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Nr. 254. 104. Jahrgang. Leipziger Tagedisn. Mittwoch, 14. Sevtemder ISIS. plllittlÄe Nachrichten. ' Ein Bürgermeister Delegierter »um sazialdemo- krattsche« Parteitag! Franks art a. M., 1t. September. (Tel.) Nach einer Privatmeldung der „Franks. Zeitung" au» Lambrecht in der Pfalz, rst zum Magdeburger sozialdemokratischen Parteitag der dortige sozial demokratisch« Bürgermeister Neu delegiert worden. Ls wird wohl da, erstemal sein, daß ein der sozialdemokratischen Partei angehörender, von der Regierung bestätigter Bürgermeister einem sozial demokratischen Parteitage beiwohnen wird. Zum Scheitern der ungarischen Anleihe in Frankreich. Wien, 1t. September. (Tel.) Das Nichtzu standekommen der ungarischen Anleihe in Frankreich wird trotz der französischen Preß diskussioucn und der politischen Momente, die dort vorgeschoben werden, hier nicht als eine poli tische Angelegenheit betrachtet. Ueber die Dispositionen der ungarischen Regierung nach dem Scheitern der Anleihe ist nichts bekannt. Aber man zweifelt nicht daran, daß namentlich nach der dies- lährigen günstigen Ernte der Geldbedarf Ungarns vorläufig gedeckt sein dürfte. (?) verhafteter Spion. Czernowitz, 14. September. (Tel.) Der Inge nieur Sagranski von der Bukowanoer Zucker fabrik wurde unter Spronageverdacht zu gunsten Rußlands verhaftet. Es wurde viel belastendes Material bei ihm aufgefunden. Sozialdemokratie und Abrüstung! Paris, 14. September. (Tel.) „Matin" ver öffentlicht heute einen Artikel des früheren unifizierten sozialdemokratischen Abgeordneten Narenne, betreffend den Kopen hagener Sozialistenkongreß. Der Ab geordnete bemüht sich darzutun, daß die Diplo matie dieselbe Politik in der Frage der Abrüstung betriebe, wie di« Sozialdemo kratie. Der Abgeordnete fügt hinzu, daß im Kampf gegen den Krieg die deutsche Sozial demokratie in der Arrieregarde marschiere. Diese müßte sich aber an der Spitze der Bewegung befinden, da Berlin der Mittelpunkt des europäischen Militarismus sei, was schon der Antrag erwähnte, der von den italie nischen Mitgliedern auf dem Kopenhagener Kongreß eingcbracht worden ist. Die italienischen Delegierten hatten vorgeschlagen, in der deutschen Hauptstadt ein internationales Sekre. tariat der Abrüstung zu gründen, da die größte Gefahr für den Weltfrieden von Berlin aus gehe. Man müße sich die Frage stellen, ob die deut schen Sozialdemokraten dies tun können. Er glaube, daß auf der deutschen Sozialdemokratie ein größeres Gewicht der Verantwortlichkeit liege, als auf der französischen. — Vielleicht könnte das internationale Sekretariat auch in den Räumen des „Matin" einge richtet und Herr Varenne zum ständigen Sekretär er nannt werden. Prinz Heinrich beim König von England. London, 14. September. (Tel.) Prinz Heinrich von Preußen ist gestern in Begleitung des Korvetten Kapitäns v. Usedom zum Besuche des König» und der Königin in Balmoral Castle eingetroffen. Das ökumenische Patriarchat und die türkisch« Regierung. Konstantinopel, 14. September. (Tel.) Das ökumenische Patriarchat hat an die Pforte eine Note gerichtet, da cs zur Verhinderung der für morgen geplanten Nationalversammlung mit Trup pen besetzt ist. In dieser Note wird gegen die unge rechtfertigten Maßnahmen Verwahrung eingelegt. Der Kultusminister lehnte es ab, die Abgesandten des Patriarchats zu empfangen und ließ ihnen wie derholen, dag die Regierung entschlossen sei, die Versammlung zu verhindern. Von dem Patriarchat ist indessen eine Hinausschie bung der Nationalversammlung bisher nicht be schlossen worden. Die griechische Nationalversammlung. Athen, 