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Nr. ri6. los. Istirysng. Grunde gegen ihn selbst richtet. Denn fein libe rale, Blatt, wohl aber der Freiherr von Zedlitz war «» der im „Tay" die auch von uns erörterte und al» völlig unzweckmäßig gekennzeichnete Attacke gegen den Staatssekretär des Innern ritt. Wenn er diesen Vorstoß setzt lediglich als eine ..Warnung Kur rechten Zeit" betrachtet wissen will, so ist da» werter nichts, al, ein mangelhaft markierter Ruckzug. zu dem er sich genötigt sah, weil seine Gedanken über eine Ver änderung in der Leitung des Staatssekretariats des Innern so überaus wenig Gegenliebe gefunden haben. Dies festzustellcn, ist notwendig, damit einer „Legcndenbildung" rechtzeitig vorgebeugt wird. Deutsches Keich. Leipzig. 27. April. * Aus dem 13. sächsischen Reichstagswahlkreise. Der Verein reichstreuer Männer zu Leipng- Sellerhausen beichlosz -rm Dienstag nacheiner Aus sprache mit dem Reichstagskandidaten Dr. G ün thc r einstimmig, mit aller .Graft für Dr. Günthers Kan didatur einzutrete». Dr. Günther wird in einer demnächst in Lcipzig-Sellerbauien zu veranstaltenden Wählerversammlung seine Programmrcde halten. * Beförderungen im Reichskolonialamt. Zu Ge heimen Regierungsräten und Vortragenden Räten sind ernannt worden: das bisherige Mitglied der Kaiser!. Biologischen Anstalt für Land- und Forst- wirrschaft Regierungsrat Dr. Busse und der bis herige ständige Hilfsarbeiter Regierung?- und Bau rat Schlüp mann; zu Regierungsräten und stän digen Hilfsarbeitern: die früheren Bezirksrichter in Deutsch-Sü-westasrika Kgl. preußisck>er Amtsrichter Gras v. Bethusn-Huc und Fischer, der bis herige außeretatsmäßige Hilfsrichter und frühere komissarische Dezirksamtmann Dr. Hardn sowie der bisherige Nauinspektor Meier. * Ernennungen bei den Schutztruppen. Oberst o. Glafcnapp, Kommandeur der Schutz truppen im Neichskolonialamt, wurde der Rang eines Brigade-Kommandeurs verliehen; n. Hendebreck, Major in der Schutztruvpe für Südwestafrika, wurde mit der Führung dieser Schutztruppe beauftragt. * Der tote Erzbischof. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Wir wir hören, reichte der Posener Dom herr Mossosynski als Testamentsvollstrecker des 1!>02 verstorbenen Kardinals und früheren Erzbischofs in Posen Grafen Ledochowski dem Posener Oberpräsidium ein an den König gerichtetes Gesuch um die E r l a u b n i s zur Beerdigung des Kardinals i m D o m zu Posen ein. Der 1902 in Rom verschiedene Kardinal Ledochowski sprach tefta mentarisch den Wunsch aus, das; sein Körper im Posener Dom und sein Herz im Gnesener Dom auf bewahrt werden solle. Nach der Kabinettsorder vom 2t. Juli 1834 steht den katholischen Bischöfen das Eh'enrecht zu. sich in der Domkirche ihrer Diözese be gatten zu lassen. Da Ledochowski durch den Gerichts hof für kirchliche Angelegenheiten als Erzbischof von Gncscn und Posen abgeletzt worden war, ist der An spruch auf das Ehrenrecht erloschen. Infolgedessen bedarf die Bestattung im Posener Dome des Erlasses einer Kabinettsorder. Eine solche ist vom Testa mentsvollstrecker des Kardinals im Jahre 1902 für die Besetzung des Herzens im Gnciener Dome nach gesucht und vom König, ebenso wie in dem Falle des gleich ^ll-, naatlicherscits abgesetzten Kardinals von Köln. Melchers, erteilt