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lVezug-'Prei^ B«e Hauptexpeditton oder den im Stad»» bezirk und den Bororten errichteten slu> oabestellrn abgeholt: vierteljährlich ^>4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« t>au- L.üO. Durch die Post bezogen siir Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich »ch 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandicnduag in- Au-land: monatlich 7.Ü0. Wie Borgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, di« d»bend<Aukgal>e Wochentag- um K Uhr,' Nrdaction und Expedition; AohitttticSgasse 8. 4)1« Expedition ist Wochentag- ununterbrochen gebssnrt von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen; lkttn klemin'S Eortim. (Alfred Hahn), Universitätsslrabe 3 (Paulinus LailiS Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und KönigSpla- D 425. Morgen-Ausgabe Dienstag den 23. August 1898. lelpMcr.TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aatljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. A«zetgs«»Pr»t- die -gespaltene Petttzeile LV Pf^ Reklamen unter demRedactionsstrich (4g» spult«») bO^, vor den Familirnnachrtchtr« (S gespalten) 40^. Grüßen Schriften laut unserem Preis- VL-richniß. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarif. Ortrn-Vettagen (gesalzt), nur mit der Morgen»Au»gabr, ohne Postbefürderung mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab«nd-Au»gabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpedtti-l» zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Bestellungen auf NtistMilllMllts uimnlt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus Dir Erprilitimi -cs Miger Tageblattes, Johannisgasse 8. Eine konservative Aeußerung zu den preußischen LanLtagswahlen. LZ Zum ersten Male tragt jetzt eines der Organe, die mit der cvnservaliven Partei Fühlung unterhalten, der Tbatsache Rechnung, daß bei den bevorstehenden Landtagswahlen die konservativen mit dem Freisinn und der diesem verbündeten Socialdemokratie nicht allein auf der preußischen Welt sein werden. Die „Kreuzzeitung" erörtert die Stellungnahme zu den Nationalliberalen im Wahlkampfe. Sie gelangt zu dem Ergcbniß: „Wenn die nationalliberale Partei sich an dem Kampfe der Herren Singer, Richter, Rickert gegen die „agrarische Gefahr" nicht betheiligt, so möchten wir unseren Gesinnungsgenossen da, wo nicht besondere Verhältnisse ein abweichendes Verhalten erforderlich erscheinen lassen, die Achtung ihres Besitzstandes empfehlen. Es ist zu bezweifeln, daß die Nationallrberalen in Preußen von dieser dürftigen und zweideutigen Parole sich befriedigt zeigen werden. Abgesehen davon, daß „besondere Verhältnisse", die die Bekämpfung der Nationalliberalen erforderlich erscheinen lassen, mit einigem schlechten Willen überall da, wo man den Besitzstand mit nicht allzugerinzer Aussicht auf eigenen Erfolg bevrcben kann, als vorhanden proclamirt werden könne, die „Kreuzztg." läßt ihrer Partei auch die Möglich keit offen, auch solche Nationalliberale als Kämpfer gegen die „agrarische Gefahr" zu kennzeichnen, die sich nicht von den wirthschaftSpolitischen, sondern von rein politischen Er wägungen bei der Wahl bestimmen lassen. Die „Nationalztg." sieht allerdings jetzt nur noch „Agrarier", aber mag dieses Blatt wie immer sich verhalten, die Conservativen wissen sehr gut, daß der Nationalliberalismus wirthschaftlich ihnen weit näher steht als dem Freisinn und daß, wenn nationaliiberale Wähler einem Freisinnigen vor einem Conservativcn den Vorzug geben sollten, dies in der Absicht geschähe, andere als agrarische Gefahren abznwenden. Was die Nationalliberalen und Con- servaliven wirthschaftlich weiter auseinanderführen könnte, Doppelwährung, Antrag