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Abend Ausgabe nMerTagtblaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates «nd -es Volizeiamtcs Ser Stadt Leipzig. Auzeigen-Pretv M SMrr»» «»« 0«N>V, und Um,»»»« dt, S«>»ailenk b0 MM vrrtl» Petit^eil« LH, dt« 74 mo> dral« »«NamqeU« I »m> «ndwa«« 8v H M»Nam«> l-L) ^ssl guter»tr »»» «eddrdrn -» «mrNch«» LeU dt« 74 »E brrtt» PeNtzrtl« 40 H *il»ä't«a»4e>«e!' »'N O «»»»rtchrtN*» «N» t» »er Aoindausaad« im Mene erhöht. SiLdall aaL Laut- Seitagenedühr L ». Lauten» «xk. Postgedahr. geNeneU« «uttrtg, Uaoeu -nchl zurLck- «ezogen werden, gkr da« -ertchelne» an beillmmren laze» und LlLyeu wir» let» GaraiM« üdernommen. «nutzen-Lnnahme, Lug»Nu4pI«tz bei tamilichen gtllaten u. alle» Ännonce» lttpedtrwne» de» Ja« und Aullaudes. -<nu»e AUtal« vrrlt»! T«rl Muncke» H«r,»qt. Vahr. Hofdnch» Handlung LützdwSiah« IL (Tetendoa V t. «r. 4808). Ha-vl.-Mal« rre«denr Seettrahe 4. t iTetedho» 46M. l04. 3shrgsng Momsg. üen 17. Oktober 1910. Bezugs-Preis Mr LawHta an» üorarl« durih metee» trüg« und kvedtieur« 2«,I »tal ich in« Hau« -edrachi: litt H monatl., inrrtrIILHrt vet untern Filiale» u. An. uahweltrllen udaedolr: 72 H mooatl„ AAL <A vierteliLhrl. Durch dir »oft: »onerhald Deultchlands und der deuttchea Kolonien uterteliShrl. U S» monatl. IAO austchl. Postdeiteüaeld ferner in Belgien, Lineniark, den Donaullaaten, Italien, Lurenidura, ittiederlande, Nor wegen, Orslerrrich Ungarn, ttu-iand, Kchweven, Schwer u. Spanten. In alle» übrigen Staaten nur direkt durch di« GeichPttlielle de« Blatte« erhältlich. Da« Leipziger LaziedlaN ertcheini 2 mal läglich. Sonn- u. Aei rrag« nur mmgen». ildonneu eni-Annavme. Auguttubplatz 8, bei unirren LrLgern, Filialen. Lvediteuren und Annahmestellen. !ow>e Poüämrera und Bneskrtger» chtng.lhirtaul.vret« »er «oraen» uulgad« Iv H der r deudautgade » ch. Radaktton und Geschaftlftellei Johanmsgatte 8. gerulvrrcher - I4ÜUL 148t». 14884. Nr. 287. Die Lehren des kranzölilchen Silendahnerltreiks. Trotz aller Agitationen des Nationalsyndikqtes ist eg zu einer Ausdehnung des Generalstreiks der Eisen bahner aus kille Linien Frankreichs überhaupt nicht gekommen, und auch die Kalamität, daß ein großer Teil des Schienenverkehrs brach lag, hat nur einige Tage gedauert. Die Hauptgefahr ist über wunden, und in stets steigendem Matze wird der Betrieb wieder ausgenommen. Es hat sich gezeigt, datz der Einfluh der Syndikate aus dle An gestellten und Arbeiter doch ziemlich beschränkt ist und sich nur vorübergehend Geltung verschaffen, aber nicht lange behaupten kann. Die Massen werden wohl im ersten Augenblicke mit fortgerissen, bald jedoch gewinnt die bessere Einsicht die Oberhand, und wenn auch das Gefühl, die Pflicht verletzt zu haben, weniger mitspricht, so ist es doch der Gedanke an die materiellen Folgen, an die Existenzfrage, der den Ausschlag gibt. Don großer Bedeutung ist auch die Haltung der öffentlichen Meinung. Sympathisiert diese mit den Streikenden, unterstützt sie diese gar, so wird die Ausdauer angespornt, und die Ausständigen fühlen sich als Märtyrer und Hel den. Aber glücklicherweise hat das Publikum für solche Streiks, die den ganzen Verkehr und alles geschäft liche Leben hemmen, kein Wort der Billigung, wie denn überhaupt