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Da« Leipziger r-gedlat« erschein, 2 »al iLglich, Sonn« u. Fetiriag« nur morgen«. rivoi>ne.. eni-Lnnaüme, Auguilutplatz 8, bei unseren rrtger», .Filiale», vpediteureu und Lnnadmevellen. wwre Polttmrrr» nud Briet rrLgern. Ilnziltkerraustprei« der vtorgm», ausgab« 10 der Ldrudansgab« 0 ch, Redaktion und Selchäft-itell«: Johann>«gasse «. Fernlprecher: I46V2, I46t». I46S4. Nr. SS. Morgen-Ausgabe. MMgcrTagMalt Handelszeitung. Amirklatt des Rates und -cs Nokizeiamtcs der Ltadt Leipzig. Rn;c.gcn- «.'rciS «tlr Inserat« au» Leipzig und Umgedunq bi« SgewaNene SO mm breit« Petit,eile 2L die 74 nun breit« Reklame»«!« I von auswürt« 00 Reklamen 1.20 Inserate von Bebbrden m amllichen Teil di« 74 min brcit« Pelitzeil« 40 «eschL't»an,eigen mit P atzvorschriflen und in der Acendausgabe ,n, Preii« erhobt. Aabail nach Laris. Beilagegebüdr 5 p. lausend ex kl. Postgebühr. Iefterteilie tlulkräge können nicht zurück- gezogen werben, gür da« Urscheinen an bestimmten lagen und Plötzen wird keine iöaranti« übernommen. Anzeigen-Ännabmer Lugnstuöplatz 8, bei iömtlichen Filialen u. allen Annoncen- Uxpedltionen de« In» und Ausland««. yauvt-öiliale verllu: Karl Dnncker Herma!. Bayr. Hosduch- tandlung, Lützowstiahr 10. (leirptzon VI, Nr. 4003). Hauvt-8lliale Lreöden: Secitrahe ., 1 slelephon 4621). 104. Zshrgsng Sonnsvenü. üen 26. Mrusr lSIO Dss Dlchtigkte. * Vom vereinigten zweiten und dritten Strafsenat des Reichsgerichts wurde nach zweitägiger Verhandlung der Kaufmann Paul Weitzer aus Angerburg wegen vollendeten und versuchten Verbrechens gegen das Spionagegesetz und wegen versuchter Bestechung zu vier Jahren Zuchthaus, acht Jahren Ehrenrechts verlust und Stellung unter Polizeiauf sicht verurteilt. (S. Gerichtssaal.) * Die Erste Kammer erledigte am Freitag einige Etat- und R e ch e n s ch a f t ss a ch e n. (2. Landtagsber.) * Die Zweite Kammer nahm am Freitag endgültig die Abänderungen des Eerichtskosten- gesetzes an. (S. Landtagsber.) * Der Reichstag setzte am Freitag die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des In nern fort. (S. Reichstagsber.) * Die Parlamentär ische Lage in Eng land scheint plötzlich eine Wendung zum Schlim meren genommen zu haben. (S. Ausl.) * Der Dalai Lama ist von der chinesischen Ne gierung seines Amtes entsetzt worden. (2. d. bes. Art.) Neue Strömungen in üerprwatdeamtendemegung. Eine tiefe Gärung durchzieht gegenwärtig die Kreise der Angestellten und Privatbeamten. Die schn- lichst erwartete Pensionsversicherung der Privatbe amten ist noch nicht getominen uno die Erklärungen des neuen Mannes im Reichsamt des Innern klangen so frostig, daß einzelne in zu weitgehendem Pessi mismus glaubten, den Schluß daraus ziehen zu müssen, daß diese Frage überhaupt vertagt wäre. Von Regelung der Arbeitszeit in Kontoren, von neuen Bestimmungen über die Konkurrcnzklausel, über das Recht an der Erfindung ist im Reichstag nicht mehr die Rede, und der 8 63 des HGD. ist zwar vom Reichs tag mit überwiegender Mehrheit angenommen, von den verbündeten Regierungen aber abgelehnt worden. Unter diesen Umständen kann man es begreifen, wenn einzelne Kreise dieses neuen Mittelstandes, der so außerordentlich bedeutungsvoll im neuen Deutschland geworden ist, sich vor einem Vakuum zu sehen glauben und ein weitgehendes Mißtrauen Platz greift. Wir haben Grund zu der Annahme, daß die Be fürchtungen in bezug auf die Frage der Pensionsoer sicherung unberechtigt sind. Allerdings standen die Dinge eine Zeitlang so, daß die leitenden Männer der Regierung keine Lust verspürten, das Gesetz zur Durchführung zu bringen. An die Stelle einer obli gatorischen