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Nr. ISS. 104. Jatiryans. Lelprtsrr Tageblatt.Freitag, 17. Juni 1910. der Krankenpfleger, Krankenschwestern usw. handelt. Die Vorlage will das durch Satzung festgelcgt wisfen. Ein Antrag der Reich spartet will die Satzung ausschließen und die Krankenkassen einfach ermächtigen, diese Hilse zu gewähren. Ein sozialdemokratischer Antrag will eine dies» bezügliche Mutz Vorschrift ausgenommen wissen. Die Fortschrittliche Volkspartei beantragte, den 200 Abi. 1 folgendermatzen zu fassen: „Die Kasse kann auch Hilfe und Wartung durch die Kranken pfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger ge währen, wenn die Ausnahme der Kranken in einem Krankenhaus im Sinne des 8 199 zwar erforderlich ist, aber ein triftiger Grund oorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu behalten. Sie bedarf seiner Zustimmung." Nach Abs. 2 des 8 20V der Vorlage sollen die Kosten bis zur Hälfte vom Krankengeld abgezogen werden können. Ein konservativer Antrag will dies nur bis zu einem Viertel gestatten, während die sozialdemo kratischen Vertreter Streichung dieses Passus' be antragen, und einen Absatz 3 hinzufügen wollen, worin es beitzt, die Kasse müsse eine Hauspflegerin stellen, wenn die Leiterin eines Hausstandes erkrankt und durch ihre Erkrankung an der ordnungsgcmätzen Aufrechterhaltung des Haushalts verhindert ist. Abs. 1 wurde in folgender Fassung anaenommen: „Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung des Krankenpflegers, Kranken schwestern oder andere Pfleger insbesondere auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen." Im Absatz 2 wurde statt „Hälfte" „ein Viertel" eingesetzt. Der von den Sozialdemokraten beantragte Abs. 3 wird abgelehnt. 8 291 wird in der Fassung der Re gierungsvorlage angenommen. 8 202 lautet nach der Regierungsvorlage: „Die Satzung kann die Dauer der Krankenhilfe bis auf ein Jahr erweitern. Sie kann Fürsorge für Genesende, namentlich durch Unterbringung in einem Genesungs heim, bis zur Dauer eines Jahres nach Ablauf der Krankenhilfe gestatten." Von fortschrittlicher Seite wird beantragt, im Absatz 2 hinter „gestatten" hinzuzusetzen die Worte: und sie kann auch orthopädische Heilmittel, die nach beendigtem Heil verfahren für den Versicherten zur Erhaltung oder Herstellung seiner Arbeitsfähigkeit notwendig sind, gewähren." Der so amendierte 8 202 wird an genommen. 8 203 regelt die Frage der Einschränkung der Unterstützungsdauer bei wieder holter Erkrankung an derselben Krank heitsursache. Die sozialdemokratischen Vertreter beantragen, den Anfang des 8 203 dahin zu ändern: „Die Satzung kann Versicherten, die von der Kasse binnen 12 Monaten .... usw. wie in der Vorlage. Das bedeutet eine Erweiterung der Vorlage. Ein von der Kaffe 26 Wochen unterstützter Arbeiter würde von der Kaffe D im Laufe der nächsten 12 Mo nate im Krankheitsfälle voll unterstützt werden. Die Fortschrittliche Volkspartei trat in erster Linie für den Antrag ein, will aber für den Fall der Annahme der Regierungsvorlage die Worte: „oder aus einer Ersatzkaffe" gestrichen und statt „Krankheit" Krank heitsursache" eingesetzt wissen. 