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2. öerlrryr. Lurnsirry, lS. 7«v l9N. Lelmiyer Tsyedlstt. poittizche Umschau. Abwehr öer lozlslüemokraMchen verruks - Lrklittunyen im Leipziger Läckergewerve. Bon der sozialdemokratischen Partei werden die Bäckermeister, die die Forderungen der Gehilfen zurückweijen, boykottiert, indem die Arbeiter von ihr ausgesordert werden, nur bei jenen Bäckern zu kaufen, die den Ansprüchen des Gehilfen-Verbandcs sich unterworfen baden. Um diesem Boykott zu begegnen, traten am Sonnabend die Leipziger Bert rauens inän» er de: Mittelstands-Ber einigung im Königreich Sachsen zu einer Be sprechung im Künstlerhause zusammen. Die beiden Leipziger Bäckcrobermelster erstatteten Bericht über die Ursachen und den jetzigen Stand des Streiks. Die Meister baden ich.rer unter dem sozialdemokratischen Terrorismus zu leiden Der Uebermur der Gehilfen geht sogar jo weit, dass sie nichr nur alle Gesellen in don soiialdemokrarischen Bäckergehilfen-Verband zwin ge«, sondern arub jene Meister, die ohne Gehilfen arbeiten. Um nicht diesem jozraldemokraüschen Terro rismus zu erliegen, müssen sich die Bäcker um Unter stützung an die gesamte nationalgcsinnte Bevölkerung mit der Bitte um Unterstützung nach der Richtung wenden, das; sie bei Bezug von Backwaren nur jene Meister uincrstützt. die sich den über das Ziel binaus- schiessenden sozialdemokratischen Forderungen nicht e.esügt haben. Diesem Bericht folgte eine längere Debatte, an der sich alle Redner in zustimmendem Surne beteiligtem Mtt Einstimmigkeit wurde folgende Entschliessung gefasst: „Dce anwesenden Vertreter Mittclständischer Korporationen aas Leipzig und Umgebung erklären, Las selbständige Bäckergcwerbe in 'einem gegenwärtigen Lobnkampfe nachdrücklich unterstützen zu wollen und beauftragen die Vor stände der Mittelstanos-Vereiniflung, des Jnnungs- Ausschusscs und der Schutzgemernschaft für Handel und Gewerbe, Sitz Leipzig, einen Aufruf zu ver öffentlichen. welcher das Publikum über die Sach lage aujklärt und iur Unterstützung jener Bäcker meister ausfordert, die sich dem sozialdemokratischen Terrorismus nicht beugen wollen." ill Lin VMzlerkorps? Zum ersten Riale ist, wie der Korrespondenz „Heer und Politik von militärischer Seite geschrieben wird, durch Gerichtsspruch festgestellt worden, was ein Offi zierkorps »fr. Dies: Frage ist durchaus nickst uner heblich, da sich vielerlei wirtschaftliche und politische folgen daran anknüpsen lassen. So wurde z. D. das Offizierkorps des 6. Grenadierrcgimenls in Posen wegen eines Valles, den es aus Anlass des Geburts tages des Kaisers veranstaltet«, von der Posener Stadtverwaltung ausgeford«rt, die Lustbarkeitssteuer zu bezahlen, da es sich um den Ball einer geschlossenen Gesellschaft handelte. Da sehr oft von Offizieckorps Sera rüge Bälle und Festlichkeiten aller Art ver anstaltet werden, so ist die Entscheidung des preußci- sclien Oberderrvaltungsgerrchtes, das sich als höchste Instanz mit dem Fall zu beschäftigen harte, von all- gemriiicr Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht entschied, um dies vorweg zu nehmen, dass das Offi- zicrkorps nicht verpflichtet sei, di« Lustbarkeitssteuer zu bezahlen, da die Vorbedingungen, di« für die Lust- öarkcitsstener geltend sind, bei einem Offizierkorps nicht zutrcsfcn. Im Anschluss daran gab das Ober- vcrwaltungsgericht eine nähere Bestimmung dessen, was eiu Ossizierlorps ist. Di« Bestimmung, die