Pensionsversicherung sollte eo. eine fakul tativ durchzuführenve treten. Man hoffte das Fehlen der staatlichen Pensionsversicherung durch einen großen Appell zur Benutzung der privaten Institute er setzen zu können. Wenige Tage vor der entscheidenden Sitzung, in der über die Interpellation wegen der Pensionsversicherung der Privatbeamten beraten wer den sollte, fand eine Besprechung zwischen dem Reichs kanzler und dem Abgeordneten Basiermann statt, und gutem Vernehmen nach hat dabei der nationalliberale Führer mit aller Entschiedenheit bekundet, daß die jenige Regierung, welche eine solche Forderung ab lehne, eine ungeheure Verantwortung auf sich nehmen würde. Diese dringlichen Vorstellungen sind an scheinend nicht ohne Eindruck geblieben. Die Er klärung Delbrücks, die den Privatbeamten so wenig entgegenkommend schien, war für diejenigen, die die Stimmung im Reichsamt kannten, mehr, als sie wenige Wochen vorher erwarteten. Die einmütige Kund gebung des Reichstages hat das Ihrige getan, und man kann den Gang der Dinge gegenwärtig dahin kennzeichnen, daß die Pensionsversicherung der Privat beamten voraussichtlich vor Beginn der nächsten Session als Gesetzentwurf vorliegen wird. Sie noch in dieser Session zu bringen, wird dem Rcichsamt des Innern wahrscheinlich deshalb kaum möglich sein, weil gerade die Zeit der Reichstagstagung diesem Amt die meiste Arbeit bringt und zu Beratungen im Bundesrat über einen so weittragenden Gesetzentwurf kaum Raum sein dürfte. Ebenso dürfte aber fest flehen, daß eine Neufassung des Privatbcamtenrechts eine der nächsten Aufgaben der sozialpolitischen Ge setzgebung bilden dürste. Durch die neue Reichs- oersichcrungsordnung ist ein gewisser Abschnitt ge geben für die soziale Versicherung, soweit sie die Ar beiter betrifft, und was neu geschaffen wird auf die sem Gebiete, dürfte den Privatbeamten in erster Linie zugute kommen. Innerhalb der großen Organisationen der deutschen Privatbeamten treten angesichts der Entscheidung der Frage der Pensionsversicherung zwei Strömungen zu tage. Die eine wird gebildet von dem Hauptausschutz für staatliche Pensionsversicherung für Privatbcamte. Zu ihm gehören die tonangebenden Handlungsgehil fenverbände. So der Verband Deutscher Handlungs gehilfen in Leipzig, der Deutschnationale Handlungs gehilfenverband und der 58er Verein, sowie der kauf männische Verein in Frankfurt a. M., die zusammen allein gegen 375 000 Handlungsgehilfen vertreten. Zu ihnen gesellen sich eine größere Anzahl von Vereini gungen, die auf gleichem Boden stehen und viel? fach den Zusammenhang zwischen Prinzipal und An gestellten noch nicht aufgegeben haben. Seinen Gegen satz findet der Hauptausschuß in der Freien Ver einigung für die soziale Pensionsversicherung. Hier sind die Techniker, die Werkmeister, die Zeichner, die Bureaubcamtcn und einige Kreise der weiblichen An gestellten zu einer Organisation vereinigt, die zwar bedeutend schwächer ist als die erstgenannte, aber in letzter Zeit ebenfalls eine große Rührigkeit entfaltet. Als treibende Kraft dieser Vereinigung darf man wohl den Bund der technisch-industriellen Beamten bezeichnen. Er betrachtet sich selbst als eine Ge werkschaft der Angestellten, und bezeich nend für seine politische und sozial-radikale Richtung ist der Umstand, daß die jetzigen Führer sich politisch zur demokratischen Vereinigung rechnen, die bei den letzten Reichstagsersatzwahlcn in Koburg und Eisenach der Sozialdemokratie gegen den Liberalismus frei willige Wahlhilfe leistete. Der Bund der technisck- industriellen Beamten ist das gehätschelte Schoßkind der Sozialdemokratie. Sowohl die sozialdemokrati schen Tageszeitungen