8 203 wurde in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen, jedoch wurde statt „Krankheit" das Wort „Krankheits ursache" eingefügt, so datz er lautet: „Die Satzung kann Versicherten, die auf Grund der Reichsversiche rung oder aus einer knappschastlichen Krankenkaffe binnen 12 Monaten bereits für 26 Wochen hinter- . einander oder insgesamt KrrlnkcmhkkfeltrzvgeTfffcMb,' in einem neuen Versicherungsfalle, der im Laufe der nächsten 1^ Monate eintritt, Krankenhilfe nur für i die Gesamtdauer von 12 Wochen und in Höhe der Regelleistungen zubilligen. Dies gilt nur, wenn die Krankenhilfe durch dieselbe nicht gehobene Krank heitsursache veranlasst wird." Deutlches Keich. Leipzig, 17. Juni. * Das Landeskonsistorium an den König. Dom Evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium ist an den König das nachstehende Dankschreiben gerichtet worden: Dresden, den 13. Juni 1910. Allcrdurchlauchtigster Allergnädigster König und Herr! Ew. Königliche Majestät haben, wie aus der heu rigen Nummer des „Dresdner Journals" und „Säch sischen Staatsanzeigers" hervorgeht, bei einer Be sprechung mit den in bivan^eUois beauftragten Herren Staatsministern Exzellenzen über die durch die päpstliche Borromäus-Enzyklira geschaffene Sach lage die Allerhöchste lebhafte Genugtuung darüber ausgesprochen, daß Ew. Majestät Bestrebungen, den konfessionellen Frieden im Lande zu schützen, bisher immer von Erfolg gekrönt gewesen feien. Sr. örlelemeilter -j-. Dr. Otto Briesemeister, der herrliche Loge der Bayreuther Festspiele, ist, wie uns ein Privat telegramm aus Berlin meldet, Donnerstag mittag 1 Uhr im 45. Lebensjahre in seiner Wohnung in Berlin-Wilmersdorf nach schwerer Krankheit ge storben. Der Künstler war von seinem einzigen Töchterchen, das an einer Kinderkrankheit litt, an gesteckt worden und legte sich am Sonntag aufs Krankenlager. Das Kind ging seiner Gesundheit entgegen, während Briescmeister selbst der Krank heit erlag. Otto Briesemeister wurde am 18. Mai 1866 im Lehrerhause zu Arnswalde geboren; in Berlin, Würzburg und Leipzig hat er fleißig Medizin studiert. Als praktischer Arzt war er ebenso rastlos und erfolgreich tätig, wie er in seiner gerinaen freien Zeit mit liebevollem Eifer seine ihm von oer Natur verliehene schöne Stimme pflegte, die schon in den Studentenfahren bei geleaentlich improvi sierten Ecsangeslerstungen die größte Aufmerksam keit aller Musikverstänoigen erregt hatte. Nachdem er seiner Dienstpflicht als Militärarzt genügt hatte, entschloß er sich endlich, das Gold in seiner Kehle zu heben, als Konzertsänger an die Oeffent- lichkeit zu treten. Ein guter Lehrer, Wiedemann in Leipzig, hatte seine Ausbildung geleitet, die Früchte erblühten Briesemeister bald, denn schon bei den ersten Konzerten in Erfurt, Halle und Leipzig er zielte er austerordentliche Erfolge. Im September 1893 betrat er dann zum ersten Mal die Bühne in der Rolle de» Manrico. Dann fand er alsbald Engagements in Detmold, Aachen und Breslau. Bald wagte er sich an Wagner rollen, überrascht als Jung-Siegfrieo, entzückt als Loge. 1898 berief Cosima Wagner den listigen Feuergott nach Bayreuth; 1901 wurde ihm hier diese Partie dauernd übertragen. Die Kritik lobt feinen Gesang als die bestmögliche Leistung, als eine der merkwürdigsten Bayreuther Leistungen. Briesemeister sang in ganz Europa auf Gastspielreisen, die Triumph zügen glichen. 