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Sette 2. Nr. 52. Nveno-Nusgave. leipziger Tageblatt. vonnerstsg, 29. Januar l9l4. Iums eingetreten sind, eine Sühne für da» Unrecht, von dem er gesprochen hat? Der Fall Zabern hat zu einem Tieg der Militärgewalt auf der ganzen Linie geführt. — Die „Berliner Morgenp ost" schreibt: Die Reaktionären, die Scharfmacher, die echt- preußischcn Leute jubeln und verkünden trium phierend, daß nunmehr der eiferne Besen in den Reichslanden seinen Einzug halten werde. Ach ja, das glauben wir auch, und er wird alles auskehren, was in mehr denn 4V fahren Friedcnsarbeit in Elsaß- Lothringen für das Deutschtum, für die Wieder gewinnung eines so lange entfremdeten Volksstammes geschaffen wurde. Südlich des Mains wird man dem Treiben der echtpreußischen Leute in den Reichslanden mit Ingrimm zusehcn. polttilette Ueberttettl Im Neichstagswahlkrels Sorna-Pegau hat der Wahlkampf bereits begonnen, und zwar unter recht günstigen Aussichten für die nationalliberale Kandidatur Ritzschke. Wir erl>alten aus Colbitz folgenden Bericht: „Am 28. Januar wurde der Wahlkampf in un serem Orte von den rechtsstehenden Parteien eröffnet durch die Wahlrede des Herrn von Lieber t. Er sprach in großen Zügen über die politisch Lage, Zabern, Mittelstand und Sozialdemokratie. Dabei bezeichnete er sich als Freund eines Gesetzes gegen Warenhäuser, wollte Gesangenarbeit abgcsct-afft wissen, das Submissionswesen gefördert und den Bau- handlverker geschützt sehen. Sein politisches Pro gramm verschwieg er und wurde darauf auch von den Debattcrednern hingewiesen. Da die Redezeit auf :ro Minuten beschränkt war und der Vorsitzende weitere Ausführungen nicht gestattete, konnte Dr. Kuhn-Leipzig, der die Interessen der national liberalen Partei vertrat, Herrn v. Liebert zunächst nur in wenigen Punkten widerlegen. Von sozial demokratischer Seite trat Redakteur Barth- Groitzsch, den Ausführungen von Lieberts entgegen. Da der Vorsitzende dem konservativen Parteisekretär Fritzsche unbeschränkte Redefreiheit gewährte, und da dieser wiederholt schwere Anwürse gegen die nationalliberale Partei richtete, trat die Versamm lung dafür ein, Dr. Kuhn noch einmal das Wort zu geben. Er erntete für seine Ausführungen reichen Beifall von einem großen Teile der Ver sammlung. Der Saal war überfüllt, da jede Partei durch zahlreiche Parteifreunde vertreten mar, und es zeigte sich, da» die liberale Kandidatur recht aussichts reich ist." _ der Sächsische Lanüesverein vom Evangelischen Sunüe bittet uns um Aufnahme folgender Zeilen: „Es soll, wie es scheint, wieder einmal ein Kessel treiben gegen den Evangelischen Bund veranstaltet werden. Die Fanfare hat die kältere) Chemnitzer Evang.-luth. Konferenz geblasen, die Führung über nimmt ein sächsischer Oberst a. D. — Gewinn und Freude an der Sache har der Ultramontanismus, dessen Presse mit Behagen diese Angriffe verbreitet. Die ultramontane „Sächs. Volksztg." berichtet von einer Auslassung des „Deutschen Adelsblattes" wider den Evangelischen Bund. Der dort zitierte Artikel deckt sich mit einem „Eingesandt" im „Alten Klau ben", einem ev.