der von den Arbeitnehmern herauf beschworene soziale Kamps an Renommee sehr ein- gebützt hat, nachdem die Wünsche der Arbeiter in recht weitgehendem Matze Erfüllung gefunden haben. Bis aus wenige Ausnahmen sind denn auch in den letzten Iahren'die Streiks für die Arbeiter ungünstig verlaufen, oder sie haben bei weitem nicht den an gestrebten Erfolg gehabt. Auch die Eisenbahner in Frankreich werden sich mit denjenigen Zugeständnissen begnügen müssen, die ihnen ohnehin bewilligt worden wären. Noch eine andere Lehre kann aus dem Verlaufe des letzten Streiks gezogen werden. Keine Regierung vermag untätig zuzusehen, wenn die öffentliche Ord nung und Sicherheit in Gefahr sind. Bei uns in Deutschland wird immer ein grotzes Geschrei erhoben, wenn die Behörden gegen Ausschreitungen Streiken der vorgehen und für den Schutz der Arbeitswilligen eintreten. Energischer und rücksichtsloser würden sich aber auch bei uns die staatlichen Organe nicht für Aufrechterhaltung der Ordnung ins Zeug gelegt haben, als es die Pariser Regierung getan hat, und dieser Regierung gehören die „Genossen" Briand, Viviani und Millerand an. Uebrigens hat die fran zösische Regierung alle Ursache, mit grötzter Strenge einzulchreiten. falls es sich bestätigt, datz sich hinter dem Eisenbahnerausstand eine Organisation zur Er richtung einer Schreckensherrschaft von Dynamitanden verbarg, dazu bestimmt, verbrecherische Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel durchzuführen. Gegenüber solchen Elenden wäre jede Nachsicht verfehlt. Zm übrigen darf man wohl annehmen, datz der Eisen bahnerstreik in diesen Tagen seinem völligen Ende entgegengeht und im Schienenverkehr Frankreichs der normale Zustand wicderhergestellt wird. Die letzten Meldungen über die Bewegung lauten: Paris, 17. Oktober. (Tel.) Nach einer um Mit ternacht veröffentlichten amtlichen Feststellung ist der Dienst auf den großen staatlichen Linien der N o r d- und West bahn vollständig gesichert. Ebenso wickelte sich der Dienst innerhalb des Stadt gebietes verhältnismähig glatt ab. Paris, 17. Oktober. (Tel.) Angesichts der um fassenden Mahnahmen der Behörden hat das Streikkomitee die Streikenden durch Mauer anschlag benachrichtigt, datz die für heute vormittag im Bois vincennnes einberufene Versammlung nicht stattfinden wird. Die Arbeiter werden jedoch eingeladen, sich heute früh zwischen 7 und 9 Uhr in der Arbeitsbörse einzufinden. Ueber die Ausschreitungen der Streikenden, die nach einer offiziösen Meldung tatsächlich von großen Organisationen — man nennt den Anarchisten ausschutz und den Allgemeinen Arbeitsverband — an gestiftet worden sind, berichten folgende Depesch-n: Paris, 17. Oktober. (Tel.) Nach offiziösen Mel dungen hat die Regierung Beweise dafür in der Hand, datz die anläßlich des Eisenbahnerstreiks ver übten verbrecherischen Anschläge von dem anarchistischen Ausschüsse angestiftet wurden, welcher beschloßen hatte, den Ausstand zu einem Ee waltstreich zu benutzen. Dieser anar chistische Ausschuß habe mit zahlreichen Arbeitersyn dikaten Verbindungen unterhalten und den Plan ge faßt, durch systematische überall durchge führte Sabotage, insbesondere durch Zerstörung der Telegraphen- und Telephonleitungen, die Re gierungsgewalt lahmzulegen, um auf