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Bezugs-Preis Darch »t« P.ft: tmirr^alb Deallchlaad» »ad lxr d«Usch«« toloaiea vieneljohrl. L« MI„ «»»«tl. aujöchl. Pokbeftellgrld. Ser»«r in Belgien, Dänemark, de» Dananslaote», Italien. Lvremburn. Niederlande, Xae- wege», Oelterrei»»Ungarn. Rußland, Schweden, Echweij n. Epanir». 2» allen übrige» Eiaalen nnr direkt dnrch di« »elchästslreüe de» Blatte» «rhLUlich. Da» Lrivtigee Tageblatt erscheint 2mal täglich. Sonn- ». Feiertag» nnr «orgen». >b»nnrMe»t»-Bnnadm«: 2»tza»ni»g»Il« >, bei onlere» TrLgera, Filialen, Spediteure» »ad B»nah»eft»ll«n. lawt« Postämtern «rd Bries trägern. El»r«l»«rka»s»»r«l» »Pt. eMgcrTllgMM Handelszeitung. Amtsökatt -es Rates und -es Rolizeiarntes -er Stadt Leipzig. Anzeigen-Prci- mtl« l M.: »en a»»»ärt» cki Ps„ N. klawen llv vrr.: Jaserat» von Behörden im amt, liche» I«U »t« Petit,eile S0 Ps. Geschäst»an,«ig«n mir Platzoorl-risten ». i« der Nd,nda»»gad» im Preil» erhöht. Ilabattnachlartj. Beilagegedühr Selamt. auslag« L Mk. » Taulend «rki. Postgebühr, lettbeilag« höher. FefterteUt» Luslrag» können nicht -«rück. «,,»g«a werden. Für da» Erscheinen an deatäuaten lagen und Platzen wird kein« Garantie übernommen. ««,eia«n - tlnnahme: 2»tzo»»i»gals« g, bet lLwUichen Filialen n. allen tlnno««». EgPedttionen de» In. and »«»lande». Druck «u» Berka, »«» Lei»,t,er La^- blaue» S. Pal». Inhaber: Paul Mirs»««. «edattio» uu» G.schSst.st^e: Iohanniogail« 8. Sernsvrecher: lök«. 14 SSI Haupt-Filiale Dr«,d«n: See,trotz« 4. i lTelephon 462ll. Nr. 10S. Die vorliegende Ausgabe »msaßt 4L Leite». Die uälliftc gimmr ttschriilt -es vkcr- st-ts vkgkil Aitilsias, drii 18. April. Dss Wichtigste. * Das Befinden des Kaisers ist entgegen gewissen, von auswärtigen Blättern verbreiteten Nachrichten außerordentlich günstig. (§. Dtschs. RZ * Am heutigen Tage vollenden sich 50 Jahre, seitdem ein besonderes Ministerium für Ma- rine-Angelegenheiten besteht. (S. d. bes. Artikel.) * Zum Gouverneur vonTogo ist Geh. Re gierungsrat Edmund Brückner ernannt worden. kS Dtschs. R.) * Die französische Regierung beabsichtigt die Ver- Hängung des Belagerungszustandes über nie Champagne für die Dauer von vier Wochen. s§. Etrrt. u. Letzte Dep.) * Bei der Umfüllung von Chemikalien in dem Bangueschen Laboratorium in Paris wurden vier Manipulantinnen und ein Manipulant infolge einer Acthylexplosion tödlich ver letzt. * Das Reuter,Bureau bringt die Nachricht von der Landung englischer Marinesoldaten »n Mexiko. (2. Letzte Dep.j Dltergeüsnken. Leuten, die mit der Gegenwart nichts anzu fangen wissen und darum in die Enge über lebter Vergangenheiten flüchten, bleibt der ge heimnisvolle Sinn des schöpferischen Werdens in Natur- und Eeisteswelt für immer verschlossen. Sie vermögen sich nicht aufzuschwingen zu der Goetheschen Erkenntnis, naß es jedem angeboren ist, „daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt". Sie haften mit zäher Beharrlichkeit am Althergebrachten, weil ne sich darin bequem eingerichtet haben, sie scheuen oder hasten wohl gar das Ungewöhnliche, das Neue, weil sie davon Störungen ihrer Be schaulichkeit befürchten. Wer aber unbefangen und vorurteilsfrei an die drängenden Fragen unserer Zeit herantritt, wer genauer hinhorcht auf die vielgestaltigen Regungen und viel artigen Strömungen des menschlichen Geistes, und wer vor allen Dingen die gewaltige Arbeit nicht scheut, das Neuerwachsende, die auf steigenden Säfte und die aufkeimenden Kräfte auf allen Gebieten des Lebens in das Ganze ein ordnend zu bewältigen: dem wird die Gegenwart zwar wirr und voller Widersprüche, aber