word->" , In' Iobre 1905 nnr^rnuomen ^rcunoe oes Kardinals Schritte, nm auch für die Bestattung des Körpers im Posener Dome, die in aller Stille erfolgen sollte, die Ge- nehmiguna der Staatsregierung nacbznsuchen. Bei den zuständigen Stellen bestand eine prinzi pielle Geneigtheit, das Gesuch zu be fürworten. Gleichwohl unterlief; der Testaments vollstrecker damals die Einreichung eines formellen Gesuches. Dieses wurde jetzt beim Oberprüsidenten in Posen eiugereicht. Die Entscheidung darüber sieht noch au s." * Ncichswertznwachsstkner. Die Vorträge des Reichsschakamtes ül>er die Rcjchswertzuwachssteuer werden am Donnerstagvormittag 11 !lhr im Vlenar üNuno e>'l> Reichstages anianaen. An dem Kursus nehmen etwa 370 der mit der Erhebung und Veranlagung der Steuer betrauten staatlichen und kommunalen Beamten teil. Neichsversicherungsordnung und Zivilver- sorgi.ugc-ichein. Gegenüber dem Mißtrauen, das sich oei der R.'ichsvcrsichcrnngsordnnng gegen Einscbrän- Lrtmlyer Tayevlsn. kung eines Teils der Selbstverwaltung bemerkbar macht, indem man argwöhnt, daß die Regierung die Stellen der Kassenbeamten zu einem groszen Teil den Militäranwärtern vorbehalten wolle, erklärt eine halbosfiziöse Meldung, das sei zu keiner Zeit beabsichtigt. Demgemäß sei mit Zustimmung der Regierungsoertreter eine Vor schrift in den Entwurf der Reichsversicherungsordnung ausgenommen worden, wonach für Inlmber des Zivilversorgungsscheins kein Vorrecht bei der Stellen besetzung in Krankenkassen vorgesehen werden darf. * Abgeordneter Frhr. o. Hertling. Der Führer des Zentrums, Abgeordneter Frhr. v. Hertling, der an Lungenentzündung schwer erkrankt war, ist er freulicherweise wieder völlig genesen, so das; er die Heimreise hat antretcn können. * Di« Besetzung der neuen Etatsstellen für Post assistenten durch Militäranwärter. Es ist zu erwarten, das; für die Besetzung der für M i l i t ä r a n w ä r t e r vorgesehenen Stellen für Postassistenten n i ch t die in den Vewcrbcrlisten v o r n o t i e r t e n Anwärter in Frage kommen, sondern die schon seit längerer Zeit angc st eilten Anwärter. Da 800 neue Stellen im neuen Etat für Postassistenten bewilligt sind, und drei Siebentel Lieser Stellen mit Militär anwärtern bestimmungsgemäß besetzt werden sollen, so gelangen .150 Diätare aus dem Militär- anwärterstande als Postassistenten zur etats mäßigen Anstellung. Es ist dies notwendig ge worden, da sich die Verhältnisse der Diätare zur etats mäßigen Anstellung erheblich verschlechtert hatten. * Der Gesetzentwurf über de» allgemeinen Zweck verband wurde von der Kommission des preußischen Landtags in -weiter Lesung beraten. Mit einigen un wesentlichen Abänderungen wurde der Entwurf ge müß den Beschlüssen der ersten Lesung und somit in Anlehnung an die Vorschläge der Regierung an genommen. Dagegen stimmten nur die Freisinnigen und die Sozialdemokraten, nachdem eine Reihe frei sinniger Anträge abgelehnl worden war, die u. a. eine größere Vertreterzahl der größeren Gemeinden anstrebten. Für diese Anträge waren auch die Natio nalliberalen eingetrelen, die aber dann, als es zur Abstimmung über das ganze Gesetz kam^ für dessen Annahme stimmten. Der Gesetzentwurf über den Großberliner Zwangsverband wird am Donnerstag zum zweiten Male beraten werden. * Ein Verweis für vier