diese Weise einen Augenblick Herr der Situa tion zu werden. Den heute nacht vorgenommenen Verhaftungen würden zweifellos bald andere, sowohl in Paris wie in den Provinzen folgen. Außer dem anarchistischen Ausschüße habe auch der Allge meine Arbeitsverband eine sehr bedenk liche Rolle bei dem Eisenbahnerausstand ge spielt. „Liberte" behauptet, daß bei der im Bureau des antimilitaristischen Blattes „Euerre soziale" vorgenommenen Durchsuchung eine Liste von Milrtärpersonen, darunter einige Offi ziere, vorgefunden worden sei, welche mit dem Blatte als Korrespondenten in Verbindung ständen. Paris, 17. Oktober. (Tel.) Heute morgen um Uhr wurden im Quartier Les Boulevards Per- reyre die Einwohner durch eine furchtbare Ex plosion geweckt. Vor dem Hause Nr. 58 war eine Bombe explodiert. In dem Hause wohnen der Direktor der Zeitung „La Patrie" und der Eemeinderat von Paris Emil Massard. An der Haustür war ein Plakat angebracht mit der Auf schrift: „Ernste Warnung an Herrn Massard." Der angerichtete Schaden ist ganz bedeutend. Auf eine Länge von etwa 20 Metern ist das Trottoir aufgerissen worden. Die ganze Faßade des Hauses ist zerstört und eine große Anzahl Fensterscheiben eingedrückt worden. Paris, 17. Oktober. (Tel.) „Petit Journal" be richtet aus Vincennes, daß der Eilzug von Venti miglia gestern mittag 12 Uhr 5 Min. zum Ent gleisen gebracht wurde. Paris, 17. Oktober. (Tel.) Sonnabendabend wurde in einem Zuge der Ostbahnlinie auf der Station Neuilly eine Bombe gefunden, die mit einer langen Zündschnur versehen war. Die Bombe enthielt, wie später festgestellt wurde, 850 Gramm Dynamit. Paris. 17. Oktober. (Tel.) Die Polizei hat eine anonyme Mitteilung erhalten, daß in der verflossenen Nacht das sogenannte Pont aux Beuss, eine Brücke der Westbahn im Mont- Parnaß-Viertel, in die Luft gesprengt werden sollte. Mit Rücksicht auf die in den letzten Tagen verübten Anschläge wurde diese Anzeige für ernst genommen und Vorkehrungen zu einer ständigen Ueberwachung dieser Brücke getroffen. Paris, 17. Oktober. (Tel.) Zn den Ortschaften Malle mi ne und Fivelille verübten die aus ständigen Eisenbahner große Ruhestörungen und schlugen den Arbeitswilligen die Fenster ein. Militär mutzte zur Herstellung der Ord nung aufgeboten werden. Dellmsns «vzesnklug. Andrä kehrte niemals wieder von seiner Ballon fahrt nach dem Nordpol. Seit Sonnabend ist der Amerikaner Walter Wellman zu Luftschiff unterwegs nach Europa. Die letzten Nach richten besagen nichts Bestimmtes über seine Route. Die über Aufstieg und bisherigen Verlaus der unge wißen, gefährlichen Fahrt vorliegenden Depeschen seien hier zusammengestellt: Der Ausstieg. Aus Atlantic City werden über Wellmans Aufstieg noch folgende Einzelheiten berichtet: Um 8 Uhr 3 Min. hat Wellman am Sonnabendmorgen in seinem Lenkballon „Amerika" den Flug nach Europa angetreten. Während der Vorbereitungen zum Start hatten sich Tausende von Schaulustigen bei dem Luftkreuzerschuppen eingefunden. Als der riesige Lenkballon, der größte der Welt, mit Au s- nahme der Zeppelins, um 4 Uhr früh aus seinem Verschlag geholt wurde, hieß es, datz nur eine Probefahrt beabsichtigt sei. Nach einer Stunde wurde dre „Amerika" glücklich über dem Wasser vom Stapel gelaßen. Die Nachricht verbreitet« sich