hier in Betracht kommt, zerfällt in zwei Teile, nämlich in einen negativen und in einen positiven, und laufet folgendermassen: Ein Offizierkorps kann nicht als em Verein oder eine geschlossene Gesellschaft an gesehen weroen, da pch die Offiziere eines Truppen teils nicht in der Lage befinden, sich selbständig zu einer Gesellschaft zusammenzuschlicssen. Dazu wäre ncttw'md'.g dass des Offizierkorps die Berechtigung Hütte, sich wieder aufzuliften, wenn ein derartiger Mehrheitsbeschluss der Mitglieder des Offizierkorps vorliegen würde. Fernerhin müsste das Offizierkorps in der Lage sistn, darüber zu bestimmen, ob und wie viel neue Mitglieder ausgenommen werden können rind dürfen. Jeter weiss, das; dies nicht der Fall ist. Im rcchchen Sinne definiert das Obcrverwaltungs- gcriG; ein Offizierkorps folgendermassen: Ein Osfi- zicrlorps besieht auo einer Anzahl von Offizieren, die nach 8 7 Les Reichsinilitärgesetzes vom 2. Mai tt>7 ! auf Besch! und Anordnung des Kaisers und des Königs zu Len Aufgaben, die ihnen obliegen und innen zuerteilt werden, berufen worben sind. Es er gibt sich aus diesen beiden Bestimmungen, dass die F e st st e l l u n g e n, die auf geschlossene Ver eine oder auf sogenannte Gesellschaften, die sich zur Adualtrinq von Vergnügungen zusammen finden, aus die Offizierkorps nicht zutreffen, da Lic Freiwilligkeit der Bestimmungen über Zu- samme^ sttzuna des O'nzierkorvs und über seine Auf gaben fehlen. Ans diesem Grund« kann auch «in Össiftcrkorps wegen Abhaltung einer festlichen Ver anstaltung z.» der Lustbarkeitssteuer nicht herange zogen weroen, we:n> die Lustbarkeitssteuer sich aus- schliess!: h auf L rartige Verein« bezieht, die oben genannt worden sind. Ai.htkNncinere unü Richtmeister. Ein ,.!tcr Fedartillerist schreibt: Der Wert guter, mögliche ausgiebig geübter Richtkanoniere für die Sch'ienlci'tu -gen der Feldart illcrie bedarf keines Beweises. Unbestreitbar ist die Tatsache, das; bei '.ins ein ftwr starler Prozentsatz reitender Batterien sub Kaiscrpreise erschiesst, eben weil diese Batterien mit einem drei Jahre dienenden Rich!persona! rechnen können. Bei den fahrenden Batterien ist Icckmr j,n- roNns nötig, um in zwei Dienst jahren das Richtversonal hinreichend zu schulen. Bei den Reservcsormationen der Mobilmachung wird man mit einem raschen Aufsriichen des im aktiven Dienst Gelernten beim Richtpersonal rechnen müssen. Dazu kottimt, dass das neue Nichtgcrät, wenn auch äusserst vervollkommnet, jo doch lom- olizicrr und jür einen grossen Teil der Reservisten neu ist. In Frankreich strebt man — und in das Budget 191 > sind dafür Beträge schon eingesetzt — dann , die Richtmeister in möglichst großer Zahl zu Kapitulanten zu machen, die wenigstens noch ein drittes Jahr unter den Fahnen bleiben. Der Kriegsminister hat in einem Erlass an die komman dierenden Generale ausgefordert, darauf zu wirken, das; die Feldartillerie durch häufige Bekanntgabe der diesen Kapitulanten gewährten Vorteile ihre Zahl möglichst zu vermehren strebt. Man rechnet an leitender Stelle in Paris daher auch mit den nicht nur für die „Verstärkungs-Batterien" an aktivem Personal dauernd nötigen Richtmeistern lacht pro Batterie), sondern auch mit den erforderlichen Ab gaben von Richtpersonal an Reservebatterien, die in möglichst weitem Maße aktiv» Leute für diesen Zweck erhalten sollen." Dre neue Verordnung beweist wieder, wie gründlich man in Frankreich die