Berliner Geistliche. Die vier Berliner Geistlichen, die aus der Iathoversamm- lung in der „Neuen Welt" das Wort genommen haben, nämlich Dr. Max Fischer, Alfred Fischer, Frederking und Dr. Hollmann, haben vom Konsistorium einen Verweis erhalten. In der Verordnung -cs Konsistoriums beißt es, es erscheine mit der amtliclzen Tätigkeit der Geistlichen nicht als vereinbar, in einer öffentlichen Versammlung i>nd in Gemeinschaft mit ihr Einspruch dagegen zu erheben, daß das sogenannte Irrlehregesetz in einem be stimmten, dem evangelischen Oberkirchenrat zur Be urteilung vorliegenden Falle zur Anwendung gebracht werde. Das Ziel der Versammlung sei gewesen, durch eine öffentliche Kundgebung Einfluß auf die Ent scheidung der obersten Kirchenbehörde in einem schwebenden Verfahren auszuüben. Die Mitwirkung an einer solchen Kundgebung bedeute einen erheb lichen Verstoß gegen die dem Geistlichen in der Landeskirche obliegenden Verpflichtungen. * Dem preußischen Abgeordnetenhaus« ist die Sekundärbahnoorlage zugegangen, die ins gesamt 205 076 000 anfordcrt zur Erweiterung und Vervollständigung des Eisenbahnnetzes und zur weite »ra plvroerung des Baues von Kleinbahnen. * Gesetzentwurf üd«r Verleihung von Kohlenabbau berechtigungen an Private. Zurzeit befindet sich «in Gesetzentwurf über die Verleihung von Kohlenabbau- > berechtigunaen an Private bei der zuständigen preußi schen Ministerialbehörde in Vorbereitung. Der Ent wurf soll Bestimmungen enthalten, unter welcher Vor aussetzung und in welchem Verfahren ein Privater das Recht der Aufsuchung und Gewinnung von Steinkohlen erwerben kann. Die Regelung der Materie ist be sonders schwierig, und die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über die Berggesetz novelle vom Jahre 1007 haben dargetan, -aß sich da mals eine befriedigende Lösung der Frage nicht finden ließ. Es besteht die Absicht, die neueingerichtete Bergbau de putation mit -er Beratung des Gesetzentwurfes zu befassen, bevor dieser an den Land tag gelangt. Es ist anzunehmen, daß letzteres in der näch sten Tagung d e s L a n d t a ge s ge schehen wird. Die Notwendigkeit der Einbrin - eines solckn'n Gesetzentwurses ergibt sich aus -en Be stimmungen de» Berggesetzes von 1865, da» durch die Novell« vom Jahre 1907 ergänzt wurde. Im 8 2 Absatz 3 des Berggesetzes heißt es: .Hm übrigen soll der Staat das Recht der Aufsuchung und Gewinnung der Steinkohle an andere Personen übertragen. Die Aenderung der Ueberrraguny erfolgt durch Gesetz." Im Z 2 Absatz A war bestimmt worden, daß der Staat innerhalb einer bestimmten Frist sich ein« be stimmte Zahl von Feldern aussuchen sollte. Da diese Frist nunmehr nach Ss/? Jahren verflossen ist, muß eine gesetzliche Regelung auf diesem Wege er folgen. * Konferenz über den neuen Fischereigesetzentwurs. Am 21. und 22. L. M. fanden im preußischen Landwirt- schaslsminislcrium Beratungen über den Entwurf eines neuen Fijchereigejetzes statt, an denen Ministe rialdirektor We jener, Kommissare des Landrvirt- schastsministeriums und 21 Vertreter der landwirt schaftlichen Körperschaften Preußens teilnahmen. Den Vorsitz führte das Mitglied des Landesökonomie kollegiums Rittergutsbesitzer v. Stockhausen- Abgunst. Abgesehen von zahlreichen ministeriellen Anregungen gelangten eine Reihe von Anträgen