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BrzugS-Prei» <dr Letpjia «»» Rorortt durch uoler« lräarr und S»«dUrure 2m«l tialich tn» Hau« grdr-ch!: vv monatl., 2.70 vierttlchhrl. v-i unlern Filialen u. An. »ahmeftellen adnebolt: 78 mouaü., ».28 v:r«rli»brl. Durch dt« Vok: lu»»r!x>ld LeuUchiund« und dir bestich«» Kolonien viertrliädri 6 60 monatl. l.20 audlchl. Poftdeltellgrld. ferner m Belgien, Ttnemark, den Donaustaaten, Italien, Luremdura, dliederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn. Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di, Selchiittlielle de» Blatte, erhtltlich. Ta« Leiv»iger Tageblatt erschein, 2 mal täglich, Sonn- ». Aetrriag, nur morgen», ttdonxen eni-AnnavMk i Äuguitutplatz 8, dei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und «nnahmesteven, sowie Postämtern und Briesträgern. Utnzilveetauseprei» de. Morgen. ulSgade 10 d«r Nbendau»gade 8 ch. Sirdaktlon und Geschäftäfteller Iohanniegassi 8. Fernsprecher: I46SL 14688, 146VS Abend-Ausgabe. Kip.ügtr TagMalt Handelszeitung. Amtsblatt Les Rates und des Nolizeiomtes der Ltadt Leipzig. Rn^eigcn-Prew 'ür Inseraie au, Uewtig und Umgebung di« Kgewattcne 50 mm breite Petit,eil« 28 di» 74 mm dreue Reklamezeile I von auZwän» 8V «z, Reklamen l.2U ^k; Inserate von Behörden amtlichen Tell die 74 mm breite Petit,eile 40 4. »eschäit«an,tn,en mit P advorschristen und t» der Abendausgabe in, Preise erhöht. Rabatt nach Larst. BeilagegcbLbr 8 p. Tausend exkl. Postgebühr. ^iesterteilte Aulkräge können nicht zurück gezogen werben. Mr da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen ioird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Auguitutzplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncrn- üxpeditionen de» In- und Ausland«». yaupr-Stltal« Berlin: Karl Dnucker Herwqt. Bahr. Hosbuch» Handlung, Lützowst:abe 10. lTetephan V1. Rr. 4608). Haupt-Atliale Dresden: Eeeitratze <», l (Telephon El). Nr. 94 Mittwoch, Seit ö. Pprll >Sl0. 104. I-ttzrgSNg. Is«MsIII«>IIl i I l» lr—.A-t «M I m-.""-1NMIIM» politilche Nachrichten. Aus dem Landtag. Die Mitglieder beider Ständekammern beabsichtig ten heute, Mittwoch, die Schlachthof- und Schwemm kanalisationsanlagen zu besichtigen; man hatte Des halb für heute die Plenarsitzungen ausfallen lasten. Wegen der heute stattfindenden Einweihung des Lehrerseminars in Dresden-Strehlen ist ober die Be sichtigung auf den 13. d. M. verschoben worden. Konferenz der Finanzminister. Die vom Reichsschatzsekretär für den 7. April an geregte Zusammenkunft für die Vertreter der Bundes staaten soll Veranlassung geben, über einige wichtige Fragen zu beraten, die mit der Finanzierung des nächstjährigen Etats in Zusammenhang stehen. Insbesondere wird das Verhältnis der M a - trikularbeiträge zu den sonstigen Einnahmen berührt werden. Die von anderer Seite aus gesprochene Vermutung, es handle sich bei der Kon ferenz um die Schiffahrtsabgabcn, ist demnach irrig. - An den Verhandlungen werden neben dem preußi schen Finanzminister Frhrn. v. Rheinbaben die meisten Finanzminister der außerpreußischen Bundes staaten teilnehmen, darunter der bayrische Finanz minister Ritter von Pfaff, der württembergische Staatsminister der Finanzen von Eeßler, der neue hessische Finanzminister Dr. Braun, der großherzoglich sächsische Staatsminister Hunnius, der braunschwei gische Staatsminister von Otto, der schaumburg-lip- pische Staatsminister Frhr. von Feilitzsch, der Bürger meister Dr. Burchard aus Hamburg, für Königreich Sachsen, Mecklenburg und Oldenburg deren Ber liner Gesandte: Frhr. von Salza u. Lichtenau, Frhr. von Brandenstein, Dr. von Eucken-Addenhausen und andere. Der Kampf im Baugewerbe. Wie wir bereits in der Morgenausgabe unseres Blattes mitteilten, ist in der gestrigen Nachmittags sitzung des gemeinsamen Verbandstages der Maurer und Bauhilfsarbeiter in Berlin die Entscheidung für Aufnahme des Kampfes und Ablehnung des Tarifmusters gefallen. Sämtliche noch nicht zu Worte gekommene Redner sprachen sich im Sinne des Referenten Reichstagsabgeordneten Bömelburg aus, der in seinem Schlußworte die volle Einmütigkeit der Maurer und Bauhilfsarbeiter kon statieren konnte. Ein Beamter des Maurerverbandes gab im Auftrage sämtlicher Angestellten der in Frage kommenden Verbände eine Erklärung ab, daß sie beschlossen haben, für die ersten 14 Tage ein halbes Monatsgehalt an die Streik kasse abzuführen. Was die Streikunter stützung nnbelangt, beschloß der gemeinsame Ver bandstag. daß die Mitglieder, die während des Kampfes der Organisation beitreten, überhaupt keine Unterstützung erhalten. Die Wartezeit für den Bezug non Streikunterstützungen wurde auf 14 Tage fest gesetzt. Ebenfalls wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die zur Enthaltsamkeit vom Genuß alkoholischer Getränke während der Lohnbewegung ausforderte. Für Unterhandlungen durch vermit telnde Personen wird als Voraussetzung die Zurück nahme der Anträge der Unternehmer gefordert. Die Arbeitqebervertreter traten Mitt woch in Berlin zusammen, um sich über ihre Haltung schlüssig zu werden. Die „deutsche Gefahr" in Frankreich. Gegenüber der von einigen Blättern erhobenen Beschwerde, daß die zahlreichen Ausländer, dar unter auch Offiziere, die auf dem dem Lager von Ehalons benachbarten Flugplätze von Mourmelon Flugunterricht nehmen, leichte Gelegenheit zur Spio nage hätten, wird in einer halbamtlichen Mitteilung der französischen Regierung ausgeführt: „Man könne die im Jahre 1908 den Aeroplan fabriken erteilte Erlaubnis, sich auf dem an das Lager von Ehalons angrenzenden Gelände niederzu lasten, ohne ernste Schädigung dieser Industriellen nicht zurückziehen, doch seien vom Kriegsministerium in Uebereinstimmung mit der Sicherheitsbehörde b e - sondere Ueberwachungsmaßregeln be schlossen worden. So werde von den Aviatikern und deren Schülern die Vorweisung von Identitäts karten verlangt werden, und namentlich die frem den Offiziere würden sich erforderlichenfalls mit einer regelmäßigen Ermächtigung versehen müssen." Nun werden sich wohl die erhitzten Chauvinisten gemüter in Frankreich beruhigen. Der Streik der Seeleute in Marseille. Die eingeschriebenen Seeleute von Marseille haben beschlossen, den Streik fortzusetzen. Sie forderten die Arbeiter in den Verbandsorganisationen der Schauer, Dockarbeiter und Fuhrleute auf, sie zu unterstützen. Auch das Syndikat der Seeleute unterstützt den Aus stand. Inzwischen bemüht sich Unterstaatssekretär Ch«ron, die Seeleute zum Einlenken zu bewegen, hat aber keinen Erfolg. Die Lage ist vielmehr noch kritischer geworden, wie dies aus folgenden Tele grammen 'hervorgeht: Bordeaux, 6. April. (Tel.) Das Syndikat der eingeschriebenen Seeleute billigt die Bewegung in Marseille und erklärt, gegebenenfalls mit allen eingeschriebenen Seeleuten solidarisch vorzugehen. Paris, 6. April. (Tel.) Zn der Marseiller Geschäftswelt herrscht große Besorgnis, daß der Streik der Mannschaften der Handelsmarine längere Zeit andauern werde und ähnliche schlimme Folgen haben werde, wie der vor einigen Jahren. Auf den Hafenkais stauen sich bereits massenhaft Waren an und viele darunter