse erwartet den Rücktritt des ganzen Ministeriums. Es scheint aber, als sei Donmergue im Einverständnis mit dem Präsidenten entschlossen, seinen Platz zn be haupten. Er erwartet, einen Umschwung in der Polksstiminung, die im Augenblick noch ganz unter dem Eindruck des Verbrechens stehl, dein Ealmette zum Opfer siel. Einige Blätter haben den Mut, das Vorgehen Ealmcttes gegen Eail- lau) scharf zu vernrtcileu. Aus jeden Fall ist in die politische Lage eine neue Verwirrung getragen, und die Folgen sind schwer Voraus zusehen. f>oMilette Uebersiettl Vas Zentrum unü -er großpolnische Kirchens kan-al in Serlin. Uebcr die polnische,! Ausschreitungen in der Ber liner Paulustirchc oeroffcntlicht die „Germania" sehr bemerkenswerte Auslassungen. Abgesehen davon, das; das Berliner Zentrumsblatt aus Grund der kirchlichen Vorschriften die Unerfüllbarkeit der polnischen Forderung, die l»ctciligten Binder zur Erstkommunion zu;nlasscn, einwandfrei nachweijt, liefert es mich den unumstößlichen Beweis der Ucbrr- slügigkeit eines polnischen Bommunionsunlerrichts. Denn nach oem Zeugnis der Gemeindeschuldirektoren sind die polnischen Binder einerseits die besten deutschen Schüler und erhalten andererseits ihre sämtlichen religiösen Begriffe im deutsch erterl- ien Religionsunterricht. Unter solchen Umständen ist es lediglich der Ausflug g r o g p o l n i j ch e r Mache, wenn in einer Polenvcrsammlung der fol gende, gleichfalls von der „Germania" mitgcterlte Beschlug gesagt wurde: „Wir versprechen und schwören, daß wir unsere Binder niemals anders als in unserer polnischen Muttersprache zum Empfang der hl. Bommunion zulasscn werden." Auf Grund dieses Beschlusses haben die Polen die Auftritte vom Sonntag planmäßig vorbe reitet. Mil aber svstem in dem polnischen Vor gehen liegt, schreibt die „Germania" treffend: „Die Blage ist nicht von gestern, das; die radi kalen Elemente unter den Polen den Katholizis- mus und den katholischen Rainen für ihre politischen Zwecke missbrauchen, und es sind auch nicht nur deutsche Balholiten^ die im Interesse der katholischen Buche immer wieder warnend und bittend ihre stimme hoben haben, um die Polen Deutschlands zu einer vernünrtigen Wahrung ihrer Interessen zu bewegen und von der unausbleiblichen Schädigung des Ansehens der katholtzciren Kirche und des katholischen Rom:ns zurückzuhaltcn. Schrecken doch leider nicht wenige polnische Blätter nicht davor zurück, die deutschen Geistlichen und Bischöfe verächtlich zu machen und zu besudeln, Hetzen in ihnen nur die „Germaniia- toren in der Soutane". Welche Früchte diese syste matisch betriebene Hetze, die nur po litische Ziele verfolgt, zeitigt, das mag die Polen das Schandmal lehren, das sie sich am gestrigen Sonntag in Moabit ausgeprägt haben." Die Auffassung des Berliner Zentrumsblattes deckt sich, wie man sicht, in wesentlichen Punkten mit unseren obigen Darlegungen. Wenn nur das Zen trum endlich einmal daran dächte, aus solckren Er fahrungen die Konsequenzen zu ziehen Der Gehelmratstitel für Richter und Venvaltungsbeamte. lieber Ungleichheiten in der Verleihung des tHeheimratstitelS an Richter und Verwaltungs beamte ivird der „Inf." von unterrichteter Seite geschrieben: Schon seit langem wird in den Kreisen der preußischen Richter die Behandlung der Ver leihung deö GehcimratstitelS als ungleich und ungerecht empfunden. Es hat sich gezeigt, daß die Richter den entsprechenden Titel „Ge heimer Iustizrat" weit später erhielten als die höheren