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Nr. 197. los. Islrryrmy. tewitnrr Trmekwn. gelangen können AI» vtr «fuhren, war das Rilt- tär nach mit Rettungsarbeiten beschäftigt" Die Toten. tktn Telegrmnni unseres Mitarbeiter» Übermittelt un» die Namen der Toten: Müllheim (Baden). (Eigene Drahtin.) Don den Seichen de» Müllheimer Eisenbahrrungtücks sind fol gende festgestellt: Katharina Wartmann aus Basel. Theodor Pfleiderer aus Basel. Lnzian Bloch aus Chaux de Fonds Karl Marimann aus Tuthium Wild (Bases). Lydia Geiser aus Pfrondorf Emil Müller aus Schönau. Friedrich Sutter aus Hagen. Johan» Geiser aus Unterhausen bei Reutlingen. Walther Schmidt. 12 Fahre alt, aus Mülhausen. Fran Böhringer aus Hiigelderg bei Steinen. 2b Personen sind leichtverletzt, acht schwerverletzt. Die Unglücksstätte ist durch Militär nbgesperrt. Uebcr KM Menschen aus ollen Gegenden umdrängen die Unglücksstätte. yr Ueber Vie Personalien der Toten und Verletzten sind die weiteren Meldungen noch unkontrollierbar. Wir verzeichnen nachstehende Telegramme: Müllheim, l7. Fuli. (Eig. Drahtmeld.) Es wurden noch die Namen folgender bei dem heutigen Eisenbahnunglück getöteten Personen festgestellt: Herr Wild aus Basel. Lucia Bloch aus Ehaudesonds. Theodor Psleivercr aus Basel (Ojährig). August Dnthium aus Basel (1877 geboren) Lydia Geisner aus Pfrondorf. Architekt Emil Müller aus Schönau im Wiesen tale (lOjährig). Walter Schmidt aus Mülhausen (1897 geboren). Friedrich Sutter, Landwirt aus Hagen im Wiesentale. Johannes Geiser, aus Unterhausen be- Röt lingen stammend. 88 Fahre alt. Karl Warthmonn aus Basel Unter den Schwerverletzten wurden folgende Namen festgestellt: Rosine Frasch aus Schönau. Frau Schaffner Narthmann au--, B > > Fonas Meyer aus Basel. i Andreas Reinbcrg aus 'Basel. Luise Burg aus Pforzheim. l Fakod Rnmelin aus Gresgen. Rcgierunosbaumeister Rürnbergir Le r.uh > Die Verletzungen sind meistens komplizierter Art > und bestehen aus Ober- und Ilnterschentelbrüchen, j schweren Kopfwunden. Nippenbrüchen. Unterleibs- ! Verletzungen, inneren Blutungen usw. * 5-9 Karlsruhe, 17. Fuli (Eig. Drachmekdn'sg) s Ueber das Eisenbahnunglück bei Müllheim wird i folgende amtliche Meldung verbreitet: Bei der Einfahrt in Station Müüheiw entgleiste heute morgen l49 Uhr an einer wegen Umbauorbeiten provisorisch anqelegten Gleisnerbin- dung vermutlich wegen zu raschen Fahrens der Eil zug Nr. 9 nut Lokomotive, Gepäck- und vier Per. , sonenwagen. Nach den bisherigen Feststellungen sind t 12 Personen tot, 15 schwer und 20 leicht i verlebt. De: Materialschaden ist erheblich. Die Lokomotive ist mit sämtlichen Nädern entgleist, der Packwagen umgcstnrzl. der folgende Waaen 1. und 2. Klasse vollstöndio zertrümmert, der nächste ll. Klasie umgesetzt. Am vierten Wagen 8. Klasse wurde der Oberkasten vollständig zertrümmert durch den fünften Wogen, der sich aus den vierten aufge schoben hat Der sechste und siebente Wagen sind entgleist und beschädigt Die Namen ger Schwerverletzten lauten: Jakob Nuemlin aus Gresgen (Baden j Fonas Meyer aus Basel Regierunqsbaumeister Nürnberger aus Lörrach. Martha Psleideree aus Schafbof bei Kapferzell. Noline Prasch aus Schönau Frau Marthmann (Schaffnersfrau vom Fug' Paris—Basel). Krankenschwester Marie Koch. Leicht verletzt sind Adolf Sirlt, Diplomingenieur aus Bollwcile: im Elsaß. Bruno Meier, Pfarrer aus Panitz bei Schkeuditz Fakob Grimm, Stationswärter aus Zwingen berg an der Bergstraße. Fosef Meier, Metzger aus Hausen Rnitbach. Heinrich