-luth. Gemeindeblatt, und hat wohl denselben Verfasser, als der im „Alten Glauben" zeichnet: E. von der Decken, Oberst a. D. Der Artikel erhebt alle die Anklagen gegen den Evangelischen Bund, die wir vom Ultramonta nismus und ihm befreundeter Seite her gewöhnt sind. Aber mit der Gradheit des deutschen Offiziers spricht der Herr Oberst diese Vorwürfe so unver blümt und ohne jegliche Einschränkung aus, daß man leicht den Grund erkennt, aus dem heraus sie nur möglich sind, nämlich aus einer völligen Unkenntnis über den Evangelischen Bund. Und diese wirkt um so verblüffender, als doch der Evan gelische Bund in der breitesten Öffentlichkeit in Wort und Schrift von seinem Wirken Zeugnis gibt. Alle Angriffe fassen sich zuiammen in den auch im „Eingelandt" z. T. gesperrt gedruckten Behaup tungen: 1. Der Evangelische Bund fei nicht nur in seinen Gründen und masjgebenden Führern, sondern auch in seiner weitaus größten Mehrheit durchaus a n t i k o n s e s j i o n e l 1 (!); 2. er sor- dere die Gleichberechtigung aller kirch lichen Richtungen im Protestantismus; 3. er mache von seinem Bekenntnisparagraphen in der Praxis keinen Gebrauch; 4. er sei politisch liberal und seine bekannte (!) Stichwahlparole sei: „Lieber rot als schwarz". Was sagen dagegen die „matzgebenden Führer?" 1. Im Jahre 1911 richtete der Sächs. Landesverein Zur Revolution in Haiti. Auf Haiti, der nächst Kuba größten, schönsten und reichsten Insel der großen Antillen, ist wieder einmal eine ernste Revolution ausgebrochen. Diesmal ist es die den Westen der Insel einnehmende Neger republik Haiti, in der der Aufruhr tobt, während die im Osten gelegene dominikanische Republik noch ruhig ist. Die Negerrepublik Haiti, deren Gebiet uniere Karte zeigt, umfaßt 28 676 glcm und zählte 1912 2500606 Einwohner. Die fast durchweg der römischen Religion angehörenden Einwohner sind zu 90 Proz. Neuer. 10 Proz. sind Mulatten. Weiße sind nur wenige im Lande. Die Hauptstadt ist Port-au-Prince mit 100000 Einwohnern. des Ev. Bundes an die hohen Ständekammern des Kgr. Sachsens eine Petition, die kont'ess. Volksschule betr.: Hohe Stände wollen bei Neuordnung des Volksschulwesens dafür sorgen, daß der Volksschule und ihrem Religionsunterrichte insbesondere der „konfessionelle" Eharalter erhalten bleibe. 2. Bundes- direklor Everling auf der Hauptversammlung des Ev. Bundes in Lommatzsch 1913 und bei zahlreichen andern Versammlungen im Deutschen Reiche behandelt die Frage: Warum fordert die kirchliche und natio« nale Lage immer dringender einen starken Ev. Bund? und lagt wörtlich dann: Auch fordert der Ev. Bund v^n seinen Mitgliedern keine Werturteile über das Maß von Berechtigurg oder gar die Gleichberechti gung der verschiedenen Richtungen des Protestantis mus in den evangelischen Kirchen, er will nur dadurch den inncrlirchlichen Fneden pflegen und dem Parteitreiben die gesährliche Macht nehmen, daß er als eine in den innertirchlichenStreitig- keiten neutrale Organisation die deutschen Protestanten veranlaßt, sich auf die gemeinsamen Güter zu besinnen, die der deutsche Protestantismus trotz aller Gegensätze doch hat. 3. Sup. O. Wachtler, stellvertr. Vori. des Eesamtbundes, betonte in Saar brücken 1912: „Ter Bekenntnisparagraph unsrer Satzungen spricht es deutlich aus, wie sehr uns daran gelegen ist, den Zusammenhang mit der Ueber- lieferung zu fordern.... es soll keiner ungestraft wagen, uns den Glauben an Jesus Christus, den eingeborenen Gottessohn, den alleinigen Mittler des Heils, den vollgültigen Bürgen der Offenbarung der Gnade Gottes, abzusprechen " Und dazu Sup. Kröber in Lengenfeld 1912: „Der Ev. Bund entnimmt dem Evangelium seine innerste Kraft, sein höchstes Ziel, seine maßgebenden Gesichtspunkte." Und die Praxis? Graf Otto Moltke, der sich kirchlich positiv nennt und feit Jahren ein treuesMitglied desEv.Bundes ist,schreibt 1912: Mir ist nicht bekannt, daß in den langen Jahren seiner (des Ev. B) Tätigkeit irgend etwas vor gekommen wäre, was „kirchlich Positive" hätte ver letzen können. 