mit Windeseile, und alles strömte herzu. Chefingenieur Baniman und seine Assistenten kamen eine Stunde vor Tagesanbruch zu dem Beschluß, datz das Wetter günstig sei. Wellman wurde telephonisch davon in Kenntnis gesetzt und eilte in einem von seiner Tochter geführten Kraftwagen zum Strande. Zum Stapellauf wurde nur die aus Plantuch bestehende Vorderwand des Schuppens abgenommen, hundert Polizisten, achtzig Feuerwehrleute und zahllose Schaulustige, darunter Hunderte von Frauen und Kindern hielten die Stricke, an denen das Fahrzeug zu der benachbarten Bucht gezogen wurde. Dort nahm es die Dampfjacht des Obersten Potter, eines der Patrone Wellmans, ins Schlepptau. Die Besatzung des Luftschiffes. In der Gondel befanden sich außer Wellman der Chefingenieur Melvin Vaniman, der Führer des Ballons Simons, der Funkentelegraphist Irwin und die Assistenzingenieure Albert Louid und John Aubert. Der Motorensachverständige Iacon fuhr nicht mit, wie verlautet, infolge eines Zwistes über das Gehalt. Wellmans Gattin und seine beiden Töchter, sowie Vanimans Frau waren die letzten, die den Lustfahrern die Hände schüttelten. Frau Dani- man gab ihnen ein graues Kätzchen als Elückspfand mit in die Gondel. Erst beim Ab schied wurde die erste Andeutung gemacht, daß der Flug nach Europa sofort, ohne vor herige Proben, unternommen werden sollte. Als Vaniman in die Gondel stieg, rief er: „Lebt wohl! Wir kommen nicht zurück, bis wir es nicht mit Europa versucht haben." Doppelt und dreifach brausende Hochs von den Zuschauern waren dre Antwort. Oberst Potters Dampjjacht zog nun die „Amerika" heraus, deren Umriße bald im Nebel verschwanden. Brausende Zurufe der zahllosen Zu schauer am Strande folgten ihr. Sobald der Ballon sich über dem Wasser befand, ließ, wie der „Berl. Lok.-Anz." berichtet, die Mann schaft den Meerschlepper oder Equilibrator, eine wurstartige Kette von 25 Behältern mit zwei tausend Gallonen Gasolin, hernieder. Er soll, wie bekannt, den Luftkreuzer automatisch in gleicher Höhe erhallen, ohne datz Ballast verschwendet zu werden braucht. Die letzten Glieder des Schleppers sind hölzerne Flöße. Als der Eguili- brator im Waßer schwamm und die Motoren sich summend in Bewegung gesetzt hatten, wurde das Schlepptau durchschnitten, und die „Ame rika" flog, mit dem Bug nach Nordosten gerichtet, schnell davon in die nebelgraue Ferne, nach Europa zu. Nachrichten über die Fahrt. New Port, 17. Oktober. Nach den letzten Nach richten kämpft Wellmans Ballon noch immer dicht an de r Küste. Wellman wurde, wie man erzählt, von seinen Mitfahrern förmlich zum Start gezwungen. Hier hegt man die Ver- mutung, daß er einen Vorwand zur Rückkehr finden wird. London, 17. Oktober. Trotz der beruhigend klingenden Meldungen über den erfolgreichen Beginn der kühnen Luftreise Wellmans hegt man In Amerika die schwersten Besorgnisse für das Schicksal der Luftfahrer. Sie werden, wie aus New Pork telegraphiert wird, erhöht durch einen vom Wetterbureau in Washington telegra phierten Bericht, daß der Orkan, der in diesen Tagen Westindien heimsuchte und in Kuba Ver wüstungen anrichtete, seinen Pfad verändert hat und jetzt mit rasender Geschwindigkeit an der Ostküste von Amerika hinauflommt. Man versucht alles möglich«, um Wellman die