Verwaltungsbeamten. Das wird in richterlichen Kreisen mit Recht als eine ganz ungewöhnliche und durch nichts gerecht fertigte Bevorzugung der Vcrwaltungobeamten angesehen. Daß es sich hier nicht etwa um müßige Klagen und Titelschmerzen handelt, geht aus einer unlängst im „RcichSanzciger" ver öffentlichten Liste der Ernennung aller preußi schen Regierungsräte zu Geheimen Regierungs räten hervor, die ein Dienstalter als etatmäßi ger Rat aus dem Jahre 1899 besaßen. Aus ihr ist zu ersehen, das; sic 11 bis 12 Jahre frü her den (^cheimratstitcl erhielten als die Rich ter. Es ist aber nur gerecht und billig, keiner lei unterschiedliche Behandlung in der Titclfrage bei beiden Bcamtenklassen vorzunchmen, da Rechtsprechung und Verwaltung für den Staat gleich wichtig und unentbehrlich smd. Behält inan schon solche Äußerlichkeiten wie Titel und dergleichen bei, so muß unbedingt gefordert wer den, daß Richter und BerwaltungSbeamte in dieser Beziehung völlig glcichsteheni Kann man sich an maßgebender Stelle nicht zu dieser Auf fassung bekennen, so erhält die Frage erneute Be rechtigung, ob man nicht am besten durch ein Reichsgesetz die Verleihung von Orden und Titeln an Richter gänz lich vussch ließe. Damit wäre allen un angenehmen Reibungen und berechtigten Kla gen die Spitze abgebrochen. Heer un- Zlotte. Niedergang im französischen, Aufschwung im deutschen Flugwesen. Ganz unverkennbar kann man die stetig steigende Ueberlegcnheit des deutschen Flugwesens gegenüber der franMschen Aviatik konstatieren. Tag für Tag schaffen unsere Flieger immer großartigere Leistungen und entreißen ihren französischen Kollegen alle und jede Rekorde. Bereits heute befindet sich Deutschland im Besitz fast aller Weltrekorde auf dem Gebiet des Flugsports. Während so unser Fliegerpersonal an die erste Stelle rückt und sich Bewunderung und Achtung der ganzen Welt gesichert hat, nimmt auch Hand in Hand damit der deutsche Flugzeugbau einen gewaltigen Aufschwung, so daß man ohne Uebcr- treibuirfKM>" etklcin Wettsieg des deutschen „ichwerkn Flugzeugs" sprechen darf. Die glänzenden Flüge unserer Piloten haben den Beweis erbracht, daß sich das deutstyc Prinzip iM Flugzeugbau gegenüber den Grundsätzen des Auslandes siegreich durnmrsctzt hat. Die „schwere deutsche Maschine" war lange noch bis in die letzte Zeit hinein ein Objekt französischen Spottes, und auch in Deutschland selbst waren die Stimmen in der Ueberzahl, die behaupteten, die deutsche Flugtechnik sei auf einem Irrwege, denn allein der Besitz der kleinen, leichten Sportmaschinc gäbe den sranzösiscl^en Fliegern die Möglichkeit zu ihren staunenswerten Leistungen. Dieser allgemeinen Anschauung entsprechend war auch der Absatz der deutsck>en Flugzeugfirmcn auf dem Weltmarkt ver hältnismäßig recht gering. Heute, da der deutsche Flugzeugbau gezeigt hat, daß er in all und jeder Be ziehung das Höchstmal an Leistungen erreicht hat, sind diese skeptiscknm Stimmen verstummt. Wo früher allein die französische Flugmaschine lauschte, da muß diese heute zurücktrctcn vor der gediegenen, sachlichen, den höchsten Anforderungen genügenden deutschen Flugzeugkonstruktionen. Bereits die größten Staaten sind dazu übergegangen, dank der besonderen Vorzüge der deutschen Maschinen, solche für ihr Heer anzu kaufen und in Gebrauch zu nehmen, allen voran England. Die deutsche Flugmaschine beherrscht heute die Welt, denn wir finden sie in China, Japan, Rumänien, Bulgarien, in der Türkei ebensogut wie in Amerika. Dem