4. Die angebliche Stichwahlparole: lieber rot als schwarz ist 1911 am der Frühjahrs oersammlung in Eisenach unter Vorsitz von General leutnant v. Lessel vom Bundesdirettor Everling als eine Fabel energisch zurückgewiesen worden. — So bleibt rein nichts von all den Anwürfen übrig; wohl aber die Tatsache daß der Bund fester denn je steht, und — mit Schmerzen muß es die „Sachs. Volkszeitung" registrieren, daß es dem Bund nicht an hohen Gönnern und Freunden fehlt, d. h. daß er sich durchgesetzt hat. Die „S. Volksz." zitiert selbst den Satz des früheren Konsistorialpräsidenten v. Zahn: Der Ev. B. ist eine Notwendigkeit und wenn es noch keinen gäbe, müßte man einen schaffen, und sie sieht den frommen Wunsch der evang. Gegner des Bundes nach einer starken Austrittsdewegung nicht in Er füllung gehen. — Auch der Ruf des Herrn Obersten wird verhallen. Wie aber konnte er überhaupt ent stehen? War es Unkenntnis oder Mißtrauen gegen den Bund, was dem Herrn Oberst die Feder in die Hand drückte? und wozu ihn seine Freunde veran laßten, so gelte ihm das Wort des Grafen Otto Moltke: „Ich rufe allen meinen Glaubensgenossen, den Bibelgläubigen wie den kritisch Gerichteten, ein „envete" zu. Gott schütze uns vor solchen Freunden mit dem irreführenden Sprüchlein: Vor unsern Feinden wollen wir uns schon selber wehren." Deutscher Reich. * Zur Landtagversatzwahl Eroßschönau-Ebersbach. Der von den Konservativen als Kandidat für die Landtagsersatzwahl genannte Fabrikant Felix Hoff mann- Neugersdorf hat es endgültig abgelehnt, sich aufstellen zu lassen. * Die diesjährige Hauptversammlung de, Ver bandes Sächsischer Industrieller findet in Dresden am Montag, den 9., und Dwnstag, den 10. März, statt. * Die Königin der Hellene« ist am Mittwoch abend 10,32 Uhr vom Anhalter Bahnhof in Berlin nach Mailand abgcrcist. von wo sie sich über Brindisi nach Athen begibt. Der Kaiser und di« Kaiser:«, Prinz Heinrich sowie ihre Schwestern gaben oer Königin das Geleit zum Bahnhof. * Zur Aufhebung des Sct eckstempels. Das Reichs schatzamt hat die Petitionen und Eingaben wegen Aufhebung des Scheckstempels abgelehnt mit der Begründung, daß die 3 Millionen, die der Scheck stempel abwirst, zunächst nicht entbehrt werden können, da die neuen Eriatzsteuern erst im Jahre 1916 ihre Vollertrüge abwerien werden. Der Scheckstempel wird also erst zum 31. Dezember 1916 aufgehoben werden. * Eine Uebersicht der Entschließungen der preußi schen Staatsregierung aut Beschlüsse des Abge- ordnetenhauses ist diesem zugegangen. Danach soll die Beteiligung der F r a u e n auf dem Gebiete der Schulvflege, wo sie »ehr ersprießlich wirken könne, dem Wunsche des Landtages gemäß nach Mög lichkeit geiördert werden. Die Notstände des städti schen Realkredits sollen in Verhandlungen im Reichsamt des Innern besprochen werden, zu denen die Hinzuziehung von Vertretern der preußischen Interessentenkreise beabsichtigt i t. Von der Bereit stellung weiterer Mittel für Ortszulagen an die VolkssckuUehrcr hat abgesehen werden müssen, auch im Hinblick