sind infolge des Negenwetters vom Verderben bedroht. Im Haupt postgebäude sind alle Räume mit Brief säcken angefüllt, die nicht befördert werden können. Heute nacht rief der von der Compagnie Transatlantique auf Drängen des Unterstaats- sekretärs Lhe-ron unternommenen Versuch, den Post. dampfer „Moise" mit einem besonders an geworbenen Personal abfahren zu lassen, beun ruhigende Zwischenfälle hervor. Um die Mannschaft und die Passagiere vor jeder Behelligung seitens der Ausständigen zu schützen, ordnete Chcron an, daß alle verfügbaren Polizeimannschaften berett- gehalten würden. Als um 1 Uhr nachts die Anker gelichtet wurden, erklärte die Mannschaft, daß sie sich den Ausständigen anschließe. Unterstaatssekretär CH6ron droht», sie sofort verhaften zu lasten. Ein Heizer wurde auch fest- genommen. Die Leute taten, als ob sie gehorchen würden; doch bald rief der Kapitän, daß die Mann schaft keine Arbeit anrühren wolle. Da das Er löschen des Kesselfeuers gefährlich werden konnte und die Passagiers angesichts der Haltung der Mannschaft große Furcht äußerten, befahl Lhöron, daß der Dampfer „Moise" nicht abgehen solle. Sechs Matrosen wurden auf Anordnung des Unter staatssekretärs verhaftet, der das Marineministerium telegraphisch um Gestellung von Matrosen der Kriegsmarine ersuchte. In Algier hat der Marseiller Streik gleichfalls großeTrregung verursacht. Alle Körperschaften haben sich an die Regierung mit der Bitte um energische Maßnahmen zur Bekämpfung des für Algerien verhängnisvollen Ausstandes gewandt. Demission des französischen Kriegsministers? Paris, 6. April. (Tel) Hier geht das Gerücht, daß der Kriegsminister General Brun seine Ent lassung geben werde. Es heißt, daß der Minister präsident Briand ihm nicht hindernd in den Weg treten wird. Demnach scheint, daß die Debatten über die fran zösische Luftschifferabteilung dem Kriegsminister trotz des Vertrauensvotums den Hals gebrochen haben. Mannesmann in Madrid. Madrid. 6. April. (Telegramm.) Einer der Chefs de- Hauses Mannesmann ist hier ckngelroffen behufs Verhandlungen mit den hiesigen Marokko interessenten. Der Aufstand der Albanesen greift weiter um sich. Auch in Prischtina werden die Albanesen jetzt rebellisch, wie folgende Tele gramme beweisen: Saloniki, 6. April. (Tel.) Wie amtlich mit geteilt wird, haben sich die Ar na Uten von Prischtina dahin geeinigt, keine Steuern mehr zu entrichten und sich bei Pelaoa in der Nähe von Prischtina konzentriert. Schefket Pascha besitzt alle Vollmachten zu einem energischen Vorgehen. Krieg zwischen Peru und Ecuador? Die „Köln. Ztg." meldet aus New Hork: Ganz Peru ist kriegsbereit. In Lima herrscht die größte Entrüstung über die Angriffe auf die Peruaner in Quito und Guayaquil, wo die ganze Nacht hin durch antiperuanische Unruhen andaucrten. Der columdische General Bustamenta hat für den Kriegs fall der Republik Ecuador 5000 Mann Truppen an geboten. Trotz der offenbar amtlichen Bemühungen, den Grenzstreit zwischen Peru und Ecuador :n Washington zu erledigen, bleiben die Beziehungen sehr gespannt. Man hält den Krieg für unvermeidlich. Tageschrmnk. vom Ehepaar ToleM. Rom, 6. April. (Tel.) Die „Stampa" meldet aus Florenz: Seit einigen Tagen geht das Ge rücht, daß die Frau des Pianisten Toselli, die frühere Gräfin Montignoso, sich mit ihrem Kinde und zwei Gouvernanten nach der Schweiz begeben hat. Das Blatt „Fieramosche" meldet nunmehr zu diesem Ge rücht: Es scheint, daß mit diesem Akt das letzte Kapitel des Romans erledigt ist. Es war zu schweren Differenzen zwischen Toselli und seiner