aus der Mitte der Interessenten zur Erörterung und Be schlußfassung. So wurde bezüglich der Allgemeinen Vorschriften des Gesetzes die Aufnahme Her in Be tracht kommenden fischereigesetzlichen Bestimmungen aus anderen Gesetzen beantragt. Beim Abschnitt II über die Fischereiberechtigungen wurde die Schaffung von Wasserbüchern bzw. die Notwendigkeit der Ein tragung der bestehenden privaten Fijchereiberechti- gungen in diese bezüglich die Grundbücher auch ohne Zusammenhang mit Grundstücken, ähnlich wie es im daurischen Fischereigesetz vorgesehen ist, für nötig erachtet. Es wurde ferner der Wunsch ausgesprochen, daß Fischereidienstbarkeiteu nicht mehr bestellt würden. Beim IH. Abschnitt (Ausübung des Fischereirechces) wurden einzelne Wünsche wegen stündiger Fischereivorrichtungen, betr. Schutzgitter an Gräben und der Absperrunasrechte geäußert. Hinsichtlich der Genossenschaftsoildung wurde eine stärkere Mitwirkung von Fischereisachverständigen gewünscht, und der Abschnitt VI (Schutz der Fischereis führte zu einem Beschluß wegen Les Verbots der Anwen dung von Explojionsmitteln, eingehen derer Bestimmungen über die Verunreinigungen der Gewässer im Wassergesetz und wegen Vorkehrungen behufs Verhinderung von Schäden und schließlich über die Entschädigungspflicht. Ein ausführliches Proto koll über die Kommisjionsvcrhandlungen soll dem nächst veröffentlicht werden. * Die Jugendpflege und die preußische Regierung. Die vom preußischen Abgeordnetenhaus für die männ liche Jugendpflege in Preußen bewilligte eine Million hat das Kultusministerium zu einer statistischen Er hebung veranlaßt, deren Zweck es ist. im Ab geordnetenhaus den gewünschten Nachweis über die Verwendung der Summe zu geben. Die Summe wird durch den Regierungspräsidenten an die Ge meinden und Vereine verteilt. Die Statistik erstreckt sich u. a. aus die Fragen: Wieveil Jugendliche im Alter von 1-1 bis 20 Jahren haben sich angeschlossen: kirchlichen (evangelischen, katholischen und jüdischen! Vereinigungen, nationalen Turn-, Spiel- und Sport vereinigungen, Iugendvereinen im Anschluß an länd liche, gewerbliche und kaufmännische Fortbildungs schulen, Iugendvereinen im Anschluß an Mittel- und Volksschulen usw. Außerdem tut das Ministerium weiteres für die praktische Durchführung der Jugend pflege. Etwa 100 Schulmänner aus allen Teilen Preußens sind an die Königliche Landesturnanstalt zu Berlin einberusen worden, um dort einen Kursus zur Ausbildu n g in der Jugendpflege und zur Verbreitung Les rationellen Turnens mit zumachen. * Die zwölfte Konferenz der deutschen evan gelischen Rettungsverbände in München wurde nach verschiedenen Referaten, darunter dem des Präsi denten im Oberkonsistorium IX v. Bezzel-München über „Sittlichkeit des Volkes", geschloßen. Die nächste Sitzung findet 1913 in einer mitteldeutschen Stadt statt. * Für Anhalt ist, wie die „Magdeb. Ztg." mit teilt. eine Landtagswahlreform geplant. Das dort gellende Wahlrecht ist jetzt 52 Jahre alt. Der Minister will schon dem jetzigen Landtag ein neues Wahlgesetz vorlegen. * Bayrisches Schulidyll. Nicht nur in Mecklen burg und Ostpreußen gibt es idyllische Schulverhält- nisse. Vor den Toren Nürnbergs, in Rückers dorf, müssen sich seit Jahren die drei Lehrer mit zwei Ilnterrichtsräumen behelfen, obwohl die tlrue