Kanitz oder Rückfall in grundsätzliche Handelsvertragsgegnerschaft, liegt auf dem HkcichSgebiete. In Preußen wird als wirthschaftliche Frage von großer Wichtigkeit nur die Canalfraze zu löse« sein. Aber gerade hinsichtlich der staatlichen Canalbauten neigt Eugen - Richter bekanntlich der conservativen Auffassung zu, und kein Freund der Vermehrung der Wasserstraßen wird so thöricht sein, um ihretwillen die Gefolgschaft deS seine Fraction absolut beherrschenden volksparteilichen Führers zu verstärken. Der Ausdruck „agrarische Gefahr" in diesem Zusammenhang kann eine Falle bedeuten und unzweideutig ist auch nicht, was die „Kreuzztg." ihrer „Empfehlung" vorauSschickt: Sie schreibt gegenüber der „Nationalztg": „Die Nationalliberalen haben doch bisher in kritischen Zeiten immer noch Selbsterhaltungstrieb genug besessen, um sich von der Demokratie nicht alS Kanonenfutter gegen die „Reaciion" verwenden zu lassen, d. h. gegen die einzige Partei, die mit ihnen unentwegt für des Vaterlandes Macht und Glanz eingetreten ist." , , Die Nationalliberalen erblicken nicht in der „einzigen Partei u. s. w." an sich die Gefahr der Reaction, wenigstens nicht der Reaction in ihrer bedrohlichsten Gestalt. Vereins gesetz, Ässessorenparagraph und verwandte Dinge, deren man sich von den Conservativen versehen kann, sind sehr uner wünscht. Aber bei diesen Wahlen muß sich der National liberalismus vor Allem die Möglichkeit einer gesetzlichen Festlegung und Ausdehnung der Ultramontanisirung, nicht etwa nur der Volksschule, sondern des ganzen UntrrrichtS- wesenS vor Augen halten, ein Gebiet, auf daS sich die Be trachtungen der „Krruzzeitg." nicht erstrecken. Sie erwähnt das Centrum gar nicht, und doch würden die Conservativen, wenn es zu ihrer Bekämpfung durch die Nationalliberalen käme, als der Absicht der Verbindung mit dem Centrum verdächtig bekämpft werden. Hier hat die „Kreuzztg." eine Lücke auszusüllen. Zn allem Uebrigen wird sie mindestens gut thun, sich etwas genauer an die Geschichte zu kalten. Niemand wird den preußischen Conservativen das Recht zugestehen, den Nationalliberalen eine nationale „Wahlenthaltungscensur" auszustellen. Dieses Nichteramt kommt unter den Parteien außer der Neichspartei nur den Nationalliberalen zu. Denn diese sind wirklich „un entwegt" für das Vaterland eingetreten unter Opferung deö Parteiinteresses. Die preußischen Conservativen aber haben den Schöpfer von deS „Vaterlandes Macht und Größe" die Bitternisse der Declarantenzeit kosten lasse» und waren entschlossen, das Bürgerliche Gesetzbuch, ein nationales Werk von unschätzbarem Werthe, falls es die Verpflichtung zur Vergütung des Hase »schadens nut sich gebracht hätte, preis zugeben. „Etwas mehr Bescheidenheit" ziemt sich doch für die „Kreuzzeitung", und vor allen Dingen weit mehr Wahr haftigkeit, um nicht zu sagen weniger Verleumdungssucht. Wenn die „Kreuzzeitung" heute bemerkt, die Nationalliberalen pflügten auf wirthschaftlichem Gebiete „mit fremdem Kalbe", es sei eben „nationalliberale Geschäftsusance geworden, mit Nachdruck die Sorge für Landwirthscbaft und Industrie zu betheuern, sich für das Handwerk zu interessiren, und dergleichen mehr", so verdiente daS Blatt eigentlich an einen seiner früheren Leiter und besten Begriffe von Ehrlichkeit erinnert zu werden. An die „Kälber" der Conservativen, wir haben sie zum Theil schon aufgezählt, die Doppelwährung, den Antrag Kanitz und die NeichSbank- verstaatlichung, haben dieNationalliberalen nie die Hand geregt. Die vernünftigen und redlichen Schritte zur Besserung der Lage der Landwirthscbaft und deS Handwerks, die gethan worden sind, haben die Nationalliberalen zum Theil angeregt, so z. B. die Börsengesetzgebung und