Frau gekommen, auf Grund deren sie sich zu einem Notar begaben und die Ehe scheidungsklage einreichten Die Eheleute ver ließen sich auf Grund des abgeschlossenen Kontraktes. Die Angelegenheit wurde von dem Notar so geregelt, daß Frau Toselli einen monatlichen Betrag vor mehreren hundert Franken von Toselli bekommen sollte. Am 25. März fuhr die Gräfin nach Rapallo, und alles schien damit zu Ende gekommen zu sein, als plötzlich Toselli seiner Gattin nachfolgte. Disse verließ Rapallo fluchtartig und begab sich nach Montreux, wo sie aber von Toselli wieder gefunden wurde. Die Angelegenheit soll nunmehr in der Schweiz geregelt werden. Man weiß aber nicht, ob sich die Eheleute wieder geeinigt haben. Entgegen den in Umlauf befindlichen Ehe- scheidungsgerüchten über das Ehepaar Toselli erfährt der „Corriere della Sera", daß das Ehepaar Toselli mit seinem Kinde sich ruhig in Rapallo befindet. O- Bandalentaten im Park von Sanssouci. Berlin, 6. April. (Tel.) Dem „Berl. Togebl." zufolge haben die Vandalen ihr Zerstörungswerk iin Parke von Sanssouci fortgesetzt. Aus einer Nymphengruppe, die das Wasser darstellt, ist ein großes Stück des Netzes heraus geschlagen worden. Auch die gegenüberstehende Gruppe, ein Symbol des Feuers, ist beschädig: worden. Die beiden Bildwerke sind von dem Bilo- hauer Adam in Paris hergestellt und von Friedrich dein Großen 1749 und 1756 angekaust worden. Gestern wurde ein Polizeihund auf die Fährte gehetzt. Die verfolgte Spur erwies sich aber als falsch. Der Hamburger Mörder verhaftet. Hamburg, 6. April. (Tel.) In der letzten Nach: wurde der 20jährige East wirtsgehilfe Paul Magnus verhaftet, der das Geständnis ab legte, daß er mit einem Komplicen am Sonntag morgen den Mord an dem Uhrmacher Lessau in der Eörnestraße verübt habe. Die Mörder Haden nur 1l Bargeld und einige wertlose Uhrkctten erbeutet. Der Mitschuldige ist noch nicht verhaftet. vom kranken Dichter Peter Allenberg. Eine ergieifendc Schilderung vom Krantenlager des bekannten Wiener Dichters Peter Altenberg ver öffentlicht das „Neue Wiener Journal". Seit vielen Wochen liegt Peter Altenberg krant danieder. Fürchterliche Schmerzen, Schlaflosigkeit, ein Heer von Qualen zehren am Lebensmark dieses Poeten, der stets die Gesundheit verherrlicht und rhr Hymnen gewidmet hatte. Seine seelischen Kräfte sind untergraben, und wie in einer langen Nacht von Schmerzen gibt er sich der Verzweiflung hin, einer tiefen Depression. Er, der das Leben in den kleinsten, unscheinbarsten Dingen und Erscheinungen geliebt und die Welt mit den Augen eines sinnenden Kindes angeschaut hat, er spricht vom Tode als von einem einzigen Ausweg, der ihm geblieben, von einer ein zigen Lösung der heftigen physischen und vsnchrschen Krisis, in die er geraten. Die Freunde kommen zu ihm mit dem Optimismus der Gesunden, aber sie vermögen ihm keinen Weg zu neuen Hoffnungen zu bahnen. Außerhalb seiner Krankenstube liegt die Welt da draußen tot vor ihm. Die Beziehungen zu ihr scheinen ihm durchschnitten zu sein. Sein Geist ruht, seine Feder rostet, er ist müde, sehr müde. Peter Altenberg weilt seit Wochen im Fango- Institut. Hier suchte er die zögernde Heilung. Die Tage verrinnen langsam, schwere, inhaltsreiche Tage eines Kranken. Die Aerzte mühen sich um den Ver- zweifelnden, der mit dem Pessimismus des Hypochon ders sich und sein Lebenswerk zerstört sieht. Rervöse Störungen, meinen die Aerzte, er aber spricht von seinen erstorbenen Nerven, von seiner Feigheit, die das Letzte, das Erlösende nicht zu wagen vermag. Wir besuchen den Dichter das