als auch die Eewerkschaftsblätter verfolgen seine Entwicklung mit größter Sympathie. In der Tat liegt hier eine ganz neue Organisations form vor. Wird der Gedanke der Gemeinsamkeit der Jnterssen zwischen Industriellen, Kaufleuten und An gestellten so ausgelöscht, wie es durch die Agitation dieses Bundes geschieht, so ist auch ein Streik der Zeichner, her Techniker, der Ingenieur« nur noch ekne Frage der Zeit. Den Gewerkschaften der Maurer und Bergarbeiter tritt hier die Gewerkschaft des »geistigen Proletariats" an die Seite und erklärt sich mit ihnen solidarisch auf demselben Boden des Klassenkampfes stehend und auch parteipolitisch nur durch eine kleine Nuance getrennt. Wurden doch auch bei einer Dresdner Versammlung dieses Bundes die Einlaß- zettel bei derjenigen Firma in Druck gegeben, die die „Sächsische Arbeiterzeitung", jetzige „Dresdner Volks zeitung", herstellt, d. h. bei dem Organ der sozial demokratischen Partei, ein Beweis für den innigen Konnex zwischen beiden. Diese neue soziale Ver einigung bemüht sich nun unter dem Druck der Führung dieses Bundes der technisch-industriellen Be amten, die Angestellten zu veranlassen, von der For derung einer besonderen Kaste abzusehen und die Wünsche nach einer Altersversicherung im Rahmen des Anschlusses an die Reichsoersicherungsordnung zu erledigen. Als sachliche Gründe werden angegeben die jetzt vor der Tür stehende Erledigung der Reichs- vcrsicherungsordnung und die Einheitlichkeit des gan zen Dersicherungswerkes. Man wird aber wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß hier auch wesent lich parteipolitische Gründe mitsprechen. Die Sozial demokratie hat ein Interests daran, daß jedweder Unterschied zwischen dem Arbeiter und dem neuen Mittelstand ausgelöscht werde. Sie will in allen diesen Millionenschichten die Empfindung wachrufen, daß sie eine geschlossene Front gegen den Kapitalismus zu bilden hätten, sie will denselben Pessimismus, den sie dem Arbeiter eingeimpft hat, dem Privatbeamten ins Herz senken, damit er sich als besitzloser Prole tarier fühlen lerne, um von diesem Gesichtspunkt aus auch die Bestrebungen der Sozialdemokratie verstehen und fördern zu lernen. So wie der Sozialdemokratie in ihren ganzen Zukunstsberechnungen nichts so ver derblich erscheint, als das Bestehen de» gewerblichen Mittelstandes, so sucht sie auch mit vollem Bedacht jede Organisation eines sich als Mittelschicht fühlen den neuen Mittelstandes zu unterminieren, um immer weitere Kreise dieser Schichten zu sich herüberzuziehen. Unter diesen, Gesichtspunkt muß man die neuer dings in den Großstädten abgehaltenen Versamm lungen betrachten, die eine Erledigung der Pensions- vcrsicherungsfrage auf dem Boden der Invalidenver sicherung der Arbeiter fordern; unter diesem Gesichts punkt muß aber auch die ganze Prioatbeamtenbe- wegung angesehen werden, soweit sie jetzt fortschreitet. Der Hauptausschuß für die staatliche Pensionsversiche rung, der seine sachliche Arbeit bisher mit vollem Recht in den Vordergrund gestellt und von jeder lauten zügellosen Agitation abgesehen hat, muß an gesichts dieser Treibereien in machtvollen Kundgebun gen der überwiegenden Mehrheit der Handlungs angestellten dagegen Protest erheben, daß der sozial demokratisch-demokratische Bund der technisch-indu striellen Beamten sich die Führung in der Bewegung anmaßt, zu der ihm seine eigene Bedeutung (der ganze Verband hat nur 16 000 Mitglieder) absolut kein Recht gibt. Die Sympathien der bürgerlichen Par teien galten der großen Schicht des national-empfin- denden neuen Mittelstandes. Sie würden sich kaum in dem Maße geltend gemacht haben, wenn schon früher die zersetzende