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Reklamen unter dem Redaction-strich (4g- spalten) 50/^, vor den gamiltennachrichten (8 gespalten) M/ch. Srößrre Schriften laut unserem Prei». verzeichnitz. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. ßktra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Aiyei-e«: Abend-Ausgab«: Vormittag« 10 Uhr. Margea-Ausgab«: Nachmittag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. »> Druck übd Verlag vou E. Pol» in Leipzig. 92. Jahrgang. Die Entdeckung Indiens. Ein Tkizzenblatt zur 400jährigen Erinnerung an Vasco tza Gamas Ankunft in Ostindien. Von I)r. Wilhelm Becker. Nachdruck Verbote«. Wie ein Rausch war es über Europa gekommen, seitdem der große Genuese die neue Welt entdeckt hatte. Alle lühnsten Träume von fabelhaften Reichthümern regten sich, Abenteuer lust und Unternehmungsgeist überwand die Furcht vor den unbekannten Gefahren und der weiten Seefahrt. Die Spanier fühlten sich als die Herren der Welt: die Portugiesen, als Entdeckungsvolk älter wie die Castilianer, fürchteten überflügelt zu werden und sannen auf neue Unternehmungen. Winkte ihnen doch noch ein köstliches Ziel, vielleicht das köstlichste von allen: das Wunderland Indien, die Schatzkammer der Speze reien, der Juwelen und des Goldes. Indien war durch den Vertrag, der zwischen ihnen und den Spaniern die Welt theilte, ihnen zugewiesen, nach Indien hatte Bartholomäus Diaz, der Afrikas Südspitze umschifft hatte, den Weg gewiesen, in Indien mußte Portugals große Zukunft liegen. So saß, erzählen die Chroniken, Dom Manoel, Portugals Herrscher, nachdenklich in seinem Saale und sann, wem er wohl die Flotte anvertrauen solle, die er auf die Entdeckung Indiens auszusenden beabsichtigte. Da geschah es, daß seine Augen auf einen Cavalier seines Hofhaltes fielen, einen mittel großen, kräftigen, vollbärtigen Mann mit scharfem Blick und energischen Zügen, und eine Inspiration sagte ihm, daß die sem Mann sei. Der Mann aber war ein Edelmann aus alter Familie, der in der kleinen Stadt Sines geboren und damals gegen 30 Jahre alt war, und er hieß Vasco da Gama. Vasco de Eama war ein ehrgeiziger Mann, der nie gehofft hatte, daß den stillen Wünschen seines Ehrgeizes Gelegenheit zur Bethätigung geboten werden würde. Freudig nahm er darum des Königs Vorschlag an; ihn schreckte die weite See fahrt nicht, nicht das unbekannte Ziel mit seinen vielfältigen Gefahren und nicht jenes furchtbare Cap der Stürme, dem die Umtaufung als Cap der guten Hoffnung wohl einen besseren Namen gegeben, dessen Gefährlichkeit sie aber nicht verringert hatte. So wurde Vasco Admiral der indischen Flotte. Drei Schiffe, von denen zwei die siegverkündenden Namen der Erz engel Raphael und Gabriel trugen, und ein Proviantschiff standen ihm zur Verfügung. Den „Gabriel" befehligte er selbst, den „Raphael" sein zärtlich geliebter Bruder Paulo da Gama. An einem Julitage des Jahres 1497 war es, daß die Mann schaft der Expedition, im geschlossenen Zuge aus der Kirche sich zum Hafen begab, und die Schiffe langsam den schönen Tajo ab wärts, dem Ungewissen entgegen, sich in Bewegung setzten. Eine ungeheure Menschenmenge zu Lande und auf Booten gab ihnen das Geleit, und da war Keiner, der nicht Officiere und Mannschaften als Männer des Todes angesehen hätte. Er greifend hat Camoens die bewegten Scenen des Abschieds ge schildert, — Camoens, dessen weltberühmtes schwungvolles und phantasiereiches Heldengedicht Vasco da Gama es zu