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»r. 38. Iriedrich Heorg Weck s 1864. Deutsche HerauSgegeben von vr. Otto Dammer Neunnndzwanzigster Jahrgattff. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter. Wöchentlich ein Bogen k. Die Kürschnerei nnd der Rauchwaarenhondcl Deutschlands^). In älterer Zeit haben die Deutschen vermnthlich nicht nur das viele Pelzwerk ihres noch heute in dieser Produktion so reichen Lan des selbst verbraucht, sondern sie haben auch noch von den Schweden und den Russen ausländische kostbare Felle gekauft. Das Nibelungen lied aus dem elften Jahrhundert sagt von vielerlei Pelzschmuck, als: Hermelin und Zobel und dergleichen Kleider, von Hüten von Zobel, von einem Kleide von buntgefleckten (schwedischen) Luchsen u. dergl. Dem Stifte Meißen wurde in der ersten kaiserlichen Schenkung vom Jahre 983 u. a. der Pelzzehnteu überwiesen. Wir sehen ferner an den Gemälden und Porträts dec deutschen Fürsten und Großen der Vorzeit, daß sie fast immer reich in Pelz gekleidet waren. Das Ge werbe der Kürschner mit seinen Privilegien datirt von älterer Zeit als die Begründung der Hansa. Die Probearbeiten (Meisterstücke) im Süden und Osten Deutschlands mußten von Lamm-, Marder- und Fuchsfellen, die im Norden und den meisten der Hansa ange hörigen Städten vornehmlich von Feh (russische Eichhörnchen) ge fertigt werden. Den Handel mit russischem Pelzwerk in Deutschland beweist auch eine Verordnung des Magistrats zu Lübeck vom Jahre 1603, in welcher cs wörtlich heißt: IV. Soll kein Pelzwerk oder andere Waare einzeln gekauft werden. V. Grauwerk soll zu 50, 250 bis 1000 Stück gekauft werden. ! VI. Die Marder, von denen 25 Stück zusammen verkauft wer den, sollen zuerst sortirt, jede Art besonders gethan und dann der Handel gemacht werden. VII. Gnte Hermeline sollen zu 25 Stück gekauft werden, die geringen und schlechten sollen in besondere Packele gethan werden. Bon dem Umfange des damaligen Handels ist nichts bekannt ge blieben, auch haben russische Kriege, sowie der Ausbruch des 30jäh- rigen Krieges und die 1630 erfolgte Auflösung der großen Hansa den Handel Deutschlands hundert Jahre lang ins Stocken gebracht. Erst seit der letzten Hälfte des vorigen SäculnmS zeigt der inter nationale Pclzwaarcnhandcl in Deutschland neues Leben. Breslau und Groß-Glogau wurden wieder Hauxtmärkte für russische Nauck- waaren, besonders für krimmischc Lammfelle und Grauwerk. Lübeck *) Nach einem ,ebr aussiibrlicben und gediegenen Handelsbericht über das Nauchwaarengeschäft von Heinr. Lonicr in Leipzig. und Hamburg bezogen aufs Nene sibirische, nordische und isländische Maaren von Rußland nnd Scandinavien. Aus den Meßplätzen und besonders in Leipzig conccntrirten sich die Produkte Deutschlands, Ungarns, Polens und Rußlands; der Handel mit amerikanischen Maaren gewann mehr und mehr an Umfang. England kaufte russi sche Felle von deutschen Kaufleuten und Letztere in England ameri kanische Pelzfelle, Im ersten und zweiten Dccennium unseres Jahr hunderts gewann der Meßhandel an Lebhaftigkeit. Amerikanische und deutsche Maaren nahmen ihren Weg regelmäßig über Leipzig nach Rußland, wohin Brody in Galizien und später Sklow in Westrußland die, größtentheils prohibirte, Einfuhr vermittelten. Auch besuchten die Messen griechische Kaufleute, welche amerikanische und deutsche Maaren für die Türkei einkauften. Dieser Handel wurde jedoch in Folge des griechisch-türkischen Krieges 1821 bis 1830 fast zehn Jahre lang unterbrochen. Andererseits bezogen finnländische Kaufleute in den Jahren 1825 bis 1835 viele deutsche Füchse und Fischottern von Lübeck und Hamburg. Deutsche Häuser betheiligten sich stark bei den enormen Exporten von England nach Rußland und China im Jahre 1814, obwohl zu ihrem größten Nachtbeil. Von 1820 —1840 wurden deutsche Felle von Mardern und Iltissen und sibirische Feh besonders für England gesucht; in den letzten 20 Jahren haben die ersteren dieser Pelz gattungen vornehmlich ihren Zug nach Amerika genommen. Der Handel mit russischen und amerikanischen Rauchwaaren in Deutsch land, wiewohl bis zur Zeit nur Zwischenhandel, ist von jeder immer in deutschen Händen geblieben. Wir sind in den letzten Jahren einen Schritt weiter gekommen: deutsche Kaufleute sind jetzt nicht blos in England ansässig, sondern sie haben auch ihre eigenen Verkaufs- Comptoire in Rußland und Commanditen in Amerika, wodurch sie den internationalen Pelzhandcl direkt betreiben und den Engländern den Vorzug streitig machen. I. Der deutsche Rauchwaarenbandcl. Der deutsche Rauchwaarenbandcl ist in mebreren tausend Hän den; zunächst betbeiligcn sich dabei viele kleine Handelsleute und Kürschner. Die Kürschnerei kann vom Rauchwaarenbandcl nicht ge trennt werden, wenn auch wegen der Theilung der Arbeit der große Nancbwaarenhandel neben der Kürschnerei besteht. Der Kürschner in allen großen und kleinen Städten Deutschlands kauft von dem Jäger sogenannte Wildwaaren, als Fuchsfclle, Edelmarder, Stein-