2n Leipzig wird er von manchem großen Abend her unvrrgeffen bleiben. Um so mehr Haden Ew. Majestät bedauert, dast diese Bestrebungen gegenwärtig durch so schwere An griffe aus die der evangelisch-lutherischen Landes kirche angehörende überwiegende Mehrheit der Unter tanen Ew. Majestät durchkreuzt würden. Ew. Majestät haben dabei zum Ausdruck gebracht, dast Ew. Majestät aus Allcrhöchsteigener Bewegung in Aussicht genommen haben, ein Handschreiben an den Papst zu senden. Als oberste, mit der Wahrung der Rechte und Interessen der evangelisch lutherischen Lanoeskirche gesetzlich betraute Kirchenbehörde fühlen wir uns ge- orungen, Ew. Königlichen Majestät als dem Aller höchsten Schutzherrn auch unsrer Kirche für diesen er neuten Beweis Königlicher Huld gegenüber unsrer teuren evangelisch-lutherischen Landeskirche, für diesen allezeit denkwürdigen Akt Königlicher Hochherzigkeit unsern allcruntertünigsten Dank auszusprechen. Möge der Segen des allmächtigen Gottes, den unsre Kirchgemeinden allsonntäglich auf Ew. Ma jestät teures Haupt und das ganze Königliche Haus herabflchen, auf Ew. Majestät Schritten ruhen und in der unwandelbaren, aus tiefstem Her zen kommenden Liebe uno Anhänglichkeit unsres christlichen Volkes an Ew. Majestät reiche Frucht zei tigen helfen! Genehmigen Ew. König!. Majestät die Versiche rung tiefster Dankbarkeit und unwandelbarer treuer Ergebenheit Ew. Königlichen Majestät alleruntertänigstes Evangelisch-lutherisches Landeskonsistorium, (gez.) Dr. Böhme. * Die eo.-luth. Geistlichen der Stadt Leipzig haben an den König folgendes Telegramm abgesandt: Seiner Majestät dem Könige Friedrich August von Sachsen, der, selbst ein guter Katholik, doch für lein evangelisches Volt wider die Verunglimpfung desselben in der Borromäus-Enzyklika als rechter Landesvater und Friedefürst vorbildlich für alle Herrscher eingetreten ist, huldigt freudig dankbar die ev.-luth. Geistlichkeit seiner getreuen Stadt Leipzig. Im Auftrage: v. v. Erie gern. * Die Aerzte und der sozialdemokratische Abgeord nete Frästdorf. Der sozialdem akratische Land tagsabgeordnete Frästdorf hatte in den Sitzungen der Zweiten Kammer am 3. und 6. Mai d. 2. scharfe Angriffe gegen die wirtschaftliche Or ganisation der Aerzte, die ärztliche Qtandesgesetz- gebung, die ärztlichen Ehrengerichte und die ärzt lichen Bezirksvereine gerichtet. Der ärztliche Bezirks verein Dresden-Stadt hat sich in seiner letzten Sitzung eingehend mit dieser Angelegenheit beschäftigt und beschlossen, eine Denkschrift ausarbeiten zu lassen, in der die Behauptungen und Ansichten des Land tagsabgeordneten Frästdorf ausführlich widerlegt werden sollen, Diese Denkschrift soll dem Mini sterium des 2nnern und dem nächsten Landtage zu gestellt werden. * * Der Kaiser empfing am Donnerstag vormittag nach der Kavallerieübung, der er aus den im gestrigen Abendblatt angegebenen Gründen nicht beigewohnt hat, die Generale v. Pleffen, v. Scholl, v. Kleist, v. Löwenfeld und v. Kessel zur Berichterstattung über die Uebung. * Ueber Ursprung und Art der Unpäßlichkeit des Kaisers verlautet, der Kaiser, der sich in der letzten Zeit infolge seiner leichten Erkrankung an der Hand möglichste Schonung auferlegt hatte, unternahm in der vorigen und auch in dieser Woche einige Aus ritte. Auch am Mittwochvormittag stieg der Kaiser, der von seinem Eeneraladjutanten begleitet war, zu Pferde, um einen kleinen Spazierritt zu unternehmen. In den späten Vormittagsstunden kam der Kaiser, der sich unterwegs sehr wohl gefühlt hatte, nach Potsdam zurück und erledigte Negierungsge schäfte. 