verdanken hat, wenn er neben Columbu« der Gefeiertste aller Entdeckungs reisenden jener großen Zeit geworden ist, in der er doch seinen Ruhm mit einem Magellars, einem Cortez, einem Cabral, einem Pizarro u. f. w. zu theilen hatte. Hinter dem Admiralschiff „Gabriel" verschwanden die Thürme von Lissabon, verschwanden die Ufer der Heimath, und in ruhiger Fahrt ging es südwärts zu den Cap-Verdischen Inseln und immer weiter nach Süden. Glatt war bis dahin die Reise gegangen, doch das Cap der Stürme sollte auch an ihnen den alten Namen bewähren. Da raste die See und warf das Schiff immer wieder rückwärts, die Piloten waren rathlo«, die Mannschaft verlor den Muth, hob die Hände zum Himmel und bat Gott in zitternder Verzweiflung um Rettung. Da war es zuerst, wo Vasco da Gama so recht seinen Charakter zeigte. Er war ein strenger Mann, ja, er konnte grausam sein; seines Wesens gute Seite aber war eine unbeugsame Festigkeit, die kein Beben kannte, und für di« das Wort „rück wärts" nicht existirte. In wildem Zorne trat er vor die ver zweifelte Mannschaft und schwur einen hohen Eid, er werde nicht ruhen, bis das Cap genommen sei, und möge geschehen, was Gott gefalle. Da sahen die Männer, daß seine Ent schlossenheit unbeugsam sei; sie machten neue gewaltsame An strengungen, und als sie nach einiger Zeit das Land nicht mehr sahen und die See ruhiger ging, da merkten sie, daß das Ziel ihrer dreitägigen Arbeit erreicht, das Cap umsegelt war; sie fielen auf die Knie, und über die blauen Wogen des indischen OceanS scholl ein inbrünstiges Salve. Nordwärts ging nun die Fahrt. Diese Reise ins Un bekannte schreckte mit jedem Tage die Gemüther der Mannschaft mehr. Camoens hat sie als furchtlos und immer treu ge feiert; sein Lied entspricht da der Wahrheit nicht. Sie ver suchten zu meutern. Hier, wo Diaz einst kummervollen Herzens hatte umkehren müssen, hier wollten sie auch Vasco da Gama ein „Zurück!" zurufen. Doch sie hatten nicht mit dem Manne gerechnet, wie er war. Die Steuerleute und die Rädelsführer ließ er verhaften und in Ketten in den tiefsten Schiffsraum schaffen. Dann warf er die Quadranten und alle Geräthe der Navigation über Bord, und so trat er vor die Leute und sagte ihnen, nun hätten sie keine Hilfe mehr; er aber wolle gar keine, denn allein auf Gott traue er, und er werde sie führen. Dieser Auftritt ist für Vasco sehr charakteristisch. Er kenn zeichnet seinen Muth, seine Schneidigkeit und sein unerschütter liches Vertrauen auf die göttliche Führung in gleicher Weise, und er zeigt zugleich die Vasco eigentümliche Geringachtung der Kunst der Schifffahrt. Denn er war ein Krieger und kein Seemann, und von Hause aus war er wenig gebildet; selbst Camoens muß von seinem Helden gestehen: Er, und die nach seinem Stamm sich nennen, War nie sehr nah Kalliopen verwandt. Seine Leute aber hatten ihren Commandeur nun kennen gelernt, und selbst als der Scorbut die Mannschaft schwer heim suchte, als die Gefahr ihnen dicht an den Leib rückte, haben sie sich im weiteren Laufe der Fahrt willig seinen Befehlen gefügt. Zum ersten Male seit einem Vierteljahre gingen jetzt an Afrikas Ostküste die Reisenden wieder ans Land. Sie er reichten eine der Mündungen des Zambesi, sie liefen in Mo zambique ein. Die Nachrichten, die sie hörten, die Bevölkerung, die sie sahen, die arabischen Worte, die sie hier und da ver nahmen, flößten ihnen die sichere Hoffnung ein, jetzt an der Schwelle des lang gesuchten Morgenlandes zu stehen. Doch