nicht geistig arm, sondern überreich an Entwicklungs möglichkeiten erscheinen. Dem wird auch das Streben nach neuen Werten der Weltanschau ung, nach neuem Inhalt des Glaubens, nach neuen höheren Idealen nicht unwillkommen sein, sondern es wird sich in ihm als tröst liche . Gewißheit festigen, daß nach manchen Jahren überwiegend materialistischen Inter esten ein frischer idealistischer Zug im Deutschen Wesen sich immer mächtiger und herr licher offenbart. Besonders auf religiösem Gebiet geht ein starkes, heißes, ja enthusiastisches Sehnen nach erhöhten Zielen durch die Menge. Es wäre beklagenswerte Kurzsichtigkeit, wollte man die Aeußerungen einer neuen Frömmigkeit zurück dämmen oder gar verbieten; denn das Wert volle daran wird sich allen Widerwärtigkeiten zum Trotz am Ende doch behaupten. Die Hüter der Institutionen, die zur Wahrung des hergebrachten Glaubens bestimmt sind, sollten doch nicht vergessen, daß vor dem Dogma, vor der Kirche das allgemeine Gefühl der Frömmigkeit, das unmittelbare religiöse Empfinden vorhanden gewesen ,st, daß dem Wechsel und Wandel dieses pri mären Gefühls auch entsprechende Veränder ungen auf dogmatischem und kirchlichem Gebiet folgen müssen. Die Erkenntnis dieser historischen Notwendigkeit hat aber bisher eigentlich jedem Zeitalter gemangelt. Die Geschichte weiß uns da von wunderlichen Beispielen zu erzählen. Huß mußte seinen Bruch mit Priestersatzungen auf dem Scheiterhaufen büßen, und doch hat eine spätere Zeit seine Meinung als richtig er funden. Luther ward in Acht und Bann getan, weil er ein inniges persönliches Verhält nis des Menschen zu Gott forderte und die objektiv« Bürgschaft der äußeren kirchlichen Sonntsg, üen 16. rlprll 19N. 105. Jahrgang. Mittel für die erbarmende Gnade Gottes ab lehnte. Die Pietisten bildeten ihre Religion des Herzens im bewußten Gegensatz zu der dogmatisch-intellektualistisch gewordenen Kirche eines verknöcherten Luthertums aus, und gerade in Leipzig haben sich erbitterte Kämpfe zwischen den orthodoxen Geistlichen und August Hermann Francke abgespielt, die diesen zum Auszug aus Leipzig nötigten. Auch mit den Herrnhutern vermochte sich einst die offizielle Kirch» nicht einverstanden erklären, denn Zinzendorfs Lehre führte geradezu zu einer Verblassung der dog matischen Auffassung der Persönlichkeit Christi. Und doch sind Pietismus und Herrnhutertum für die Fortschritte in der Frömmigkeits bewegung, für die Stärkung des religiösen Innenlebens außerordentlich wertvoll und wichtig gewesen. Weil später Schleiermacher eine Versöhnung des alten Glaubens mit den Ideen des Subjektivismus anstrebte, weil er in der Religion „das Gefühl für das Unendliche im Endlichen" erkannte, wurde er von den An hängern des alten Kirchenglaubens als Ketzer bezeichnet. Und doch gehen noch heute von seinen Lehren mächtige Wirkungen aus, denn auch für uns besteht oer Glaube nicht in der äußeren Abhängigkeit von irgend einem Lehr system, sondern in der „Bestimmtheit des frommen Gefühls". Auch für uns ist der Glaube „eine Tatsache der Erfahrung, ein wohlerrungener Teil unseres Selbstbewußtseins". In unseren Tagen werben feinsinnige, kluge, erfahrene Männer den Gedanken, die Schleier macher gedacht und die sie weiter gesponnen haben, neue Freunde. Wir schauen eine er staunliche Fülle von Schriften, die sich in ernster Form mit religiösen Problemen beschäftigen und an die Zeitgenossen gerichtet sind, die, von der Kirche abgewandt, dennoch von einem starken religiösen Idealismus getragen werden. Männer, wie Friedrich Naumann in seinen „Briefen über die Religion", Artur