llielfichevrieke. Kein Zweiter unter den großen Briefjchreibern hat so die Kunfi des Differenzierens und Nuancierens verstanden wie Friedrich 'Nietzsche. Er nahm die seiiisren Eharakterunterschiede wahr und wußte eigene wie fremde Leelenzustände zu analysieren und zu achten. So sind seine Briefe, insbesondere -er Brief wechsel, wovon eine Gesamtausgabe im Inselverlage in Leipzig erschien, die feinsinnigsten und taktvollsten Dokumente des Umganges mit Menschen. Und zu gleich der vollkommenste Spiegel der Individualität Rietzsckx>s, seines Strebens und Schaffens. Sie führen aufs beste in seine Gedankenwelt ein. Freilich wäre solche Einführung in die Rietzfchewelt durch die um fangreichen, inhaltschwcren Briefbände einigermaßen iiin>tän-ljch, ja vielleicht abschreckend. Darum be sorgte Dr. Richard Oehler, ein ausgezeichneter Nietzschckenner jetzt eine Auswahl aus Rietzjck-es Briefen im Umfange von zirka 20 Bogen, die Lieser Tage im Inselverlage zum wohlfeilen Preise von 3 .« für den Leinenband (in Leder 5 .lt) erscheinen wird. Diese Briefauslese, die nur einen ersten Ein druck geben soll, also -en allerersten Schritt zu 'Nietzsche bedeuten mag, enthält auch einige noch unver öffentlichte Briefe Nietzsches an seine Mutter und Schwester oder Freunde; diese Briese gerade werken interessante Schlaglichter auf ihre Zeit und den jungen Nietzsche. Das erste dieser Schreiben ist aus Leipzig im Mai 1866 an die „Mama un- Lisbeth" gerichtet. Der Studiosus Friedrich Nietzsche hat in der Rue de Lama oder zu deutsch Eiisenstraße 7, parterre", eine neue Garc.-onwohnung bezogen. (Rue de Lama daher, weil Friedrich jein« Schwester brüderlich liebkosend das „Lama" zu nennen pflegte.) Er beschreibt di« be hagliche Stube, die ihm sehr gut gefällt. Der Besitzer ist ein Mascbinensabrikant. „Ich zahle monatlich mit Bedienung Z'H Taler, was nicht zu viel ist." Sehr unsympathisch sind dem jungen Studenten die Be gleiterscheinungen derLeipziger Messe: „Kaum genießbar sind jetzt die Speisen, die man in den Re staurationen bekommt Dazu wimmelt alles von.ab scheulichen, geistlosen Asien und anderen Kaufleuten. So daß ich mich herzlich nach Beseitigung dieses Inter mezzos sehne. Endlich habe ich mit Kersdorff eine Kneipe gesunden, wo man nicht Schmelzbutter und Iudcnfratzen zu genießen bat, sondern wo wir regel mäßig die einzigen Gäste sind. Das ist die Postrestau ration, die mir schon vom alten Mushacke bestens empfohlen war." — Nietzsche schreibt dann noch von Arbeiten und Plänen, schließt mit den Versen: Grüßt alle die Bekannten r Mit einem Gruß von mir. Und sagt den alten Tanten, Ich komm einmal abhanden 1 Als preußischer Grenadier. Einer der krieapbereit ist. Fr. W. N. Der nächste Dries, der Oessentlichkeit ebenfalls noch unbekannt, ist mitten aus dem Krie.ge, „zweite Hälfte Juni 1806" datiert und hat rein kriegerischen Inhalt: Liebe Mama und Lisbeth, ich hoffe, daß Ihr Euch eine Zeitung haltet, so daß Ihr mit Eifer verfolgt habt, was die letzten Wochen für entscheidende Ereignisse gebracht haben. Die Gefahr, in der Preußen steckt, ist ungeheuer groß: daß es gar durch einen vollkommenen Sieg im stande wäre, sein Programm durchzusetzen, ist ganz unmöglich. Auf diese revolutionäre Weise den deut schen Einheitsstaat zu gründen, ist ein starkes