Auf stellung von Reserveformationen vorzubereiten be müht »st. Deutlches Reich. Leipzig, 18. Juli. * Ein Internationaler Kongreß für Mutterschutz und Sexualreform wird, durch den Deutschen Bund für Mutterschutz einberufen, vom 28. bis 80. September in Dresden tagen. Hervorragende Fachgelehrte des In- und Auslandes werden über den Stand der Mutterschutzfrage in ihren Ländern referieren und auf Grund der gewonnenen Erfahrungen über den weiteren Ausbau der Mutterschutzidee und der damit in engstem ursächlichen Zusammenhangs stehenden Sexualreform beraten. Die Begründung einer „In- . ternationalen Vereinigung für Mutterschutz und Sexualreform" ist in Aussicht genommen. * Der Wablvercin Fcstbesoldcter hielt am Mittwoch abend im „Rosentalkasino" eine start besuchte Mit gliederversammlung ab. Nachdem der erste Vor sitzende Lehrer Claus in einem kurzen Referat über die Vundes'eitung berichtet hatte, wurden die darauf bezüglichen Anträge des Vorstandes einstimmig an genommen, worauf Ober-Telegraphenajsistent Otto das Wort zu einem Referat über die neugegründete Baugenossenschaft Festbesoldeter nahm. Der Redner beleuchtete die auch in Leipzig bestellende Wohnungsnot, die bei den kleinen und mittleren Wohnungen besonders fühlbar geworden sei. Der Prozentsatz der leerstehenden Wohnungen ist immer mehr gefallen, so dass alljährlich tausende Familien, die bei dem vielen unbebauten Gelände sehr gut Plag in Leipzig hätten, gezwungen sind, in die nicht e>n- verlcibten Vororte zu ziehen, so dass diese immer mehr anwachsen. Leiber versage die priva'e Bautätigkeit, jo dass bei dem Mangel an Wohnungen die Miet preise immer mehr in die Höhe gehe». Hiervon weroen die Festbesoldeten besonders schwer getroffen. Der volkswirtschaftliche Grundsatz, dass nur 1', bis 20 Prozent des Einkommens für die Befriedigung des Wohnbcdürfniffes auszugeben seien, sei längst veraltet und habe der Erfahrung Platz gemacht, dass gerade die wirtschaftlich Schwachen und Schwächsten den höchsten Prozentsatz ihres Einkommens für ihre Wohnung aufwenden müssen, der heule oft bis zu .35 Prozent des gesamren Einkommens betrage. Unter diesen Umständen sei es nicht zu verwundern, dass das Unwesen der Aftervermietung sich immer mehr entwickele und die Wohndichtigkeit immer mehr steige. Redner wies hierauf auf die Gefahren Les engen Zusammenwohnens hin und belegte seine Ausführungen mit wertvollen! Deweismcnerial. Da einer der wichtigsten Faktoren bei der Preis bildung der Mietpreise das Angebot an Wohnungen und die Nachfrage nach solchen ist, so sei man eben gezwungen, durch genossenschaftlichen Zusammenschluss eine Vergrösserung Les Annebots an.zustreven. Die Baugenossenschaft Festbesoldeter jei in dieser Absicht gegründet worden. Sie habe sich 27000 gm Areal an der verlängerten Oststraße, unmittelbar amMöbiusplctz in Reudnitz, gesichert und werde demnächst mit dem Bau von etwa 50 Häusern beginnen. Das Baugeld stehe in vollem Umfange zur Verfügung, da eine grosse Bank bereit sei, es zu geben. Redner erwähnte dann noch, dass sich zur Genossen schaft in der kurzen Zeit ihres Bestehens schon über 150 Genossen angemeldet hätten, dass nach einem einstimmigen Beschluss des Vorstandes und L.s Aus sichtsrates die Haltsumme des einzelnen Genossen auf 300 herabgesetzt werden würde und daß die Genossenschaft in Leipzig-Reudnitz, Rathonsstrasse 20. eine Geschäftsstelle eingerichtet habe. Mit der Auf forderung zu eitriger