drohende Gefahr drahtlos mitzuteilen. Falls das Luftschiff nickt schnell aus dem Sturmpfade gelangt, hält man es für verloren New Park, 17. Oktober. Heber Wellmans Luft schiff ist man seit gestern abend 7 Uhr ohne Nachricht. Man befürchtet hier, daß es in die Auslänfer des Antillen-Sturmes geraten und auf die Meeresfläche niedergegangen ist. Trotz mehrfacher Versuche ist es in den letzten Stunden unmöglich gewesen, mit der Marconi-Station des Lenkballons in Verbindung zu treten. Man schließt daraus, daß die kühne Fahrt über den Ozean be- reits ein vorzeitiges Ende gefunden hat. Siasconset, 16. Oktober. Eine von Wellmans Lenkballon um 12^ Uhr nachmittags eingetroffene durch drahtlose Telegraphie übermittelte Nachricht lautet einfach: „Alles geht gut. Adieu." Bruchstücke von einer vorher gesandten Mitteilung, die von der hiesigen Station aufgefangen wurden, laßen erkennen, daß die Luftschiffer zuversichtlich auf den Erfolg der Fahrt hoffen, obwohl der Lenkballon bereits so weit ist, daß er mit dem Lande Sie Kau im Spiegel. Non E. W. Appleton. (Autorisierte Uebersetzung.) „Gut. Man darf uns hier nicht beisammen über raschen. Es könnte jemand zufällig durch den Garten kommen und uns sehen. Das könnte uns den ganzen Plan verderben." Damit trennten wir uns, worauf ich mich, ohne mich länger aufzuhalten, in die Villa Rabenhorst zu rückbegab. Als ich die Hall betrat, begegnete ich dem Zimmermädchen. „Das Gas isi, wie ich sehe, heute in Ordnung, Marie", bemerkte ich. „Jawohl. Ich denke, daß Sawkins den Gasmesser zugedreht hatte; das meint auch die Köchin. Und alles geht weg, Herr Lart. Der Hausmeister ist hinausge worfen worden, weil er soviel trinkt und nicht auf Sawkins aufgepaßt hat, und nun hat die Köchin auch gekündigt. Das ist eine Auswanderung, Herr Lart! Die Köchin ist auch gleich weggegangen, und so sind wir jetzt die einzigen, die noch im Hause ge blieben sind!" Ich antwortete nur: „Bringen Sie mir ein« Kleinigkeit zu eßen auf mein Zimmer, Marie! llebrigens muß ich Ihnen etwas Wichtiges mitteilen" setzte ich flüsternd hinzu. „Sehr wohl, Herr Lart , sagte sie und warf mir einen erschreckten Blick zu, als ich die Treppe hinauf eilte. Als sie zehn Minuten später ein kleines Abend eßen aus meinen Tisch aufgesetzt hatte, sah sie mich fragenden Blickes an. „Ach ja, richtig", sagte ich, „es handelt sich um folgendes Marre. Ich möchte, daß Sie dieses Haus auf der Stelle verlaßen. Sie dürfen wirklich nicht länger dableiben." „Warum denn, Herr Lart? Ich dachte doch —" Sie unterbrach sich und ihr Mund nahm einen weinerlichen Ausdruck an. »Ja, ja, ich weiß schon, was Sie meinen. Aber ich habe es mir ander« überlegt. Etwas Fürchterliches wird hier in kürzester Zeit sich ereignen, und ich gehe auch weg." „Wann denn, Herr Lart?" „Morgen höchstwahrscheinlich. Und Sie dürfen hier nicht allein Zurückbleiben!" Ihr Gesicht hellt» sich wieder auf. „Keine Angst. Herr Lart. Wenn Sie gehen, bleibe ich auch nicht länger hier. Ja wahrhaftig!" der Blitz mein Zimmer mit seinem Lichte. Er paßte zu der Sachlage. Ich war überzeugt davon, daß das warme Blut eines Ermordeten nicht weit von mir auf den Fußboden sickerte. Ich erinnerte mich an Maries Erzählung von elektrischem Lichte, das den Garten erhellt hatte und