Stück Bismarcks: Mut un- rücksichtslose Konse quenz besitzt er, aber er unterschätzt die moralischen Kräfte im Volke. Immerhin sind aber die letzten Schachzüg« vorzüglich: vor allem hat er es verstanden, auf Oestreich einen gewaltigen, wenn nicht den größ ten Teil der Schuld zu wälzen. Unsre Lage ist sehr einfach. Wenn ein Haus brennt, fragt man nicht zuerst, wer den Brand ver schuldet hat, sondern löscht. Preußen steht in Brand. Jetzt gilt es zu retten. Das ist das allgemeine Gefühl. Mit dem Moment, wo der Krieg begann, traten alle nebensächlichen Rücksichten zurück. ^>ch bin ein ebenso enragierter Preuße, wie z. B. der Vetter ein Sachse ist. <rür alle Sachsen ist es aber eine be sonders schwere Zeit. Ihr Land vollkommen in Feindcshand. Ihre Armee ruhig und untätig. Ihr König fern von den Seinen. Einem andern König und einem Kurfürsten hat man einfach das Garaus gemacht. Das ist die neueste Erklärung des Fürsten rums „von Gottes Gnaden". Da begreift man es, wenn der alte Gerlach mit einigen westfälischen Borneos gegen den Bund mit -er gekrönten (Victor Eman.) und nickst gekrönten Demokratie schimpft. Am Ende ist diese preußische Art, die Fürsten loszuwcrden. die bequemste von der Welt. Es ist geradezu ein Glück, daß sichHannover und Kur Hessen nicht an Prcußcn anschlossen: sonst wären wir in Ewigkeit nicht von diesen Herren los gekommen. Wir leben also in -er preußischen Stadt Leipzig. Heute ist der Kricgsstand für ganz Sachsen erklärt worden. Allmählich lebt man wie auf einer Insel, weil die telegraphischen Nachrichten und die Postverbindung und die Eisenbahnen in fonwähren-er Störung sind. 'Nach 'Naumburg natür lich, wie überhaupt nach Preußen, geht alles wie sonst. Aber z. B. einen Bries an Deussen nach Tübingen zu befördern, ist kaum eine Möglichkeit. Dabei dauern die Vorlesungen ungestört fort. Wie ich neulich von Naumburg zurückkam, fand ich einen Brief von Ritsch! vor, worin er mir die Ankunft der römischen Collation anzeigt. Die Pariser kommt Ende dieser Woche. Trotzdem bin ich mir immer bewußt, daß der Tag sehr nahe ist, wo ich einberufen werde. Dazu ist es nachgerade unehrenhaft, zu Hause zu fitzen, wo das Vaterland einen Kampf um Leben oder Tod be ginnt. Erkundigt Euch einmal ganz genau auf dem Landjratsjamte, wann die Einberufung der Ein jährig-Freiwilligen stattfurdet und gebt mir in Kürze Nachricht. Das Erfreulichste, was noch Leipzig bietet, ist die Hedwig Raabe, als welche fortfährt, vor aus verkauften Häusern zu spielen, in einer Zeit, wo das Dresdener Theater z. B. eines Tages 6 Taler ein nahm. Lebt heute recht wohl und laßt mir bald wieder Wäsche und Nachrichten zuteil werden. Ich grüße Euch herzlich v- W. N. Fortsetzung. Da -er Brief liegengeblieben ist, so wird es Euch schwerlich wütend stimmen, wenn Ihr noch einen Nachtrag bekommt. Ich bin 3 Tage krank gewesen, aber heute geht es wieder. Die Hitze muß mir ge schadet haben. Das ist aber gleichgültig. Wichtig ist aber, daß unsre Soldaten ihren er st en größern Sieg erkochten haben. Vorgestern abend wurde es durch unsern Stadtkommandanten bekanntgemacht, der sogleich eine immense schwarzweiße Flagge an seinem Hotel aufhissen ließ. Die Stimmung der Be völkerung ist sehr geteilt. Man glaubt den arm. seligen Wiener Lügen, nach denen all« diese