Bonus in seiner Schrift „Religion als Schöpfung" und nicht zu letzt Karl Iatho, der „Irrgeist vom Rhein" mit seinem „Fröhlichen Glauben", offenbaren einen unwiderstehlichen Drang nach einem Kult freudigen Schaffens, nach einem Kult der Lebensbejahung im Gegensatz zu den lebens verneinenden Tendenzen der alten dogmatischen christlichen Weltanschauung. Sie finden die freudige Zustimmung aller der ernsten Natr ren, die sich redlich in frommem Gefühl um die höchsten Werte der Menschheit mühen. Sie wecken Osterhoffnungen in den Herzen zahl reicher Deutscher. Das Neue, das aus den Worten und Werken dieser reifen Männer spricht, ist letzten Endes aus dem Geist der Zeit herausgeboren. Er wird sich ebenso Bahn brechen, wie in früheren Zeitaltern die in die Zukunft weisenden Ideen gesiegt haben. Deshalb sollte man den Pfad findern auf religiösem Gebiet vom Schlage Iathos und allen, die sich ihm geistig verbunden fühlen, die Möglichkeit religiöser Betätigung auf ihre Weise nicht versperren, ebensowenig wie diese Neuerer es den Kirchengläubigen ver argen, wenn diese ihres Glaubens leben. Die Vergangenheit mag daran mahnen, daß weit herzige Duldung hier von stärkerer Größe zeugt, als engherzige Befehdung. Was unecht und schlecht an den neuen religiösen Strömungen ist, das wird im Verlaufe der Iahre allein dahinschwinden; was aber daran als recht und gut erfunden wird, das wird sich immer von neuem behaupten und kann jedenfalls durch Beschlüsse irgend welcher Art nicht vernichtet werden. „Religion ist ein innerlicher Akt, der nicht dadurch verwirklicht wird, daß er gelehrt, sondern daß er gelebt wird." Diese Anschau ung Carlyles, die der Religion einen ebenso schöpferischen Charakter zuerkennt wie dem Leben, sollte auch heute noch die hohe Beach tung finden, die sie verdient. Sie sollte vor allen Dingen jederzeit zur Grundlage aller Er örterungen über religiöse Fragen gemacht werden. Das sei unser Osterwunsch? Die „Zscquerie" in -er ShsaynMe. sVon unserem Parises T. - Mitarbeiter.) Pari», 14. April. Die „Facquerie" ist ein« historische Institution in Frankreich. Seit 1358 verspüren die französischen Bauern periodisch das Bedürfnis, ihren Wohl stand zu verbessern, indem sie das ganze Land rinasum durchSengen unbPlündern in den Ruin stürzen. „Iacques Bonhomme", wie früher der Adel den gallischen .chummen Michel" zu benennen pflegte, ist zumeist kein böser Mensch; doch wie er im 14. Jahrhundert nicht einsah, warum er in niederen Hütten und di« Ritter in hohen Burgen wohnen sollten (weshalb er die Adslssitze und Schlößer in Brand steckte), so Hal er seitdem oft auch nicht zugeben wollen, daß sich der Armut seiner Dörfer die Ueppigkeit der Städte gegenüberstellte. Die „Facquene", wie man zunächst tue Bauernaufstände um Beauvais und Clermont taufte, hat nur selten eine rein politische Tendenz; sie trägt fast stets einen wirtschaftlichen Charakter. Jetzt ist sie eine Spezialität der französischen Winzer geworden, die, wie ja auch in Deutsch land, mit besonderer Existenzbeschwerins zu kämpfen . haben. Unstreitig trägt die Hauptschuld an der Misere der Weinbauern der schlecht organi sierte Groß- und Zwischenhandel, dem man zunächst durch die Bildung von Winze.genassen- schaften einen gerechteren und vor allen Dingen gleichmäßigeren Gang beizubringen juchte. Die letzten zehn Jahre waren der Ausgestaltung des Ge nossenschaftswesens sehr ungünstig; man verzeichnete quantttativ ganz ungewöhnliche Ernten, die einen solchen Preissturz zur Folge hatten, daß der Wein nicht mehr den Wert des Faßmaterials besaß; die Bauern mußten zu