noch war ihr Weg von Gefahren rings umstellt. Der Scheikh von Mozambique suchte sie durch einen verrätherischen Lootsen zu verderben, doch glückte es ihnen, sich zu retten. Den Hafen Quiloa freilich, den man hatte erreichen wollen — heute heißt er Kilwa, und die schwarz-weiß-rothc Flagge weht über ihm — verfehlte man. Aber nach Mombas kamen die Portugiesen und von da nach Melinde, und hier fanden sie endlich freundliche Aufnahme. Sie fanden dort malabarische Thomaschristen und diese feierten das Zusammentreffen mit den Religions verwandten durch Feste und Feuerwerk. Sie fanden freundliche Aufnahme bei dem Herrscher deS Landes, der ihnen in Prunk und Glanz Audienz gewahrte und ihnen Geschenke und Lebens mittel überwies. Bor Allem aber fanden sie einen Lootsen, der sich anheischig machte, sie quer über den indischen Ocean zu dem Lande zu führen, nach dem ihr Sinnen und Trachten stand, — nach Indien. Ja, hier sprach schon Alles von dem Wunder land«, hier trat der Traum schon al- lebendige Gestalt greifbar hervor. Hatten die Bewohner dieser Küste nicht oft Schiffe au» Indien empfangen, nicht oft selbst welche dahin ausgesandt? Wußten sie nicht von Indiens Eigenheiten und Herrlichkeiten zu erzählen? Nun lag die Erfüllung vor ihnen, und lustig ging das Geschwader am 24. April von Melinde unter Segel, um quer über den Ocean mit dem Südwestmonsun nach Indien zu fahren. 22 Tage gingen so hin, 22 Tage, in denen die kühnen See fahrer zwischen Hoffnung und Furcht hin und her geworfen wurden. Am Morgen des 23. Tages aber, am 17. Mai, scholl der Landruf vom Maste, und der arabische Pilot rief: „Das ist fürwahr das Land, wonach ihr spähet, l. Das wahre Indien, das dort hin sich streckt", und Vasco da Gama sank beim Anblick der Küste auf die Knie und dankte Gott. Man mußte aber noch eine Zeit lang südwärts steuern, und so fuhren sie an der Küste Indiens, die klar und hell zu ihrer Linken lag, entlang, staunten die Mächtigkeit der Ghat von Malabar an, und am Sonntag, den 20. Mai, fiel der Anker des „Gabriel" in der Bucht, an deren Küste die Stadt Kalikut lag. So waren denn die Portugiesen in Indien, und wunder sam genug berührte sie der Eintritt in das Wunderland. Sie sahen sich umgeben von dem bunten Völkerschwarme eines morgenländischen Hafens, sie staunten die fremdartigen Gebäude der Jndierstadt an, sie blickten verwundert auf die zahllosen Menschen, die, wie Correa in naivem Staunen meldet, alle schwarz und nackt waren und nur mit einem Tuche ihre Blöße deckten. Nicht am wenigsten aber setzte es die Lusitanier in Verwunderung, daß der Gruß, der ihnen entgegenschallte, in der ihnen wohlbekannten arabischen Sprache gesprochen wurde: „Willkommen Alle! Preiset Gott, der Euch in das reichste Land der Welt geführt hat!" Vasco da Gama sollte es bald merken, daß die Araber in Kalikut eine große Macht besaßen. Daß er fürwahr in ein reiches Land gekommen war, das sah er wohl. Aus allen Theilen des Morgenlandes, von Arabien bis China, strömte in Kalikut, damals einer der größten Städte Indiens, der Handel zusammen; aber er lag fast ganz in den Händen der arabischen Kaufleute, und die Araber hatten es schnell herausgewittert, daß die weißen Männer gefährliche Nebenbuhler für sie bedeuteten. Vasco's Lage war in der That eine äußerst schwierige. Seine Mannschaft, die ursprünglich etwa 160 Köpfe ge zählt hatte, war arg zusammengeschmolzen, Geschenke besaß er nicht, und wie dec Herrscher dieses Landes, das dicht bevölkert