die Beschränkung der Geschäftsbetriebe der Officicre und Beamten, und niemals mit gemacht, um in Reih und Glied mit den Conservativen zu bleiben; die „Kreuzzeitung" möge sich nur das ungemein lehrreiche Schicksal des Margarinegesetzes vergegenwärtigen. Indessen, Sottisen sind kein Grund, eine Politik abzuweisen, die sich an sich empfiehlt. Und wir glauben, daS Zusammen gehen der Nationalliberalen und Conservativen bei den Land tagswahlen ist empfehlenswerth, die Sicherheit vorausgesetzt, daß eS nicht die Gefahr einer klerikal-conservativen Coalition, wie sie 1892 entstand, in sich birgt. Führen die Conserva tiven einen andern Verlauf herbei, so würde daS Gerede von einem Bündniß „mit Singer" ebenso albern bleiben, wie es sich jetzt in der „Kreuzzeitung" ausnimmt. Kein Social demokrat wird natürlich einem nationalliberalen Wahlmann seine Stimme geben, gerade heute wieder stellt Herr Paul Singer im „Vorwärts" die Nationalliberalen mit den Conservativen auf eine Stufe. Daß übrigens auch von einer allgemeinen Verständigung mit den Freisinnigen nicht die Rede sein kann, bezeugt soeben der Wahrheit gemäß Herr Eugen Richter. Das „gesammtliberale Bündniß" ist der Traum einiger Blätter. ES könnte immer nur ein Zu sammengehen in einer nicht einmal sehr beträchtlichen Anzahl von Wahlkreisen in Frage kommen. Aber die Nothwrndigkeit auch nur einer so begrenzten Verbindung gegen die Conservativen wäre wegen der möglichen Rückwirkung auf die ReichSpolitik und im Hinblick auf die preußischen Angelegenheiten, welche daö Reich nahe berühren, eine bedauerliche. Vor Allem kommt die Polenvolitik in Betracht, in der der Freisinn, wie Herr Richter zufällig heute wieder verrälh, seine bisherige Unzuverlässigkeit zu bewahren gedenkt. Wir hoffen, mit den Erklärungen in der „Kreuzzeitung" wird daS letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen sein. Deutsches Reich. Berlin, 22. August. Die Socialdemokratie stellt die offenkundigsten Thatsachen auf den Kopf. In der Er wähnung eines Vorschlages zur Aenderung des Reichstagswahl rechts glaubt das Centralorgan dieser Partei, die Gleichstellung der Handarbeiter mit den akademisch Gebildeten bei der Aus übung des Wahlrechts dadurch vertheidigen zu sollen, daß es be hauptet, die Arbeiter seien doch fast in Allem weit schlechter ge stellt, Blut- und Geld steuern würden von ihnen viel schwerer getragen. Unter der Blutsteuer wird die Dienst pflicht verstanden. Seitdem die zweijährige Dienstpflicht eiN- geführt ist, ist der Unterschied in der Länge der Dienstdauer zwischen den Ein- und Zweijährigen durchaus nicht bedeutend. Die letzteren dienen rund 1 Jahr II Monate und haben, wettn es hoch kommt, im Beurlaubtenstande Uebungen von insgesammt einem Monate abzumachen. Der Einjährige dient zu nächst sein volles Jahr, hat dann aber, soweit die nicht zu Officieten Beförderten in Betracht kommen, im Beurlaubten- tande regelmäßig noch 5 Monate bei der Fahne zu weilen. Der Unterschied von 7 Monaten wird wohl durch die eigene Unter haltung während des Dienstjahres und durch di« längeren Unterbrechungen der Eivilbeschäftigung ausgeglichen. Für die zu Osficieren beförderten Einjährigen ist das Verhältnis ein noch ungünstigeres. Was aber die Gcldsieuern betrifft, so hat der „Vorwärts" Wohl vergessen, daß ein sehr großer Theil der Arbeiterschaft, in Preußen wenigstens, an den Staat directe Steuern überhaupt Nicht mehr bezahlt, seitdem die Einkommen unter 900 von der Steuer befreit sind. Die darüber hinaus gehenden werden in den unteren Classen procentual diel geringer besteuert als in den höheren. Bei den Gemeindesteuern ist es ebenso, in Preußen ist nach dem neuen Communalabgabengesetz die Arbeiterschaft stark entlastet worden. Zu den indirekten Steuern aber trägt Jeder nach seinem Verbrauche bei. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß der Arbeiter bei der Ab leistung seiner Dienst- und Steuerpflicht schlechter gestellt ist als dieakademischGebildeten. Die letzteren haben überall den größeren Theil det Pflichten auf ihren Schultern. Dazu kommt, daß die Arbeiter durch die Ver sicherungsgesetzgebung gegen die verschiedensten Noihfälle des Lebens gesichert sind. Die Socialdemokratie stellt also völlig die Thatsachen auf den Kopf, wenn sie behcwptet, di« Arbeiter seien in Allem, nur nicht im Wahlrecht, schlechter gestellt als die aka demisch Gebildeten. 6. Verkitt, 22. August. Der Deutsche Fischereirath hat dieser Tage gelegentlich seiner sechsten Jahresversamm lung sich u. A. mit einem Entwurf zu einer Verord nung über die Abführung von Schmutzstoffen in die Gewässer beschäftigt. DaS Thema ist geeignet, das größte Interesse, namentlich auch der industriellen Kreise auf sich zu ziehen. Der Entwurf, der unter Anlehnung an die in Elsaß-Lothringen, Baden und der Schweiz geltenden Vorschriften von zwei bekannten Autoritäten auf dem Gebiete deS FischereiwesknS, d-N Professoren Hulwa und Weigekt, zur Beschlußfassung vorgelegt wird, hüt folgenden Wortlaut: Art. l. Der SiNwUrs von Abfällen jeglicher Art in bie Gewässer darf nur dann stottfinden, wenn Nachgewiesen wird, daß deren Nutzbarmachung oder Beseitigung durch Aufarbeitung NNd Wiedergewinnung oder aus anderem Wege ohne unverhilltuibmäßigen Kostenaufwand nicht durchführbar ist. Art. Ii. Bei Ettheiluiig det Genehmigung zur Ableitung von verunreinigenden Abgängen aus Wohnstätten, Fabriken, gewerblichen oder land« Uiid hau-wirthschUstlichen Betrieben in ein Gewässer sind, unter der Voraussetzung, daß daS die Abwässer aus nehmende fließende Gewässer bei Niederwasser eine mindesienS zehn fache Wassermenge führt, folgende Maßnahmen anzuordnen: Art. HI. Dir Abgänge sind vor Einverleibung itt die Gewässer, wenn nöthig, abgeküblt (vergl. Nr. 8) durch Reinigung (vergl. Nr. 9) und Verdünnung thuitlichsi unschädlich zu machen: 1) Trübe Abwässer dürfen ittit biS zu 10 auf Tausend Sink- und Schwebestoffe enthalten, 2) abläufende Flüssigkeiten nicht mehr alS 10 aus Tausend ge löster MtUeralstoffe, mit Ausnahme bon Kochsalz und Ehlotcaleium, FruiHstoll». Entdeckungen und Erfindungen. Technische Reime. Von Rudolf Curtius. Nachdruck vrrsoten. Unter den naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen des letzten Vierteljahres kann sich keines auch nur annähernd seiner Bedeutung nach messen mit der dem englischen Professor Dewar gelungenen Verflüssigung des Wasserstoffaases und den damit im engsten Zusammenhänge stehenden Untersuchungen über die Zusammensetzung der atmosphärischen Lüft. Schon dem englischen Gelehrten Faraday War es vor sieben Jahrzehnten gelungen, die meisten Gase durch starken Druck zu verflüssigen. Eine kleine Anzahl, nämlich Sumpfgas, Kohlen oxyd, Stickstoff, Fluor, Sauerstoff, die gewöhnliche atmosphä rische Luft und Wasserstoff trotzten aber den Verdichtungsver suchen und wurden deshalb als permanente Gase bezeichnet. Als man dahinter kam, daß zur Verflüssigung eines GckseS hoher Druck allein nicht ausreicht, sondern daß man das Gas bis zu einer für jede GaSart verschiedenen Tem peratur (sogenannt« kritische Temperatur) abkiihlen muß, erreichte man zwar bei den meisten der ebengenann ten Luftarten den vorgesetzten Zweck, jedoch nur in so kleinem Maßstabe, daß die Technik keinen rechten Nutzen davon zu ziehen vermochte. Erst seit Linde vor etwa drei Jahren flüssige Lüft mittels eines billigen Verfahrens in großem Maßstabe herzu stellen vermochte, kam Neues Leben in die Versuche, welche