eine- und andere- mal. Das Haus lieat im Krankenviertel Wiens, in der Lazarettgaste. Wir warten zuerst im Empfangs zimmer und sehen ihn vorübergehen, den Blick ge senkt, das Aeußere ein wenig vernachlässigt, in Krankentracht. Er ist so in sich versunken, in seinen Schmerz, daß er uns nicht bemerkt, auch nicht di« andere Besucherin, die mit einem Blumenstrauß ge kommen ist und wartet. Endlich werden wir hereingerufen und wrr gehen durch einen langen Korridor, in dem die Krankenzellen sich aneinander reihen. Aufschriften sind an den Türen angebracht mit der Bitte, diese ruhig und leise zu schließen. Und auf Nr. 26 ist ein Zettel angeheftet: „Peter Altenberg schläft." Stille herrscht im ganzen Hause. Man spricht im Flüster töne. Wir treffen Altenberg im Krankenbett, das Haupt ties in die Kissen vergraben. Und er erwacht dann wie aus einem tiefen, schweren Traume. Um die Augen ist ein schwerer Kummer, sind all die Schmerzen von Tagen und Nächten eingegraben. Seine Schwester sitzt in seiner Nähe, still, mit einer einfachen Distinguiertheit des Wesens, die Schwester eines Poeten. Vielleicht versteht sie an diesen Tagen den Bruder am tiefsten, den Inhalt seines Lebens und seines Werkes. Ein Peter-Altenberg- Abend hatte eben stattgefunden, und sie erkundigte sich nach der Wirkung, die die vorgelesenen Sacyen ausgeiibt, und für einen Moment scheint auck dcr Kranke seinen Schmerzen entzogen, zum Leben in eine zarte Beziehung wieder gebracht. Auf einem Tischchen duftet ein Blumenstrauß, der einzige Schmuck der Krankenstube. Hie und da kommt die Pflegeschwestec, um dem Kranken beizustehen. Und wir kommen noch einmal wieder und treffen Altenberg allein, in noch tieferer Depression als früher. Acht Wochen Krankheit und keine Besserung. Kein Ton von Hoffnung ist in seiner Stimme. Sein Körper scheint in Schmerzen zu vibrieren. Die Fenster sind weit geöffnet. Sonne dringt ein und milde Luft. Da und dort draußen beginnen die Sträucher zu grünen. Es ist Frühling. Und da findet ein Kummer tiefe Worte, heftige Klagen. Seelisches Leid und materielle Not haben sich all dem physischen Jammer hjnzugescllt, Sorgen um die nächste Zukunft. Die Freunde sind lässig geworden, und dis vielen, vielen Autoren überall, denen er so vieles geschenkt, Gedanken, seltene Worte, Liebe, Trost und Erhebung. Er, der die Kindesseele belauschk, die ver. borgenste Schönheit des Alltags, die zarteste Anmut der Frau, die Menschlichkeit auch bei den Gefallenen, er, der früher Verspottete, Belächelte, trotzdem seiner Vaterstadt innigste Ergebene, er leidet Not, ist krank, gebrochen und findet keine Hilfe . . . Tiefer, als wir es vermochten, drückt der vom Dichter an nns gelangte Brief seine Seelenstimmung ans. Peter Altenberg schrieb: „Bin todkrank, kann nichts mehr denken, nichts mehr schreiben. Kann leider Ihren mich so ehrenden Wunsch (um einen Beitrag für das „Neue Wiener Journal") nicht erfüllen. Ich leide Entsetzliches. Ich war ein großer Sünder, aber diese Buße ist doch zu schwer. Folter qualen! Die chinesischen Torturierer sind in Schatten gestellt von meinem Schicksal!" Später, in einer stilleren, besänftigteren Stim mung, läßt er die ihm beistehende Pflegeschwester sprechen. Das kleine Bild, in dem der Dichter sich selbst in einer anderen Psyche spiegelt, ist voll jen » wunderbaren Objektivierung, deren Altenberg fähig ist. Wie ich es sehe. Hier sieht der Dichter sich selbst gleichsam mit fremden Augen, seinen Verfall, seine Tragik, seine leibliche und geistige Not. Wir geben nachfolgendes die kleine Skizze aus einer