2m Laufe des Nachmittags hatte sich beim Kaiser eine Ueberanstrengung bemerkbar gemacht und am Mittwochabend wurde dann der Bluteraust am Kniegelenk festgestellt, den der Kaiser selbst auf Ueberan st rengungbeim Reiten zurückführt. Wie mit besonderem Nachdruck versichert wird, ist dieser neue Erkrankungszustand des Kaisers vorläufig durchaus nicht derart, dast daran Befürchtungen geknüpft werden können. Es bandelt sich um eine durch Druck hervorgerufene Schwellung am rechten Kniegelenk Unter dieser hat sich eine Stauung gebildet, die die Blutzirkulation an dieser Stelle beeinträchtigt. Für die Erkrankung des Kaisers war bis Donnerstag mittag allster dem diensttuenden Leibarzt Oberstabsarzt Dr. Niedner noch kein Spezialarzt in Anspruch ge nommen worden. 2m Laufe des Nachmittags wurde Generaloberarzt Dr. von Jlberg im Neuen Palais erwartet. Man kann aber auch annehmen, dast, falls in dem Befinden irgendwelche Komplikationen ein treten sollten, der früher behandelnde Arzt Geheimrat Bier zugezogen wird. Die Gerüchte, wonach der Kaiser einen Sturz vom Pferde erlitten habe oder ausgeglitten sei, sind, wie an zuständiger Stelle ein geholte Informationen besagen, durchaus haltlos. — In Hofkreisen verlautet, auch die Kaiserin werde einen Teil ihrer Reisepläne ausgeben, doch stehe diese Dispositionsänderung nicht mit der neuen Unpäßlichkeit des Kaisers m Verbindung, vielmehr soll dre Kaiserin unter einer leichten Anstrengung des Fuße», der schon früher einmal erkrankt war, leiden. * Ueber Rücktrittsgedanken Bethmann Hollwegs schreibt die „Slrastb. Post": „Wie wir erfahren, soll der Reichskanzler Herr v. Bethmann Hollweg vor kurzem den Kaiser gebeten haben, ihn aus seiner Stellung zu entlasten. Als Quelle dieser vorläufig als Gerücht auftrerenden Meldung wird der Leiter einer unserer größten industriellen Unternehmungen in Berlin genannt, der vom Kaiser persönlich sehr hoch geschätzt wird. Auf unsere Erkundigung an mast gebender Stelle wird zwar versichert, dast die Nach richt nicht stimmen könne. Man wird ihre Verbreitung von gut unterrichteter Seite jedoch mindestens als ein Symptom für tiefer liegende Vorgänge und Stim mungen betrachten dürfen." * Verabschiedung des Staatssekretärs Dernburg oon seinen Beamten. Die persönliche Verabschiedung des Staatssekretärs Dernburg von den Beamten des Reichskolonialamts wird nächsten Sonnabend, den 18. d. M.. in der Form eines Nachmittagstees, der in der Villa des Staatssekretärs im Grünewald statt findet, erfolgen. * Dernburg an die Handelskammer in Mannheim. Auf das Schreiben der Mannheimer Handelskammer an den früheren Staatssekretär Dernburg bei dessen Rücktrit hatt dieser folgende Antwort gegeben: „Für die so überaus ehrenden Worte, welche die Handels kammer mir unter dem 10. d. M. gewidmet hat, spreche ich ihr meinen besten Dank aus, und ich hoffe, dast das nationale Interests an den deutschen Kolonien durch deren weitere Entwicklung gerechtfertigt und vertieft wird und dast es mir auch in meiner privaten Eigenschaft beschickten sein möge, noch recht lange Hand in Hand mit der deutschen Kaufmannschaft da bei mitzuwirken. Meine Leistung ist in diesen Tagen weit üoer mein Verdienst gewürdigt worden, doch kann ich sagen: In ernsten Stunden hat mich das Bewußtsein nicht verlassen, dast ich neben den Pflich ten meines Amtes auch in meiner Person das An sehen meines Berufes aufrechtzuerhalten hatte. Es gereicht mir daher zur