jetzt zum Abschluß gelangt sind. Dewar bediente sich zur Ausführung seiner Experimente der ungeheueren Kälte, welche entsteht, wenn, man flüssige Luft ver dunsten läßt. Indem er den auf — 206 Grad Celsius ab gekühlten und unter einem Druck von 180 Atmosphären stehenden gasförmigen Wasserstoff in ein anderes, luftleeres und auf die gleiche Temperatur abgekllhltes Gefäß übertreten ließ, erhielt er das flüssig« GaS, von welchem er schon bei dem zweiten Ver such« innerhalb einer Stunde 22 Liter gewann. Wenige Monate vorher war «S demselben Forscher gelungen, auch daS bis dahin nur als GaS bekannte Fluor zu verflüssigen, «in Element von ungeheuerer chemischer Aktivität, welches fast sämmiliche bekannten Stoffe ans das Heftigste angreift und, um ein Beispiel dafür anzuführen, wenn es in flüssigem Zustand« auf Holz getropft wird, dieses sofort in Flammen setzt. Gleichzeitig mit der Verdichtung deS Wasserstoffes gelang auch die Verflüssigung deS Heliuiw jenes eigenthümlichen Grund stoffes, den wir seit wenigen Jahren in Gemeinschaft mit dem Element Argon als einen Bestandtheil unserer Atmosphäre, ferner vieler Quellen und zahlreicher Mineralien kennen gelernt haben. Der Werth dieser Versuch« ist sowohl ein theoretischer als ein praktischer. Durch Verdunstung flüssigen Wasserstoffes ist es jetzt möglich, eine Kälte von mindestens — 243 Grad Celsius zu erzeugen. Wir sind damit nur noch 30 Grad von dem fogenann« ten absolviert Nullpunct entfernt, welchen die Wissenschaft bei — 273 Grad aus theoretischen Gründen annimmt, und werden vermuthlich bald in der Lage sein, eine Probe auf die Richtigkeit unserer physikalischen Vorstellungen über die Gase zu machen. Als man flüssige Luft dem tiefsten erreichbaren Temperaturgrade aussetzte und dann bis auf einen kleinen Rest verdunsten ließ, entdeckte man bei der chemischen Analyse des von diesem Rück stand« gewonnenen Gases noch einen neuen, bisher unbekannten Bestandtheil unserer Luft, welcher den recht unpassenden Namen „Krypton" erhalten hat, obwohl es rtun eben nicht mehr „ver borgen" geblieben ist. Es kommt übrigens in noch viel geringeren Mengen als Argon und Helium in der Atmosphäre vor, von wel cher es nur den zwanzigtausendsten Theil ausmacht. Anschei nend sind wir auch damit noch nicht am Ende der Entdeckungen Uber die Zusammensetzung der Luft, welche noch einige bisher unbekannte Substanzen zu enthalten scheint, Uber deren Existenz die nächsten Monate Wohl Klarheit bringen werden und von denen schon zwei unter den Namen Metargon und Neon bekannt geworden sind. Dank dieser Entdeckungen ist jetzt eine ganz neue Industrie im Entstehen begriffen, in welcher Deutschland mit an erster Stelle marschirt, da in diesem gewerbthätigen Reiche das Bedürfniß nach flüssigen Gasen und nach Erzeugung großer Kältegrade täglich zunimmk. Da wir gerade bei den Gasen verweilen, sei hier erwähnt, das man neuetdings in Frankreich Gas zu Heizzwecken aus Holz statt aus Kohle darstellt. Aus einem Kilogramm Holz gewinnt man über einen Cubikmeier Gas, welches sich be deutend billiger stellt als das gewöhnliche Steinkohlengas, und namentlich in holzreichen Ländern, wo die Holzabfälle fast werthloS sind, von wirthschaftlicher Bedeutung zu werden ver spricht und sicherlich zu einer Hebung unserer deutschen Forst- wirthschast beitragen wird. Schon lange ist es ein Wunsch der Industrie, dem Papier und Geweben, welche aus Pflanzenmaterial, also Cellulose fasern, bergestellt sind, das äußere vornehme Ansehen und die Undurchlästigkeit deS LederS zu verleihen. Man stellt jetzt durch Bestreichen dieser Papiere und Gewebe mit einer Auflösung von Celluloid itr KampherspirituS, welcher man etwas Ricinusöl zu setzt, einen Stoff