Zeiht, Betriebsassistent aus Basel Hans Goetz, Fahnenjunker aus Basel. Walter Kraus, Siudent ans Brüx (Böhmen). Elisabeth Thudium aus Basel Emil Wild, Packer aus Bafel Gertrud und Hermann Pfleiderer aus Basel R. und R. Kiefer aus SchoiKbeim. Karl Roller aus Bechlingen Foscs Kaufmann aus Lörrach. Siegfried Gutmann aus Singen bei Konstanz. Adolf Drens,iß ans Karlsruhe. Bürgermeister B-mel ans Schönau Margarethe Rothschild aus BcKel. Klara Dolderlein aus Berlin Fulie Müller. Krankenschwester ans Markstadt (Oberamt Böblinaen). Margarethe Hollewoaer ans Mabstn ^Schweiz). Frau Huber aus Basel Andreas Rheinberg n»s Balel. ckt 14 TE. Don unserem Freiburger Mitarbeiter ernsten, wir nachstehende ergänzende Meldung: k. Freiburg, 17. Fuli. (Priv.»Tel.) Bon den Schwerverletzten sind im Laufe des Nachmittags noch 3 weitere Personen verstorben: Ncg..Paiimeistrr Nürnberger aus Lörrach. Walter Krane, Stud. jur. aus Brüx. t Frau Elisabeth Thudium aus Bafel. Es werden bis jetzt also 14 Tote gezählt, ei»:? derselbe» ist so verstümmelt, daß seine Persona lien noch nicht festgestellt werden lonnten. Die Gesamtzahl der Opfer an Toten und Schwerver letzten beträgt 28. D»r badische Minister Nhei- j bald ist an der tlnsallstcll.: eingetrofsen. — An der ftnfaUsteile werden wegen einer Unterführung Bau » arbeiten rwrgenem'nen. so dah, es dem Lülomativ sührer Platten aus Ossenburg richt möglich war, die Strecke zu übersehen und das aus „Halt" stehende Signal mahrzunch-neu. Als er es im letzten Augen blicke bemerkte, versuchte er alle zu Gebote stehenden L Mittel anznwcnden, um den Zug zum Halten zu bringen. Doch weder durch Gegendampf noch durch l Ziehen der Kaevrntcrbremse mar ihm da» möglich, i Anhervrm soll die Weiche nicht intakt ge- f wescn srin: die Feststellungen darüber bleiben der amtlichen Untersuchung Vorbehalten. Auf wunder bare Weise blieb ein Reisender der zweiten Klasse unverletzt, während drei mit ibm im gleichen Wagen abtcil sitzende Herren völlig verstümmelt und getötet wurden. Nus der Chronik de? Eiscnbahnnnfälle in Dentschlaird, z die sich in den letzten Fahren ereignet haben, sei in ! Erinnerung gebracht: Am 8. November 1900 fuhr bei Offenbach ein Lokalzug auf den Berliner D-Zug auf: durch Explosion eines Gasbehälters gerieten zwei Wagen in Brand, und zwölf Personen fanden den Tod in den Flammen. Infolge Auffahrens eines- Zuges auf einen haltenden Schnellzug verloren weiterhin am 20. Dezember 1901 bei Altenbeken zwölf Reisende ihr Leben. Ganz in der Näh« dieser ttnfalisrelle verunglückte dann im Fuli 1005 ein Zug dadurch daß er im Tunnel von l->.rabstiirzenden Fels mauer-! verichüitet wurde, : reizet)» Personen wurden dabei verletz'.. Jin Akai 1902 entgleiste der München -Berliner !>-Zug le'. Zschortau, Proo. Sachsen, wobei zrvei seiner Insassen getötet wurden. Im August desselben Fabres erlitt der Berlin—Kölner O Zug bei Braunschweig einen Radreifenbruch, ocr zur Entgleisung führte, wobei vier Passagiere schwere Verletzungen erlitten. Auch am 6. August 1907 wurde Entgleisung die Ursache einer Kata strophe für den Schnellzug Berlin—Eydtkuhnen bei Tre mess en; hier zählte man acht Tote und vier Schwerverletzte. Einen Monat später, am -1. Sep- rember desselben Jahres, ereignete sich dann vor den Toren Berlins, bei Strausberg, jenes Eisen- bahnunglvct, das aus einen verbrecherischen Anschlag zurückgesühr! wurde: der Insterburger Schnellzug ent gleiste und geriet in Brand Acht Reisende wurden schwer verletzt, und nach Lagen fand man bei