besonderen Befrie digung, dast ich jetzt nach einer ernsten und auch glückhaften Amtsführung wieder mit Ehren in Ihre Reihen zurücktreten darf." * Die Schimpf-Enzyklika in Deutschland ent standen? Die „Korrespondenz für nationale Polit'k" brachte vor kurzem eine Notiz, die wir stark an zweifelten, weshalb wir von ihrer Wiedergabe ab sahen. Es lautete da: „Bisher konnte man mit einigem Recht glauben, daß diese überraschende, durch nichts gerechtfertigte Kiindgebung der Unkenntnis römischer Monsignori entsprungen sei, die bei aller Weltklughert den ihnen fremdartigen Zuständen in dem paritätischen Deutschland verständnislos gegenüberstehen. Die Sache dürfte sich aber etwas anders verhalten. Wie die „Korrespondenz für nationale Politik" aus sicherer Quelle erfährt, ist die 2dee, auf diese Weise den mühsam bewahrten konfessionellen Frieden Deutschlands zu stören, nicht in Rom oder in einem romanischen Lande entstanden, sondern — in Deutschland selbst. Es ist eine neue und wahrlich nicht uninteressante Episode in dem Kampf, der sich seit 2ahren in der Zentrumspartei abspielt und der neulich wieder durch die Denun ziation „Köln alp. Gefahr für den Katholizismus" eröffnet werden sollte. Mit einem Worte, man macht direkt oder indirekt die Gruppe Roeren für diese unerfreuliche Erscheinung ver-' antwortlich. Es heißt sogar, daß hohe kirchliche Würdenträger ihr nicht fernstehen. Damit würden sich allerdings ganz neue überraschende Perspektiven für unser Parteileben eröffnen. Der Block der ge samten Rechten, ein organisches Zusammengehen der protestantischen Konservativen und des Zen trums, auf das „Köln^ hinarbeitet, ist damit wieder vor ein schwer zu bezwingendes Hindernis gestellt." Jetzt läßt sich die „Königsb. Allgem. Zig." aus Berlin melden, daß man im preußischen Ab geordnetenhause erzähle, die Grundtendenz der Schimpf-Enzyklika habe ihren Ursprung in München und in der Mitwirkung der sogenannten Berliner Richtung. Den Herren dieser Richtung in Berlin sei der 2nhalt der Enzyklika bereits vor vier Wochen bekannt gewesen. Wie weiter ein Berliner Blatt hört, soll der Nuntius Frühwirt in dieser Angelegenheit der Mittelsmann zwischen den radaulustigen deutschen Zentrumsbrüdern und dem Vatikan gewesen sein. Die „Germania" hat bisher geschwiegen. Jetzt dräut sie gewaltig: „Wenn diese Kränkungen der Katholiken fortgesetzt werden, gebietet die Pflicht, die Wahrheit zu sagen." Wenn sie uns dann nur die Wahrheit über die Entstehungs geschichte der Enzyklika sagen würde! » Gegen di« heeresseindliche Wühlerei unter der Jugend. Der preußische Kriegsminister hat an das preußische Staatsministerium eine Vorstellung gerich tet, nach deren Inhalt er die Verantwortung für die Schlagfertigkeit des Heeres für die Dauer nicht aus sich nehmen kann, wenn der heeresfeindlichen Wühlerei unter der Jugend vor ihrer Aushebung, namentlich in bestimmten Landesteilen, nicht mit aller Energie gesteuert wird. Die Unterlagen zu seinem Vorgehen haben dem Minister sowohl Be obachtungen, die bei der Truppe seihst gemacht wor den sind, als namentlich die Berichte der beteiligten Truppenteile aus den letzten Kaisermanövern im Rheinland geliefert. Das Verhalten eines Teiles der Bevölkerung den Truppen auf dem Marsch und im Quartier gegenüber seihäufig geradezu empörend gewesen und jedenfalls von dem, was in Preußen alte gute Sitte ist, sehr erheblich