Mitarbeit und Werbung für die Genossenschaft schloss der Redner. Langanhalten der stürmischer Beifall lohnte seine Ausführungen. In der Debatte versuchten einige Mitglieder der Baugenossenschaft des Mretervereins Kritik zu üben, wurden aber von dem Referenten uns dein Vor sitzenden Lehrer Claus unter lebhaftem Beifall der Versammelten treffend widerlegt. Zum Schluffe wurde dann die nachfolgende aus der Mitte der Versammlung vorgeschlagene Resolution einstimmig angenommen: „Die am 12. Juli im Rosentalkasino tagende Versammlung des Wahlvercins Festbesol deter begrüßt die Gründung einer Baugenossen schaft Festbesoldeter und erklärt sich mit den Aus führungen des Herrn Referenten einverstanden. Die Versammlung hegt den Wunsch, dass die Fest besoldeten den Wert des Unternehmens erkennen und die Bestrebungen tatkräftig unterstützen." * * Zur Ausreise des Gouverneurs Dr. Solf. Es wurde gcineldet, Lass der Gouverneur Dr. Solf sich bereits wieder auf der Ausreise nach Samoa befinde. Wie der „Inf." mitgeteilt wird, ist diese Nachricht nicht zutreffend. Gouverneur Dr. Solf hat für einige Monate einen Landsitz in Bayern gemietet, aus dem er sich zurzeit noch befindet. Ueber den Termin seiner Ausreise nach Samoa ist vorläufig noch nichts bekannt. * Für den Posten des Oberpräsidenten von Posen, der durch die Versetzung des bisherigen Oberpräsi denten von Waldow nach Stettin srciwerden soll, wird nach dem „B. T." neben dem bisher schon ge nannten Kandidaten ein neuer genannt, nämlich der Unterstaatssekretär im Kultusministerium Dr. Schwartzkopff. Er würde angeblich in der Polen politik nicht die scharfe Tonart verfolgen, da er bisher aus seiner Gegnerschaft gegen diese Richtung kein Hehl gemacht habe. — Die ganze Meldung ist mit Zweifel aufzunehmen. * Die amcrilanischen Gäste in Berlin Die Mit glieder der städtischen Körperschaften und der Han delskammer Bostons und anderer amerikani scher Städte besichtigten Montag vormittags die Berliner Handelshochschule. Präsident Kämpf be- arüssie die Gäste in englischer Sprache. Cs schlossen sich Vorträge des Rektors Dr. Binz an über sie Einrichtungen der Handelshochschule und des Direktors Prof. Dr. Knoerk über das kaufmännische Fortbildungsschulwesen. Anschliessend fand im Lesesaal des Börsengebäudcs ein Früh stück statt, dem eine Reihe von Ehrengästen beiwohnte. Die Toaste eröffnete Präsident Kämpf mit einer herzlichen Begrüßung der amerikanischen Damen und nach einem Hinweis aus die Bedeutung Bostons für die amerikanische Geschichte und schloß mit einem Hoch auf den Deutschen Kaiser, den Friedensfürsten, der uns durch seine kraftvolle Regierung den Frieden bewahrt hat, auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten, den hervorragenden Förderer der Schieds- gerichtsgedankcns, und auf die Wohlfahrt der Ver einigten Staaten. Der Mayor von Boston, Fitz- aerald, dankte mit einer erneuten herzlichen Ein ladung zu dem nächstjährigen Handelskammerkongress in Boston und mit Worten hoher Bewunderung für die Stadt Berlin, die eine Musterjchule in praktischer Erziehung sei. * Eine Verminderung der katholischen Feiertage, die der päpstliche Stuhl angeordnet hat, tritt m Deutschland nicht ein. Wie amtlich gemeldet wird, erstreckt sich diese Neuerung ausschließlich auf Rom und italienische Bistümer. * Für die Befreiung Richters. Die deutsche Ne gierung hat das von den Räubern Richters bean spruchte Lösegeld in der geforderten