den Auf räumungsarbeiten noch die Ueberrestc eines Passa giers, der hilflos im Zuge verbrannt war. Ein paar Jahre vergingen nun ohne größere Unfälle, bis dann am 30. März I9l9 die furchtbare Katastrophe bei MüU)eim o. Nh. eintrat, di« noch in frisck^r Erinne rung ist. Infolge Auffahrens dos Hamburg—Gcuua- Expreßzuges auf einen Militärurlonberzug wurden 2.9 Soldaten getötet, über dreistig schwer und gegen hundert leicht verletzt. Es folgte der Zugzulammen- stoß bei B a u m s ch u l e n w « g am 6. Februar d. I., wobei neun Fahrgäste schwer und neun leichter ver letzt wurden. Das letzie Unglück ereignete sich am 0. Mai 1911 in der Nähe der Station Rath bei Düsseldorf, wo der sogenannte Börsenzug ent gleiste: der Lokomotivführer wurde getötet, zwei Passagiere erlitten schwere und ein« ganre Anzahl der Reisenden leichtere Verletzungen. Das Komponistmnslldjekt. Wie wir in unserer gestrige» Abendnummer bereits melden konnten, steht die entscheidende Wen dung in der Marokkofrage unmittelbar bevor. Eine ausgedehnte Besprechung des französischen Botschafters Cambon mit dem Staatssekretär von Kiderlen- Wächter, die am Sonnabend nachmittag stattsand, Hal zunächst einmal die längst erwarteten, bestimmt aehaltenen Vorschläge Frankreichs an das Deutsche Reich gebracht. Der deutschen Regierung ist nunmehr bekannt, was die sranzösijche Republik für Angebote zu machen gewillt ist, um das Marokkoproblcm einerendgültigen Lömngzuznsühren. Weiterhin sind aber auch aus der Tatsache, daß Ki- derlen-Wächter über diese Vorschläge mit dem Kolonial staatssekretär von Lin deau ist Rücksprache nehmen will, und daß er sich zu diesem Zwecke Bedenkzeit wegen einer Entscheidung Vorbehalten hat, ganz bestimmte Schlüsse auf Art und Charakter des französischen Ane - bictcns möglich: Es handelt sich zweifellos um sehr beträchtliche Zugeständnisse aus kolonialem Gebiet die dem Deut scheu Reiche einen outen Zuwachs für seinen Kolonialbesitz bringen würden. Einige Auf hellung vermag dazu ein Telegramm des „Hann. Cour." aas Paris zu geben, das sich aui sachliche Angaben des „Echo de Paris" stützt. Danach sollen territoriale Kompensationen in Marokko nicht in Frage kommen. Um aber den deutschen Interessen im Susgcbiet von Marokko Genüge zu leisten, sei erne Einigung in folgendem Sinne wahrscheinlich: Unter der militärischen Oberhoheit des Wachsen rirrde das Gebiet vielleicht an zwei oder drei Lescllschcftrn ver teilt. Die Privilegien sind ausschließlich wirt- schastlicher Natur. Weiterhin soll das Projekt eines internationalen Zentralkomitees für öffentliche Bauten in Marokko wieder ausgenommen werden. Deutschland wünsche eine Grenzberichtigung am Kongo, dadurch würde sich Frankreich eines wertvollen Gebietes entäußern, Deutschland würde in den Besitz eines Kolonialreichs erster Ordnung gelangen. Nach einer Berliner Information des hannoverschen Blattes ist es „nicht unmöglich, das; diese Pariser Meldung in die Nähe der Wahrheit kommt". Ehe nichts Weiteres über das Wie und Was der territorialen Zugeständnisse am Kongo, deren ge flissentliche Anpreisung durch das „Echo de Paris" Vlrnswy, lS. 3uN 19N. allerding» einigermaßen mißtrauisch machen könnte, bekanntgegeden wird, hat es wenig Zweck, über die Brauchbarkeit des französischen Vorschlags eingehend zu diskutieren. Mit schlagwortähnlichen Sätzen wie: „Landkompensationen sind nur in Marokko möglich" kommen wir jedenfalls nicht weiter. Nach allen bisherigen Erfahrungen dürfen wir zur deutschen Regierung, ganz