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PREIS 50 Pf. LANDESKONSE1 VATORIUM DER MUSIK ZU LEIPZIG 86. Studienjahr 1928—1929 SONNABEND. DEN 9. FEBRUAR 4 929. ABENDS 8 UHR II. SOLISTEN-ABEND 1 (7. Veranstaltung aus dem Anrecht) ELENA GERHARDT Am Klavier: COESRAAD V. BOS GESÄNGE VON HUGO WOLF (1860-1903) I. Eduard Mörike a) »Fußreise« Am frischgeschnittnen Wanderstab, wenn ich in der Frühe So durch Wälder ziehe, Hügel auf und ab, Dann wie’s Vöglein im Laube singet und sich rührt Oder wie die goldne Traube Wonnegeister spürt In der ersten Morgensonne So fühlt auch mein alter lieber Adam Herbst- und Frühlingsfieber, Gottbeherzte, nie verscherzte Erstlings-Paradieseswonne. Also bist du nicht so schlimm, o alter Adam, Wie die strengen Lehrer sagen. Liebst und lobst du immer doch, singst und preisest immer noch Wie an ewig neuen Schöpfungstagen Deinen lieben Schöpfer und Erhalter Möcht’ es dieser geben, Und mein ganzes Leben wär’ im leichten Wanderschweiße Eine solche Morgenreise. b) »Verborgenheit« Laß, o Welt, o laß mich sein! Locket nicht mit Liebesgaben, Laß dies Herz alleine haben Seine Wonne, seine Pein! Oft bin ich mir kaum bewußt, Und die helle Freude zücket Durch die Schwere, so mich drücket Wonniglich in meiner Brust. Was ich traure, weiß ich nicht, Es ist unbekanntes Wehe; Immerdar durch Tränen sehe Ich der Sonne liebes Licht. Laß, o Welt, o laß mich sein! Locket nicht mit Liebesgaben, Laß dies Herz alleine haben Seine Wonne, seine Pein!