14. September. (Tel.) Die heutige Eröffnung der griechischen National versammlung erfolgt durch eine Thronrede des Königs in Gegenwart des Thronfolgers. Botha über die Schaffung einer südafrikanischen Streitmacht. Johannesburg, 14. September. (Tel.) Gene ral Botha erklärte hier in einer Rede, aus den Südafrika zu Gebote stehenden Mannschaften könne das beste Vertcidigungsheer der Welt gebildet werden. Er ersuche Großbritannien um seine Mitwirkung bei der Schaffung einer solchen, aus Angehörigen beider Rassen zu sammengesetzten Streitmacht. Seiner Ansicht nach könnte Lord Methuen mit der Organisation oer Truppen betraut werden, oder, falls ein anderer bri tischer Offizier dazu notwendig sei, möge sein alter Kriegskamerad Kitchener die Auf gabe übernehmen. «US Lelpsig und Umgeyen-. Leipzig, 14. September. Wetterbericht der König!. Sächsischen Landes-Wetter warte zu Dresden. Voraussage für den 15. September 1910. Oestliche Winde; vorwiegend heiter, warm, meist trocken, jedoch örtliche Störungen nicht ausgeschlossen. Pöhlberg: Vor- und nachmittags schwacher Nebel, schwacher, anhaltender Tau, matter Sonnen untergang, Himmelsfärbung gelb. Fichtelberg: Nachts schwacher Nebel, glän zender Sonnenaufgang, Morgenrot. * 7Sjähriges Jubiläum. Die hiesige Firma Carl Aug. Simon kann am 15. September auf ein 75jähriges Bestehen zurückblicken. Die Firma ist am diesigen Platze 1835 von dem Großvater des jetzigen Inhabers (D. Aug. Simon) gegründet worden und nählt zu den ersten und ältesten Häusern der Earn- vranche. Sie ist weit über die heimischen Grenzen hinaus bekannt und geachtet. * Sonutagsarbeit während der Messe. Vom Kreisverein Leipzig im Verband Deut scher Handlungsgehilfen wird uns mit der Bitte um Veröffentlichung geschrieben: Wer am letz ten Sonntagnachmittag und -abend bei einem Gang durch die innere Stadt die Läden aufmerksam beob achtet hat, konnte leicht feststellen, daß eine Not wendigkeit für das lange Offen halten der Ladengeschäfte nicht vorlag. Wohl waren die Straßen von zahlreichen Spaziergängern belebt, die die Gelegenheit wahrnahmen, den Inhalt der Schau fenster zu musteris» Kauflustige waren aber sehr we nige darunter. Die Geschäftsinhaber dürften wohl nicht auf ihre Rechnung gekommen sein. Mehrfach konnte man beobachten, wie Prinzipale und An gestellte gelangweilt und unbeschäftigt — und deshalb mißvergnügt über die ohne rechten Grund eingebüßte Sonntagsruhe — im Laden umherstanden, mit wohl zu verstehenden Gefühlen des Neides die Spazier gänger beobachtend. Diese Wahrnehmungen sind nur eine Bestätigung dessen, was in der ausführlichen, mit zahlreichen Zustimmungserklärungen versehenen Eingabe des Kreisvereins Leipzig im Verband Deutscher Handlungsgehilfen vom 3. Juli 1969 an den Rat gegen das Offenhalten an Meßsonntagep ausgeführt worden ist. Zu bedauern ist nur, daß der Rat trotz wiederholter Einwirkungen es noch nicht hat über sich gewinnen können, einen entsprechenden Beschluß herbeizuführen, obwohl seit Einreichung der Eingabe 14 Monate verstrichen sind und das Gutachten vom März d. I. die Ein schränkung der Meßsonntagsarbeit befürwortete. * Der Bezirksoerei» Leipzig-Land de» Deutschen Buchdruckervereins nahm in einer Versammlung den Bericht über die in Pirna abgehaltene Kreisver- jammlung und über die in Stuttgart abgehaltene Hauptversammlung entgegen. Der in Stuttgart be schlossene Anschluß des Deutschen Buchdruckervereins an den Bund der Industriellen gab Anlaß zu einer lebhaften Aussprache, die zur Folge hatte, daß sich alle in der Versammlung vertretenen Firmen ent schlossen, auch zur Streikversicherung ihren