her, welcher diesen Anforderungen völlig ent spricht und unier dem Namen „Pegamoid" schnell bekannt ge worden ist. DieseS Sirenen nach dem Ersatz theuren Materials durch ein billigeres hat auch zü einem interessanten Verfahren geführt, durch welches man gewöhnlichem Holze, unbeschadet seiner na türlichen Eigenschaften, oas täuschende Aussehen von Metall verleiht. Das Holz wird zu diesem Zwecke je mehrere Tage in ein heißes Düd von calcinirier Soda und in eine Lösung von Talclumhydrosulfit gelegt, welcher man Schwefel und Aehkali zuseht. DaS so zubereiiete und getrocknete Holz nimmt dÜrch Politur einen herrlichen Meiallglanz an, ohne an Haltbarkeit ein zubüßen. Von den Erfindungen des Professors Nernst in Göttingen und des Wiener Erfinder» Auer von Melsbach ist jetzt Genaueres bekannt geworden. Die von Letzterem construirte elektrische Glüh lampe unterscheidet sich von der gewöhnlichen hauptsächlich da durch, daß an Stell« des bekannten Kohlenfaden» rin mit Os miumsalzen imprägnirier gesetzt ist, welcher in der Thai ein ganz vorzügliches Lichiausstrahlungsvermögen besitzt. Die Herstellung ist aber eine derartig mühsame und der Preis des OsmiumS ein so hoher, daß diese Glühlampe voraussichtlich nie praktisch Verwendung finden wird. Dagegen steht die Nernst'sche Lampe im Begriff, in die Öffentlichkeit eingeführt zu werden, nachdem die Schwierigkeit, den Glühkörper beim Beginn des Brennens durch eine hohe Temperatur zu erhitzen, in befriedigender Weise gelöst, ist. Die Lampe brennt auch ohne schützende Glasglocke, ist nicht so leicht dem Zerbrechen ausgesetzt und erfordert nur den dritten Theil des bisher nöthig gewesenen elektrischen Stromes. Immerhin beträgt der Wärmeverlust auf Kosten des Lichtes noch mehr als 90 Procent, und es wäre eine große Errungen schaft, wenn man ein Licht erzeugen könnte, bei welchem keine Wärme entsteht. Dieses Problem soll nun ein junger ameri kanischer Elektriker Namens Haines gelöst haben, indem er durch eine vervollkommnete Crookes'sche Röhre, wie sie auch Tesla zu seinen berühmten Versuchen benutzte, einen elektrischen Strom von der ungeheuren Spannung einer Million Volt hindurch sandte, wobei von den Röhren ein nahezu kaltes Licht von blendendem Glanze ausstrahlte, welches 96 Procent des elektrischen Stromes in Licht und nur 5 Procent in Wärme umseht. Die von den Crookes'schen Röhren ausgehenden Röntgen strahlen haben uns ein Mittel an die Hand gegeben, den Scheintod vom wirklichen Tod mit Sicherheit zu unterscheiden. Die Vorstellung, einmal nur scheintodt zu sein und lebendig be graben zu werden, ist eine so grauenhafte, daß die Auffindung eines sicheren Kennzeichens des Todes nur mit Freude be grüßt werden kann. Bei einem nur Scheintodten dauern Athmung und Herzschlag — wenn auch in sehr herabgesetztem Maße — fort. In Folge dessen zeigt in diesem Falle eine NöntgenphoivHraphie die verschiedenen Organe des Brustkorbes, seine Seiienwände und das Zwerchfell nur mit verschwommenen Umrissen, weil, so lange noch ein Funken von Leben vorhanden ist, fortwährend kleine Bewegungen im Brustkorb stattfinden. Das Röntgenbild einer Leiche zeigt dagegen alle Organe in scharfen Umrissen, weil hier jede Bewegung aufgehört Hai. Ebenso sicher ist übrigens die Betrachtung des Augenhinnr- grundes mit dem Augenspiegel. Bekanntlich enthalten die vom Herzen zur Peripherie des Körpers führenden Blutgefäße, die so genannten Arterien, hellrothes, dagegen die von der Peripherie zum Herzen zurückführenden Denen dunkelroihes Bluk, und man erkennt bei der Betrachtung der Augennetzhaut eines Lebenden an dieser Farbe sofort, welche von den in dieselbe eingebetteten feinen Blutgefäße Arterien und welche Denen sind. Beim Todten