außerordent lichen Höhe aus Reichsmitteln abgelehnt. Zur Befreiung Richters aus den Händen der Räuber sind bei der Botschaft in Konstantinopel angemessene Gelder bereitgestellt. * Zum Zwist im Hansabund. Nach einem von der „Köln. Ztg." veröffentlich»«» ausführlichen Bericht sagte der Präsident des Hansabundes Geheimrat Rieher in seiner Duisburger Rede: „Es sei bereits vor den» Hansataae am 12. Juni 1911 eine Abmachung der „Schweren Industrie" mit von He vd «brand, betreffend die Schutzzollwünsche, Unterstützung im Wahlkampf, Zurückstellung des Kampfes gegen den mit der Konservativen Partei eng verknüpften Bund der Landwirte sowie den Austritt aus dem Hansabund. getroffen worden. Dieser Austritt wäre also unler allen Umstünden ausgeführt worden, wie immer auch der Hansatag ausfallen mochte. Damit verlören die seitens der ausgetretenen Mitglieder angegebenen Gründe für die Sezession jeden ernsthaften Wert, da ohnedies festgestanden hat, dass man austreten wollte oder mußte " Demgegenüber ersucht der Zentralverband deutscher Industrieller das Wölfische Depeschen bureau. mitzuteilen, das; crgendwelcheAbmachungen in der von Geheimrat Rieder erwähnten Art weder vor noch nach dem Hansatage getroffen worden sind. Die hier in Rede stehenden, nun aus dem Hansabund geschiedenen Personen waren dis zu den Ereignissen des Hanjatages entschlossen, in» Hansa bund zu bleiben. Es wurde ihnen der infolge des Hanjatages gefasste Beschluss des Vorsitzenden des Direktoriums des Zentralverbandes deutscher In dustrieller, Landrats a. D. Rötger aus dem Präsidium des Hansabundes zu scheiden, erst mit der Aussüh- rnng bekannt. Daher sind alle von Geheimrat Riesser an seine unzutreffenden Behauptungen geknüpften Schlussfolgerungen durchaus hinfällig. * Hansabund und Antihansavund. Der »n Rhein land-Westfalen nengegrünoetr Schutzvcrband für Handel und Gewerbe (Antihansabuno) lehnt, wie wir erfahren, auch nach der die Ab rückung des Hansabundes von der Sozialdemokratie fejtlegenden lebten Erklärung des Hanjabunoes- Direktoriums ein ferneres Zusammengehen mit dem alten Hansabund ab. Der neue Schutz- vcrbaad hofft bereits Januar 1lll3 seine Organi sationen über ganz Deutschland ausgedehn» zu haben. * Die P tteusrattion des Reichstags, deren meiste Mitglieder letzthin in Posen zu einer Aus sprache über die politische Lage versammelt waren, hat gutem Vernehmen zufolge die Aufstellug eigener Zählkandidaten in allen denjenigen Neichstagswahltreisen (besonders im deutschenWestens, die eine grössere polnftche Minorität haben, be schlösse". ' Paul Singers Vermächtnis. Der verstorbene Reichstagsadgeordnete Singer Hal letztwillig seine Freunde Bebel und Hugo Heimann zu Erben seines Nachlasses eingesetzt mit der Bestim mung, dass der nach Abzug verschiedener Legate und eingcgangener Verpflichtungen verbleibende Ver mögensrest für die Bestrebungen, denen er sein Leben gewiomet hatte, Verwendung finde. Diese Auseinandersetzung ist nach der „Leipz. Volksztg." nunmehr beendet und die beider» Genossen haben den Vermögensrest in Höhe von 48054.87 St der Partei lasse überwiesen. " ReichsgeZeNiirhe Regecung des Postscheckwesens. Von den 8 u ürttemvergi'cheil Handelskammern und Len AeUeslcn der Kaufmannschaft zu Berlin sind bei der Reichspostvehörde Vorschläge jür die reichsgesetz- lia;c Regelung des Vostscheckwesens, die bestimmungs gemäß am 1. April t!)12 in Kraft treten muss, ein egangen. Die Vorschläge