Beitritt zu erklären. Nach der Besprechung des Lohn- und Druck preisetarifs beauftragten die Versammelten den Vor sitzenden, bei der bevorstehenden Beratung der Tarif kommission die Wünsche der Provinzbuchdrucker zu vertreten. Es folgte dann noch ein beifällig auf genommener Vortrag über die in d«r Gründung be griffene „Anzeigenzentrale der deutschen Provinz presse." * Der Jnnnngsausschuß d«, vereinigte« Innungen zu Leipzig hielt am Dienstagabend unter Leitung seines Vorsitzenden, des Obermeister» und Stadtver ordneten Simon, im Etablissement „Prinz Hein rich" seine dritte ordentliche Plenarversammlung ab, in der der Genannte u. a. bekanntgab, daß der Rat der Stadt neue, die Wünsche des Jnnungsausschusse» vollkommen berücksichtigende Bestimmungen über die Vergebung von Arbeiten aufgestellt hat, und daß der von mehreren Warenhäusern wegen eines von einer Anzahl wirtschaftlicher Vereinigungen vorige Weih nachten herausgegebenen Flugblattes angestrengte Prozeß in letzter Instanz vor dem Oberlandesgerichte zuungunsten der Klagesteller entschieden worden ist. Einem von der Barbier- und Friseurinnung gestellten Anträge wegen Anstellung eines Rechtsanwalts als Syndikus des Jnnungsausschusse» stimmte die Der- Reinhardt anhängigen * Verhaftung«. Ein 18 Jahre alter Händler au» Borna, der dringend verdächtig ist, au» einer Woh nung der Brüderstraße einen Lehnsessel gestohlen zu haben, kam in Haft. Eine 50 Jahre alte geschiedene Sekretär,ehefrau au» Erfurt wurde gestern in Hast genommen. Ei« ist dringend verdäch tig, in einer Wohnung der Guftav-Adolf-Straße, wo sie sich besuchsweise aufhielt, einen größeren Geld betrag gestohlen zu haben. Außerdem wird sie noch von einer auswärtigen Behörde wegen Einmieter- diebstahls verfolgt. * Wem gehören di« Räder? In Verwahrung der Kriminalpolizei befinden sich ein Herrenrad mit Morrofreilauf, in dessen Werkzeugtasche sich ein weißer Waschflecken mit roter Kante befindet, weiter ein Damenrad ohne Freilauf, das ursprünglich weiße Felgen gehavt hat. Beide Räder rühren offen bar von Diebstählen her. Die Eigentümer können sich melden. * Straßenunfäll«. In der Kanalstraße in Eutritzsch fiel gestern bei der Legung von Gasrohren ein Schmelztiegel mit flüssigem Blei um, so daß letzteres auf den Fußweg sich ergoß. Dabei wurde ein vorüber- gehender Knabe am linken Unterschenkel erheblich verbrannt. Aerztliche Hilfe war schnell zur Stelle. — Zn der Bornaischen Straße in Lößnig wurde gestern ein 8jähriges Schulmädchen infolge eigenen Verschulden^angefahren und erlitt eine Gehirn erschütterung Das Kind fand Aufnahme im Kran kenhaus«. H. Schönefeld, 14. September. (Au, der Ge meinde.) Infolge des gegen den hiesigen Ge meindevorstand Disziplinarverfahren« ist dieser am Montag auf amtshauptmannschaftlichen Beschluß seines Am tes enthoben worden. «US Lachsen. Dr«»de«, 14. September. * Persostalien. In den oberen staatlichen Der- waltungsstellen stehen, wie wir hören, noch weiter« einschneidende Veränderungen bevor. So dürsten in absehbarer Zeit der Präsident des Oberverwal tungsgerichts, Herr Dr. jur. Freiherr v. Ber ne rv itz, und der Präsident der König!. Brandversiche rungskammer. Herr Geh. Rat Dr. jur. Banitz, in den Ruhestand treten. ks- Burgstädt, 14. September, (lieber den Raubmord in Burkersdorf) ist folgendes zu berichten: Gäste, die abend» gegen S Uhr die Gast wirtschaft zum Vergißmeinnicht betraten, fanden den Gastwirt Eoeller erschlagen am Boden liegen. Die Behörde nahm sofort die Untersuchung auf, auch die Staatsanwaltschaft in Chemnitz entsandte sofort die Untersuchungskommission. Es wurde Raub mord festgestellt. Der