Agitation dieses Bundes etwa als Wahrzeichen des gesamten Prioatüeamtenstandes hätte angesehen werden sollen. Die Reichsregicrung hat aber gerade gegenüber diesem Zwiespalt der Be wegung, der auch im nationalen Sinne verhängnis voll werden kann, die Verpflichtung, das, was sie zu tun gedenkt, nämlich die Herbeiführung einer Sonder versicherung der Privatangestellten, bald zu tun, damit nicht mit einem Schein sachlichen Rechtes seitens jener Vereinigung für die soziale Pensionsversicherung be hauptet werden könne, daß die Erledigung dieser be deutsamen Frage im Nahmen der Rcichsversicherungs- ordnung den Versicherten schneller Hilfe brächte, als die von ihnen erstrebte Sonderoersichcrung, auf deren Boden sowohl die Regierung, als die Mehrheit des Reichstages und die ganze überwiegende Mehrheit der deutschen Privatbeamten steht. Lsnütagsdeilagen. Den Zusammenstoß zwischen der Regierung und den Nationalliberalen in der Donnerstagssitzung der Zweiten Kammer hat eine alte Klage veranlaßt. Manche Parteiblätter befolgen bei der Parlamen.s- berichterstattung das Prinzip, Reden politischer Gegner start gekürzt, Reden Angehöriger der eigen.» Partei dagegen ausführlich wiederzugeben. Es lassen sich selbstverständlich Gründe der Rechtfertigung für diese Maßnahme anführen; die betreffenden Organe haben ein lebhaftes Interesse daran, ihre Leser in erster Linie mit den Eedankcngängen der Partei freunde vertraut zu machen. Aber das darf natür lich nicht zu Gewaltsamkeiten gegen Vertreter anderer Parteien ausarten. Gerade der Abdruck der, wenn auch gekürzten Reden der politischen Gegner verschafft den Darlegungen der Mitglieder der eigenen Partei erst den rechten Hintergrund. Außerdem ist zu bedenken, daß für alle Parteiblätter der Leserkreis einen stets wachsamen, oft recht scharf beobachtenden Zensor adgibt und durch Beschwerden nötigenfalls für Abhilfe gegen einseitige Berichterstattung sorgt. Wenn einzelne Parteiblätter also dem Gegner nicht genug Gerechtig keit angedeihen lasten — auf jeden Fall ein Fehler - , dann haben es ja di« Leser in der Hand, auf Besse rung zu dringen. Es ließen sich übrigens für Kür zungen von Parlamentsberichten auch noch andere, z. B. rein technische Gründe anführen, deren Be urteilung sich aber dem Laienauge meist entzieht und deshalb auch nicht hier näher erörtert zu werden braucht. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den halb amtlichen Berichten der Regierung, die neben den offiziellen Stenogrammen erscheinen. In Sachsen werden sie unter dem Titel „Landtagsbeilagcn" den beiden Regierungsblättern bcigelegt. Eine Kritik an ihrem Inhalt steht der Volksvertretung in ihrer Ge samtheit zu. denn sie hat ja die Kosten für diese Auf gabe zu bewilligen. Da wir nnn aus Regierungs kreisen unausgesetzt die Versicherung zu hören be kommen, die Regierung sei unparteiisch, müßte sicki diese Eigenschaft auch in den von der Regierung kon trollierten Landtagsberichtcn spüren lasten. In der Kammerdebatte am Donnerstag wurden von natio nalliberaler Seite begründete Beschwerden über einen beträchtlichen Mangel dieser vielgerühmten Objektivi tät in den Berichten erhoben. Der Minister des Innern wollte die Vorwürfe nicht gelten lassen, ober die Unterstützung, die die Nationalliberalen aus de»' ganzen Hause bis auf die konservative Parrei er hielten, zeigte doch, daß dieser Mangel auch ander wärts peinlich empfunden wird. Die Klage über einseitige, die konservativen Redner bevorzugende Be richterstattung in der „Landtagsbeilage" ist ja nicht neu. Wir erinnern nns z. D. gewißer Vorgänge aus dem Jahre 1906, die Anlaß zu denselben Ausstellungen gaben; nur erfolgten