gegenüber offenbart sich aus der anderen Seite der ständige Rückgang der französischen Flugzeuge aus. Verschiedene bedeutende französische Flugzeugkonstrukteure Haden ihre Betriebe einstellen müssen, da der geringe Absatz ihrer Fabrikate kaum noch die Betriebskosten zu decken vermochte. Die französischen Flugzeugwerke hatten sich in ihren über- tricbenen Hoffnungen auf große, serienweise Fabri kation eingerichtet und naturgemäß bedeutende Ka pitalien in ihren Werkstätten investiert. Der er wartet« Absatz blieb aus und mußte ausbleiben. Denn die französische Heeresverwaltung, die eine sehr hohe Anzahl von Flugzeugen erwarb, konnte ja un möglich die unzähligen, täglich neu auf den Markt gebrachten Flugzeugtypen samt und sonders für die Armee ankaufen. Sic mußte sich vielmehr, wie das auch von seiten der deutschen Heeresverwaltung ge schieht, mit einer beschränkten Anzahl von Typen be gnügen, die für militärische Zwecke besonders ge eignet waren. So ergab sich ganz von selbst die Be vorzugung einer nur beschränkten Anzahl von Fabrikanten, und von dem Bedarf an Sportmaschinen konnten natürlich die Firmen nicht die Aufrecht erhaltung des Betriebes geschweige denn einen Ge-, winn erhoffen. In Deutschland vollzog sich die Ent wicklung viel ruhiger und stätiger. Niemals war hier das Angebot größer als die Nachfrage. Bei uns trat an die Stelle der überstürzten Entwicklung ein langsamer und planmäßiger Ausbau des Flugwesens und des Flugzeugbaus, der erst jetzt die sck)önsten Früchte trägt. Man wird sich in Frankreich mit der Tatsache abfindcn müssen, daß auch auf dem Gebiete des Flugwesens langsam aber sicher die Vorherrschaft auf Deutschland übergeht. L Deutsches Reich. * Die „Leipziger Volkszeitung" scheint einen grundstürzenden Gesinnungswech el vorzuhaben. Im Anzeigenteile ihrer Ausgabe vom 17. März ver öffentlicht sie eine Bekanntmachung des Astoria-Ltcht- fpielhauses, in der als neuester Film angekündigt wird: „Bismarck, Bilder aus dem Loben des großen Kanzlers". Das gesinnungs tüchtige sozialdemokratische Blatt fordert allo rm Anzeigenteil seine Leser auf, sich im Filmtheater Bilder aus dem Leben des „großen Kanzlers" anzu sehen, den es in seinem politischen Teil jederzeit, wenn's paßt, auch heute noch, beschimpft. Wir trauten unsern Augen kaum. Können es die Ebelmarxisten wahrhaftig verantworten, ihren zielbewuß en inter nationalen Jugend- und Dolkserztehern so furchtbar ins Gesicht zu schlagen, und den Besuch lolcher „nationaler" Schaustellungen zu empfehlen? „Wehe, dreimal wehe über diese echt kapitalistische Profit wut der „Leipziger Volkszeitung",,! wird Rosa Luxem burg seufzen. Aber nicht nur der „Seelenvergiftung" macht sich das Leipziger Sozialistendlatt schuldig: cs ist auch der materiellen Unterstützung gut nationaler Bestrebungen dringend verdächtig. Die Vorführung des Bismarckfilms erfolgt „zum Besten des Vismarck-Nationaldenkmals bei Bingen a Rh." Die zahlreichen „Genosfengroschen" sollen also nicht zur Verherrlichung irgendeines Parteigewaltigen des Zukunftsstaates verwendet werden, sondern des — schaudervoll, höchst schaudervoll! — „großen Kanz lers". Ist es nicht die höchste Zeit, daß gegen diese „Fäulnis" Heilmittel wirkiamster Art angewandt werden? Wo endet die sozialdemokratische Iugend- »„iohlmg -wcrm. solchc E"ZvsMtznacn selbst in; rahi- totsten Orgasi der ParGl^veroffesttncht werden? Allg. Ztg." schreibt: Nachträglich ist uns eine Aus lassung des Schriftstellers Hans Leuß über seine