von dem sie nicht wußte, woher es kam. Es war nur einige Schritte zu der Rumpelkammer droben. Rasch eilte ich hinauf. Aber ich fand, daß der Garten in gänzlicher Dunkelheit dalag. Und die weiße Villa des Barons Romer war überhaupt nicht zu erblicken, bis ein Blitzstrahl auf flammte und sie für einen Augenblick beleuchtete, wobei die Glasdächer der Warmhäuser wie Fisch schuppen glitzerten. Dann sah ich wieder in eben holzschwarze Finsternis hinaus. Ich mochte so etwa eine Viertelstunde am Fenster gestanden sein, als meine lauschenden Ohren auf der Terrasse unter mir Schritte vernahmen und ein leise geflüstertes Gespräch unterschieden. „Wir wollen jedenfalls ncher gehen", sagte eine Stimme. „Er kann vielleicht da droben sein. Sagtest du nicht, daß ein Fenster da ist, von dem man den Garten übersehen kann?" „Unsinn!" versetzte eine andere Stimme, in der ich sofort die des Barons Romer erkannte, „du hast ja selber gesehen, daß sein Bett nicht berührt worden ist. Er ist noch nicht nacb Hause zurückgckehrt." „Man muß seiner Sache sicher sein", war die Ant wort „Hanf ist am Halse kein angenehmer Stoff. Du hältst den Burschen für ein unschuldiges Kindlein. Ich aber nicht. Er weiß mehr, als du ihm zutraust. Ich habe es aus der Art und Weise entnommen, wie er mit dem anderen heute mittag im „Criterion" umsprang. Ich habe in der letzten Zeit die Verant wortung und die Last getragen, du nicht Und ich will in dieser Sache meinen eigenen Willen haben. Wenn der Kerl nicht droben ist, um so bester für ihn, denn ich habe noch eine Kugel in meinem Revolver übrig." „Pst! sei doch kein Esel", fiel eine mir unbekannte Stimme ein, „geh doch hinauf, wenn es dir Spaß macht, wir werden dich begleiten." Kalter Schweiß brach mir aus allen Poren. Wohin sollte ich denn fliehen? Da war ja Sawkins Zimmer, aber das würde sicher durchsucht werden. In meiner Angst fiel mir das Versteck ein. das Marie ausfindig gemacht hatte. Aber wie sollte ich es in der Dunkelheit finden?" Gott sei Dank! atmete ich erleichtert auf, als in „Gut also. Gehen Sie eilends auf Ihr Zimmer und packen Sie auf der Stelle zusammen. Sie dürfen keine Minute mehr hier bleiben.. Kümmern Sie sich nicht um dieses Geschirr! Heut' nacht gehen seltsame Dinge vor. Man darf Sie nicht mit mir im Ge spräche treffen." Sie wollte diesen Punkt einer Kritik unterziehen, aber ich ließ sie nicht zu Worte kommen. „Nicht wahr, Marie, Sie wollen nicht, daß ich Ihnen böse bin?" „Um Gottes willen nicht, Herr Lart!" sagte sie flehentlich. „Gut, dann aber gehen Sie sofort und bringen Sie mir zeitig mein Frühstück." Sie warf mir noch einen bittenden Blick zu und verließ dann das Zimmer. Ich schloß die Türe ab, drehte das Gas aus, sperrte die Fenster weit auf, zog einen Lehnstuhl ins Schlafzimmer, warf mich in den selben und lauschte nun mrt scharfem Ohr auf. — Ja, auf was ? Ich wußte es eigentlich selber nicht. Eine Stunde ging vorüber, ohne daß dre Stille gestört wurde, dann drang ein unterdrücktes Ge murmel an mein Ohr, das nichts Bestimmbares erkennen ließ. Nach und nach aber schienen sich die Geräusche zu nähern und deutlicher zu werden. Es folgte schrilles Gelächter aus weiblichen und lautes Geschrei aus männlichen Kehlen, und zuletzt ein wahrer Chorus, der in