letzten Treffen ebenso viele Verluste für die Preußen sind, man erzählt sich von einer Gefangennahme von 15 000 Mann Prcußcn. Das glaube der Teufel. In Wien werden ja zur Ermutigung der Massen alle Depeschen gefälscht und umaedreht. Ich bin beiläufig äusserst ergötzt über den glänzen den Durchfall l-rc.nn«ij der Naumdurg-Zektzer Konservativen bei den letzten Wahlen. Wir wünschen keine Egoisten in der Kammer, die, um sich zu fördern, schön tun, nach dem Mund reden, sklavisch vonnrrstty, 27. sprü rstt. oberste Abteilung nicht weniger al» 110 Schüler zählt. Da die einzelnen Klassen zu groß sind, um auf einmal unterrichtet werden zu können, so müssen sie auch noch geteilt werden, so daß Klassenräume den ganzen Tag kaum leer werden. Was für eine Luft sich da ent wickelt, kann man sich vorstellen. Die Baupflicht liegt dem Staate ob, dieser aber streitet schon seit Jahren mit der Gemeinde, der er eine lächerlich niedrige Ab lösungssumme geboten hat. Auslsnü. Belgien. * Das Königspaar wird Freitag abend oder Sonnabend vormittag von feiner Reise zurück kommen. Die Königssamilie wird im Stadtschloß zu Brüssel Wohnung nehmen. Es ist beabsichtigt, im Laufe der nächsten Woche der wiedergenesencn Königin durch das Volk eine Ovation darzubringen. Russland. * Verhaftung von Revolutionären. In Kron- stadt wurde der Hauptorganisator eines so zial-revolutionären Verbandes und mit ihm 17 an dere Personen verhaftet, darunter auch einige Matrosen. Der Verband soll im Heere revo lutionäre Propaganda getrieben haben. Die Ver hafteten wurden nach Petersburg gebracht uud dort ins Militärgefängnis einqeliefert. Gleichzeitig »anden in Petersburg bei Migliedern der russischen Ejpe- rantistenliga Haussuchungen statt, die zur Verhaftung von zwei Herren und zwei Damen führten. Im Bureau der Liga beschlag nahmt« die Polizei zahlreiche Schriftstücke. Marokko. * Die Lage in Fez. Aus El Ksar wird gemeldet: Die Beunruhigung im Gharbgebiet ist im Zu nehmen begriffen. Das Eingreifen der Truppen aus El Ksar kann allein den Ausbruch aufhaltcn. Wen» er aber erfolgen sollte, würde er den Verpflegungs ersatz für die Kolonne des Majors Brömond ge fährden und Fez gänzlich von Tanger ab schneiden. Der Scherif von Wessan Muley Ali reiste von Tanger nach dem Gharbgebiet ab. um zu versuchen, die Ruhe wieder herzustellen. — Die Er nennung eines Oberstkommandiercnden der srauzö fischen Truppen in Marokko ist von der französischen Regierung nicht ins Auge gefaßt. Die nach Marokko abgesandte Brigade Kolonialtruppen wird General Ditte kommandieren. Von General Toutee konzentrierte Truppen an der algerischen Grenze sollen in Marokko nur eingreifen, wenn cs die Ereignisse erfordern. Türkei. * Wegen des Boykott» griechischer Waren haben die Botschafter Deutschlands und Oesterreich- Ungarns Vorstellungen bei der türkischen Regie rung in freundschaftlicher Weise erhoben. Sie haben die Aufmerksamkeit der Pforte darauf hingclenkt, -aß durch den Boykott auch die Interessen der deut jchen und italienischen Gesellschaften vielfach in MU- leidenschast gezogen werden. Die Pforte versprach bereitwillig ihre Hilfe. * Die Kammer erteilte bei der Beratung des Budgets des Ministeriums des Aeußern dem Groß wesir und dem Minister des Aeußern mit 122 gegen 45 Stimmen ein Vertrauensvotum. China. * Zu