Täter ist vermutlich als Gast eingekehrt (der Rest seines Bieres stand noch auf dem Tische), hat im Gespräch den Gastwirt zum Klavierspielen aufgefordert und sodann den Wirt mit einem Beile hinterrücks er sch lagen. Die Leiche lag unmittelbar neben dem offnen Klavier. Die Untersuchung ergab, daß auch di« Frau de« Wirtes in einem über der Gaststube liegenden Zimmer ermordet worden ist. Di« Leiche lag ouer über dem Bett, ist aber vermutlich erst später dahin gebracht worden. Ein Kleiderschrank war erbrochen und durchwühlt worden, auf dem Fußboden lagen mehrere Portemonnaies und Geldbeutel zerstreut umher. Die mit Polizeihunden aufgenommene Spur wurde vergeblich ein Stück verfolgt, da sie vom Regen und der nach Bekanntwerden des Mordes herbeigeströmten Menge verwischt worden ist. 1. Chemnitz, 14. September. (Zn eine Lohn- bewegung) sind nun auch die hiesigen Hei zungsmonteure und die B a u sch lo s se r ein getreten. Sie haben an die Arbeitgeber die Forde rung auf Einführung eines Lohntarifs eingereicht. «US Lachlens Umgebung. * Halle a. S.« 14. September. (Fabrikbrand.) Wahrscheinlich durch Selbstentzündung von Asphaltmaterialien entstand in der hiesigen Zweig niederlassung der Asphalt- und Dachpappenfabrik von Büsscher L Hoffmann, G. m. b. H., Ebers walde, Feuer, das sich rasch über den ganzen Dach stuhl des großen Fabrikgebäudes ausdehnte. Der Schaden an Maschinen und Materialien soll nicht sehr bedeutend sein. Man hofft, den Betrieb bald wieder in vollem Umfange aufnehmen zu können. --- Altenburg, 14. September. (Die Ver- einigung der Polizeibeamten Thü ringens) wird die nächste Versammlung im Mai 1911 in unfern Mauern abhalten. sammlung im Prinzip zu. Der Vorstand wird das Weitere veranlassen. Ferner wurde Bericht erstattet über den sächsisälen Znnungsverbandstag, über den Deutschen Mittelstandstag und über den Deutschen Jnnungs- und Handwerkertag. Endlich hielt Tape zierermeister Schenk einen sehr beachtenswerten Vortrag über die theoretische Vor- und Ausbildung unserer Lehrlinge, wobei er sich u. a. für Einführung des Tagesunterrichts aussprach. * Steuern in Leipzig einst und jetzt. Zn unserm Artikel in heutiger Morgennummer muß es in der dritten tabellarischen Uebersicht unter 1893 nicht 6,50 Mark, sondern 16,50 heißen (was sich bei Berech nung von 15 Einheiten von selbst ergibt). Die feh lende „1" war beim Druck ausgefallen. * 800 Mark Belohnung. Abhanden gekommen sind während der Bahnfahrt von Brüssel nach Leipzig einer hier wohnhaften Dame eine Anzahl Schmuckqegen stände im Gesamt wert« von 6000 Mark, die diese in einem Koffer aufbewahrt hatte. Es sind die»: 1 goldener Ring mit langem Brillant, 1 goldener Ring mit 2 Brillanten und 1 weißen Perle, 1 Stabbrosche mit 7 Brillanten, 1 Brosche in Nosettenform mit vier großen und 6 kleinen Brillanten, 1 mattgoldenes Kettenarmband mit einer mit Brillanten besetzten Rosette, 1 mattgoldenes Kettenarmband, gedrehte Glieder mit 5 Brillanten besetzt, 1 Platin-Halskette mit einem großen und einem kleinen Brillant als Anhängsel. Auf die Wiederherbeischaffung der frag lichen Schmuckstücke ist von der Geschädigten eine Be lohnung von 800 Mark ausgesetzt worden. * Lebensmüde. Eine 48jährige Aufwärterin aus Groß-Pötzschau hat sich aus unbekannten Gründen heute morgen in ihrer Wohnung in Lindenau er hängt. — Erschossen hat sich heute morgen ein ^jäh riger Erünwarenhändler aus Sohl bei Bad Elster. Der Grund ist unbekannt. * Ueberraschte Einbrecher. Zn der vierten Stunde am gestrigen Tage erwachte infolge eines Geräusches eine in der Scharnhorst st raße wohnhafte Familie. Es stellte sich heraus, daß