Bravorufe ausbrach. Dieser immer mehr anschwellende Lärm war zu gleicher Zeit ein« Erleichterung und «ine Beängsti gung für mich. Ich erhob mich und legte mein Ohr an die Wand. Sofort gewann ich die Ueberzeugung, daß der Lärm nicht von einem angrenzenden Raum berkam. Es mußte «in kleiner Zwischenraum vor handen fein, und doch wurden die Geräusche von Minute zu Minute deutlicher hörbar. Nichts war klarer, als daß mich nur wenige Meter Zwischenraum von dem Schauplatz einer wilden Orgie trennten, in dem schrilles Gelächter au» weib lichen Kehlen die Hauptnote bildete. Dies ging annähernd eine Stunde so weiter, dann erstarb aus einmal das Gelächter. Es erhoben sich streitende Männerstimmen, in die sich aufkreischende Weiberstimmen mischten, dann vernahm ich deutlich, daß Glas zerschellte und Möbel umqeworfen wurden. Und zuletzt wurde der ganz« Lärm durch zwei scharfe, klare Schliße übertönt, denen ein tödliches Schweigen folgte. In diesem Augenblick füllte «in blauer, leuchten diesem Augenblick ein Blitz aufflammte und das Zimmer tagshell beleuchtete. Ich ergriff die Ge legenheit und dank den Pantoffeln an meinen Füßen fühlte ich mich eine Sekunde später in Sicherheit, wenn auch mein Herz so laut gegen die Rippen hämmerte, daß ich fürchtete, das Geräusch möchte mich den Ankömmlingen verraten. Trotzdem sie leise auftraten, krachte die Treppe unter ihren Füßen. Dann ging di« Türe auf, und es wurde ein Zündholz angestrichen. „Nun", sagte der Baron Romer, „bist du befrie digt? Ich sagte dir doch, der Mann ist ausgegangen. Und warum zum Henker sollte er hier rauf kommen? Er kennt sich im Hause gar nicht aus und weiß nichts von diesem Fenster. Muß ich dir denn diese Tatsache eintrommeln?" „Aber da ist ja noch ein Zimmer." „Gut, so geh doch hinein und durchsuche es! Aber ich sage dir, wir vergeuden damit nur unsere wert volle Zeit." „Schlag der Teufel drein, so ist es!" bemerkte ein dritter. „Vorwärts, du benimmst dich ja wie ein Kind! Mir ist es zu dumm. Ich schiebe ab." Im nächsten Moment hörte ich ihn die Treppe hinabsteigen. Die beiden anderen folgten sogleich. Ich kroch, mehr tot als lebendig, aus meinem Schlupfwinkel. Mein ganzer Mut war dahin. Warum hatte ich Richards Rat nicht befolgt? Was sollte ich Narr nun beginnen? Welche Gefahr stand mir nur auf dem Wege bis zu meinem Zimmer be vor? Ich mußte vorderhand bleiben, wo ich war. Das stand fest. Ich schlich mich wieder zu dem Fenster vor. Bis jetzt war noch kein Regen gefallen. Aber der Himmel war, wie ich bei den häufigen Blitzen sah. ganz mit schweren Wolken bedeckt. Unter anderen Umständen wäre es ein prachtvolles Schauspiel gewesen. Aber in meiner Lage hatte ich kein Auge für die zuckenden Blitze. Ich lauschte angestrengt in die Nacht hinaus. Aber ich vernahm nichts als die Donnerschläge, die mein Gehör für feinere Töne abstumpften. Eine halbe Stunde mochte ich so, pochenden Herzens, am Fenster gestanden haben, als mir plötzlich das Licht eines fürchterlichen Blitzes im Garten drunten einige Gestalten zeigte, die in den Garten binausgingen. Es war mir, als ob sie etwas Großes trügen, aber die Erscheinung dauerte nur einen Augenblick, und so war ich ungewiß, ob es ein Spiel meiner aufge regten Phantasie oder die Wirklichkeit gewesen war.