abgewichen. Dabei hätten sich namentlich die jungen Leute der Arbeitergegenden durch un freundliche oder direkt feindselige Haltung hervor getan. * Zur Reichstagswahl 1911. Die sämtlichen Or ganisationen der Fortschrittlichen Volkspartei im 3. weimarischen Reichstagswahlkreis Iena-Neu- stadt-Blankenhain, der im Reichstag z. Z. durch den Abgeordneten Lehmann-Cronschwitz vertreten wird, haben sich zu einem Verband zusammengeschloffen und als Kandidaten Dr. W. L. Vershofen- Jena aufgestellt. * Aussperrung. In der Norddeutschen Jutefabrik zu Schiffbek tSchleswigs traten die Sacknäherin- ncn in einen partiellen Streik. Nach Weigerung der Wiederaufnahme der Arbeit sperrte die Betriebs leitung sämtliche 1500 Arbeiter und Arbeite rinnen aus und schloß die Fabrik. lluslsnü. OetterretH-Ungsrn. * Die italienische Rechtsfakultät. 2n der Sitzung des deutschen Natronalverbandes befür warteten der Ministerpräsident, der Unterrichts Minister und der 2ustizminister eingehend den Kompromißvorschlag der Negierung bezüglich der Errichtung einer italienischen Rechtsfakultät, welcher darauf hinausgeht, daß binnen vier Jahren, spätestens zum Wintersemester 1914/15, eine selbständige italienische Rechtsfakultät in einem Orte innerhalb des Wohngebiets des italienischen Valksstammes in Oesterreich errichtet wird. Spätestens im Jahre 1912 soll diese Angelegenheit verfassungsmäßig erledigt werden. Inzwischen wird dre Regierung ermäch tigt, für die Dauer des oben festgesetzten Zeitraumes eine selbständige italienische Rechts fakultät provisorisch in Wien ins Leben zu rufen. Die Minister verwiesen auf die schweren Komplika tionen, welche eine Ablehnung des Kompromiß vorschlages nach sich ziehen würde. Die Beratung wird fortgesetzt werden. Frankreich. * Das französische Heeresbudget. Der Voranschlag des französischen Kriegsbudgets für das Jahr 1911 balanciert, wie der Senator Gervais mitteilt, mit 897 Millionen Franken. Dies bedeutet gegen das vorjährige Budget ein Mehr von rund 25 Millionen. Somit wird Ende 1911, das ist bei Abschluß der Vorarbeiten zu dem Gesetze betr. die zweijährige Dienstzeit, das Plue an Ausgaben gegen 1909 rund 100 Millionen Franken betragen. Unter den ein zelnen Titeln, welche eine Äusgabesteigerung er fahren, sind hervorzuheben 6 Millionen in folge allgemeiner Teuerung, 4'/, Millionen für Erhöhung der Bezüge dir Leutnants und Oberleut nants, 5 Millionen für Artillerie und Maschi nengewehre. Hierzu muß bemerkt werden, daß unabhängig von diesen für den Jahresbedarf ein gestellten Ziffern die bishc- 59 Millionen betragende allgemeine Aufwendung frr die Reorganisation der Artillerie eine Erhöhung erfahren wird. Der Auto- mobilismus ist in den Mehrausgaben mit 1 Million Frank in Rechnung gestellt Für Luftschiffahrt ist eine erste Neuausgabe von? Millionen beabsichtigt. * Kleine Notizen. Für kas durch den Tod des sozialistischen Deputierten Ctauvier freigewordene Kammermandat des 15. Pariser Bezirks wird von den geeinigten Sozialisten der frühere Deputierte Press ensd kandidieren, der tei den letzten Wahlen in Lyon unterlegen ist. — Unter den Gerbern in Graul Hal, wo erst kürzlich ein längerer Aus stand beendet wurde, ist neuerdings ein Streik ausgebrochen. Die Arbeiter der Lederfabriken treten in den Ausstand, west daselbst mehrere Gehilfen angenommen worden waren, die sich ge weigert hatten, dem Gerbersynd tat