und reich war, sich zu ihm stellen würde, das wußte er nicht. Durch diese schwierigen Umstände hat ihn allein seine naive Zu versicht und freilich auch eine gute Portion Glück geleitet. Glück war es, daß gleich die erste Deputation, die er zu dem Herrscher des Landes, dem Zamorin, schickte, einen aus Tunis gebürtigen, des Spanischen mächtigen Mauren traf, der sich ihrer annahm. Er vermittelte Vasco ein« Audienz bei dem Zamorin, und an dem märchenhaften Glanze, den er hier erblickte, konnte der Por tugiese wohl erkennen, daß er an die rechte Quelle gekommen sei. Um so mehr fielen dem reichen Zamorin, der anfänglich sich den Portugiesen recht wohlwollend und nicht abgeneigt zeigte, ihnen den Einkauf in den Bazaren zu gestatten, die ärmlichen Gaben auf, die Vasco ihm darbrachte. Das Verhältniß wurde gespannt, die Araber thaten das Ihre, es zu verschlechtern, mit Noch und Mühe erreichte Vasco wieder sein Schiff. Zum Glück hatte er vornehme Geiseln an Bord. Dadurch konnte er die Herausgabe seiner gefangenen Leute und der von seinen Agenten eingekauften Maaren erzwingen, und als er Beides an Bord hatte, lichtete er die Anker und trieb die Angreifer mit ein paar Kanonenschüssen leicht hinweg. Er hatte nun, was er brauchte: die kostbaren Zeugen des Märchenlandes, die Gewürze Indiens. Seine Ladung bedeutete für die damaligen Zeiten allerdings einen Reichthum, da damals in Lissabon ein Pfund Pfeffer mit 1,50 Zimmet mit 3,20 Muskatnuß mit 5,25 bezahlt wurden. Dem „Herrn der Welle", wie der Zamorin sich nannte, war Vasco glücklich entgangen, die Wellen sollten ihm ihre Tücke noch zu losten geben. Der Nordostmonsun hatte noch nicht eingesetzt, und hoffnungslos, wie verzaubert, irrte das Geschwader im Indischen Ocean umher, bis der Wind es erfaßte und nach drei Monaten an die Küste Afrikas zurückführte. Nun gings über Melinde in schneller Fahrt der Heimath zu. Schon waren die Azoren erreicht, als Vasco auf der Insel Terceira seinen Bruder Paulo erkranken und in seinen Armen sterben sah. Ein Ein wohner dieser Insel aber, Namens Arthur Rodriguez, entschloß sich, die Wundermär schleunigst zum Könige zu bringen. Er spann die Segel, er hatte nicht Rast noch Ruh, bis er zu Cintra den König traf, seine Hand küßte und ihm die Nachricht von der Ankunft des Geschwaders auf den Azoren und der Entdeckung Indiens überbrachte. Reiche Belohnung fiel dem Freuden boten zu, ein Sturm des Jubels ging durch ganz Portugal und aller Augen richteten sich dem Ersehnten entgegen auf die hohe See. Und am 29. August 1498 war es, daß unter dem Salute der Geschütze, dem Geläute der Glocken und dem Jubel des Volkes Vasco da Gama wieder ans User deS Tajo stieg und vor dem Könige das Knie beugte. Mit reichen Ehren und Vor theilen wurde er ausgezeichnet; Dom Manoel aber nahm den Titel „Herr der Eroberung, Schifffahrt und des Handels von Aethiopien, Arabien, Persien und China" an. Nun war das Thor zum dunkeln Morgcnlande geöffnet und seine Herren waren die Portugiesen. - - Vasco da Gama besitzt nicht die Größe, die Columbus oder Magellaes zuerkannt werden muß. Seine Fahrt war nicht von vorausschauender Berechnung geleitet, sie war eine Fahrt ins Ungewisse. Er hatte sich nicht mit einer bunt zusammen gewürfelten Bande von Abenteurern aus aller Herren Ländern herumzuschlagen, er verfügte über eine wohlorganisirte Mann schaft von Landsleuten. Aber unerschütterlich, furchtlos, rück sichtslos entschlossen, den einmal gefaßten Plan zu