werden augenblicklich einer Prüfung unterzogen. Bisher ist nur eine Post- schectordnung in Kraft, die vom Reichskanzler ohne Neichsgesetz erlassen wucde und um 1. Januar 1909 in Wirlsantkeir trat. Nachdem nun die Erfahrungen, die damals noch fehlten, gesammelt worden sind, wird an die Aufstellung eines Reichsgesetzcs gegangen werden. Bevor die notwendigen Vorarbeiten für dieses Neichsgesetz gemacht werden, sollen erst die Verlierer von Handel und Industrie gehört werden, mu denen Konferenzen demnächst abgchalten werden. Man kann erwarten, daß die Vorarbeiten dazu schon in kurzer Zeit in Angriff genommen werden. ' Die 40. Abgeerdneten-Bersammlung des Ver bandes Leutschcr llrchitctren-und Ingenieur-Vereine tagt in die cm Jahre vom 21. bis 24. September in Münster (Westfalen). Auf der Tagesordnung stehen viele die technische Welt beschäftigende Punkte, wie das Wettbewerdsweien. neuzeitliche Bauordnungen, technisches Schulmejen, Architektenlammern,Normalien für Hauscntwässerungen usw. Die weitere Oeffent- lichkeit erwartet von der Tagung eine Aeusserung der Techniker über die Einführung des Zweiten Teiles des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen, dann über die Einführung besonderer Baugcrichte und über anderes mehr. Im Vordergrund des Interesses werden auch in diesem Jahre die Berichte des sogen. Danziger Ausschusses stehen. Dieser Aus schuss beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage: „Wie kann die Stellung der Architekten und Ingenieure in den öffentlichen und privaten Verwaltungen ge hoben weroen?" Der Ausschuß ist bereis mit mehreren Denkschriften zu der Frage an die Oeffentlichkeit getreten. * Warnung vor gewissen Ausstellungsagenten. Der Polizeipräsident zu Berlin gibt soeben bekannt: „Trotz wiederholter Warnungen sind noch immer gewerbsmässige Ausstcilungsunternehmer und -agen- ten bemüht, deutsche Firmen gegen erhebliche Geld beträge durch Inaussichtstellung wertloser — weil ohne allgemeinen öffentlichen Wettbewerb erwor bener — goldener und anderer Medaillen und Ehren diplome rc. zur Beteiligung an zweifelhaften oder völlig nichtssagenden Ausstellungen zu bewegen. Eine Anzahl dieser Ausstellungsunter nehmer hat den Sitz ins Ausland (England, Süd amerika usw.) verlegt und versucht, von dort aus seine unlauteren Geschäfte zu machen. Zu diesen Aus- stellungsagentea gehört auch der in Berlin aus- gew.csene, z. Z. wegen Betrugs gerichtlich verfolgte russische Untertan Siegmund Dobschiner, der auch gegenwürug wieder unü zwar allem Anscheine nach unter dem falschen Namen S. Bruck von London aus eine rührige Tätigkeit entwickelt. Auch zur Berchafsung von Titeln und Orden erbietet sich dieser. Vor dem Treiben dieser Personen kann nur dringend ge warnt werden. Gewerbetreibende, die Einladungs schreiben an Ausstellungen erhalten, tun gut, zunächst über den Charakter der Ausstellung Erkundigungen bei der Ständigen Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie, Berlin, Roonstrasse 1, oder bei den Ortspolizeidebörden einzuziehen. Bemerkt wird noch, daß nach 8 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 derjenige mit Ge fängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 5000 Sk, oder mit einer dreser Strafen bestraft wird, wer in der Absicht, den Anschein eines be sonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffent lichen Bekanntmcuhungen oder in Mitteilungen, die für einen grösseren Kreis