Verurteilung wegen Beleidigung Seiner Kaiser!, und Königl. Hoheit des Kronprinzen zur Kenntnis ge kommen, in der es u. a. heißt: Unmittelbar vor der Verhandlung erschien im Gerichtshause vor dem Terminzlmmer der Abgeordnete v. Malt; ahn, der bekanntlich jetzt dem Kronprinzen zugeordnet ist. In der Verhandlung war er nicht anwesend. Er ließ sich aber vorher bei dem Vorsitzenden der Strafkammer melden. Die Umgebung de» Kronprinzen hat also durch Herrn v. Maltzahn ein unmittel- baresInteresse an diesemProzeß gezeigt und es dem Vorsitzenden gegenüber zum Ausdruck gebracht. Auf Grund der von uns eingezogenen Erkundigungen können wir demgegenüber feststellen: „Ls ist unwahr, daß Frhr. o. Maltzahn sich vor oder während der Verhandlung beim Vor sitzenden der Strafkammer habe melden lasten. Ebenso unwahr ist die Behauptung, daß die Umgebung oes Kronprinzen dem Vorsitzenden gegenüber irgendwie ein Interest« an dem Aus gang des Prozesse» zum Ausdruck gebracht hätte." * Eine Denkschrift über die sozialpolitische Gesetz gebung wird derzeit im Reichsamt des Innern aus gearbeitet. In ihr wird ein großer Abschnitt auch der Tätigkeit der Gewerbeaufsichtsbeamten gelten. * Zum Befinden de» Grotzherzog» »on Mecklen- burg-Strelitz. Die „Landeszeituna für beide Mecklen burg" veröffentlicht folgenden Hofbericht: Se. Königliche Hoheit der Großberzog hatten nach der Operation «ine verhältnismäßig ruhige Nacht. Das Befinden des hohen Patienten ist sehr gut. Die Temperatur ist normal. Groß herzogliches Hofmarschallamt. (gez.) von Yorry. * Verhaftung «ine» russischen Offiziers. Am 2ö. Februar ist in Köln ein russischer Offizier namens Poljakow auf die Anzeige eines Arbeiters hin unter dem Verdachte des Diebstahls verhaftet und trotz seines Einspruchs zehn Tage lang festgehalten worden. Er reiste nach Berlin und erhob bei der russischen Botschaft Beschwerde. Der Reichskanzler ordnete eine Untersuchung an. Von Spionage kann, wie es heißt, nicht die Rede sein, Kapitän Poljakow war im Auftrage der russischen Regierung in Elbing, um die Lieferung von Turbinen für russische Torpedo boote von der Schichau-Werst zu übernehmen. Um die Arbeiten zu beschleunigen, war er nach Düssel dorf gefahren, wo die Maschinenteile hergestellt wer den, und hatte einen freien Tag zu einem Abstecher zum Kölner Karneval benutzt. Dort erfolgte die Verhaftung. Die Gefängnisbehörden sollen ihn ge hindert haben, die russische Botschaft anzurufen. — Die russischen Blätter führen wegen des Vorganges eine gereizte Sprache, es ist aber zu erwarten, daß die peinliche Sache bald beglichen sein wird. * Die hessische Erste Kammer beschäftigte sich am Diensiag mit der Rückäufterung der Zweiten Kam mer zur Besoldungsvorlage. Der Re erent Fürst zu P.enburg-Birstein gab einen Rückblick über oie Verhandlungen und dankte der Regierung, deren Bemühungen es gelungen sei, die Besoldungsoorlage zustande zu dringen. Staatsminister Ewald er widerte, daß die Regierung sich bei dem Kompromiß zwar gesagt habe, daß nicht alle Wünsche erfüllt werden könnten, maßgebend für den Kompromiß sei aber die Erwägung, daß, wenn die Vesoldungsvorlage jetzt wieder ge.cheitert wäre, die Hoffnung einer großen Anzahl von Beamten für eine Reihe von Jahren vernichtet worden wäre. Sodann wäre zu befürchten gewesen, daß die Besoldungsvorlage bei den Neu wahlen agitatorisch verwertet und an die Regierung noch höhere Forderungen gestellt würden, die zu erfüllen sie nicht in der Lage wäre. Er empfehle der