besonders zum Staatssekretär v. Kiderlen-Wcichter das unbedingte Zutrauen haben, da» er die Tragweite und Nützlichkeit ter sranzö- silchen Vorschläge einer genauen Prüfung unter wirft — die Ankündigung der Rücksprache über diesen Punkt mit dem Kolonialstaatssekrctär lässt ja bereits erkennen, wie umsichtig v. Kiderlen-Wächter zu Werte geht — und das; dann Entscheidungen getroffen werden, deren sich die deutsche Regierung nicht zu schämen braucht, mit denen vielmehr das deutsche Volk sehr zufrieden sein kann. * Die angebliche deutsche Truppenlandung durch den Kreu-er „Berlin" wir am besten als „Ente" der Pariser Kvlonialpresse durch den Hinweis auf die Tatsache gekennzeichnet, dast sich der „Berlin" zu der Zeit, in der die Landung von Matrosen erfolgt jein soll, bereits auf dem Wege nach Teneriffa befand, wohin er sich zur Einnahme von Kohlen und Proviant begeben hat. - Spanisch-französische Verärgerung. Madrid, 17. Juli 1911. (E. D.) In Marokko fahren die Fran!osen und Spanier fori, ihrer gegenseitigen Verärgerung durch kleinliche Zänkereien und willkürlich hervorgeruscne Zwischen fälle Ausdruck zu geben. Wie schon aus Tanger gemeldet, wurde der französische Konsnlatsbeamte Bendahan ans irgend einem no^ nicht aufgellärten Grunde von Spaniern verhaltet und trotz Er suchens der französischen Behörden nicht frei gegeben. Der französiiche Vizekonsul Boissier richtete aus diesem Anlaß ein Protestschreiben an den spanischen Konsul Gallego, der jetzt darauf geant wortet hat, daß Bendahan als Führer einer cheri- fischen Mahalla französischem Schutz nicht unterstände, wenn er auch den Franzosen Dienste geleistet Härte. Die Spanier hätten daher keine Veranlassung, dem Verlangen des Vizekonsuls Boisset Folge zu geben. Die Lage in Larrasch. Larrasch, 17. Juli. (Eig. Drahtm.) Spanische Posten bewachen seit gestern die Tore. Der Kreuzer „Carles Quinta" ist in See gegangen. — Der Kaid von Larrasch wurde vom Sultan ab gesetzt. Oie steuerliche Belastung im ürurschen Volk Die Frage nach der steuerlichen Belastung der einzelnen Voltsschichten Hal seit der Steuerge.etzgebung des letzten Jahrfünfts immer mehr nach Vertiefung gedrängt. Mit einer Berechnung auf den Kopf der Bevölkerung ist auch heule taum etwas anzufangen. Dazu sind die sozialen und Wohlfrandsverhüllnissc zu verschieden. Trotzdem ist die Wissenschaft bisher der so wichtigen Frage wesentlich nicht viel näher gekommen. Die früheren Versuche haben augenschein lich ihre Ausgabe zu weit gegriffen. Der statistischen Erjassung der Ledensverbältnisse, die sie berück sichtigen wollten, sind even engere Grenzen ge zogen. Beachtung verdienen daher neue wissenschaft liche Untersuchungen von Professor Wittschewsky in Berlin. Er beschränkt das Thema aus dre zunächst inieressierende Frage, wie sich die steuerliche Be lastung der Unterschicht, die die grostc Plane der eigentlichen Arbeiterbevölkerung umfasst, zu dem bestergestellten kleineren Teil der übrigen Bevölke rung verhält. Die Berechnungen sind aus einfach c Grundlage durchgeführt. Damit sind sicher viel Fehlerquellen vermieden. Ihr Ergebnis gc-r dahin, das; von den in Betracht gezogenen R e r ch s st e u e r n aus den Kopf der Unterschicht etwa 1üaus den Kopf der Oberschicht etwa 45 .x entfallen. Zur Unterschicht gehören etwa drei Viertel der Be völkerung, zur Oberschicht ein Viertel. Das Ver hältnis ist also umgelehrt wie das der Belastung pro Kops der Bevölkerung. Rechnet man, wie unbe dingt erforderlich, die steuerliche Belastung inr