verwirklichen, war er doch der Mann, die Aufgabe, wie sie ihm gestellt war, durchzuführen. Und so stieß er mit eisengepanzrrter Faust die alte Schranke um, die Morgen- und Abendland Jahrhunderte lang getrennt hatte, und bald fluthete ein mächtiger Verkehr durch das neu geöffnete Bett. Zächfisch - Thüringischer Lezirksverein des Vereins deutscher Chemiker. Dresden, 17. Mai. Der im März d. I. neu gegründete Sächsisch-Thüringische Bezirksverein des Vereins deutscher Chemiker, welcher namentlich den Zweck verfolgt, die Ziele des Vereins deutscher Chemiker und die Pflege des persönlichen Verkehres seiner Mit glieder zu fördern, hielt am Sonntag, Vormittag seine erste Wanderversammlung in Dresden im Hörsaale Nr. 20 des chemischen Laboratoriums der Technischen Hochschule ab. Man be richtet darüber dem „Dresdener Anzeiger": „Trotz seines erst kurzen Bestehens zählt der Verein bereits einige 70 Mitglieder. Nach Begrüßung der zahlreich erschienenen Anwesenden durch den Vorsitzenden Herrn Professor vr. v. C o ch e n- Hausen au« Chemnitz und Mittheilungen einiger geschäftlicher Angelegenheiten hielt der derzeitige Rector der Technischen Hochschule Lrsden, Herr Professor I)r. von Meyer, einen Vor- trag über: „Metalle, besonders Silber, in kolloidalem Zustande". Besonders das Silber hat in der Medtcin bereits vielfach erfolgreiche Anwendung gefunden. Unter dem kolloidalen Zustande der Metalle, welcher seiner schweren Zugänglick)- keit wegen bisher nur wenig erforscht wurde, versteht man im Allge- meinen eine Form derselben, in welcher sie vom Wasser in so feiner Bertheilung ausgenommen werden, daß sie gleichsam als gelöst zu betrachten sind. Fügt man zu einer Lösung von Silbrrnitrat und ritconensaureiu Ammon Eisensulfatlösuug, so entsteht zunächst eine tiesbraun gefärbte Flüssigkeit, aus welcher sich durch weiteren Zusatz Von kitrouensaurem Ammon das metallische Silber in kolloidalem (wasserlöslichem) Zustande abscheiden (aussalzen) läßt. Sobald man zu einer Lösung dieses kolloidalen Silbers verdünnte Chlornatrium- lösung zusetzt, io entsteht kein Shlorsilber, sondern es wird das Silber sehr bald ia schwammiger Form abgeschieden. Diese Ab scheidung findet jedoch nicht oder nur theilweise statt, wenn gleichzeitig Liwrißstofse zugegen sind. Auf letzterer Eigenschaft beruhen dir günstigen Wirkungen des colloidalen Silbers bei seiner medicinischen Verwendung, indem dasselbe, dem menschlichen Organismus einver- leibt, nicht in unlöslicher Form abgeschieden, sondern gelöst durch den Kreislauf der Säfte an die Stelle des Körpers befördert wird, wo es wirken soll. Vortragender besprach hierauf noch di« Ein wirkung von Säuren auf kolloidales Silber, durch welche gewöhn liches metallisches Silber aus demselben abgeschieden wird, und zwar ist zu dieser Abscheidung umsomehr Säure nöthig, je schwächer die- selbe ist. Die Halogene (Chlor, Brom, Jod) vereinigen sich mit den in wässeriger Lösung befindlichen Theilchen des colloidalen Silbers zu kolloidalem Hologensilber, welches sich voraussichtlich in den Körpersüsten ebenso bewegt, wie das kolloidale Silber selbst. Den Feuilleton. Vle verhangutßvoUe Maibowle. Humor«-k« vou Friedrich Thieme. Nachdruck verboten. E» giebt im Menschenleben Augenblicke . . . Augenblicke wie diejenigen, wo der Rittergutsbesitzer Ignaz Döllinger sich Nachmittag« gegen 3 Uhr in seinem Bett empor richtete und mit halboffenen Augen verwundert um sich sah. Wenn ich «inen Roman schrieb«, ko würde H«rr