Schleuderpreisen aus der Kelter verkaufen. Tann kamen Mißernten, die nicht ein- mal geringe Mengen von Qualitätsweinen brachten und abermals ein Defizit zur Folge hatten. Im Süden Frankreichs sank der Wert der Weinberge auf ein Drittel. Trotz der vom Parlament be willigten Unterstützungen kam es zur „Facquerie" in der Umgebung von Narbonne, Perpignan usw., zur Zerstörung von Besitztümern und zu Blutvergießen. Die Gesetzgebung suchte durch Namenschutz gewissen altrenommierten Weinbezirken zu ihrem früheren Wohlstand zu verhelfen; die Privilegien, die sie damit schuf, schädigten wiederum die großen Gebiete, die in keiner „klassierten" Weinregion waren, und die ihre Erzeugnisse unter die berühmteste Nachbarflagge zu stellen pflegten. Dieses Eingreifen des Parlaments war durchaus unglücklich; der über handnehmende Protektionismus hat am Ende nie manden befriedigt. Wenn das Marne-Departe ment, das allein Champagnerweine ver kaufen darf, nicht in Revolution ausgebrochen wäre, hätten die sechs aus der früheren historischen Provinz Champagne ausgeschlossenen ringsum- liegenden Departements die Brandfackel ergriffen. Ter Senat war vielte.cht doch nicht jo Ungeschick:, wie es ihm die französischen Zeitungen heute vor werfen, al» er di« Regierung ausforderte, das kaum gültig gewordene Delimitationsgejetz wieder zu beseitigen: er zog das kleinere Uebel vor. Dgs Marne-Departement allein wird duzch zwei oder drei mobilisierte. Armeekorps wieder zur Ruhe ge zwungen werden können; die sechs andern Departe ments hätten 18 Armeekorps benötigt, was schon mehr den Eindruck einer wahren Revolution hervor gerufen haben würde. Die Ereignisse in Epernay, Las mit seiner Elite der Champagnermarkcn bislang einen liebenswür digeren Weltruf genoß, sind zwar wiederum kein Kompliment für die republikanische Staatsordnung im allgemeinen, aber man darf sie doch nicht allzu tragisch nehmen, da .Lacqucs Bonhomme", der die Reblinge aus dem steinigen Boden ersprießen läßt, es morgen selbst ganz unbegreiflich finden wird, daß er sich zu solch wilden Ausschreitungen fortreißen ließ. Er hätte es gewiß nie für möglich geholten, daß er eines Tages zum Brandstifter und Plünderer werden könnte. Sein Blut ist feurig, das ist sicher; oer Champagner schäumte über, doch wie ein kalter Wasserstrahl wird die Lehre von morgen für lange Zeiten abkühlend wirken; der Ruin der Sektfabriken uno Zwischenhändler wird den Weinerzeugern nicht .zum Vorteil gereichen — im Gegenteil! „Jacques Bonhomme" ist zu guter Letzt selbst immer das be dauernswerteste Opfer der „Facquerie" gewesen. Die Verwüstung der ganzen weiten Umgebung von Epernay bietet ein ebenso Schrecken erregendes, wie ergreifendes Schauspiel dar. In dem Winzer städtchen A y ist «s besonders wüst zugegangen. Nach den ersten Ausschreitungen der Nacht stiegen beim Morgengrauen von den Weinbergen die Bauern in Scharen hinab, um sich in Ay zu konzentrieren, als befolgten sic einen längst vorbereiteten strategischen Plan. Diese Anhäufung von aufgeregten Menschen hätte um jeden Preis vcrhinder: werden müssen. Wie aber 8—10 000, zu jeder Ausschreitung entschlossene Leute aus einer Stadt vertreiben, wenn man nur einige hundert Soldaten zur Verfügung hat? Luch oas größere Epernay war so gut wieschutz- l o s. Einige Schwadronen Kavallerie waren auf den umliegenden Chausseen vorgesandt worden, als ob die Winzer der breiten Straßen bedurft und nicht einzeln oder rn Gruppen quer über die Felder uno durch die Weinberge in die Stadt einzudrrngen ver mocht hätten. Der Polizeikommissar von Ay befand sich an der Spitze einer