sie damals vornehmlich in der Presse, und deshalb konstatieren wir den erfreulichen Fortschritt, daß die Angelegenheit auch im Plenum der Kammer besprochen worden ist, mit lebhafter Be friedigung. Damals wurde z. B. festgestellt, daß der Berichterstatter der Mehrbeit der Gesetzgebungs deputation zu dem Entwurf einer Reform der Elsten Kammer mehr als doppelt soviel Zeilen im halbamt lichen Bericht zugebilligt erhalten hatte als der Be richterstatter der Minderheit, der dre weitergehenden Wunsche der Nationalliberalen begründete, wiewohl beide fast gleich lange Zeit gesprochen hatten. Aber wir wollen nicht weiter aus der Vergangenheit erzählen, da triftige Beweise für die Einkehr der Negierung vor liegen. Die jüngste Nummer der „Landtagsbeilagen", die die Debatte über die Art der halbamtlichen Par lamentsberichterstattung bringt, weicht von der bis herigen Gepflogenheit in anerkennenswerter Weise ob. Mit einer, fast möchte man sagen: rührend sorg fältigen Objektivität werden die Reden der Vertreter sämtlicher Parteien einschließlich der Zwischen rufe wiederqegeben. Damit ist also einmal der Be weis erbracht, daß die Donnerstagdebatte in der Zweiten Kammer voch nicht vergebens gewesen «si, und weiter, daß die Regierung auch anders kann. Wir sind erstaunt und erfreut zugleich, wie raich sie sich auf den von der Kammermehrheit ge wünschten Standpunkt gestellt hat, und können nur den lebhaften Wunsch aussprcchcn, daß sie eine solcbs zur Besserung führende Einsickst noch häufiger, auch in andern, wesentlich wichtigeren Fragen an den Tag legt. Dann würde mancher Möglichkeit zu Friktionen, an denen niemand ein Interesse hat, erfolgreich vor gebeugt werden Die Flucht ües Oslsi Lsms. Der anscheinend wohl vorbereitete Vorstoß Chinas gegen Tibet zur Befestigung seiner Herrschaft im Lande des Dalai Lama ist ziemlich überraschend gekommen. Wohl hieß es vor wenigen Wochen, daß chinesische Horden einen Zug nach Tibet beabsichtigten, aber erst die im Zusammenhang mit der Flucht des Dalai Lama verbreiteten Meldungen haben gezeigt, daß es sich hierbei um einen wohlüber legten Heereszug Chinas handelt, zu dem rund 25 000 Mann zusammengezogen wurden. Die Truppen sind wohl ausgerüstet und verfügen über eine große An zahl Eebirgsgeschlltze und Maschinengewehre. Die chinesische Expedition hat inzwischen nach verschie denen Gefechten die Hauptstadt Tibets, Lhasa, er reicht. Das wesentlichste Moment bei dieser Be setzung Tibets durch China bildet die Flucht des Dalai Lama nach Indien, die möglicherweise noch zu Verwickelungen, sicher aber zu langen diplo matischen Verhandlungen zwischen Großbritannien und China den Anlaß geben wird. Chinas Vorgehen ist nach dem tibetanisch-groß- britannischen Vertrage vom Jahre 1004, der nach der Einnahme Lhasas durch d.e englische Expedition Pounghusband-Macdonald zwischen dem tibetanischen Regentschaftsrat und Großbritannien geschlossen wurde, vollkommen gerechtfertigt. Dieser Vertrag, der im Jahre 1906 van China ratifiziert wurde, erkennt ausdrücklich die Oberhoheit Chinas in Tibet an. Ein britisch-russischer Vertrag vom Jahre 1907 änderte daran nichts. Während der britischen Expedition in den Jahren 1903 und 1904 war der Dalai Lama nach der Mongolei geflohen, jetzt sucht er vor den chinesi schen Truppen seine Zuflucht in Indien. Neber die Flucht des Dalai Lama, über die man bis jetzt nur durch kurze Depeschen unterrichtet war, hat am Donnerstag der Staatssekretär für Indien im britischen Oberhause eine aus führliche Darstellung gegeben. Ein Telegramm be richtet uns hierüber: * London, 25. Februar. (Tel.) In Erwiderung einer Anfrage Lord Curzons gab in^ Oberhausc der