Diebe von dem Garten aus durch den Balkon in die Wohnung ge drungen waren. Die Diebe hatten sich in aller Ruhe in der Küche eine Lampe angebrannt. Durch die Störung waren sie jedoch, ohne ihren Zweck erreicht zu haben, wieder auf demselben Wege geflüchtet. Außer einigen Nahrungsmitteln und einer Anzahl Rabattmarken haben die Spitzbuben nichts erlangt. * Gewarnt wird nochmals vor jenem Gauner, der neulich in der Elisenstraße als Gerichts beamter aufgetreten war und unter der Angabe ein Logis mieten zu wollen, zwei goldene Ringe, eine Herrenweste und eine Herrenhose entwendete. Derselbe Spitzbube ist jetzt wieder bei einer Dame in der Querstraße als Dr. med. Abraham Ealed aus Odessa, sowie in einer Wohnung der Waldstraße ebenfalls unter Dr. med. ausgetreten. In dem ersten Falle hat er eine goldene Damenuhr nebst kurzer kleingliederiger Kette entwendet, in dem an deren Falle, wo ihm zu sehr auf die Finger gesehen wurde, hat er nur Saal- und Hausschlüssel mitge nommen. Zn einem vierten Falle, wo er als gut gestellter Jurist aufgetreten war, hatte er keine Ge- s ' legenheit zum Stehlen und mußte leer abziehen. * Erwischter Schwindler. Zn Haft genommen wurde gestern von der Kriminalpolizei ein 23 Jahre alter Landwirts chaftsae Hilfe aus Dres den, der schon seit Jahren lediglich von Schwinde leien lebt. Jetzt hatte der leichtsinnige Mensch einen Gelehrten, der sich zur Kur in einem Badeort am Harz befindet, aufs Korn genommen, um diesen zu rupfen. Durch allerhand fingierte Vor spiegelungen hatte er versucht, von diesem Geld zu erlangen. Insbesondere hatte er durch einen fein eingefädelten Trick den Gelehrten zu bewegen ge sucht, ihm eine Summe Geldes nach Leipzig zu senden. Letzterer batte jedoch die Sache durchschaut und Anzeige bei der Behöroe gemacht. Als nun gestern der Schwindler das zu erwartende Geld in Empfang nehmen wollte, erfolgte seine Fe stnahme. * Taschendiebe traten auf in einem Waren- bauseamKönigsplatz und auf einem Straßen bahnwagen. In beiden Fällen erlangten die Spitz buben Beträge bis zu 70 -4t. * Durch einen Feuerwerkskörper verletzt. Bei Ge legenheit des Tauchaer Jahrmarktes wurde eine Bahngehilfcn-Ehefrau in einem Grundstück der Bayerschen Straße durch einen Feuerwerkskörper an der rechten Stirnseite derart verletzt, daß die Wunde mit 15 Stichen genäht werden mußte. * Wegen gewerbsmäßigen Buchmachens erfolgte die Festnahme eines 44 Jahre alten Weinhänd lers aus Treuen. wo er wohnte. Daher ging ich zu dem Gitter hinüber und blickte durch die Stäbe hindurch. Es war jetzt stichdunkel, aber die Sterne strahlten in dieser Nacht ungewöhnlich hell, und der Abendstern warf einen Schein in die Nacht, wie allein er ihn zu vergeben hat. In Verbindung mit dem Lichte aus den Fenstern ermöglichte er mir, einen gepflegten Garten zu unterscheiden, mit hübschen, blumenüber- sätcn Terrassen. Da schimmerte ein Faun, dort eine Venus, überall standen schlanke Vasen, aus denen Geranien und Kapuzinerkresse entquollen, und das sanfte Geplätscher eines Springbrunnens schlug deut lich an mein Ohr. Was war es eigentlich, was meine Neugier an diesem Wohnsitze so anzog? Welcher Instinkt hatte mich zu diesem Eisengitter geführt? Ich wußte es in diesem Augenblick nicht. Aber mit einemmal er folgte die Erklärung, als ich zufällig zu einem Fenster aufblickte, das besonders hell erleuchtet war. An diesem Fenster erschien das Antlitz einer Frau, von dem Lichte hinter ihr scharf umrissen. Dann fuhr ein weißer Arm vor, der Borhang wurde rasch ge zogen, und die überraschende Erscheinung war mit einem Schlage verhuscht. In ungläubigem Staunen stand ich