Döllinger nunmehr mit geisterhafte, Stimme flüstern: „Wo bin ich?" Da ich den Leser aber mit einer wahre» Begebenheit bekannt mache, so kann ich nicht umhin, zu gestehen, daß der AuSruf de» Herrn Döllinger «her wie: „Alle Donnerwetter!" und nicht weniger al- geisterhaft klang. Gleichzeitig mit Herrn Döllinger erhob sich eine andere an dem Bette sitzende Gestalt und machte ihrem gepreßten Herzen mit den Worten Luft: „Endlich, Männchen, endlich!" „Riekchen", brummte der Erwacht«, seine bessere Hälfte er kennend, worauf er nach kurzem Besinnen hinzusetzte: „Wie spät ist's denn?" „Halb vier —" „Ach du lieber Himmel — und so lange —?" „Hast Du geschlafen. Wie befindest Du Dich denn, Nazi?" Herr Döllinger griff seufzend nach seiner Stirn. „HundSmtfferabel", stöhnte er. „Mein Kopf ist wie «in Bienenkorb — zehn Mühlräder drehen sich darin herum — Riekchen, bei unserer Lieb« — besorge mir schleunigst rin« Taff« pechschwarzen Mokka, drei Loth auf ein Viertel Liter Wasser, und «in«» Hering au» der tiefsten Tiefe de» Kasse». Di« gutmüthig« Hausfrau eilt«, ihre« Manne» Wünsch« zu erfüllen, während dieser unter unendlichen Seufzern da- Lager verließ und sich ankleidet«. Da» begehrt« Frühstück — eigentlich war eS ein Vesperbrod — verbessert« seinen Zustand bi» zu jenem Galgenhumor, w«l«h«r di« Qualen «in«» Kater« so sehr zu «rleichtern pflegt. In solcher Stimmung empfing Herr Döllinger den Besuch eine» Freunde», der seine Verwunderung aussprach, den nüchternsten Man» der Welt mit den höllischen Geistern des Alcoholteufels sich herumstreiten zu sehen. „Daran ist nur die verwünschte Maibowle schuld", ächzte Döllinger zur Antwort. „Denk' nur: wir feierten gestern den Geburtstag meines Gut»nachbar» Hartwig — die Dame de» Hauses kredenzte eine Waldmristrrbowle von wunderbarem Aroma — da erfaßte mich, der ich seit meiner Studentenzeit niemals wieder einen Rausch gehabt, die Helle Begeisterung — ich zittere, daran zu denken, wie viel Glas ich vertilgt haben mag!" „Na, was schadet's", tröstete der Besucher. „DaS ist wohl ein Unglück, aber noch lange kein Verbrechen." Döllinger betrachtete ihn mit einem kläglichen Blicke. „Wer weiß", murmelte er. „Ich will Dir'» nur gestehen — ich war gestern in einer Laune — in einer Laune, um Bäume auSzuretßen! Nun quält mich die Angst, alle möglichen Dumm heiten begangen zu habe», von denen ich nicht» m«hr weiß — von dem Augenblicke an, wo ich mich bei Hartwig'» empfahl, um in meinen Wagen zu steigen, bi» zu dem Moment meine» Erwachens in meinem angestammten Bett«, habe ich nämlich keine Ahnung mehr, was eigentlich mit mir passtrt ist." „Da» ist freilich fatal!" „Aber wie! Hoffentlich hab' ich kein Unheil angrrlchtet — Herrgott, ich könnte »inen Mord begangen haben und hätte nicht mal «ine Ahnung mehr davon!" „So schlimm wird'» wohl nicht gewesen sein." „Fast schäme ich mich, ins Freie zu gehen und den Menschen unter dir Augen zu treten. Und doch muß ich an die frische Luft, mir zerspringt der Schädel. Ach was, ich werde auS- fahren", rief Döllinger erfreut. „Willst Du mit?" Bürgermeister Grundmann — die» der Name de» Besucher» — verneinte. Er schützte seine AmtSgrschäfke vor, der Ritter- guttbesttzer klingelte nach dem Kutscher. Zwei Minuten später stand der alte Johann vor ihm. „Johann, ich will au»fahr«n." Johan» zog ein äußerst pfiffige» Gesicht, nickte derständniß- innig und deutele mit der Haad auf du Stirn. „Kann mir'» denken, Nazi — hast einen höllischen Kater", erwiderte er