auf die zwischen den Ressorts schwebenden Verhandlungen Uber den Kommunallastenausgleich. * Hofprediger I>. Rogge gegen den Preugenbund. Bei der Geburtstagsfeier der Stadt Potsdam hielt gestern, wie berichtet wird, der greise Hof prediger Rogge, der seinerzeit bei der Kaiser proklamation in Berjailles die Weiherede gehalten hatte, eine Ansprache, die in ihrer Tendenz sich aus gesprochen gegen den Preußenbund wandte. Er erklärte, auch er habe eine Einladung zum Bei tritt erhalten, sei ihr aber nicht gefolgt, freue sich jetzt auch darüber, zumal dort Aeußerungen gefallen seien, wie man sie nur mißbilligend vernehmen könnte. Er bedauere auch lebhaft, daß man in diesen Kreisen den 18. Januar nicht als Geburtstag des Reiches hochhalten wolle, und er forderte die An wesenden aus, dem Bunde nicht beizu treten, da er höchst überflüssig sei. * Die nationalliberale Fraktion des Reichstages hat zur zweiten Beratung des Justizetats den An trag gestellt, den von der Budgetkommission ge strichenen sechsten Reichsanwalt wieder her zustellen. * Nahrungsmittelüberwachuna. Die Handels kammer zu Düsseldorf veröffentlicht in Nr. 9 10 ihrer Monatschrift 1913 eine Denkichrift über Grundsätze für die Nahrungsmittelüberwachung, in der bas ganze so viel umstrittene Gebiet der Nahrungsmittel überwachung durch Chemiker, Polizei. Gerichte und Staatsanwaltschaft besonders gründlich behandelt wird. * Die Zaberner Zivilprozesse. Wie die „Straß burger Post" mitteilt, geh«n die vielgenannten Zivilklagen nicht gegen den Obersten v. Reuter, son dern gegen den Militärfiskus. * Die württembergische Regierung über die Kabinettsorder von 18A). Aus Stuttgart meldet der Draht: Die württembergische Regierung hat auf eine kürzlich im Landtag von der Volkspartei und vom Zentrum eingebrachte Anfrage über das Ein schreiten des Militärs bei inneren Unruhen schriftlich geantwortet, Laß ein Ein greifen des Militärs in Württemberg nur nach einer von der Zivilbehörde ergangenen Aufforderung er folgen kann. Die württembergische Regierung steht auf dem Standpunkte, daß die Kabinetts order vom Jahre 1820 in Württemberg durch die Militärkonvention nicht zur Einführung ge langt ist. Im Jahre 1893 wurde eine Anweisung in diesem Sinne an die Zivilbehörden und ebenso auch an das 13. württembergische Armeekorps aus gegeben. — Württemberg stellt sich also auf den selben Standpunkt wie Bayern und gerät damit gleichfalls in Widerspruch zu Preußen. * Der badische Landtagsabgeordnete Wilhelm Fischer, der in der Leitung der badischen Zcn- trumspartei eine große Rolle spielte, ist in Freiburg im Alter von 70 Jahren gestorben. * Freiwillige Wehrbeiträge. Der Landrat des Kreises Stuhm (Westpreußen) teilte nach dem „Grau- denzer Geselligen" gelegentlich seiner Festansprache bei der Kaisergeburtstagsfeier des Kriegervereins mit, daß viele Kreiscingesessenen bei Festsetzung des Wehrbeitrages gebeten hätten, den Wert der Grund stücke höher zu bemessen, um mehr Wehrbei trag zahlen zu dürfen, und daß sie erklärt hätten, daß sie den höheren Beitrag gerne zahlen. Vas sterdencke vor!. 26) Roman von Ewald Gerhard Seeliger. (Nachdruck verboten.) „Guten Tag auch!" schmunzelte er übers ganze, breite Gesicht und behielt ihre Hand länger zwischen seinen dicken Fingern, als es unbedingt nötig war. Sic gefiel ihm! Sie war jung, frisch, schlank, kräftig und konnte zugreifen, und Geld hatte sie