gleicht sich das Blut zwischen beiden vollständig aus und die Gefäße zeigen keinen Farbenunterschied. Vielfache Unter suchungen haben ergeben, daß diese Probe nie versagt, und es wäre sehr zu wünschen, daß die Augenspiegelung bei der Todtenschau obligatorisch würde. Die Metallurgie ist im Begriffe, das Holz aus einer Do- maine zu verdrängen, in welcher eS bisber unumschränkt ge- herrscht hat, nämlich aus der Fabrikation von Fässern. Der Gedankt ist nicht neu; dir bisher au» Metall htrgest«llt«n chlinderförmigen Fässer erwiesen sich aber nicht als praktisch, weil sie der nöthigen Festigkeit und leichten Handlichkeit ent behrten, welche im Wesentlichen von der bauchigen Form der Fässer abhängt. Die neue Fabrikationsmethode stellt den aus gebauchten Faßrumpf durch Walzen her und schweißt die Böden, welche separat hergestellt werden, schließlich auf elek trischem Wege an. Die Stahlfässer haben vor den aus Holz gefertigten nicht nur den Vorzug größerer Haltbarkeit, Undurch Dringlichkeit und Unveränderlichkeit des Inhaltes, sondern auch den Umstand voraus, daß sie bei gleich großen Dimensionen wesentlich mehr nutzbaren Rauminhalt haben. Die Amerikaner können sich rühmen, gegenwärtig die größte Kanon« der Welt zu besitzen. Das Ungethiim, welches zum Schutze von New Dort Verwendung finden soll, ist nicht weniger als 16 Meter lang, wiegt 126 OOÖ Kilogramm und schießt ein zuckethuiförwiges Geschoß von 1200 Kilogramm bis auf eine Entfernung von 26 Kilometer. Solche Riesen sind natürlich nur sehr schwer transportirbar; man hat daher ebenfalls in Amerika eine zerlegbare Kanone construirt. Diese Kanone besteht aus einer großen Zahl an einander liegender Stahlscheibenringe, welche durch Stahlstangen zusammrngehalten werden. Während in der Union die Kriegsdrommeien noch nicht ver stummt sind, rüstet sich das größte Reich der alten Welt zu einem Ftiedenswerke von eminenter Bedeutung. Rußland beginnt den großen Seeschifffahrtscanal, welcher das Schwarze Meer mit der Ostsee verbinden soll. Diese Wasserstraße, welche bei Riga beginnen wird, geht zunächst an der Düna herauf bis Dünaburg, führt dann als Canal bis zur Stadt Lepel und zur Beresina und in dieser herunter bis zum Dniepr, in dessen Bette sie bei Cherson das Schwarze Meer erreicht. Von der 1600 Kilometer langen Gesammtstrecke müssen 200 Kilometer völlig neu als Canal ausgegraben werden, während auf den übrigen 1400 Kilo metern die vorhandenen Flußbett« entsprechend vertieft werden. Als Breite des Canals sind 66 Meter, als Tiefe Meter vor gesehen und man hofft, daß auch die größten Schiff« den Canal, der 200 Millionen Rubel kosten soll, in sechs Tagen werden passiren können. Die medicinische Wissenschaft kann sich rühmen, endlich ein antiseptisches Streupulver erhalten zu haben, welches sich für den Hausgebrauch eignet und durch seine Vielseitigkeit und Wirk samkeit alles Bisherige übertrifft. Wer überhaupt gewohnt ist, die vielfachen kleineren und größeren Verletzungen, Schnitt- und Rißwunden, Quetschungen, Brandwunden, Ivie sie in jeder Famili« häufig vorkommen, wo man tüchtig zugreift und arbeitet, antiseptisch zu behandeln, kennt die Schattenseiten des Jodoforms, welches namentlich peinlich auf die Geruchsnerven wirkt. Das hier i« Rede stehende Mittel, „Xeroform" genannt, ist nahezu geruchlos und angenehm wirkend, eS bildet sofort auf nässenden Wunden eine den Heilungsproceh fördernde Krufle, ist von prompter, die Bakterienentwicktlung hemmender Wirkung, unbegrenzt haltbar und dabei billig. In Fachkreisen schon seit einiger Zeit bekannt, sollte selbiges — das man ge trost als Wunderheilmittel der Zukunft bezeichnen kann — wegen seiner anerkannten Vorzüge in jeder Hausapotheke Aufnahm« find«».