beizutreten. — Die radikal-sozialistische „Petit ^publique" schreibt über den Freispruch des russi'henTerroristen Rips Die Geschworenen haben Rips weifeltos freige- Sine beüeutlsme Sunftre-e. Bei der Eröffnung der Jubiläumsausstellung der großherzoglichen Kunstschule in Weimar, über die wir schon berichteten und die sich nun Hochschule für bildende Kunst nennen kann, hielt ihr jetziger Direktor Professor Hans Olde eine bedeutungs volle Ansprache, deren hauptsächlicher Inhalt Hervor hebung verdient. „Welche Bedeutung", so fragte er, „haben künst lerische Bemühungen und Aufwendungen für das all gemeine Interesse, für unser wirtschaftliches Leben? Denn die ethische Bedeutung der Kunst, der allcr- dings der Vorrang gebührt, bedarf auf dem Boden Weimars keiner w iteren Erörterung." Die „Kunst", lautete Oldes Antwort, „ist nicht nur eine schöne Blüte unserer Kultur, sie trägt auch reiche, goldene Früchte. Sie steht für unsere Geltung in acr Welt und für unsere wirtschaftliche Entwicklung im gleichen Range mit der Erhaltung unserer Wehrkraft und der Pflege der Wissenschaft. Die Wehrkraft gibt den Schutz, die Wissenschaft, Technik und kaufmännische Tüchtigkeit haben die un geheure Entfaltung unserer Industrie eingeleitet, aber die Kunst kann dieser erst die lleberlegenheit geben, die ihr die Herrschaft auf der Erde sichert. Ein Rückblick in unsere nationale Bergangenhert be stätigt diese Grundsätze. Und heute, wo ein unge heurer Aufschwung des wirtschaftlichen Lebens unsere Erzeugnisse auf allen Märkten der Erde hat Fuß fassen lallen, glaube man nicht, dast ein Zweig des Handwerks oder der Industrie, dast irgendeine for mende Tüchtigkeit ohne Mitarbeit des künstlerischen Empfindens besteht. An dem Spielzeug für das Kind bis zum reichen Schmuckgegenstand, an dem geringsten Gebrauchsgegenstand bis zur kompliziertesten Maschine arbeitet das künstlerische Empfinden mit, es sei bewußt oder unbewußt. Es geschieht nur mit meyr oder weniger gutem, mit gebildetem oder ver bildetem Geschmack und wird dadurch, je nach dem Erzeugnis, wertvoller und geschickter zum Gebrauch und umgekehrt. Ausschalten läßt sich die künstlerische Mitarbeit nicht. Es steckt in der ganzen Natur, in jedem von uns, es kann sich nur um den Krad seiner Entwicke lung handeln, in welcher Weis« es bet all unserer formenden Tüchtigkeit mitwirkt. Die geringsten Organismen formen sich nach einem ausgesprochenen Schönheitsprinzip. In den Erzeugnissen der niedrigsten menschlichen Kultur finden wir oas Suchen nach Schönheit der Form, und so werden auch die kultiviertesten Erzeugnisse nach ihrer technischen und künstlerischen Vollkommenheit, die identisch ist, beurteilt und finden danach Aufnahme und Absatz. Das Volk mit der entwickeltsten Kunstkultur wird seinen Stil und seine Erzeugnisse anderen Völkern aufzwingen und diese tributpflichtig machen. Wir erkennen, auf wie breiter Grundlage sich das deutsche Volk für diesen Wettstreit vorbereitet hat. Wir sehen, mit welcher ungeheuren Kraftentfaltung es in diesen Wettbewerb eingetreten ist und wie viele Kräfte auf allen Gebieten, auch auf dem der Kunst, rege sind, in welcher Gärung sich ganz be sonders alle künstlerische Tätigkeit bei uns befindet, die nach Klärung strebt. Wir müssen verstehen, welch wichtige Rolle der Kunst in diesem Wettstreit zufällt, und danach ihr die Förderung und das Interesse zu kommen lassen, das sie