von Personen bestimmt sind, über den Besitz von Auszeichnungen willentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben macht." * Der Handel Kamerun- im Jahre 1S1V. Das Amtsblatt des Schußgebietes Kamerun veröffentlicht, so wie die Zahlen der vorhergehenden Vierteljahre, auch die Uebernchten über die Handelsentwicklung der drei letzten Monate des Jahres 1910. Die Ein fuhr hat im Berichtsjahre einen Wert von 25'/, Mil lionen Mark gehabt gegen 17'/4 Millionen Mark im Jahre zuvor. Bei der Ausfuhr ist eine Zunahme von 15,7 Millionen Marl im Jahre 190!» auf 20 Millionen Mark zu verzeichnen, in beiden Richtungen des Verkehrs liegen also ganz außerordentliche Steigerungen vor. Beim Import entsällt die Zu nahme in der Hauptsache auf Eisenbahnmaterialien, M. lS7. lOS. Isttryany. beim Ervort auf alle -aupt-Lusfuhrerzeuanisse. So wurde für mehr als 11 Millionen Mark Kautschuk ausaefühtt, g«en 7ft, Million« Mark im Jahre 1S0S. Die Kakao-Ausfuhr ging von 2,85 Millionen Mark auf über 3 Millionen Mark hinauf, während die entsprechenden Ziffern für Palmkerne und Palmöl 3,7 Millionen Mark in 1909 und 4,8 Mill. Mark im Iaüre 1910 sind. Der Gesamthandel des Schutzge bietes erfuhr also eine Steigerung von 33,4 Millio nen Mark auf 45F Millonen Mark, das ist eine Er höhung um rund 4SV<». E» bedeutet gegen die Zahlen des Jahres 1906 eine glatte Verdopplung. ÜUÄSNL. Oesterreich-Ungarn. * Eine große Protestversammluug aus ganz Deutsch-Südtirol ersuchte in Bozen einstimmig den deutschen Nationalverband, die Ungültigkeits erklärung der Wahl des christlich-sozialen Generals Guggenberg anzustreben. Zugleich forderte sie diesen auf, mit Rücksicht auf seine Offi- zicrsehre das durch Wahlmißbräuche er rungene Mandat sofort ntederzulegen. * Das neugewählte Abgeordnetenhaus ist am Montag vormittag zusammengctreten. Baron Fuchs begrüßte als Alterspräsident die Abgeordneten »nrd drückte den Wunsch aus, dass in dies«»» Hause ein wirklich dauerhafter Friede und Arbeitsfreudigkeit einzichcn mögen. Sodann fand die Angelobung der Abgeordneten statt. — Weiter wird darüber aus Wien gemeldet: Die Konstituierung des neuen Ab geordnetenhauses vollzog sieh am Montag vormittag in grösster Ruhe. Die Galerien waren dicht besetzt, die Abgeordneten waren nahezu vollzählig erschienen. Der Einzug der M i n i st e r vollzog sich ohne Zurufe. Ministerpräsident Freiherr v. G a u t s ch lud in einer kurzen Ansprache den Abg. v. Fuchs ein, als Alterspräsident den Treueid zu leisten und den Präsisentensitz einzunchmen. Bei den Hoch rufen des Alterspräsidenten auf den Kaiser er hoben sich mit den anderen Parteien auch di« deut schen Sozialisten, von denen nur eiu ganz kleiner Teil nicht anwesend war, dagegen hatten sich die tschechi schen Sozialisten und die tschechischen Radikalen vor her gruppenweise aus dem Saale entfernt, was dahin ausgelegt wird, dass sie nicht nur in nationaler, son dern auch ii« politischer Hinsicht einen viel schrofferen Standpunkt im neuen Haus« einnehmen werden, als die deutschen Sozialisten. Frankreich. * Die Sabotage. Die Sicherheitspolizei beschreitet einen üveg, den sie bisher nie einschlagen wollte. Sie hat auf unmittelbare Anregung des Herrn Caillaux eine Belohnung von 5000 Franken für die Ermittlung der Verbrecher ausgeschrieben, die am 29. o. M. durch Losjchrauben einer Schiene bei Pont d« l'Arche den Schnellzug Paris—Havre zum Entgleisen gebracht haben. Mit Polizeiprämien