gutmüthig. „Da will ich nur anspannen." Döllinger und der Bürgermeister starrten den Burschen ob seiner dreisten Rede sprachlos an. Endlich faßte sich Döllinger und schrie zornig: ,,Wa» ist das für eine Frechheit? Was unterstehen Die sich, Johann? Hab' ich mit Euch schon die Schweine gehütet?" Jetzt kam die Reihe, «in erstaunte Miene zu fabriziren, an Johann. „Aber Nazi", antwortete er entrüstet, „wir haben doch gestern Brüderschaft 'trunken — wir —" „Brüderschaft? Mit Ihnen?" Der Kutscher bejaht«. Der Bürgermeister ließ ein Helles Lachen höre». „Ist mir nicht eingefallen!" polterte der Rittergutsbesitzer, „Ihr müßt geträumt haben." „I bewahre — entsinnst Du Dich denn nicht mehr? Wir fuhren durch Krippendorf, da wolltest Du mit aller Gewalt noch 'mal eiakehren, obgleich Du schon geladen genug warst. Ich mußt« mit in den Gasthof. Dort warst Du ganz gut und zärtlich zu mir, ich mußte Dir in einem fort Bescheid thun. Zuletzt sollt' ich Brüderschaft mit Dir trinken. Ich wollte nicht wegen des Standesunterschiedes. Da wurdest Du ganz eklig, sagtest, das sei alles dummes Zeug. Mensch sei Mensch, Tugend und Intelligenz bedeute mehr als alles Geld und aller äußere Firlefanz. So mußt« ich wohl oder übel nachgeben. Wenn ichSi« sagte unterwegs, wurdest Du grob — so fügte ich mich endlich drein. Weißt Du denn das nicht mehr?" „Wissen? Natürlich, Alle» weih ich!" braust« Döllinger auf und kratzte sich verlegen am Kopfe. Endlich fiel ihm ein Aus weg ein. Er zog Johann auf die Seit«, drückt, ihm ein Zwanzig-Markstück in di« all« Zeit offene biedere Rechte und flüsterte ihm zu: „Johann, ich hab' mir gestern nur einen Seherz mit Ihnen gemacht, verstanden? Ein solches Ver hältniß zwischen uns würde sich doch nicht recht schicken — lassen wir es beim Alten." „Mir soll'S recht sein, guädig«r H«rr", brummt« der Kutscher vergnügt. „Ich hab' mir'S gleich gedacht, daß — daß eS nur ein Scherz war von dem gnädigen Herrn." „Gut — spannen Sie an." „Zu Befehl, gnädiger Herr!" Johann stürmte hinaus, und der Bürgermeister lacht«, daß ihm die Kehle zu bersten drohte. Papa Döllinger aber rannte wüthend hin und her. „Da siehst Du es nun — Bomben und Granaten, davon wußte ich kein Wort mehr. Mag der Himmel wissen, was ich Alle» noch ausgefreffcn habe!" In diesem Augenblicke klopfte es. Auf Döllinger'» „Herein" erschien sein Secretair, ein junger Mann in etwas faden scheinigem schwarzem Anzuge. „Sie sprachen gestern früh von einem nothwendigen Briefe, Herr Döllinger. Soll ich ihn jetzt schreiben?" „Nein, nein — ich — ich bin heute nicht recht wohl. Wir wollen es bis morgen früh lassen." „Haben Sie außerdem noch Aufträge? Sonst würde ich nach Hause gehen." „Geh n Sie nur." Trotzdem blieb der Secretair noch stehen. „Nun, wa» giebt es noch?" „Ich wollte mir nur noch einmal erlauben, Ihnen meinen innigsten Dank für mich und auch im Namen meiner Mutter auszusprechen." „Wofür denn?" fragte Döllinger erstaunt. „Kür die Erhöhung meine» Salair», Herr Döllinger." Döllinger warf einen unruhigen Blick auf seinen Freund. „Ihre- SalairS? Ach ja — hm — wie hoch hatte ich gesagt?" „Monatlich hundertfünfzig Mark —" „Gegen bisher achtzig? Heiliges —" Döllinger besann sich plötzlich, trat an das Fenster und trommelte einen Augenblick an den Scheiben. „Ganz recht — so sagte ich. Ihr Fleiß hatte schon lange eine solche Anerkennung verdient. Sie — wann hatten Sie mir Ihr Anliegen vorgrtragen?" „Gestern Abend, als Sie zurückkehrt«», H«rr Döllinger. Ich