auch. Da war alles zusammen, was Trau gott Baldrian suchte, und aus dem Schmunzeln wurde ein freundliches Grinsen. Na! dachte Life still bei sich: Das Pulver hat er nicht erfunden. Aber was braucht eiu Bauer das Pulver erfunden zu haben? Ehe ich eine alte Jungfer werde, lieber nehme ich ihn. „Haben Sie auch einen ordentlichen Appetit mitgebracht?" fragte sie ihn. „Das Essen ist gleich fertig." „Schön!" grinste er und folgte K-arl Peukert ins Speisezimmer. Minna war längst zum Promcnadenkonzert in die Stadt gegangen, um sich da mit ihrem Bräutigam zu zeigen. Zum Kaffee aber wollte sie ganz bestimmt zurück sein und Alois Wollen berg mitbringen. So saß Karl Peukert mit Traugott Baldrian allein ani gedeckten Tisch und öffnete eine Not weinflasche. Sie stießen an und tranken. Der Wein lüste in Traugott Baldrian einen Ge danken, der nach einigen Schwierigkeiten den Weg auf die Zunge fand. „Die Life ist ein hübsches Mädel!" sprach er. „Lb sie mich wohl leiden mag?" Karl Peukert zuckte nur mit den Achseln. Jetzt brachte die Magd die Suppe herein, und Traugott Baldrian konnte es ausgeben, nach einem neuen Gedanken zu jagen. Life, die den Braten hcreinbrachte, erkannte bald, daß sie sich nicht anzustrcngen brauchte, den Gast zu unterhalten. Es schmeckte ihm, und das toar die Haupt- laKe. . Lr füllte sich VM» Schtocistebrat«», yftn de» Kartoffelklößcn und von: Dümpfkraut dreimal auf, und bei dieser ausdauernden Tätigkeit keimte ihm der zweite Gedanke ganz von selbst: kochen kann sie auch. Unterdessen hatte die Magd dem alten Peu kert das Essen ins Auszugshaus getragen. Der hatte nicht so viel Appetit wie Trau gott Baldrian, ließ aber Lises Kochkunst doch alle Ehre angedeihen. Noch bevor er ganz fertig war, sah er Max Hanschke ins Hoftor ciubicgen und schnurstracks auf sich zukommen. „Bringen Sie schon wieder einen Brief?" begrüßte ihn der Alte freundlich. „Dieses Mal nicht!" erwiderte Max Hanschke und setzte sich. „Ich ivollte mich nur mal nach Ihrem Befinden erkundigen?" „Na, das ist aber schön!" rief der Alte ge schmeichelt. „Und gleichzeitig ivollte ich die Gelegenheit benutzen, ^ie um Rat zu fragen!" fuhr Max- Hanschke energisch fort. „Ich habe nämlich die feste Absicht, Landwirt zu werden." „Landwirt?" ries der Alte ehrlich erstaunt. „Wirklich Landwirt? Sie machen doch nur Spaß!" „ES ist mein vollster Ernst!" erklärte Mar Hanschke rund heraus und straffte sich. „Ich habe mir die Sache dreidopvelt überlegt. Ick) halte die Bureauarbeit einfach nicht mehr aus." „Ach so!" nickte der Alte, der nun zu be greifen anfing. „Aber da fangen Sic doch lieber was anderes an, warum denn gerade Land wirt, das paßt doch gar nicht für Sie." „Warum nicht?" begehrte Mar Hanschke auf. „Ich habe cs mir nun einmal in den Kopf gesetzt, oder meinen Sie, es wird nicht gehen?" „Hehe!" versetzte der Alte schmunzelnd. „Möglich ist alles. Wenn Sie einmal Lust da zu haben, warum sollte cs dann nicht gehen." „Das wollte ich nur von Ihnen hören?" atmete Max Hanschke auf. „Wie sind denn die Aussichten für mich in diesem Beruf?" „Haben Sie Kapitalien?"" fragte der Alte ernst hast. „Ein paar hundert Mark habe ich auf der Sparkasse!"" erklärte Max Hanschke kleinlaut. „Damit können Sie sich kein Rittergut kau fen!"" lachte der alte Peukert und drehte die Daumen umeinander. „Sie werden eben auf den Gutsinspektor losarbeiten müssen."" „Das ist doch schon was!" rief