den Zollstreitigkeiten mit Rußland. Auf Anordnung des Generalgouverneurs von Mulden wurde der Chef des Lubinfu-Gebietes seines Amtes enthoben, da er entgegen den Verträgen von russischen Kaufleuten einen Zoll er hoben hat. Mexiko. * Die Landung englischer Truppen. Wie „Reuter" aus New-Port meldet, ist dort aus Santa Barbara in Kalifornien, wo sich das Kanonenboot „Shear- water" befindet, eine Drahtnachricht eingeganaen, worin der Zwischenfall der Landung britischer Ma trosen in San Quintin offiziell erklärt wird. Danach wäre die Landung erfolgt auf schriftliche Aufforde rung von Beamten der mexikanischen Regierung, die um Schutz baten und versicherten, daß das Leben von zwei Engländern und einem Amerikaner in Gefabr schwebe und daß diese selbst auch um Schutz für ihr Leben und Eigentum bäten. wedeln und vor lauter Ergebenheit platzen wie die Boviste. Und es gab einen großen Gestank. Euren Brief mit dem Gersdorffs bekam ich und kann Euch der Angst entledigen. Als ob Ihr so viel sicherer wärer als ich in Leipzig. Jetzt bleibe ich hier und möchte in diesen Zeiten wirklich nicht gern in einem etwas schläfrigen, ^itungslosen und kreuz- zeitungsdunstaushauchenden Neste stecken. Ich habe für Gersdorffs ersten Bruder rechte Be sorgnisse. Die Zietlzenschen Husaren waren die ersten im Feuer und sollen stark gelitten haben. Unser Gersdorff hofft in frühestens 3 Monaten Offizier zu werden, wenn nicht etwa alberne Kadetten ihm vor gezogen werden. Hiermit gehabt Euch wohl: wenn das Lama Ge burtstag feiert, dürfte ich nach Naumburg kommen. Ich bitte aber vorher um einen Brief wegen der Aushebungsgeschichte. F. W. N. Der nächste neue Brief Nietzsches ist vom 31. Oktober 1866 aus Leipzig wieder an Mutter und Schwester gerichtet. Ein noch unbekannter Brief ist der vom 14. Juni 1874 aus Basel an Oswald Marbach, Sem 'Nietzsche für die Ucbersentung seiner Orestcia uns des Prometheus dankt. Aus einem Briese an Gers dorff wissen wir. daß Nietzsche über Lie Aufmerksam keit des alten Marbach geradezu gerührt war. Er sand es ergreifend, wie Marbach sich, nach seinen eigenen Worten, nur zweier Begegnungen in seinem Leben freuen könnt«: die eine sei die mit Wagner, die andere die mit — Nietzsche. Jener Dankbrief an Marbach nun ist bemerkenswert ob seiner gereizten Ausfälle gegen eine gewiße philologische Richtung: Ich weiß kaum einen andern Menschen noch und gewiß keinen jetzt lebenden Philologen, der in einem so tiefen und natürlichen Verhältnis zur antiken Tragödie stünde wie Sie und der so sehr gebärt zu werden verdiente, wenn er etwas von seinen inneren Erfahrungen mitteilt. Ich las mit dem größt«» Wohlgefühl Ihre Uebersetzung und glaube nichts Besieres gelesen zu haben, so daß ich mir so fort Ihre Sophoklesübersetzungen kommen ließ. Im Kommentar zur Oresteia fand ich die tiefsten uns nach denklichsten Gedanken; übrigens ist es eine Wohltat, Laß Sie auf die wilde Konjekturalkritik unsrer modernsten Aeschylusqelebrten einfach kein« Rücksicht genommen haben. Der Dr. Keck. Herausgeber und Verstiimmler Les „Agamemnon", hat in anmaßlichcr Weise sich im „Jenaer Literaturblatt" über Sie aus gelassen — diese Herren tun wirklich, als ob einer Hühner gestohlen hätte, wenn jemand, der nicht Philologe ist, sich auf ihrem Pachthofe, dem Alter-