Staatssekretär für Indien, Morley, eine Schilderung der Ereignisse in Tiber. Der Dalai Lama habe Peking am 21. Dezember 1908 verlassen und sei, wie berichtet wird, am 25. Dezem ber 1i>09 in Lhasa angekommen. Ucber seine Vewc aungen in der Zwischenzeit sei wenig bekannt; doch scheine er zwei Monate in Nagtschuka geweilt zu haben, das acht bis neun Tagereisen von Lhasa ent fernt ist. Vor seinem Wcitermarsch nach der Haupt stadt sei das Gerücht gegangen, daß es dort b c - trächtliche Reibungen zwischen der tide 1 a- nischen Regierung und chinesischen Beam ten gegeben habe Nach Kalkutta kam keine Nach richt darüber, was die Krise so schnell herbcigcführt habe. Aber um den 30. Januar herum empfing der englische Handelsagent in Gjangtse den Besuch eines vom Dalai Lama speziell abgesandten tibetanischen Beamten. Dieser meldete, eine chinesische Armee stehe in Eiannda, 400 Meilen von Lhasa. Weiter hörte man nichts, bis am 17. Februar der Agent telegraphierte, daß 40 Mann chine sischer berittener Infanterie fünf Tage vorher in Lhasa angekommen seien, daß die übrigen chinesischen Truppen in der Nähe der Stadt seien und daß der Dalai Lama nach Indien geflohen sei. In Begleitung von drei Ministern und ungefähr 100 Mann sei der Dalai Lama am 17. Februar in Phari eingctroffen. nachdem in Ohakeam den Chine sen ein Gefecht geliefert worden war. Am 20. er reichte er Natung und brach, stets von den Chinesen verfolgt, am nächsten Tage nach Gnatung auf. In Darjiling wird er am 27. Februar erwartet. Auf die Nachricht von dieser Flucht habe die in dische Regierung unverzüglich an alle britischen Ver treter in Gjangtse, Patung und Sikkim die Weisung ergehen lassen, strengste Neutralität zu wahren, was auch gewissenhaft befolgt wurde. Die einzige Mitteilung, die man vom Dalai Lama seit dem Verlassen Lhasas erhalten habe, sei die Meldung aus Batung, daß er nach Indien gehe, um die bri tische Regierung um Rat und Schutz zu ersuchen. Eine Erklärung über die Ursache seiner Flucht habe der Dalai Lama nicht gegeben und nur erwähnt, daß die Bevölkerung von Lhasa von der chinesischen berittenen Jnsan terie überwältigt worden sei. Eine Anzahl Tibetaner sei durch das Feuer der Chinesen g e - tötet oder verwundet worden. Er danke der briti schen Regierung für die Höflichkeit, mit der er bisher behandelt worden sei. Der Staatssekretär für Indien schloß, der Dalai Lama wird bei seiner Ankunft in Darjilina eingeladen werden, i n K a l k u t t a W o h nungzunehmen.bis andere Bestimmungen ge troffen sind. Es wird andauernd die strengste Neu tralität beobachtet werden, aber der Dalai Lama wird mit aller Höflichkeit und mit allem Respekt aus genommen werden, welchen man dem Oberhaupt einer hohen geistlichen Körperschaft schuldet, das der Gegen stand der Verehrung für viele Millionen indische Untertanen des Königs ist. Die britische Regierung steht im Meinungsaustausch mit der chinesischen Regierung über die so geschaffene unerwartete Situation. Lord Landsdowne führte aus, er habe vernommen, daß Lhasa tatsächlich von chinesischen Truppen besetzt worden sei mit der Wir kung, daß der Dalai Laina vertrieben wurde. Der Staatssekretär für Indien erwiderte, es würde ver - früht sein, zu sagen, daß der Dalai Lama gewalt sam vertrieben worden sei. Er wäre geflohen, aber man könne die genaueUrsacheseinerFl acht nicht wissen. Rosebery fragte, ob die chinesische Regierung für das gewaltsame Vordringen nach Lhasa einen Grund angegeben habe. Morley erwiderte, der Meinungsaustausch mit der chinesischen Regierung habe eben erst begonnen. Inzwischen hat die chinesische Regierung bereit» ihre Maßregeln getroffen und den flüchtigen Dalai