wie fest gewurzelt. Aber ich konnte nimt wegleugnen, was meine Augen erblickt hatten. Daran war nicht zu zweifeln. Dort droben war, für einen flüchtigen Augenblick nur vom Lichte umflossen, das werbliche Antlitz erschienen, das sowohl ich, als auch Richard in dem, wie ich nun zu glauben geneigt war, Zauber spiegel meines Zimmers erblickt hatten. Ich war überzeugt, es deutlich erkannt zu haben. Oder hatte meine Phantasie das Gesicht, das mehr, al» ich mir zu gestehen wagte, in meinen Vorstellungen herum- spukte, in ein fremdes Antlitz hineinprojiziert? Nein, ich hatte es deutlich erkannt, und war, bis mir das ltzegcnteil bewiesen wurde, auch fest davon über zeugt. Das Geheimnis wurde immer verwickelter. E» hatte eine nicht ganz ungefällige Form angenommen. Allerlei phantastische Ideen jagten sich in meinem Gehirn, während ich wieder nach Hause zurück schlenderte. Welche romantischen Möglichkeiten lagen nicht in dieser eigenartigen Angelegenheit! Wenn ich daran dachte, daß diese» prachtvolle Weib mit den roten Lippen bereits zweimal in mein ver schwiegenes Zimmer eingedrungen war und daß sie dies zu jeder Tages- und Nachtzeit wiederholen könnte, dieser Gedanke war berauschend. Bei meiner Rückkunft sah ich mich im Zimmer um. Ein wahrer Taumel ergriff mich. Nein, nein, es war nicht zu glauben. Die Geschichte war vollständig unmöglich. Meine Vernunft mußte mich verlassen haben. Aber Richard hatte ja auch die schöne Erscheinung gesehen. Es war einfach verblüffend. Ich versuchte, mich durch Lesen zu zerstreuen. Un möglich. Bei dem geringsten Geräusch fuhr ich auf, und der kalte Schweiß brach mir aus allen Poren. Mit einer wahren Erleichterung vernahm ich endlich Schritte vor der Tür, die mir die Ankunft Herrn Eolibys ankündigten. Gleich bei seinem Eintritte bemerkte ich, daß er sich nicht ganz so benahm, wie es bisher der Fall ge wesen war. E» war nur eine unbedeutende Verände rung, und wenn meine Nerven nicht aufs äußerste gespannt gewesen wären, hätte ich sie vielleicht gar nicht beobachtet. Er ließ mir das erste Wort. „Sawktns sagte mir", begann ich, „daß Sie nach mir gefragt haben, Herr Eoliby. Es tut mir leid, daß ich nicht zu Hause war." „O bitte, lassen wir das", sagte er. „Ich nehme an, daß die Wertpapiere in —" „Sie find im Geldschrank, Herr Golidy. Ich ließ mich vorsichtshalber von einem Freund« begleiten." „Sawkins hat mir das mitgeteilt", bemerkte er kurz. Aus dem Tone, in dem er dies sagte, entnahm ich sofort, daß die» der Grund zu der Aenderung seines Benehmens war. „Es war Herr Hamilton, der Herr, der so freund lich war, mir den Empfehlungsbrief zu geben, welchen —" „So, er war es?" — Augenblicklich hellte sich seine Miene wieder auf. „Wir find sehr intim befreundet, Herr Goliby", fuhr ich fort, „und ich hotte einen sehr triftigen Grund, mich von ihm begleiten zu lassen, sonst würde ich mir nicht die Freiheit genommen haben." Sein Gesicht wies wieder da» alte Wohlwollen auf. (Fortsetzung folgt.) «unft unü Mllenlchsv. * Herr Dr. Löwcnseld, der Oberleiter der Oper am Leipziger Etadttheater, teilt uns zu der Notiz im heutigen Morgenblatte, Oderregisseur Wymötalsei vom Direktor Volkner für die Inszenierung der Leip ziger Opernfestjpicle im nächsten Frühjahr gewonnen, berichtigend mit, daß selbstverständlich nicht Herr von Wymätal aus Wien, sondern er (Dr. Löwen feld) seiber diese Festspiele wieder leiten werde. Die den „Prager Tagblatt" entnommenen Notiz beruhe nur auf einem Versehen. Tatsache sei allerdings, daß verschiedene Wiener Künstler bei den Opernfest spielen mitwirken werden, zu denen die Vor bereitungen fetzt schon in