Reich und den Elnzekstaaten zusammen, io würde — nach der Abhandlung Professor Wiltschcwskys — von der Gesamtbelastung etwa zwei Drittel WMmm Mnkefleace Thklckersi; Von Fr. Katt. (Nachbrm! verboten.) Man hat den Verfasser des „Danity-Fair" („Der Jahrmarkt des Lebens") einen lachenden Pessimisten genannt, und nicht mit Unrecht. Wenn man die von Böhm geschasjene Bronzestatuette Thackcrays gesehen hat, drängt sich einem unwillkürlich dieser Gedanke aus. Ein merkwürdiges Gesicht. Das vorstehende Kinn, die platte Nase, eine lange, etwas schlottrige Gestalt, um den feingcschnittenen Mund spielt ein spöttisches Lächeln So steht er vor uns. die Hände in den Hosentaschen, dieser lachende Verächter der Menschheit, der dennoch zu leben verstand, und außerhalb dieser seiner literarischen Sphäre ein prächtiger Gentlemanmensch war Rivale Charles Dickens, aber nickst dessen gemüt vollen Humor besitzend, ist Thackeray dennoch ein Großer unter seinen englischen Zeitgenoffen. Mit seiner skeplisck>cn Feder weiß er die Menschen, die Periode, in der sie leben, grairdios zu schildern. Er besclstrftigt sich eigentlich am liebsten mit den Leuten des 18. Jahrhunderts, „Henry Esmcmd", „Die Virginier", „Die Memoiren Barry Lindons", dieser wundervollen kleinen Spielerphandasie. die die Zeit oes großen Friedrich so eminent wiedergibt, gehören zu Lesen Kulturschilderungen. Aber auch aus dem Leben heraus weiß er zu be achten, in seinem „Pendennis" schildert sich Thackeray selbst, das Milieu beherrscht er darin in einer gerade zu meisterhaften Art, ebenso wie in den „Newcomes" und in den vier Georgen. Mit dem Zeichenstist wußte unser Meister gleich falls gut Bescheid. Dieses Talent hals ihm bei seinem literarischen Schaffen. Diele Karikaturen, diese Federzeichnungen machten das Lebendige in seinen Romanen noch lebendiger. Ein literarischer Hogarth - wahrlich, die Engländer können stolz auf William Makepeace Thackeray sein, dessen Meisterwerk: „Der Jahrmarkt des Lebens", auch in Deutschland volks- rümlich geworden ist. Seltsamerweise litt Thackeray bis zu seinem Lebensende an einer gewissen Schüch kernheit. Jedem Hervortreten abhold, verbot er seinen Töchtern, irgend etwas Wichtiges ans seinem Leben nach seinem Tode zu veröffentlichen: so fließen uns nur karge Quellen. Als der Knabe William Makepeace Thackeray. am 18. Juli 1811 wird er in Kalkutta als Sohn eine» indischen Zivilstaatsbeamten geboren, siebenjährig nach Enakand zur Erziehung geschickt wird, und dann in die Charter Swule nach London kommt, faßt er testen Fuß in der Riesenmetropole. Die Mutter hat sich. Witwe, wieder mit einem indischen Offizier, Major Henry Smyth, verheiratet (1818), den kleinen k Thackeray schickt man zu seinem Großvater, der in der f Genuß des Lebens das Hiiä-stc. Unser Held hat eigentlich nie die wirklichen Sorgen des Lebens kennen gelernt, das heißt, er grübelte nicht darüber nach, was ihm das Dasein brachte. Bis zu seinem Dahinschciden war ihm der Genuß des Lebens das höchste. London, seine zweite Vaterstadt, liebt» er leiden- ? schaftlich. Der hübsche, witzige Freischüler William Thackeray weiß sich sehr bald eine geachtete Stellung unter seinen Kameraden zu verschaffen. Man fürchtet diesen Hellen Jungen, der später di« rechte Hand de» Klassenlehrers wird, dazu kommt, daß er ein famoser Karikaturcnzcichner ist, satirische Verse schmiedet, da durch sich gleichsam die Zuneigung der Mitschüler erobert. Außerhalb der Lehranstalt erweist er sich als scharfer Beobachter von