Hermandad von ganzen fünf Mann. Die Firmen Deutz-Geldermann, van Cassel- Lellier-Durvin, Gauthier, Azaia, Bisinger, Gallois und Ducoin usw. wurden nach kurzer Belagerung im Sturm genommen; man schlug die Tpre ein, warf aus den Bureaus die Möbel und Kassenbücher auf die Straße, zerschlug mit den Hacken di« Wein- und Champagnerflaschen, demolierte die gefüllten und nicht gefüllten Fässer, um nach diesen Heldentaten auch in die Wohnräume der Fabrikanten und Händler einzudringen, ihre Sofas und Pianos durchs Fenster hinaus auf das Pflaster hinunterzu stürzen, zunächst an dies« Scheiterhaufen von Mobiliar Feuer zu legen und dann die Häuser selbst in Brand zu stecken. Insgesamt wurden all«ininAq5bis 6 Millionen Flaschen Champagner zer stört! Während die Rauchwolken sich über Ay aus breiteten, nachdem aufgeregte und schreiende Winzer die Dächer der Schuppen mit Petroleum begossen hatten, floß der «dle Wein der Champagne wr« ein Bach durch die Gossenrinnen. Sehr verdächtige Element« mischten sich in die „Kundgebung", das Silderzeua der Geplünderten wurde wcggetragen, und drei Räuber schlugen mit richtigen Einbrecherinstru menten den Geldschrank der Firma Ayala ein. Man sah auch kleine Jungen und Mädchen, die sich Eham- pagnerflaichen angeeignet und mit wunderbarem Be hagen geleert hatten, um dann al» klein« Trunken bold« johlend durch den non Entsetzen erfüllten Ort zu torkeln. Erst gegen l llbr nachmittags brachten Ertrazüge Militär in die Gegend des Aufruhrs Mehrere Regimenter Kavallerie kamen an. die jedoch nur mit großer Vorsicht vorrücken konnten, da die Gassen mit Flajchenscherben besäet waren. Die Barri kaden aus Kisten und Möbeln, die hier und La er richtet worden waren, wurden schnell beseitigt, und es genügte jedesmal Las warnende Signal der Trom peten oder Trommeln, um die Winzer dahinter zu vertreiben. Einige Reoolverschüsse wurden abge geben, Loch wohl nur, um zu erschrecken, denn nie mand wurde verletzt. Die Aufrührer begnügten sich nicht damit, die Häuser abzubrennen, si' gingen auch gegen die Weinberge im eigenen Besitz der Sektkellereien vor. Gleichzeitig mit den Häusern oer Rue Janson und des BouIevarL du Nord auf etwa einen Kilometer Länge standen die köstlichen An Pflanzungen der Rebenhügel in Flammen — sieben, acht, zehn Millionen vielleicht gingen in Rauch auf! In Epernay, Damern, Marenil, Pierry usw. wurden ebenfalls Brandstiftungen und Zerstörungen schlimm ster Art oorgenommen. In Pierry befürchtete man ernste Zusammenstöße zwischen der Truppe und Len Winzern, die sich dort stark verschanzt hatten. Die Kavallerie mußte wiederholt zur Attacke vorrenen und mit dem Säbel auf die erregten Bauern los schlagen. Zwei Offiziere und mehrere Soldaten wur den aus dem Sattel geworfen, einige Winzer durch Säbelhiebe über den Kopf recht schwer verletzt, eine große Zahl auch umzingelt und als Gefangene ab geführt. Gegen Mitternacht waren etwa 15 Wo Sol Laten in Epernay konzentriert. Wenn jetzt die Ordnung einigermaßen wieder hergestellt ist, verdankt man es insbesondere der Ver Handlung in der D e p u t i e r t e n k a m m e r, die sich mit dem Senatsvotum nicht einverstanden zeigte und von der Regierung nicht die Beseitigung des Deli mitationsgesetzes verlangte. Die Mehrheit, die Monis fand, ist nicht übergroß, sie scheint aber aus reichend für längere Zeit und für eine deutlich fort schrittlichs Politik. Immerhin ist der Konflikt. Ser zwischen Senat uno Kammer entstanden ist, ern st genug, um als eine Gefahr für das Kabinett an gesehen zu werden. Die jetzt wieder in Epernay her- gestellte Ruhe kann nur dann