Ersten Kammer, den Beschlüssen der Zweiten Kammer zuzustimmen. Die Kammer nahm darauf die ganze Vorlage, von einigen unwesentlichen Punkten abgesehen, ev dloo an. Damit ist die Besolbungsvorlaac endgültig angenommen. Sie tritt am 1. April 1914 in Kraft. Ausland. Rußlan-. * Unbegründete Gerüchte über Kabinettsverände rungen. Aus Petersburg, 17. März, wird ge meldet: Das amtliche Informationsbureau wurde vom Ministerpräsidenten ermächtig^, kategorisch zu erklären, daß die Gerüchte und Zettungsmeldungen über bevorstehende Kabinettsänderungen, insbesondere den Rücktritt des Minister« des Innern Maklakow Erfindungen ohne jegliche Grundlage find. Mbanlea. * Der Dank de» albanischen Herrscher». Aus Haag, 17. März, wird gemeldet Die Königin der Niederlande qat ein Telegramm vom Fürsten von Albanien erhalten, rn dem dieser seine große Sympathie gegenüber der in so kurzer Zeit durchgejührten Arbeit der niederländischen Offiziere und seine Dankbarkeit für die durch sie geleisteten Dienste ausdrückt. Mexiko. * Eine Niederlage der Rebellen wird aus New Port, 17. März gemeldet: Nach einer Depesche aus Laredo sollen dl« mexikanischen Bundes truppen die Aufständischen bei Canyon Busta- mente besiegt Haden. Fünfhundert Per sonen sollen getötet und verwundet worden sein. Die Aufständischen sollen unter Hinterlassung großer Mengen von Waffen und Munition ge- flohen sein. Srafllkrr. * Di« Lag« in Teara. Aus Rio de Janeiro, 17. März, wird telegraphiert: Der Oberst der Bundestruppen Setembrino ergreift die Eia Krebsschaden -es deutschen Theaters.*) Von Dr. Ernst Wachler. Im Verhältnis zu dem raschen Aufblühen und der schnellen Entwicklung der großen Theater der Welt literatur, d. h. des griechischen, englischen und spanischen Dramas, ist die deutsche Entwicklung eine äußerst langsame und ungleichmäßige. Das ist im wesentlichen darin begründet, daß unser Theater vor der Zeit zum Stillstand gekommen, daß es historisch geworden ist, daß es gar nicht eigentlich gerichtet ist auf Pflege und Entfaltung der lebenden dramatischen Dichtung, als vielmehr auf die Pflege eines festen alten Bestandes dramatischer Literatur, wozu sich für den Alltagsgcschinack und die Unterhaltung die Masse der seichten Fabrikware gesellt. Während grundsätz lich bei den griechischen gottcsdienstlick)en Festen neue dramatische Werk« aufgeführt wurden, während hier dramatische Dichter um den Preis rangen, während in England und Spanien die Bühnenleiter sich um die Handschriften der Dichter rissen, um mit ihrer Truppe die kaum fertigen Werke vor das begierige Publikum zu bringen, ist der natürliche Zugang des Dichters zum Theater bei uns außerordentlich er- ichwert. Ja, man kann sagen, daß die Pforte des Theaters gleichsam mit Erz verriegelt ist und sich jedem leichter und eher erschließt als gerade dem dramatischen Dichter, ihm, der eigentlich als Herr an diesem Orte zu gebieten hätte. Dieser Umstand erklärt sich daraus, daß die ein fachen Verhältnisse früherer Zeiten sich gänzlich ge wandelt haben, baß an Stelle einer gottesdienstlichen Feier aus dem Theater eine geschäftlich Darbietung geworden ist: aus Wandertruppen kostspielige Schau spielkörper, aus Anlagen unter freiem Himmel oder hölzernen Scheunen prunkvolle Luxusbauten mit einem unendlich verwickelten Amts- und Maschinen betrieb. Diese großen Körper arbeiten anßerordent Mr drucken den interessanten und treffenden Aufsatz des bekannten Theaterfachifiannes aus dem 2. Marzhcft der Halbmonat»schrtft „Bühne und Welt" ab. lich schwerfällig. Sie halten sich an den erprobten festen Bestand von Theaterstücken oder an das, was in Berlin Erfolg gehabt und Geld eingebracht hat. Jede gänzlich neu« Aufführung ist ein Wagnis, das bet der Hohe der notwendigen Tagesausgab« äußerst unsicher ist: und diese Erwägung ist es. die die Menge der Bühnenleiter vor dem zuruckschreat, was sie „Ex- pertinente" nennen, nämlich der Aufführung neuer Dichtungen: also dem eigentlich, was, recht ver- standen, ihre hauptsächlichste und vornehmste Aufgabe wäre. Die größeren Theater haben nun in der Erkennt- nis, daß eine literarisch Stelle vorhanden sein müsse ur Prüfung der einlaufenden dramatischen Hand christen, meist einen Dramaturgen in Sold. Aber, oweit sich die Tätigkeit dieser Männer Überblicken äßt, so scheint entweder ihr Urteil nicht scharfsinnig genug, um aus der Menge der Einsendungen da» Wertvolle zu entdecken, oder chr Einfluß zu gering, als daß ihre Empfehlung die Aufführung neuer Dich tungen von Wert bewirken könnte. Die Ur aufführungen, die bei gesunden Verhältnissen die Regel bilden müßten, bilden daher bet uns die Aus nahme. Es ist einleuchtend, daß damit der Entwick lung der dramatischen Dichtung nicht im mindesten gedient ist. Graf Schack, der ausgezeichnete Kenner und Ge schichtschreiber des Theaters, hat diesen Uebelstand auf, klarste erkannt und oft beklagt. Er sieht den Krebsschaden unserer Bllhnenverhaltniss« in dem wahllosen Durcheinander von Opern, Operetten, Schauspielen und Posten. Er klagt, daß unmöglich die dramatische Dichtung sich entwickeln könne, wenn man von der falschen Voraussetzung der Gelehrten ausgehe, daß nunmehr mit den Werken der „Klas siker^ ja alles für uns Wünschenswerte erreicht lei; er betont, gleich Richard Wagner, daß nur durch die dauernd« ununterbrochene Pflege neuer Schöpfungen und neuer Formen sich ein wahrer Stil bilden lasse. Die Begabung ist immer vorhanden; aber die Verhältnisse sind cs, die sie aufkommen lasten oder ersticken Die Fälle Kleists und Grabbes sollten den Deutschen als abschreckendes Beispiel dienen und ihnen eine dauernde Mahnung sein. Wer kann willen, ob unter unseren jungen Feuerköpfen nicht künstlerisch« Bsgadung»» sind, daneU dm m Schiller und Grabbe ebenbürtig? Niemand wird sie hindern, zu schreiben und ihre Erzeugnisse den Theatern zuzusenden. Waren etwa Schiller« „Räuber" ein reifes Erzeugnis? Keineswegs; trotzdem brachten ihr Er cheinen und ihre Aufführung eine literarische Umwälzung hervor. Aber bei uns — wer wagt es für möglich zu halten, daß derartige wilde Hervor bringungen, wenn sie einmal in die Geschäftsräume der Theater Vordringen, das Licht der Welt erblicken? Wer zweifelt, daß sie dauernd im Bibliothekenstaub begraben bleiben? Und die Unmöglichkeit, die Bühne zu erobern, treibt die Dichter zu den gewagtesten Sen sationen' oder sie führt di« schwächeren Naturen einer Anpassung an den Geschmack des Tage», an di« llnter- haltungsnteratur zu. Wie können diese trüben Verhältnisse gebessert werden? Zunächst ist erforderlich, daß man mit der albernen Behauptung aufräumt: unter den nach vielen Tausenden zählenden Eingängen von Stücken bei den Theatern befände sich nichts Brauchbares. Sonderbar, daß immer nur Leute von Namen etwas Brauchbares schaffen: was sich häufig genug Lei der Aufführung als verfehlt herausstellt uno >mnell vom Sprelplan abgesetzt wird. Es ist zunächst einmal not wendig, daß sämtliche entstehenden neuen dramatischen