Angriff genommen sind. — Wir geben dieser Mitteilung gern mit dem Bemerken Raum, daß ja auch uns von vornherein die Meldung des „Prager Tagblattes" nicht zutreffend erschien, weshalb wir ihr ein starkes Fragezeichen an hängten. * Shaw im Dresdner Königlichen Schau spielhause. Als erste dramatische Neuheit dieser Spielzeit geht morgen im Dresdner König lichen Schauspielhause die dreiaktige Komödie „Der verlorene Vater" („Vou vvvsr ean t»11") von K. Bernard Shaw, übersetzt von S. Trebitsch in Szene. Nach dem Schauspiel „Candida", das 1903 im Dresdner Kgl. Schauspielhaus« die Urauf führung erlebte, und der Komödie „Der Arzt am Scheideweg" der vergangenen Spielzeit ist „Der ver lorene Vater" das dritte Werk Shaws, das auf die Bühne der Kgl. Schauspiele gelangt. * Kaiser Wilhelm und Josef Kainz. Aus Wien meldet die „Tägl. Rundsch": Es ist bisher noch nicht bekannt geworden, daß der Kaiser sich in kurzen Ab ständen ausführlichen Bericht über den Zustand des Totkranken geben läßt. Daß diese» hohe Interesse Kaiser Wilhelms für den größten deut schen Schauspieler nicht erst in jüngster Zeit ent- standen ist, dürste die Tatsache beweisen, daß er stets den Wunsch gehegt hat, Kainz an das Königliche Schauspielhaus in Berlin zu verpflichten. Erst im Mai d. I. tauchte die Meldung auf, daß auf per sönliche Veranlassung des Kaisers Unterhand lungen zwischen der Generalintendantur in Berlin und dem Künstler in dieser Hinsicht stattgefunden hatten. Meldungen aus Wien zufolge ist Kainz gestern von einem Schüttelfrost befallen worden. Damit ist eine weitere Verschlimme- rung in dem Befinden des kranken Künstlers ein getreten. Die Aerzte zweifeln jetzt daran, daß er noch Kräfte genug besitzt, um auch dre neue Blutvergiftung zu überwinden. * Eine Ebner-Eschenbach-Vüft« ist gelegentlich des 80. Geburtstage» der Dichterin auf ihrem Schlosse Zdislawitz enthüllt worden. Unter den Glückwünschen, die Marie von Ebner-Eschenbach er hielt, befanden sich auch solche der Großherzogin von Baden und des Großherzogs von Mecklenburg. Der Feier im Schlosse wohnte kein auswärtiger Gast bei. Es wurde eine Festmesse abgebalten und National tänze von der ländlichen Bevölkerung aufgeführt. * Angelo Neumanns Befinden ist durchaus zu friedenstellend. Direktor Neumann hat die letzte Nacht gut verbracht und ist vollständig fieberfrei. Allerdings wird der 73jährige Patient, den die Ope ration sehr angestrengt hat, noch mindestens eine Woche in ärztlicher Pflege verbleiben müssen. * Da» Deutsch« Theater in Südamerika unter der Direktion von Gustav Bluhm und Philipp Le fing hat seine erste Spielzeit in Eao Paolo in Brasilien mit Sudermanns „Zohannisfeuer" mit glänzendem Erfolge in ideeller wie in finanzieller Beziehung beschlossen und ist nach Hamburg zurück- gekehrt. Ueberall ist in den Großstädten und in den kleineren deutschen Kolonien das erste deutsch« Schauspielunternehmen in Südamerika al» Kultur, faktor und Förderer de» Deutschtum» enthusiastisch ausgenommen worden. * Der studentisch« Ausschuß für da» Berliner U«i»«rsität»jubiläum teilt uns mit, daß die Ausgabe der Karten zu den Festlichkeiten für da» Unioer- sitätsjubiläum erst vom 1. Oktober ab erfolgen kann, da infolge des großen Andranges neue Verhand lungen wegen des Kommersfaales angeknüpft werden müssen und ein« getrennte Kartenausgab« nicht empfehlenswert wäre. * Sara- Bernhardt wird in diesem Winter wieder in einer neuen Hosenrolle spielen. Sie hat Maeterlincks „Pellöas und MEsande" erworben, um in dem Stück den PeNäas zu geben, während die Mölisande von Georgette Leblanc, der Gattin Maeterlinck», dargesteltt werden soll.