von Dauer sein, wenn die Gesetzgeber einen guten Ausweg aus der Deli mitationsaffäre finden. Niemand hat aber noch einen Vorschlag gemacht, der geeignet wäre, den Bruder kamps zwischen den Departements in der alten Pro vinz Champagne belzuleaen. Das Osterfest der Re publik ist nicht frei von düsteren Wolken: man weiß nicht, ob „Facques Bonhomme" wieder für einige Zeit genug der „Facquerie" gehabt Hot! Mttzjyjiitlrjges Jubiläum ües Reirbs-Msrjnesmts. Heute kann das jetz'g« Reichsmarineamt dos 50jährige Jubiläum des Bestehens derjenigen Behörde feiern, cn der es sich in einer Reihe von Zähren ent wickelt hat. Am 10. April 1861 wurde nämlich aus Anregung des Prinzen Adalbert von Preußen die ge faulte Verwaltung der Marine einer be sonderen Behörde übertragen, während das Oberkommando dem Prinzen Adalbert zufiel. Die Bedeutung des Prinzen Adalbert für die Entwicklung dec deutschen Marine kommt gerade hier am klarsten zum Ausdruck. Schon im Jahre 1843 nack, seiner Rückkehr von seiner Weltreise, die ihn nach Holland. England, Schottland, Rußland und Amerika führte, wurde er an Stelle des kurz vorher verstorbenen Prinzen August zum ersten (sieneralinspektor der ge samten preußischen Artillerie ernannt. Drei Jahre später, nämlich am 31. März 1846. wurde er Genera! leutnant und ließ kurz darauf, im Jahre 1848, seine berühmte „Denkschrift über die Bildung einer deutschen Flotte" erscheinen. Darauf hin wurde er vom damaligen deutschen Reichsmini sterium zum „Vorsitzenden der Reichsmarine kommission" ernannt. Hier entfaltete er eine groß zügige Tätigkeit zur Organisation und Schöpfung einer deutschen Flotte. Im Jahre 1840 erhielt er den Oberbefehl über sämtliche preußische Kriegsschiffe. Schon im Fahre 1853 wurde auf sein Betreiben die „Admiralität" als oberste Marinebchörde gegründet, deren Leitung dem Ministerpräsidenten oblag Tat sächlich aber war das geistige Oberhaupt Prinz Adalbert. Er gründete u. a. den preußischen Krieg hafen im Fadebusen. Auf sein Betreiben wurde im Fahre 1850 eine Trennung zwischen der Kommando abteilung und den Verwaltungsgcschäften vor genommen, da ihm di« ganze Arbeit zuviel wurde und er darin nur eine Behinderung erblickte. Prinz Adalbert erhielt in diesem Fahre bei dieser Trennung das Oberkommando über die Marine. Fetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo er seinen Lieblingswunsch verwirklichen konnte. Er war non jeher dafür eingetreten, daß die gesamte Marin« einem besonderen Ministerium unterstellt werden müsse, da mit dieser Neubildung auch das Ur teil des Volkes über die große Bedeutung dieser Waffe eine Aenderuna erfahren würde. Bis dahin war die allgemeine Meinung darüber sehr geteilt Soaar in militärischen Kreisen stieß der Prinz bei diesen Bestrebungen nicht selten auf Widerstand. Fm Fahr« 1861 hatte er sein Ziel erreicht. Am 16. April wurde die Verwaltung der Marine einem besonderen Ministerium unterstellt, das aber noch nicht einen eige nen Chef erhielt, sondern von dem Kriegsminister mit verwaltet wurde. Der damalige Kriegsminister war Generalleutnant v. Roo n. Das Oberkommando b« hielt noch Prinz Adalbert, der im Kriege 1864 den Oberbefehl über das Ostseegeschwader hatte. Anfang 1872 wurde die höchst« Kommando- und Denoaltungsgewalt, di« zwischen Marineministerium und Oberkommando geteilt war, in der neugeschaffc- nen Stellung eines Chefs der Admiralität vereinigl. Erster Chef war Generalleutnant v. Etosch. unter dem der Ausbau der Marine na» dem sog. Flotten gründungsplan erfolgte Nachfolger Stoschs wurde 188k der «tzeveralkeutnant und später« R«ich«kanzlee