aus ethischen und ökonomischen Gründen verdient." W Leipzig, 17. Juni. Schauspielhaus. „Der Registrator auf Reise n". Im Schauspielhause nahm gestern abend die diesjährige Sommerspielzeit einen lustigen Anfang. Weil draußen so gar nicht sommer liches Wetter war, hatte sich das Theater zu diesem Eröffnungsabend fast bis auf den letzten Platz ge füllt. Man begrüßte den altbeliebten Gast Herrn Anton Franckals fröhlichen, drolligen Registra tor mit herzlichem Beifall und amüsierte sich durch das ganze unverwüstliche Stück recht gut über seine komischen Talente. Am besten gelangen ihm die Szenen in der Wirtsstube der Posthalterei, und hier wieder die bekannte Soloszene des Briefsiegelns, die denn auch lauten Beifall bei offener Szene auslöste. Auch seine zeitgemäßen, frischgesungenen Verse auf die Politik und die Pleißenburg hörte man beifällig an. Unter den übrigen Darstellern zeichnete sich der Reporter (Herr Rex) durch große Gelenkigkeit aus. Alles in allem nahm das sommerliche Spiel im Schauspielhause mit der gestrigen Aufführuna einen vielversprechenden Anfang und zeigte da» Ensemble, in dem manche neue Gesichter austauhten, schon recht aufeinander eingespielt. Man wird diesen Sommer gewiß wieder viele heitere Stunden cn Schauspibl- hause angeregt verbringen können, p. s. Sommerfest-Konzert des Univerfitätsiänae^vereins- zu St. Pauli. Geraume Zett ist oer 'llmversitäts- sängerverein zu St. Pauli nicht mit einen größerem Konzert an dte Öffentlichkeit getreten. ?,m vorigen Sommer war hierzu keine Gelegenheit, weil damals das Universitätsjubiläum alle Aufmerksrmkeit auf sich zog; das Wintersest-Konzert aber wurde abgesagt, da der Verein den Tod eines seiner Aktiven zu be trauern hatte. Gestern nun wehten wieder einmal die Paulinerbanner im Großen Saale des Zoologi schen Gartens, und eine ansehnliche Zahl von Zu hörern nahm die Darbietungen der Sängerschaft mit lebhaftem Dank entgegen. Vielleicht Hütte das rein Chorische mehr in den Vordergrund treten sollen: der n ounpollL-Eesang erschien zurückaedrängk von Wer ken, in denen heftiges, um die Herrschaft kämpfen des Wettstreiten zwischen Gesang und Orchester sich regte. So blieben denn di« vokalen Eindrücke der Aufführung einigermaßen problematisch, um so mehr als von den neuen u enppoUa-Thören, Friedrich Kellners „Totenregiment" wenig zu fesseln ver mochte, als „Der Schmied" von Karl Goepfart erst in der zweiten Hälfte wirksamer wurde und Othe- gravens Bearbeitung des „Jäger aus Kurpfalz" nur eben die Bedeutung einer freundlichen Kleinigkeit beanspruchen durfte. Veits „Schön Rotraut" und Ottos „Blauer Montag" mögen besonders die Alten Herren des „Paulus" als Erinnerung an frohe Tag« ihres Aktivseins erfreut haben. Die Ausführung dieser » «cppsffa-Nummern. zeigte allerdings klang lich einige Schwächen; das Piano der Sänger behielt etwas Sprödes. Flaches, schon deshalb, weil die Ton- gebunc- nicht dialektfrei erfolgte. In dieser Be ziehung war ein Plus an Politur, an jener Verede lung, die einzig den Stimmen rechte Tragkraft ver- büraen kann, zu wünschen. Als Schwerpunkt der Aufführung wollte Herr Universttätsmusikdirektor Prof. Friedrich Brandes wohl Willy v. Moellen- dorfs „Im Nachtzug" sfür Baritonsolo, Chor und Orchester) und Heinrich Scbulz-Deuthens „Harald" (Balladen für Baritonsolo, Chor, Orchester und Kla» vier) angesehen Haden. Moellendorf, an Jahrs« der