Dichtungen — ich betone Dichtungen, weil an der üblichen Untethaltungswar« nichts gelegen ist, — von wirklich Sachverständigen und Urteilsfähigen ge lesen werden, da ja di« Lektüre durch di« geschäftlich interessierten Agenturen wenig Wett hat, daß diese L^srstell« das Wertvoll« vom Wertlosen sondert und auf di« wirklich bedeutsamen Dichtungen an einer be stimmten Stelle ständig hinweift. Sofern diese Stelle derartig bekannt wird, daß bei ihr alle neuen Dich tungen eingereicht werden, wird es allmählich auch möglich sein, ihren Urteilen entsprechende Beachtung M verschaffen, um so mehr, wenn geeignete Aufsätze in großen Zeitungen und Zeitschriften dies« Arbeit unterstützen. Wir haben nun selbst kürzlich den ver such gemacht, eine solche Lesestelle emzurichten, deren Urteile und Gutachten, soweit er den Verfassern nütz lich scheint, tn der Zeitschrift „Bühne und Welt" ständig zum Abdruck kommen sollen. Heute kann bereits mitaetetlt werden, daß die Ergebnisse der ersten Prüfunoen durchaus nicht unerfreulich lind, daß vielmehr schon mehrere von den ctnaeretchten Arbeiten, weil aufführbar und sogar von dichter die Anfänge noch so bescheiden sein, so ist hier jeden falls ein Weg vorhanden, um aus den unerquicklichen Verhältnissen herauszukommen und den andauern den alten Klagen und Beschwerden der dramatischen Dichter über das Schicksal ihrer Handschriften, über die Unmöglichkeit, sie an Bühnen anzubrtngen, ein Ende zu machen. Vergessen wir doch nicht, daß der Mangel an Teilnahme, den man der Handschrift des „Robert Eutseard" entgegengedracht hat, schuld fft an dem Verlust und Untergange des Meisterwerkes Hein rich von Kleist«; daß uns der Mangel an Entgegen kommen, den unsere Bühnen Grabbe bewiesen, wäh rend sie die elenden Machwerke seines Zeltgenossen Raupach massenhaft aufführten, um das Ausreisen und di« poetische Ernte dieses großen Genies gebracht hat; daß die gänzlich unbegründete Dernachlaisigung der dramatischen Dichtungen Paul Heyses diesem Autor da» Leben verbittert hat. Denn wie dürften dieselben Theater es wagen, die Werke echter Dichter al» nicht genügend bühnenwirksam zu schmähen und M verfemen, die sich mit der seichten Fabrikware der Macher begnügen, ja, denen nichts schlecht und niedrig und übelriechend genug ist, um es der Menge var- zusetzen, wofern es nur als Lockmittel geeignet scheint, bi« Kass« zu füllen! Die Behandlung der dramatischen Eingänge beim Theater ist nicht di« nebensächlichste, vielmehr eine der wichtigsten Angelegenheiten des Bllhnenwefenr. Der Besseruna dieser Zustände muß um so größere Auf. merkfamkett zugewandt werden, als gerade von diesen Umständen die gesamte Entwicklung und Entfaltung der dramatischen Kunst abhängig ist. Kleines und Große« sind hier eng verknüpft. Daß die Verhältnisse sehr im argen liegen, hat niemand bestritten: aber st« sind weit schlimmer, al» man glaubt; sie sind in Wahr- heit ein Krebsschaden unseres Theaters; unsere groß, ten Begabungen wie Grillparzer. Otto Ludwig. Grabbe haben gleichermaßen unter ihnen gelitten. Nur wenn wir da» Verständnis wiedergewinnen da für, daß die Versuche und Arbeiten der schöpferischen Begebungen da» Wichtigste find, was e» für das Theater gibt, nur wenn alles getan wird, um den aufbrechendcn Trieben das Durchdringrn in ieder Weise zu erleichtern, nur dann werden wir zu einem künstlerischen Theater kommen, werden wir au» dem Stillstand erlöst werden, werden wir neue Formen und Gattungen kennen lernen — wird eine »e»