Max Hanschke begeistert. „Wie lange kann das wohl dauern?"" „So zehn Jahre," erwiderte der Alte. „Sie müssen sehen, auf irgendeinem großen Gute als Wirtschaftsassistcnt unterzukommen. Das wird nicht so schwer sein, denn da ist immer viel Schreiberei, und mit der Feder wissen Sie ja umzuachcn." „Nein, nein!" wehrte Max Hanschke ent schieden ab. „Schreiben will ich nicht mehr, ich habe schon genug geschrieben. Ich möchte am liebsten so mit beiden Füßen in die Land wirtschaft hincinspringcn, am liebsten als ein facher Knecht."" „Was?" rief der Alte erstaunt, „so ein sei ner Herr aus der Stadt und will als Knecht gehen, das ist noch nicht dagelvescn!" „Macht nichts!"" versetzte Max mit großer Entschiedenheit. „Auf die Feinheit pfeife ich. Wissen Sie vielleicht hier in Gramkau einen, der mich nehmen würde?" „Der Tausend, hier im Dorfe?" rief der Alte, als fiele er aus den Wolken. „So nahe bei der Stadt, das würde ja ein Fressen für die Städter sein." „Die können mir alle den Buckel lang rutschen!"" erklärte Max Hanschke mit Verachtung. „Wenn Sie einen Bauern hier im Dorfe wis sen, dann sagen Sic cs mir. Ums Geldver dienen ist mir's nicht zu tun, und daß ein Baucrnknecht verhungert wäre, das ist wohl auch noch nicht passiert." Der alte Peukert wiegte bedächtig das graue Haupt und erwog die Vorteile, die dem Dorfe gerade in dieser schweren Zeit daraus erwachsen töttutcu, daß sich Max Hanschke, der Magistrats- sclretärassistcnt, bei einein Gramkauer Bauern als Knecht verdingte. Auf die Dauer würde e» ja doch niAt fern. Sp ernst NAhm dyc Me die kuriose Absicht nicht. Mit prüfendem Auge überlief er Max Hanschkes breite und kraftvolle Gestalt. „Schwach auf der Brust sind Sie ja nicht!"" sprach er wohlwollend. „Aber Sie stellen sich das Ding vielleicht leichter vor, als es ist."" „Ich fürcht mich nicht!"" rief Max Hanschke und wies auf seine muskulösen, durch mancherlei Sportbctütigung ausgearbeitcten Fäuste. „Ver suchen Sie es doch ein paar Wochen mit mir, denn am liebsten würde ich schon hier auf dem Hofe bleiben." „Hm!"" machte der Alte. „Das ist gar kein schlechter Gedanke! Jetzt vor der Ernte können wir gut und gern ein paar Hände gebrauchen, die zugrcifen können. Und wenn cs wirklich Ihr Ernst ist, dann kann ich ja mal mit mei nem Enkelsohn darüber sprechen."" „Schön!'" rief Max Hanschke beglückt. „Ich nehme das für eine halbe Zusage, morgen mit tag komme ich mir die andere Hälfte holen." In diesem Augenblick trat aus dem gegen überliegenden Wohnhause Karl Peukert mit fei nem Gaste auf den Hof heraus. „Sie haben wohl Besuch?" fragte Max- Hanschke neugierig. „Das ist der Bauer Traugott Baldrian aus Johnwitz!" belehrte ihn der Alte arglos. „Der yat's auf die Life abgesehen." „So, so!" machte Max Hanschke und schaute genauer durchs Fenster, wobei er den Kopf ein wenig aus die rechte Schulter neigte. „Er hat ein bißchen krumme Beine." „Das macht nichts! Er hat bei der Kaval lerie gedient!" lachte der Alte und wies auf Alois Wollenberg, der eben mit Minna in den Hof einbog. „Gucken Sie sich den an, der hat keine krummen Beine, und doch ist er keinen Schuß Pulver wert. Was für ein verkniffenes Gesicht der Kerl hat! Wo hat das Mädel, die Minna, nur ihre Augen gehabt, daß sie sich in den Menschen vergaffen tonnte." „Ja!" versetzte Max Hanschke achselzuckend. ,LLo eben die Liebe hinfallt!" . (Fortsetzung tu der Morgenausgabe^