Menschen nnd Ereignissen. Mancherlei .zeichnet er sich in sein Tagebuch, was frappiert: Lachende Lebemänner, von schwarzen und weißen Dämchen bedrängt, «t Aoir" hat der junge Thackeray mit kecker Hand darunter ne- schrieben, — dreizehn Jahre ist das Bürschchen da mals alt. Wie er in seinem „Pendennis" sagt, zeichnet sich Thackeray durck-aus nicht auf der Sckmle aus, er ist ein mittelmäßiger Schüler, weder dumm noch sehr klug. — Seine Konversation läßt zu wünschen übrig, er ist manchmal sogar langweilig, aber ein heißes Empfinden, Verlangen glüht in diesem wortkargen jungen Burschen: Er möchte sein Wissen bereichern, aber nicht mit trockener Schulweisheit. — Co liest er denn alles, was ihm in die Hände kommt: Romane. Räubergeschichten, sentimentale Novellen, Schauspiele, Reisebeschreibunqen. Hat er selbst doch schon das Felseneilmrd gesehen, auf dem der Un bezwingliche als Gefangener saß. die Insel St. Helena, Napoleons Grab. Wenn Thakeray den Jungen davon erzählte, röteten sich seine Wangen: „Keiner von euch hat das erlebt, es war für mich ein Geschenk." Damals, aus der Charter-Schule, beißt er schon den Gentleman heraus. Wenn er Geld hat, traktiert er seine Kame raden bis znm Ueberdruß mit Süßigkeiten, kein Sportmensch, geht ihm der materielle Genuß über alles. Als akademischer Bürger tut sich der Cambridge- Student auch nicht besonders hervor, hier verdient er sich das erste literarische Honorar. — Er schreibt satirische Aufsätze für denSnob rind den akademischen Bürger, kleine Käsebläi^en. in denen er das aka demische Leben grausam beninterreißt. Nebenbei spielt cr aus Pump den Dank«, wird Tennysons Freund fürs Leden und beschließt endlich, sich ein wenig die Mlt anzusehen — Mr finden ihn 1830 in Weimar, und hier empfängt Thackeray unver geßliche Eindrücke. Der 19jährige Spötter wird hier doch etwas zahm, Goethe, der Gewaltige, zieht ihn ganz in seinen Bann. Aber Thackeray beherrscht die 20 jungen Eng länder, die sich in Weimar aufhalten, vollständig. Er kaust sich Schillers Degen und paradiert mit dem selben bei Hofe, sieht Ludwig Deorient als Franz Moor, und hört die goldblonde, wundervolle Schröder-Devrierrt als Fidelio. — Das urdeutsche Weimar ist ihm sympathisch, Goethe in seinem Neußer» imponiert dem jungen Engländer mächtig, seine Äugen durchleuchten das schöne Antlitz mit dunklem Glanz, das schneeweiße, volle Haar, die hohe Gestalt, er muß, wie Thackeray sich ausdrückt, in seinem Alter noch schöner gewesen sein als in den Tagen seiner Jugend. — Ihm erging cs wie dem Berliner Ludwig Rellstab, der um diese Zeit auch in Weimar war, beide nahmen dieselben Eindrücke ? vom Meister mit sich fort. Römische Schlender- und Künstlerjahre (1832) versetzten Thackeray in Entzücken. Die ewige Stadt tut's ihm an, in „Clive Ncwcome" schildert er sich, wie er unter den klassischen Trümmern dahin- wairdert, wie er zeichnet und malt, wie er hier ernst lich daran denkt, ein Freier zu werden, die trockene Juristerei beiseite zu schieben. Wie er sich in der Römcrstadt als froher Jüngling fühlt! Hier ist nichts bei ihm von jenem ätzenden Spott zu spüren, hier will er nur genießen, sehen! Die bessere Gesellschaft, die schönen Mädchen von Trasteoere, in dem Fudenviertcl und auf der Piazza di Spagna, überall findet man ihn, endlich aber ist es auch Zeit für ihn, zu scheiden, die letzte Tour ins Ausland — Paris, die glänzende Seinestadt, fesselt ihn, Lutetias Töchter wirken auf den jungen Eng- länder wie Haschisch, etwas Berauschendes haftet