Krankenstube, die erschütternden Worte eines Poeten. Sie lautet: Die Pflegelchwest er Rosa Schweda. Ich habe viel erlebt und erlitten, natürlich in meinem Pflegerinnenberuse. Aber die Nacht des 5. März als Pflegerin des Peter Altenberg war die schrecklichste und merkwürdigste. Am Tage vorher hatte ich sein Buch „Bilderbögen des kleinen Lebens" gekauft und gelesen. Nun sah ich ihn daliegen, ganz verwahrlost, von Leiden zerfressen. Ich fühlte es, daß er über seinen eigenen Untergang tief verzweifelt sei. Sein Idea lismus war untergegangen, und cs blieb die Ruine übrig. Ich bemitleide ihn nicht, sondern nur die vielen, vielen, denen so die Früchte seines Geistes, seines großen Herzens entgehen sollten. — Ich hatte die Empfindung: „Hund, du darfst noch nicht verrecken, du hast uns Aermsten noch manches zu spenden, du hast uns noch auszuklären, hast uns sogar bester zu machen' Was schleicht du dich fort Sünder, ehe du alles für uns ausgesprochen bast?!^ So schändlich egoistisch dachte ich über diesen sich windenden Wurm in diesen schrecklichen, bangen Nachtstunden. Ich richtete ihm die Pölster, wilchre ihm den Angstschweiß ab, aber es geschah in einer verbissenen Bitterkeit gegen ihn! Wer, wer hätte sich denn gesund und ewig lebendig erhalten müssen, als er? Und indem ich an die Werke dachte, die er uns vorenthiclt, pflegte ich mit Widerwillen einen unglückseligen Kranken, der zum vorzeitigen Sichfortschlcichen aus der Welt gar nicht das Recht hatte _ * Neuer Konflikt in der Wiener Hosoper. Das „Illustrierte Wiener Extrablatt" meldet, daß unter den Mitgliedern des Wiener Hofopernchores eine starke Gärung herrscht. Schon im Monat Januar hatten sich die Chorsänger und Chor sängerinnen der Hofooer an die Direktion mit einem Gesuch um Eagenaufbesserung bzw. um Bewilligung einer Teuerungszulage gewandt. Bisher ist man aber dieser Angelegenheit von feiten dcr vorgesetzten Behörden nicht nähergetreten. Die Chorsänger beab sichtigen nun eine Persammlung einzuberufen, die sich mit der Gagenfrage beschäftigen soll. Wie das „Wiener Extrablatt" andeutct, ist die Stimmung eine derartig gereizte, daß selbst an einen Streik des Chores zu denken ist, falls die Forde rungen nicht erfüllt werden. * Gastspiel eines deutschen Schauspielensembles in Südamerika. Unter dem Titel „Deutsches Theater in Südamerika" wurde in Hamburg ein Unter nehmen gegründet, das unter der Leitung der Herren Gustav Bluhm und Philipp Lesingin den größeren Städten Südamerikas deutsche Schau- und Lustspiele zur Aufführung bringen will. Das En semble besteht aus 18 Personen von ersten Mitglie dern namhafter deutscher Hof- und Stadttheater, und hat die Reise nach Rio de Janeiro bereits angctreten. Es ist dies das erstemal. daß ein deutsches Schau- und Lustspiel-Ensemble in Südamerika austritt. * Ein Watteau-Fund im Zarenschloß. Im Zaren schloß zu Zarskoje-Sselo ist jetzt ein kleines, ent zückendes Werk von Antoine Watteau zum Vorschein gekommen, das seit langer Zeit in einem Saal ein verkanntes Dasein fristete. Da führten die Vor arbeiten zu der Ausstellung alter Meister, welche die Zeitschrift „Staryje Gody" veranstaltete, zur Ent deckung. Es ist ein reizendes Frauenbitd, die sog. Femme Polonaise, beglaubigt durch den Stich, den Boucher mit Fortlassung des Hintergrundes für das Wattcauwerk Juliennes herstellte. Die „Polin" wurde der Gemäldegalerie der Kaiserlichen Eremi tage überwiesen, die bereits aus dem Besitz der Kaise rin Katharina eine ganze Reihe von Watteau« ihr eigen nennt und zu deren Zierden das Bild nun ge hören wird.