von angemessener Höhe kann inan am ehesten hoffen, der Vorüber von Anschlägen auf die Sicherheit des Bahnverkehrs habhaft zu werden. — In der verflossenen Nacht wurden die Signal drähte des Bahnhofes von Gagne bei Paris sowie 15Telegrapbendrähte in der Nähe von Montpellier zerschnitten. » Nachklänge zum Lhampagnerkrieg. Das höchste Gericht bezeichnete zur Aburteilung von 46 Win zern, di« gelegentlich d«s Aufruhrs in der Aube verhaftet und unter Anklage gestellt wurden, die Ge schworenen des Nord-Dt-partements, die zu diesem Zweck im August «ine außerordentliche Tagung halten werden. Italien. * Die italienisch-österreichische Grenzrcvifion. Hatte im Vorjahr ein Zwischenfall durch Grenz verletzung am Zwölfergipfel, wegen dessen Italien sein Unrecht bekennen musste, Verstimmung in Italien und Oesterreich verursacht, so in diesem Jahre ein Zwischenfall am Mandriolagipfel, wegen dessen soeben Oesterreich sein Unrecht be kannte. D e italienrsckp-österreichische Kommission, die in Anbetracht der recht häufigen Erenzzwischenfälks nach der Zusammenkunft der beiden Minister im vorigen Jahre zwecks Revision der Grenzlinie ein gesetzt worden ist, hat ihre Arbeiten erst vor kurzem in Triest begonnen. Die Kommission dürfte aber ziemlich rasch mit ihren Arbeiten fertig werden und die wrchl beiderseits erwünschten Massnahmen aus findig machen, die die Wiederholung der beiden Grenzüberschreitungen ausschließen und den klein lichen chauvinistischen Treibereien die Nahrung ent ziehen. Russland. * Keine neue russische Anleihe. Die im Auslande verbreiteten Eerüchre von der Aufnahme einer neuen russische» Staatsanleihe sind unbegründet. Es handelt sich lediglich um die Emissionvon Ob ligationen für Privatbahnen unter staat licher Kontrolle. * Schließung de» größte» jüdischen Vereins in Rußland. Auf Verfügung des Stadthauptmanns von Petersburg wurde der jüdisch-lite rarische Verein in Petersburg, der 120 Frlialen in der Provinz zählte, geschlossen. Der Verein wurde im Jahre 1908 von dem Duma abgeordneten Nisselowitsch und dem früheren Redakteur der Zeitung „Der Freund" Guens - bürg gegründet. Türkei. * Edhem Pascha verwundet. General Edhem Pascha, der an Stelle Torgut Schefket Paschas dem Oberbefehl über die im albanesischen Ausstands- gebiete versammelten Truppen übernommen hat, ge riet zwischen Eusinje uns Djakowa, begleitet von seinem Adjutanten und einer kleinen Abteilung Ka vallerie, auf einem Erkundigungsritt« in «inen Hinterhalt. Ihm und seinem Adjutanten wurde ein A r m durchschossen. Beide stürzten von ihren Pferden. Ihre Leute brachten sie nach Ipek. Den Arnanten gelang es, zu entkommen. * Aufstand in Südaldnaie«. Zu den Gerüchten über «inen Aufstand in Südalbanien veröffentlicht das Preßbureau ein Kommunigw-, worin erklärt wird, daß etwa fünfzig Leut«, die sich in der Um gebung von Argyrokastro versammelten, beab sichtigt«» in di« Stadt einzudringen, aber davon in folge der Haltung der Bevölkerung wieder absahen. Truppen hätten di« Angesammelten zerstreut. — ,I>«ni Gazetta" meldet: Die Pforte bracht« in Er fahrung, daß Montenegro neuerdinas Bomben und Munition an di« Malissoren verteilte. R'rIkikro. * Die ermordeten Deutsche«. Die in der Spinnerei von Covadonga getöteten Deutschen sind: Wil Helm Kuhlmann und Peter Schmitz von der Köln-Deutzcr Gasmotorenfabrik, Alfred Boer aus Lauban (Schlesien) und Gertrud Boer, während Heinrich Weidmann ans Mülhausen (Elsaß) mit