diesem Babel an. In seinem Paris-sketch-Book weiß er die Pariser in seiner Art zu schildern. — Wandelnde Bilder sind sie ihm, schmierige und dabei heitere Künstlerexistcnzcn lernt cr kennen, mit vollen Händen teilt cr seine Pfundnoten aus, besitzt er doch jetzt 40 000 Lstrl., nun kann cr den Gentleman nach Herzenlust spielen. Maler und Literat, Bulwer- Herunterreißer, dessen Eugen Aram grausam ver spottend. also führt sich Tliaüeray nun wirklich in die Literatur ein. eifriger Mitarbeiter an Frasers Magazine, haben wir es fortan mit dem Literaten, mit dem Satiriker Thackeray zu tun. Dieses erste Buch des Verfassers, fene» Paris- Sketch-Book (Pariser Zeichnungen, 1840) ist seinem Schneider cmwidmet. Wahrlich, eine ergötzliche und doch menschliche Dedikation. Es heißt darin: ..Sie anworteten dem Schuldner anf feine Versicherung, daß ihm eine augenblickliche Berichtigung der Rechnung höchst un angenehm sein würde. Lieber Gott, Herr, machen Sic sich darüber keine Sorgen: wenn Sic Geld brauchen, wie das bei einem Gentleman öfters vor- komml, so habe ich eine Tausendfranknote in meinem Hause, die Ihnen zu Diensten steht." Dafür legt ihm denn der junge Dichter als ge ringen Tribut seiner Bewunderung diese Bände zu Füßen: Pseudonym: M. A. Titmarsh. Mit Banity-Fair (Ter Jahrmarkt des Lebens), der Eitelkeit, diesem wundervollen literarischen Kunstwerk (1817—1848), begann Thackcrays unsterb kicher Ruhm, fortan zählte man ihn zu Len Größten seiner Nation. Wenn wir diesen Roman aus der Hand legen, haben wir etwas Außerordentliches erlebt, Laber er uns Deutschen euch lieb und wert geworden ist. Thackeray bringt uns da Sittenschilderungen meisterlicher Art. Seine Heldin in diesem Roman ohne Helden, Bccky Sharp, ist wie aus einem Gust, was sich um diese raffinierte, grünäugige, pikante Dirne gruppiert: die Menschen, mit denen sie zu sammenkommt, die guten, die schlechten, die Zeit, in der sich der Raman abspinnt (Anfang des vorigen Jahrhunderts bis in die zwanziger Jahre desselben), all das ist mit einer gefunden, künstlerischen Wahr heit geschildert. — Daneben finden wir köstliche Kleinmalerei, wundervolle Studien der englischen Gesellschaft. Als Ibackeran den Riesenerfolg feines Vanity- Fair erlebte, hatte er schon vielerlei geschrieben. Skizzen, Erzählungen, satirische Aufsätze, das New- Monthly-Magazine. Frasers Magazine zählten idn zu den eifrigsten Mitarbeitern. Nun war er mit einem Schlage berühmt geworden, feine Verhältnisse gestalteten sich fortan glänzend, und er konnte den Verlust feines Vermögens verschmerzen, das de? ninge Thackeray durch eigene Schuld, im Spiel, mit hübschen Mädchen, durchgebracht hatte. Als Vorleser hat sich dieser merkwürdig« Mann in der alten und neuen Welt mit außerordentlich giinstiaem Erfolg versucht. Er las aus seinen Werken „Die englischen Humoristen Les 18. Jahr hunderts nnd die vier Eeorae" (letztere derbe Glossen auf diese vier englischen Regentens. tteberall erntete er Beifall und Gold. Das Glück ist Thackeran bis zu seinem Ableben treu geblieben. Als unser Hlnn ok p)cm--uro am 13. Dezember 18(A die Augen für immer schloß — er hatte sich mittlerweile ein prachtvolles Heim in Kensington erbaut (1862) —, erreichte er nur ein Alter von 52 Fabren. „Pendennis", „Die Ncw-Comes", „Henry Esmond", „Die Virginier". ..Lovel der Witwer", all diese literarischen interessanten Arbeiten stehen indes hinter dem wundervollen ..Vanity-Fair" zurück, dessen gesunde Kunst seinen Verfasser unsterblich ge macht hat.